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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/234

Zu­sätz­li­cher Ur­laub für Be­reit­schafts­dienst

An­der­wei­ti­ge Vor­schrift in BAT – Kirch­li­che Fas­sung un­wirk­sam: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 15.07.2009, 5 AZR 867/08
Handy und Autoschlüssel Frei­zeit­aus­gleich für nächt­li­chen Be­reit­schafts­dienst

17.12.2009. War­um Ar­beit­neh­mer ent­ge­gen § 48a Abs. 6 BAT-Kirch­li­che Fas­sung ei­nen An­spruch auf Zu­satz­ur­laub für nächt­li­che Be­reit­schafts­diens­te ha­ben, er­läu­tert die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG), BAG, Ur­teil vom 15.07.2009, 5 AZR 867/08.

Be­reit­schafts­dienst

Zum 01.01.2004 wur­de das Ar­beits­zeit­ge­setz (Arb­ZG) neu ge­fasst. Seit­dem ist ge­setz­lich an­er­kannt, dass auch Be­reit­schafts­dienst Ar­beits­zeit ist (§ 2 Arb­ZG). Auf die Vergütung von Be­reit­schafts­diens­ten hat dies ei­gent­lich kei­ne Aus­wir­kun­gen, weil das Ar­beits­zeit­ge­setz nur die Höchst­gren­ze der zulässi­gen Ar­beits­zeit, nicht aber de­ren Vergütung, re­gelt.

Auf wel­che Wei­se ein Ar­beit­neh­mer für Be­reit­schafts­diens­te ho­no­riert wird, ob er hierfür ei­ne zusätz­li­che Vergütung erhält oder die Be­reit­schafts­diens­te in Frei­zeit aus­ge­gli­chen wer­den, ist in Ta­rif­verträgen bzw. in Ar­beits­verträgen, in de­nen auf Ta­rif­verträge ver­wie­sen wird, ge­re­gelt. Die Be­stim­mung im neu ge­fass­ten Arb­ZG, dass Be­reit­schafts­dienst als Ar­beits­zeit gilt, hat da­bei nor­ma­ler­wei­se kei­nen Ein­fluss auf die in den Ta­rif­verträgen ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen zur Ho­no­rie­rung der Be­reit­schafts­diens­te, d.h. we­gen der Neu­fas­sung des Arb­ZG ist nor­ma­ler­wei­se kei­ne Neu­re­ge­lung der ta­rif­li­chen Be­stim­mun­gen er­for­der­lich.

Aus­nahms­wei­se kann die Be­wer­tung von Be­reit­schafts­dienst als Ar­beits­zeit je­doch auch Aus­wir­kun­gen auf die ta­rif­li­che Vergütung für ge­leis­te­te Be­reit­schafts­diens­te ha­ben. Nach § 48a Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag Kirch­li­che Fas­sung (BAT-KF) hat ein Beschäftig­ter, der in ei­nem be­stimm­ten Um­fang „Nacht­ar­beits­stun­den“ leis­tet, An­spruch auf Zu­satz­ur­laub. Wer al­ler­dings die­se „Nacht­ar­beits­stun­den“ nicht als re­guläre Ar­beits­zeit leis­tet son­dern durch Be­reit­schafts­diens­te, erhält gemäß § 48a Abs. 6 Satz 1 BAT-KF kei­nen Zu­satz­ur­laub.

Die Wirk­sam­keit die­ser Re­ge­lung im BAT-KF, die da­zu führt, dass Be­reit­schafts­diens­te ge­genüber Vol­l­ar­beit schlech­ter ge­stellt wer­den, ist pro­ble­ma­tisch, weil nach § 6 Abs. 5 Arb­ZG Ar­beit­neh­mern ein an­ge­mes­se­ner Frei­zeit­aus­gleich oder Lohn­zu­schlag gewährt wer­den muss, wenn sie Nacht­ar­beit leis­ten und ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen nicht be­ste­hen. Vor die­sem Hin­ter­grund stellt sich auch die Fra­ge, ob der BAT-KF über­haupt ei­nen Ta­rif­ver­trag im ei­gent­li­chen Sin­ne dar­stellt. Mit die­sen Fra­gen be­fasst sich die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) vom 15.07.2009 (5 AZR 867/08).

Der Fall des Bun­des­ar­beits­ge­richts: Kran­ken­schwes­ter for­dert Zu­satz­ur­laub für nächt­li­chen Be­reit­schafts­dienst. § 48a Abs. 6 Satz 1 BAT-KF schließt die­sen An­spruch aus.

Die kla­gen­de Ar­beit­neh­me­rin, ei­ne Kran­ken­schwes­ter, ist in ei­nem Kran­ken­haus an­ge­stellt. In ih­rem Ar­beits­ver­trag ist ge­re­gelt, dass der BAT-KF an­ge­wen­det wird. Die Kran­ken­schwes­ter ar­bei­tet fünf Ta­gen pro Wo­che ins­ge­samt 38,5 St­un­den und hat re­gelmäßig zusätz­lich nachts Be­reit­schafts­dienst. Der Be­reit­schafts­dienst be­ginnt di­rekt nach ih­rer je­wei­li­gen Schicht, spätes­tens um 23.00 Uhr und en­det am nächs­ten Mor­gen um 7.00 Uhr.

Zu­satz­ur­laub für die­se Be­reit­schafts­diens­te erhält die Kran­ken­schwes­ter nicht, weil dies gemäß § 48a Abs. 6 Satz 1 BAT-KF ja nur für die re­guläre Nacht­ar­beit vor­ge­se­hen ist. In dem BAT-KF ist außer­dem ge­re­gelt, dass Ansprüche sechs Mo­na­te nach Fällig­keit schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den müssen und an­sons­ten ver­fal­len (Aus­schluss­frist).

En­de Sep­tem­ber 2006 mach­te die Kran­ken­schwes­ter neun Ta­ge Zu­satz­ur­laub für Be­reit­schafts­diens­te für das Jahr 2005 schrift­lich gel­tend. Das Kran­ken­haus teil­te ihr dar­auf­hin An­fang Ok­to­ber 2006 in ei­nem Schrei­ben mit, da dies­bezüglich noch ein ar­beits­ge­richt­li­ches Ver­fah­ren anhängig sei, könne man ih­rem An­trag nicht ent­spre­chen, neh­me das Schrei­ben aber frist­wah­rend zu ih­rer Per­so­nal­ak­te und wer­de sie nach Aus­gang des Ver­fah­rens in­for­mie­ren. An­sons­ten mach­te die Kran­ken­schwes­ter ei­nen An­spruch auf Zu­satz­ur­laub nicht schrift­lich gel­tend.

Im Au­gust 2007 er­hob die Kran­ken­schwes­ter Kla­ge un­ter Be­ru­fung auf § 48a BAT-KF und for­der­te die Gewährung von je­weils drei Zu­satz­ur­laubs­ta­gen für 2004, 2005 und 2006. Das Ar­beits­ge­richt wies die Kla­ge ab. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm (Ur­teil vom 10.07.2008, 16 Sa 45/08) gab der Kran­ken­schwes­ter je­doch teil­wei­se recht und sprach ihr ei­nen An­spruch auf drei Zu­satz­ur­laubs­ta­ge für das Jahr 2006 zu. Hier­ge­gen leg­ten bei­de Par­tei­en Re­vi­si­on ein.

Bun­des­ar­beits­ge­richt: Aus­schluss des Zu­satz­ur­laubs in § 48a Abs. 6 Satz 1 BAT-KF für Be­reit­schafts­dienst ist un­wirk­sam

Das BAG wies bei­de Re­vi­sio­nen zurück, bestätig­te al­so die Ent­schei­dung des LAG Hamm.
Es sprach der Kran­ken­schwes­ter kei­nen Zu­satz­ur­laub für die Jah­re 2004 und 2005 zu, weil sie die­se Ansprüche nicht bzw. zu spät gel­tend ge­macht hat­te und die Ansprüche des­halb ver­fal­len wa­ren. Für das Jahr 2006 galt dies da­ge­gen nach Auf­fas­sung des BAG nicht, weil das Kran­ken­haus durch das Schrei­ben An­fang Ok­to­ber 2006 den Ein­druck er­weckt hat­te, auf die Aus­schluss­frist ver­zich­ten zu wol­len.

Ein An­spruch auf Zu­satz­ur­laub für Be­reit­schafts­diens­te be­steht nach Auf­fas­sung des BAG, weil es sich bei dem BAT-KF nicht um ei­nen Ta­rif­ver­trag han­delt. Dies ist dar­auf zurück­zuführen, dass die kirch­li­chen Träger den Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag nicht kom­plett son­dern nur ein­zel­ne Vor­schrif­ten hier­aus über­neh­men, an­de­re Re­ge­lun­gen da­ge­gen abändern. Die­se Re­ge­lun­gen wer­den je­doch nicht wie bei Ta­rif­verträgen zwi­schen Ar­beit­ge­ber bzw. Ar­beit­ge­ber­ver­band und Ge­werk­schaf­ten ge­trof­fen, son­dern durch ei­ne pa­ritätisch be­setz­te Schieds­kom­mis­si­on. Dem­ent­spre­chend geht das BAG da­von aus, dass ei­ne ta­rif­li­che Aus­gleichs­re­ge­lung nicht be­steht und des­halb nach § 6 Abs. 5 Arb­ZG ein an­ge­mes­se­ner Aus­gleich der nächt­li­chen Be­reit­schafts­diens­te er­fol­gen muss.

Bei dem BAT-KF han­delt es sich nach An­sicht des BAG in Wirk­lich­keit um All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB). Ei­ne AGB-recht­li­che Kon­trol­le hält das BAG da­bei für zulässig, weil die­se nur bei Ta­rif­verträgen gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) aus­ge­schlos­sen ist. Bei dem BAT-KF han­delt es sich je­doch ge­ra­de nicht um ei­nen Ta­rif­ver­trag und die Be­stim­mun­gen des BAT wur­den eben­falls nicht un­verändert über­nom­men.

Der Aus­schluss des Aus­gleichs für nächt­li­che Be­reit­schafts­diens­te in § 48a Abs. 6 BAT-KF ist nach Auf­fas­sung des BAG da­nach un­wirk­sam, weil er den Ar­beit­neh­mer im Sin­ne von § 307 Abs. 1 BGB ent­ge­gen Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt. Dies schließt das BAG dar­aus, dass vom ge­setz­li­chen Leit­bild ab­ge­wi­chen wird, weil nach dem ge­setz­li­chen Leit­bild je­de nächt­li­che Ar­beits­zeit, al­so auch nächt­li­che Be­reit­schafts­diens­te, aus­ge­gli­chen wer­den müssen (§ 6 Abs. 5 Arb­ZG).

Fa­zit: Nach § 48a BAT-KF ist Nacht­ar­beit al­so auch wei­ter­hin durch Zu­satz­ur­laub aus­zu­glei­chen. Aber die Re­ge­lung in § 48a Abs. 6 BAT-KF, dass dies nicht für nächt­li­che Be­reit­schafts­diens­te gilt, ist un­wirk­sam. Für nächt­li­chen Be­reit­schafts­dienst ist des­halb ge­nau­so Zu­satz­ur­laub zu gewähren wie für re­guläre Nacht­ar­beit.

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Letzte Überarbeitung: 14. September 2016

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