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LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 24.01.2011, 14 Sa 1399/10

   
Schlagworte: Elternzeit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 14 Sa 1399/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.01.2011
   
Leitsätze: Die Inanspruchnahme von Elternzeit für das dritte Jahr nach der Geburt eines Kindes im Anschluss an eine zunächst für zwei Jahre verlangte Elternzeit bedarf in Anwendung von § 16 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG keiner Zustimmung des Arbeitgebers ( im Anschluss an LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.11.2004 - 4 Sa 606/04 - juris; LAG Niedersachsen, Urteil vom 13.11.2006 - 5 Sa 402/06 - juris ).
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.09.2010, 4 Ca 4023/10
   

Te­nor:

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 29.09.2010 - 4 Ca 4023/10 - wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob die El­tern­zeit der Kläge­rin bis zur Voll­endung des drit­ten Jah­res ih­res zu­letzt ge­bo­re­nen Kin­des fort­be­steht.

Die Kläge­rin trat zum 01.04.2002 in die Diens­te der Be­klag­ten, die ein Lea­sing­un­ter­neh­men an ins­ge­samt acht Stand­or­ten be­treibt. Die Kläge­rin war als Ver­triebs­mit­ar­bei­te­rin im In­nen­dienst der Be­triebsstätte F. in Voll­zeit zu ei­nem mo­nat­li­chen Ge­halt von zu­letzt 3.585,83 € brut­to beschäftigt.

Nach der Ge­burt ih­res ers­ten Kin­des am 11.06.2006 ver­lang­te die Kläge­rin ge­genüber der Be­klag­ten El­tern­zeit bis zum 10.06.2008. Nach­dem sie am 08.06.2008 ihr zwei­tes Kind be­kom­men hat­te, teil­te sie der Be­klag­ten mit, dass sie nach Ab­schluss der Mut­ter­schutz­frist am 03.08.2008 acht Ta­ge Ur­laub neh­men wer­de und dann zunächst für zwei Jah­re bis zur Voll­endung des zwei­ten Le­bens­jah­res des Kin­des in El­tern­zeit ge­hen wol­le. Gleich­zei­tig be­an­trag­te die Kläge­rin die Über­tra­gung des drit­ten Jah­res der El­tern­zeit für das ers­te Kind auf die Zeit bis zur Voll­endung des ach­ten Le­bens­jah­res. Die Be­klag­te teil­te dar­auf­hin mit, der Über­tra­gung für das ers­te Kind wer­de nicht zu­ge­stimmt. Sie bestätig­te aber den Ur­laub so­wie ei­nen An­trag der Kläge­rin auf El­tern­zeit für den Zeit­raum vom 14.08.2008 bis 13.08.2010.

Am 17.03.2010 teil­te die Kläge­rin der Be­klag­ten per E-Mail mit, sie würde ger­ne nach En­de ih­rer El­tern­zeit ei­ne Teil­zeittätig­keit mit 24 Wo­chen­stun­den auf­neh­men, wo­bei sie sich ei­ne Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit auf Diens­tag bis Frei­tag von 8.30 Uhr bis 14.30 Uhr wünsche; für die wei­te­re Pla­nung, ins­be­son­de­re we­gen der Kin­der­be­treu­ung, bit­te sie um bal­di­ge Rück­mel­dung. Die Be­klag­te wies mit Schrei­ben vom 13.04.2010 dar­auf hin, dass sie auf die Wie­der­auf­nah­me der Tätig­keit ein­ge­rich­tet sei, aber die­se nur in bis­he­ri­gem Um­fang und nicht in Teil­zeit möglich sei. Im An­schluss dar­an teil­te die Kläge­rin mit Schrei­ben vom 16.04.2010 der Be­klag­ten mit, dass sie ihr drit­tes Jahr der El­tern­zeit vom 07.08.2010 bis 07.06.2011 in An­spruch neh­me; sie be­an­tra­ge zu­gleich - nun­mehr in­ner­halb der El­tern­zeit- ab dem 01.10.2010 ei­ne Teil­zeit­beschäfti­gung mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 24 St­un­den, wo­bei sie sich ei­ne Ver­tei­lung auf Diens­tag bis Frei­tag von 8.30 Uhr bis 14.30 Uhr vor­stel­le. In der Fol­ge­zeit kam es nicht zu ei­ner Verständi­gung der Par­tei­en über ei­ner Teil­zeittätig­keit der Kläge­rin. Die Be­klag­te teil­te mit Schrei­ben vom 19.05.2010 mit, dass sie der Verlänge­rung der El­tern­zeit um ein drit­tes Jahr nicht zu­stim­me und die Ar­beits­auf­nah­me der Kläge­rin für den 16.08.2010 (Mon­tag) fest vor­ge­se­hen sei.

Mit der vor­lie­gen­den Kla­ge hat die Kläge­rin die Fest­stel­lung be­gehrt, dass sie sich bis zum 07.06.2011 in El­tern­zeit be­fin­de. Über den wei­te­ren An­trag der Kläge­rin auf Zu­stim­mung der Be­klag­ten zu ei­ner Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit der Kläge­rin in der Zeit vom 01.10.2010 bis 07.06.2011 ha­ben die Par­tei­en in der Kam­mer­sit­zung am 01.09.2010 ei­nen Teil­ver­gleich ge­schlos­sen, nach dem die Kläge­rin in dem vor­ge­nann­ten Zeit­raum bei ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 24 St­un­den mon­tags bis don­ners­tags von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr so­wie frei­tags von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr ih­re Tätig­keit ver­rich­tet.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass sie sich im Rah­men des zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses auch über den 15.08.2010 hin­aus bis zum 07.06.2011 in El­tern­zeit be­fin­det.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat die An­sicht ver­tre­ten, die El­tern­zeit der Kläge­rin ha­be mit dem 07.06.2010 sein En­de ge­fun­den, da sie als Ar­beit­ge­ber ei­ner Verlänge­rung nicht zu­ge­stimmt ha­be. Die Kläge­rin ha­be sich im Übri­gen spätes­tens mit der E-Mail vom 17.03.2010 ge­bun­den, in der sie die Wie­der­auf­nah­me ih­rer Tätig­keit an­gekündigt ha­be.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge durch das am 29.09.2010 verkünde­te Ur­teil, auf das we­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten ver­wie­sen wird, statt­ge­ge­ben. Hier­ge­gen wen­det sich die Be­klag­te mit der Be­ru­fung, mit der sie ihr erst­in­stanz­li­ches Kla­ge­ab­wei­sungs­be­geh­ren wei­ter­ver­folgt, während die Kläge­rin um Zurück­wei­sung der Be­ru­fung bit­tet.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der zwi­schen den Par­tei­en in bei­den Rechtszügen
ge­wech­sel­ten Schriftsätze so­wie auf die zu den Ak­ten ge­reich­ten Un­ter­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat der Fest­stel­lungs­kla­ge, über die nach dem Teil­ver­gleich der Par­tei­en noch zu ent­schei­den war, zu Recht statt­ge­ge­ben.

I. Die Kla­ge ist zulässig.

1.Der von der Kläge­rin ge­stell­te An­trag be­darf der Aus­le­gung. So­weit in dem Kla­ge­an­trag ein Fort­be­stand der El­tern­zeit "über den 15.08.2010 hin­aus" gel­tend ge­macht wird, be­ruht dies er­sicht­lich dar­auf, dass die Be­klag­te zunächst mein­te, die zweijähri­ge El­tern­zeit der Kläge­rin en­de nicht am 07.06.2010, son­dern daue­re we­gen der Mut­ter­schutz­frist und des da­nach gewähr­ten Er­ho­lungs­ur­laubs noch bis zum 13.08.2010 an. Dies ent­sprach al­ler­dings we­der der in § 16 Abs. 1 Satz 4 BEEG vor­ge­se­he­nen An­rech­nung die­ser Zei­ten auf die El­tern­zeit noch der vor­aus­ge­gan­ge­nen Mit­tei­lung der Kläge­rin. Das Da­tum im Kla­ge­an­trag war da­nach al­lein dar­auf zurück­zuführen, dass die Be­klag­te aus ih­rer feh­ler­haf­ten Sicht der Kläge­rin mit dem Schrei­ben vom 19.05.2010 als Tag der Ar­beits­auf­nah­me den 16.08.2010 ge­nannt hat­te. Die Kläge­rin hat un­abhängig hier­von in der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung aus­drück­lich bestätigt, dass es ihr um die Fest­stel­lung ge­he, dass ih­re El­tern­zeit oh­ne Un­ter­bre­chung bis zum 07.06.2011 fort­be­steht.

2.Die Fest­stel­lungs­kla­ge ist mit dem vor­ge­nann­ten In­halt gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Die Par­tei­en strei­ten über den Sta­tus, in dem sich das Ar­beits­verhält­nis bis zu dem ge­nann­ten Zeit­punkt be­fin­det. Der Fest­stel­lungs­an­trag ist ge­eig­net, den Streit über die Rechts­be­zie­hun­gen zu klären. Die Vor­in­stanz ist zu Recht da­von aus­ge­gan­gen, dass das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se im Sin­ne von § 256 Abs. 1 ZPO nicht durch den Teil­ver­gleich der Par­tei­en über die Teil­zeittätig­keit der Kläge­rin in dem Zeit­raum vom 01.10.2010 bis 07.06.2011 ent­fal­len ist. Mit ei­ner Fort­dau­er der El­tern­zeit ist für die Kläge­rin nicht nur der be­son­de­re Kündi­gungs­schutz gemäß § 18 BEEG ver­bun­den, son­dern die­se kann während ei­ner El­tern­zeit zu­dem wei­te­re Son­der­rech­te für sich in An­spruch neh­men, die an­sons­ten nicht bestünden. So kann die Kläge­rin z.B. gemäß § 15 Abs. 6 BEEG von der Be­klag­ten un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen ei­ne noch­ma­li­ge Ver­rin­ge­rung ih­rer Ar­beits­zeit ver­lan­gen. Sie hat fer­ner gemäß § 19 BEEG ein Son­derkündi­gungs­recht un­ter Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist von drei Mo­na­ten zum En­de der El­tern­zeit.

II. Die Be­ru­fungs­kam­mer folgt dem Ar­beits­ge­richt auch dar­in, dass die Kla­ge be­gründet ist. Die El­tern­zeit der Kläge­rin für das zwei­te Kind dau­ert gemäß § 15 Abs. 2 BEEG noch bis zum 07.06.2011 un­un­ter­bro­chen an. Ei­ne Zu­stim­mung der Be­klag­ten für das drit­te Jahr der El­tern­zeit war nicht er­for­der­lich. Die Erklärungs­frist des § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG hat die Kläge­rin ein­ge­hal­ten.

1. Der An­spruch auf El­tern­zeit be­steht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG bis zur Voll­endung des drit­ten Le­bens­jah­res ei­nes Kin­des. Die El­tern­zeit er­folgt durch ent­spre­chen­de Erklärung bzw. An­zei­ge des Ar­beit­neh­mers ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber. Es be­darf kei­ner Gewährung durch den Ar­beit­ge­ber wie im Fal­le ei­nes Er­ho­lungs­ur­laubs. Bei der In­an­spruch­nah­me ist al­ler­dings zu be­ach­ten, dass die El­tern­zeit, es sei denn aus­nahms­wei­se lie­gen drin­gen­de Gründe für ei­ne an­ge­mes­se­ne kürze­re Frist vor, gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG spätes­tens sie­ben Wo­chen vor Be­ginn schrift­lich vom Ar­beit­ge­ber ver­langt und da­bei gleich­zei­tig erklärt wer­den muss, für wel­che Zei­ten in­ner­halb von zwei Jah­ren El­tern­zeit ge­nom­men wer­den soll. Die mit der Neu­fas­sung des Bun­des­er­zie­hungs­geld­ge­set­zes ab dem 01.01.2001 ein­geführ­te und für das Bun­des­el­tern­geld- und El­tern­zeit­ge­setz über­nom­me­ne zeit­li­che Fest­le­gung bis zur Voll­endung des zwei­ten Le­bens­jah­res des Kin­des ist zwin­gend vor­ge­schrie­ben und für bei­de Ar­beits­ver­trags­par­tei­en (zunächst) ver­bind­lich (vgl. ErfK/Dörner/Gall­ner, 11. Aufl., § 16 BEEG Rn. 4). Die ge­setz­li­che Vor­schrift be­inhal­tet ei­nen Kom­pro­miss zwi­schen den Dis­po­si­ti­ons­in­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ei­ner­seits und den In­ter­es­sen der El­tern an ei­ner möglichst fle­xi­blen Ge­stal­tung der El­tern­zeit an­de­rer­seits (vgl. Lin­de­mann/Si­mon, NJW 2001, 260; sie­he auch BT-Drucks. 14/3553, S. 22). Für den Ar­beit­neh­mer be­deu­tet dies, dass, wenn er z.B. ursprüng­lich El­tern­zeit für zwölf Mo­na­te seit der Ge­burt des Kin­des ver­langt hat, im dop­pel­ten Sin­ne für die ers­ten zwei Jah­re ge­bun­den ist. Er muss zwölf Mo­na­te tatsächlich in El­tern­zeit ge­hen und er kann später für die un­mit­tel­bar sich an­sch­ließen­den zwölf Mo­na­te mit Rück­sicht auf die Bin­dungs­wir­kung für die ers­ten bei­den Jah­re kei­ne wei­te­re El­tern­zeit mehr ver­lan­gen (LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Teil­ur­teil vom 14.04.2010 - 10 Sa 59/09 - ju­ris; vgl. zu die­sem Bei­spiel: Sow­ka, NZA 2000, 1185). Die dem Ar­beit­neh­mer gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG ab­ver­lang­te Erklärung be­zieht sich le­dig­lich auf ei­nen Min­dest­zeit­raum, für den er sich fest­le­gen muss. Die ge­setz­li­che Re­ge­lung schließt nicht aus, dass von vorn­her­ein die ge­sam­te El­tern­zeit bis zur Voll­endung des drit­ten Le­bens­jah­res des Kin­des in An­spruch ge­nom­men wird. Auch in­so­weit wird der El­tern­zeit­be­rech­tig­te al­ler­dings durch sei­ne Erklärung ge­bun­den (vgl. BAG, Ur­teil vom 27.04.2004, AP Nr. 39 zu § 15 BErzGG). Die El­tern­zeit kann so­dann gemäß 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG nur mit Zu­stim­mung des Ar­beit­ge­bers vor­zei­tig be­en­det oder im Rah­men des § 15 Abs. 2 BEEG verlängert wer­den.

2.Es ist um­strit­ten, ob aus § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG folgt, dass ein Ar­beit­neh­mer, der sich zunächst auf ei­ne Fest­le­gung der El­tern­zeit für die bei­den ers­ten Jah­re seit der Ge­burt des Kin­des be­schränkt hat, für ei­ne wei­te­re El­tern­zeit bis zur Voll­endung des drit­ten Le­bens­jah­res des Kin­des der Zu­stim­mung des Ar­beit­ge­bers be­darf. Letz­te­res ver­tre­ten vor al­lem Dörner/Gall­ner, die dies da­mit be­gründen, dass sich § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG nur auf die Er­st­an­mel­dung der El­tern­zeit be­zie­he und die­se Vor­schrift im Übri­gen durch § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG mit dem aus­drück­li­chen Ver­weis auf § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG ver­drängt wer­de (vgl. ErfK, a. a. O; so z.B. auch HWK/Gaul, 4. Aufl., § 16 BEEG Rn. 4; DFL/Böck, 3. Aufl., § 16 BEEG Rn.4). Die wohl herr­schen­de Auf­fas­sung geht hin­ge­gen da­von aus, dass es sich bei der Gel­tend­ma­chung der El­tern­zeit für das drit­te Le­bens­jahr des Kin­des um ein zu­stim­mungs­frei­es Ver­lan­gen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG han­delt (vgl. Buch­ner/Be­cker, 8. Aufl., § 16 BEEG Rn. 15; HK-ArbG/ Rei­ne­cke, § 16 BEEG Rn. 12; dies., Per­so­nal­buch 2010, "Stich­wort "El­tern­zeit" Rn. 19; Sow­ka, NZA 2001, 1888; ders., Fest­schrift 50 Jah­re BAG, S. 229, 231; Rolfs/Krei­ke­bohm-Neu­mann, § 16 BEEG Rn. 6; Oberthür, Ar­bRB 2005, 189; LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 04.11.2004 - 4 Sa 606/04 -ju­ris; LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 13.11.2006 - 5 Sa 402/06 - ju­ris; so wohl auch LAG Ba­den-Würt­tem­berg, a. a. O., ju­ris Rn. 46; ArbG Frank­furt, Ur­teil vom 22.04.2010, NZA-RR 2010, 487 f.). Die Be­ru­fungs­kam­mer schließt sich der zu­letzt ge­nann­ten An­sicht an. Für sie spre­chen die bes­se­ren Gründe. Dörner/Gall­ner ist zwar ein­zuräum­en, dass sich § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG nach sei­nem Wort­laut, wie die Satzhälf­te am En­de ver­deut­licht, an sich auf die In­an­spruch­nah­me der El­tern­zeit in den bei­den ers­ten Jah­ren nach der Ge­burt Kin­des be­zieht. Nicht über­zeu­gend er­scheint aber die dar­aus ge­zo­ge­ne Schluss­fol­ge­rung, dass bei der wei­te­ren Gel­tend­ma­chung von El­tern­zeit für das drit­te Le­bens­jahr des Kin­des nun­mehr § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG ein­schlägig sei. Die­se Auf­fas­sung ist zu sehr dem Wort­laut ver­haf­tet und berück­sich­tigt nicht genügend den im Ge­setz zum Aus­druck ge­kom­me­nen Wil­len, über ei­ne fle­xi­bi­li­sier­te El­tern­zeit zur bes­se­ren Ver­ein­bar­keit von Fa­mi­lie und Be­ruf bei­zu­tra­gen und die be­ruf­li­che Mo­ti­va­ti­on jun­ger El­tern zu erhöhen. Denn vor der ge­setz­li­chen Neu­fas­sung zum 01.01.2001 muss­te sich der Ar­beit­neh­mer vor Be­ginn der El­tern­zeit in Hin­blick auf die ihm zu­ste­hen­de Ge­samt­dau­er von drei Jah­ren von vorn­her­ein fest­le­gen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG be­steht zwar wie zu­vor ein An­spruch auf El­tern­zeit für die Ge­samt­dau­er von drei Jah­ren, der El­tern­zeit­be­rech­tig­te muss sich aber nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG zu An­fang nur für die ers­ten bei­den Jah­re ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber erklären. Le­dig­lich für die­sen Zeit­raum erhält der Ar­beit­ge­ber da­durch zunächst ei­ne Pla­nungs­si­cher­heit für den be­trieb­li­chen Ab­lauf. Es ist dem Ge­samt­zu­sam­men­hang der §§ 15, 16 BEEG nicht zu ent­neh­men, dass der Ar­beit­neh­mer be­reits zu Be­ginn über die ge­sam­te Dau­er der El­tern­zeit dis­po­nie­ren muss, an­dern­falls er mögli­che Rechts­nach­tei­le zu er­war­ten hat. Dar­auf läuft je­doch die Ar­gu­men­ta­ti­on von Dörner/Gall­ner hin­aus, nach der ein Ar­beit­neh­mer, der zunächst gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG ei­ne Erklärung nur für die ers­ten bei­den Jah­re ab­gibt, für die Ausschöpfung des dreijähri­gen El­tern­zeit­rau­mes auf ei­ne für ihn un­ge­wis­se Zu­stim­mung des Ar­beit­ge­bers an­ge­wie­sen ist. Dies wird der Fle­xi­bi­li­sie­rung der El­tern­zeit nach den gel­ten­den Vor­schrif­ten nicht ge­recht und lässt sich auch nicht mit der Erwägung auf­recht­er­hal­ten, die Zu­stim­mung des Ar­beit­ge­bers zu ei­ner sol­chen "Verlänge­rung" der El­tern­zeit sei re­gelmäßig zu er­tei­len (so Dörner/Gall­ner, a.a.O.). Die ver­bind­li­che Fest­le­gung der El­tern­zeit für zunächst le­dig­lich zwei Jah­re hat ih­ren Grund er­kenn­bar dar­in, dass die El­tern ei­nes Kin­des den Be­treu­ungs­auf­wand für das Kind oft nicht so­fort kon­kret einschätzen können. Es soll ih­nen zu­dem Zeit für die Über­le­gung ein­geräumt wer­den, ob sie gemäß § 15 Abs. 2 Satz 4 BEEG ei­nen Zeit­raum von bis zu zwölf Mo­na­ten als El­tern­zeit auf die Zeit bis zur Voll­endung des ach­ten Le­bens­jah­res des Kin­des - dies al­ler­dings mit Zu­stim­mung des Ar­beit­ge­bers - über­tra­gen wol­len (vgl. Göhle-San­der, Jur­PR-ArbR 15/2007 Anm. 2). Der Wort­laut von § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG mag vor die­sem Hin­ter­grund miss­verständ­lich for­mu­liert sein, als dort da­von die Re­de ist, dass die El­tern­zeit vor­zei­tig be­en­det oder "im Rah­men des § 15 Abs. 2" verlängert wer­den kann, wenn der Ar­beit­ge­ber zu­stimmt. Die zi­tier­te Ein­schränkung soll aber al­lein klar­stel­len, dass auch bei ei­nem Ein­ver­neh­men zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer kei­ne El­tern­zeit im Sin­ne des BEEG für ei­nen länge­ren Zeit­raum als drei Jah­re an­dau­ern kann (zu­tr. Be­cker/Buch­ner, a. a. O.). Die über den Zeit­raum von zwei Jah­ren nach der Ge­burt des Kin­des lie­gen­de El­tern­zeit wird da­nach nicht durch ei­ne sich auf die bei­den ers­ten Jah­re be­schränken­de Erklärung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG ver­braucht. Sie muss al­ler­dings vom Ar­beit­neh­mer, wenn er nicht be­reits zu An­fang die Ent­schei­dung für ins­ge­samt drei Jah­re El­tern­zeit trifft, wie­der­um frist­gemäß schrift­lich ver­langt wer­den, d.h. nach der Re­gel der vor­ge­nann­ten Vor­schrift spätes­tens sie­ben Wo­chen vor ih­rem Be­ginn. In­so­fern han­delt es sich im Rechts­sin­ne nicht um ei­ne "Verlänge­rung" der El­tern­zeit, son­dern um die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung ei­nes fort­be­ste­hen­den An­spruchs aus § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG (vgl. LAG Rhein­land-Pfalz, a. a. O.; LAG Nie­der­sach­sen, a. a. O.).

3.In An­wen­dung der vor­ste­hen­den Rechts­grundsätze hat die Kläge­rin mit dem Schrei­ben vom 16.04.2010 ge­genüber der Be­klag­ten im Sin­ne von § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG recht­zei­tig erklärt, im An­schluss an den 07.06.2010 das drit­te Jahr El­tern­zeit in An­spruch zu neh­men. Da­mit dau­ert die El­tern­zeit der Kläge­rin noch bis zum 07.06.2011 an, oh­ne dass die Be­klag­te ih­re Zu­stim­mung da­zu hätte erklären müssen. Das Ar­beits­ge­richt hat rich­tig ge­se­hen, dass der vor­aus­ge­gan­ge­nen E-Mail der Kläge­rin vom 17.03.2010, mit der bloße Wünsche an die Be­klag­te her­an­ge­tra­gen wur­den, kein Ver­zicht auf ei­ne wei­te­re El­tern­zeit zu ent­neh­men ist.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Re­vi­si­on an das Bun­des­ar­beits­ge­richt ist für die Be­klag­te gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­zu­las­sen. Die ent­schei­dungs­er­heb­li­che Rechts­fra­ge, ob die In­an­spruch­nah­me von El­tern­zeit für das drit­te Jahr nach der Ge­burt ei­nes Kin­des im An­schluss an ei­ne zunächst ver­lang­te El­tern­zeit von zwei Jah­ren kei­ner Zu­stim­mung des Ar­beit­ge­bers be­darf, hat grundsätz­li­che Be­deu­tung.

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