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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/179

Ur­laubs­über­tra­gung auch bei Ar­beits­fä­hig­keit?

LAG Düs­sel­dorf: Min­des­t­ur­laub ist un­be­fris­tet: Lan­des­ar­beits­ge­richt Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 31.03.2010, 12 Sa 1512/09
Abrisskalender

14.09.2010. Das Bun­des­ur­laubs­ge­setz (BUrlG) ent­hält ziem­lich star­re Re­ge­lun­gen für die Über­tra­gung des nicht ge­nom­me­nen Ur­laubs auf das Fol­ge­jahr.

So selbst­ver­ständ­lich, wie die Über­tra­gung prak­tisch meist ge­hand­habt wird, ist sie näm­lich nicht, und auch dann, wenn der Ur­laub den Vor­schrif­ten des Ge­set­zes ent­spre­chend auf das Fol­ge­jahr über­tra­gen ist, geht er im Re­geln spä­tes­tens zum 31. März des Fol­ge­jah­res un­ter, falls bis da­hin nicht ge­nom­men wird.

Al­ler­dings sind güns­ti­ge­re Re­ge­lun­gen auf der Ebe­ne des Ar­beits­ver­trags mög­lich. Sie kön­nen auch ein jah­res­lan­ges An­spa­ren von Ur­laub vor­se­hen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 31.03.2010, 12 Sa 1512/09.

Ist ei­ne un­be­grenz­te Über­tra­gung nicht ge­nom­me­nen Ur­laubs auf ar­beits­ver­trag­li­cher Grund­la­ge möglich?

Gemäß § 3 Abs.1 Bun­des­ur­laubs­ge­setz (BUrlG) hat je­der Ar­beit­neh­mer ei­nen An­spruch auf 24 Werk­ta­ge Ur­laub im Jahr, was bei der übli­chen fünftägi­gen Ar­beits­wo­che 20 Ar­beits­ta­gen ent­spricht. Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss der Ur­laub im lau­fen­den Ka­len­der­jahr ge­nom­men wer­den. Die Über­tra­gung nicht ge­nom­me­nen Ur­laubs auf das nächs­te Jahr ist nur un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen möglich ( § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG).

Aber auch dann muss der Ur­laub in den ers­ten drei Mo­na­ten des fol­gen­den Ka­len­der­jah­res ge­nom­men wer­den. En­det das Ar­beits­verhält­nis, oh­ne dass der Ur­laub ge­nom­men wer­den konn­te, dann kann der Ar­beit­neh­mer Ur­laubs­ab­gel­tung, d.h. Geld, ver­lan­gen (§ 7 Abs.4 BUrlG).

In Ar­beits­verträgen kann von die­sen Re­ge­lun­gen zum Vor­teil des Ar­beit­neh­mers ab­ge­wi­chen wer­den (§ 13 Abs.1 Satz 3 BUrlG).

Frag­lich ist al­ler­dings, ob ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Re­ge­lung, die ein jah­re­lan­ges An­spa­ren von Ur­laubs­ansprüchen, die bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­sen zu Geld­ansprüchen bzw. zu Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüchen wer­den, für den Ar­beit­neh­mer ge­genüber den ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen güns­ti­ger ist. Da­ge­gen spricht, dass ei­ne sol­che Ver­trags­ge­stal­tung ei­nen fi­nan­zi­el­len An­reiz schaf­fen könn­te, jah­re­lang kei­nen Ur­laub zu neh­men..

Der Fall: Gut be­zahl­te Führungs­kraft ar­bei­te­te sechs Jah­re im Aus­land oh­ne Ur­laub und ver­langt zu­letzt 130.000,00 EUR Ur­laubs­ab­gel­tung

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer, Herr L, hat­te für ei­ne Ak­ti­en­ge­sell­schaft sechs Jah­re lang oh­ne Er­ho­lungs­ur­laub Führungs­auf­ga­ben in In­di­en wahr­ge­nom­men. Im An­stel­lungs­ver­trag heißt es:

"Herr L. hat An­spruch auf ei­nen jähr­li­chen Er­ho­lungs­ur­laub von dreißig Ar­beits­ta­gen, der in Ab­stim­mung mit den übri­gen Geschäftsführern der in­di­schen Ge­sell­schaf­ten und dem für die Ge­sell­schaf­ten zuständi­gen Vor­stands­mit­glied zeit­lich so fest­zu­le­gen ist, dass die Be­lan­ge der Ge­sell­schaft nicht be­ein­träch­tigt wer­den. Ei­ne Über­tra­gung von Rest­ur­laub auf Fol­ge­jah­re ist möglich. Falls am Ta­ge der Be­en­di­gung des Ver­tra­ges noch Rest­ur­laub vor­han­den ist, wird die­ser mit 50 % vergütet."

In den lau­fen­den Ge­halts­ab­rech­nun­gen war der im­mer wei­ter an­stei­gen­de Um­fang des Rest­ur­laubs aus­ge­wie­sen.

Nach­dem das Ar­beits­verhält­nis en­de­te, mach­te der Kläger aus­ge­hend von sei­nem durch­schnitt­li­chen Mo­nats­ge­halt in Höhe von rund 23.000,00 EUR brut­to Ur­laubs­ab­gel­tung von knapp 130.000 Eu­ro brut­to gel­tend.

An­ders als der Kläger mein­te der Ar­beit­ge­ber, „Fol­ge­jah­re“ im Sin­ne des ver­trag­li­chen Re­ge­lung be­deu­te nur das je­weils auf das Ur­laubs­jahr fol­gen­de Jahr. Zu­dem lägen die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 7 Abs.3 BUrlG für ei­ne Ur­laubsüber­tra­gung nicht vor.

Das Ar­beits­ge­richt Ober­hau­sen gab der Kla­ge in ers­ter In­stanz statt (Ur­teil vom 11.11.2009, 4 Ca 2087/08). Es ver­stand die ver­trag­li­che Re­ge­lung wie der Kläger, d.h. das der Ur­laub un­be­fris­tet und auch oh­ne die Vor­aus­set­zun­gen des § 7 Abs.3 BUrlG au­to­ma­tisch auf die Fol­ge­jah­re über­tra­gen wur­de und da­mit bei En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­gel­tungsfähig war.

Das be­klag­te Un­ter­neh­men leg­te Be­ru­fung beim LAG Düssel­dorf ein.

LAG Düssel­dorf: Wenn der Ver­trag ein zeit­lich un­be­grenz­tes An­spa­ren nicht ge­nom­me­nen Ur­laubs vor­sieht, gilt die­se Re­ge­lung

Das LAG Düssel­dorf bestätig­te sei­ne Vor­in­stanz und wies die Be­ru­fung des Be­klag­ten zurück. Es ent­schied, der Ur­laub sei we­gen der ver­trag­li­chen Klau­sel nicht ver­fal­len und da­her nun ab­zu­gel­ten.

In sei­ner Be­gründung legt es da­bei zunächst die Ver­trags­klau­sel wie das Ar­beits­ge­richt aus. Für ei­ne un­be­grenz­te Über­tra­gung des Ur­lau­bes spre­che der Wort­laut, d.h. die Ver­wen­dung der Mehr­zahl „Fol­ge­jah­re“ statt der Ein­zahl „Fol­ge­jahr“.

Außer­dem ge­he die In­ter­es­sen­la­ge der Par­tei­en er­kenn­bar da­hin, dass - wie es in der Klau­sel for­mu­liert ist - im Fal­le ei­ner „Be­ein­träch­ti­gung der Be­lan­ge der Ge­sell­schaft“ die Ur­laubsüber­tra­gung auch über das je­wei­li­ge Fol­ge­jahr hin­aus statt­fin­den soll­te. Sch­ließlich ha­be der Be­klag­te die ver­trag­li­che Re­ge­lung auch so ver­stan­den, was der Aus­weis des Rest­ur­lau­bes in den Ge­halts­ab­rech­nun­gen zei­ge.

Ei­ne sol­che Über­tra­gungs­ab­re­de verstößt nach Auf­fas­sung des LAG auch nicht ge­gen § 13 Abs.1 Satz 3 BUrlG und ist des­halb wirk­sam. Statt hier zu ar­gu­men­tie­ren, dass die ver­ein­bar­te Ent­fris­tung des Ur­laubs je­den­falls nicht zu Las­ten des kla­gen­den Ar­beit­neh­mers vom Ge­setz ab­weicht, meint das Ge­richt in Ab­wei­chung von der herr­schen­den Li­te­ra­tur­mei­nung und der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG), das BUrlG se­he gar kei­ne Be­fris­tung des Ur­laubs­an­spru­ches auf das Ka­len­der­jahr vor. So ge­se­hen würde die Ver­trags­klau­sel von vorn­her­ein nicht vom Ge­setz ab­wei­chen.

Fa­zit: Ob die all­ge­mei­nen Auf­fas­sun­gen des LAG Düssel­dorf zur Auf­recht­er­hal­tung des Ur­laubs­an­spruchs über das Jah­res­en­de hin­aus rich­tig sind oder nicht - im vor­lie­gen­den Streit­fall stimmt das Er­geb­nis je­den­falls. Denn nach Re­ge­lun­gen des hier ver­ein­bar­ten Ar­beits­ver­trags hat­te der Ar­beit­neh­mer wei­ter­ge­hen­de Rech­te als nach dem Ge­setz, und das ist zulässig.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In­zwi­schen hat auch das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) über die­sen Fall ent­schie­den und das Ur­teil des LAG Düssel­dorf bestätigt, d.h. der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer hat­te auch vor dem BAG Er­folg. In­for­ma­tio­nen zum die­sem BAG-Ur­teil fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 4. Juni 2019

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