HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

HANDBUCH ARBEITSRECHT

Be­reit­schafts­dienst

In­for­ma­tio­nen zum The­ma Be­reit­schafts­dienst: Hen­sche Rechts­an­wäl­te, Kanz­lei für Ar­beits­recht
Frauenquote OP

Auf die­ser Sei­te fin­den Sie In­for­ma­tio­nen zu der Fra­ge, was man un­ter Be­reit­schafts­dienst ver­steht, wie Be­reit­schafts­diens­te ver­gü­tet wer­den und ob Be­reit­schafts­dienst zur Ar­beits­zeit im Sin­ne des Ar­beits­zeit­ge­set­zes (Arb­ZG) zählt.

Au­ßer­dem fin­den Sie Hin­wei­se zum Stand der po­li­ti­schen Dis­kus­si­on über ei­ne Re­form der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 04.11.2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung, die den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben des deut­schen Arb­ZG zu­grun­de liegt.

von Rechts­an­walt Dr. Mar­tin Hen­sche, Fach­an­walt für Ar­beits­recht, Ber­lin

Was ver­steht man un­ter Be­reit­schafts­dienst?

Ein Ar­beit­neh­mer, der Be­reit­schafts­dienst leis­tet, muss sich eben­so wie bei der Ar­beits­be­reit­schaft im Be­trieb oder in des­sen un­mit­tel­ba­rer Nähe auf­hal­ten, um bei Be­darf möglichst rasch die Ar­beit auf­neh­men zu können.

An­ders als bei der Ar­beits­be­reit­schaft muss der Ar­beit­neh­mer im Fal­le des Be­reit­schafts­diens­tes nicht un­be­dingt am Ar­beits­platz an­we­send sein und selbst lau­fend be­ob­ach­ten, ob ein Ar­beits­be­darf ge­ge­ben ist oder nicht. Er kann viel­mehr le­sen, fern­se­hen oder schla­fen.

Die­se Form der Ar­beit ver­rich­tet z.B. ein Kran­ken­haus­arzt, der sich während des Wo­chen­en­des oder in der Nacht in der Kli­nik aufhält, um bei Be­darf rasch für Pa­ti­en­ten da zu sein.

Wie wer­den Be­reit­schafts­diens­te vergütet?

Da Be­reit­schafts­dienst­zei­ten ge­genüber der nor­ma­len Vol­l­ar­beit mit ei­ner we­ni­ger zeit­in­ten­si­ven Be­las­tun­gen des Ar­beit­neh­mers ver­bun­den sind, wer­den sie tra­di­tio­nell ge­rin­ger be­zahlt als Zei­ten der Vol­l­ar­beit. Ob und in wel­chem Um­fang Be­reit­schafts­dienst­zei­ten ge­rin­ger als die Vol­l­ar­beit bzw. re­guläre Dienst­zei­ten vergütet wer­den, ist ent­we­der von den Re­ge­lun­gen des Ar­beits­ver­trags abhängig (was sel­ten vor­kommt) oder (im Re­gel­fall) von ei­nem auf das Ar­beits­verhält­nis an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­trag oder aber von den für das Ar­beits­verhält­nis gel­ten­den Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en (AVR) (in kon­fes­sio­nell ge­bun­de­nen Ein­rich­tun­gen).

In Ta­rif­verträgen wird die Be­zah­lung oft von dem „übli­chen“ Her­an­zie­hungs­an­teil, d.h. dem An­teil der Vol­l­ar­beit während des Be­reit­schafts­diens­tes abhängig ge­macht. Beträgt der Her­an­zie­hungs­an­teil z.B. 40 Pro­zent (oder 60 Pro­zent), wird pro Be­reit­schafts­dienst­stun­de 40 Pro­zent (oder 60 Pro­zent) der nor­ma­len St­un­den­vergütung ge­zahlt (zuzüglich der je nach La­ge des Diens­tes zu zah­len­den Nacht- oder Fei­er­tags­zu­schläge).

Zählt Be­reit­schafts­dienst zur Ar­beits­zeit im Sin­ne des Ar­beits­zeit­ge­set­zes?

Die Fra­ge, ob Be­reit­schafts­dienst als Ar­beits­zeit im Sin­ne des Ar­beits­zeit­ge­set­zes (Arb­ZG) an­zu­se­hen ist oder nicht, war bis zum In­kraft­tre­ten der letz­ten großen Ände­rung des Arb­ZG am 01.01.2004 hef­tig um­strit­ten. Die Ar­beit­ge­ber­po­si­ti­on in die­sem Streit be­sag­te, dass nur die Zei­ten der Her­an­zie­hung während des Be­reit­schafts­diens­tes als Ar­beits­zeit im Sin­ne des Arb­ZG zu be­wer­ten sei­en, nicht aber die ge­sam­te Zeit des Be­reit­schafts­diens­tes.

Hin­ter­grund des Streits war die Ar­beits­zeit­richt­li­nie, d.h. die Richt­li­nie 93/104/EG des Ra­tes vom 23.11.1993 (Richt­li­nie 93/104/EG), die im Jah­re 2003 in Ge­stalt ei­ner re­dak­tio­nel­len Übe­r­ar­bei­tung als Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 04.11.2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung gilt.

Die Ar­beits­zeit­richt­li­nie schreibt in Art.6 Buch­sta­be b vor, dass die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maßnah­men tref­fen müssen, da­mit die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit der Ar­beit­neh­mer pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 St­un­den ein­sch­ließlich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Re­ge­lung war schon in der na­mens­glei­chen Vorgänger­richt­li­nie vom 23.11.1993 (Richt­li­nie 93/104/EG des Ra­tes vom 23.11.1993) ent­hal­ten und - als de­ren Be­stand­teil - bin­nen drei Jah­ren, d.h. bis zum 13.12.1996 in na­tio­na­les Recht um­zu­set­zen.

Auf der Grund­la­ge der Ar­beits­zeit­richt­li­nie ent­schied der Eu­ropäische Ge­richts­hof (EuGH), dass der Be­reit­schafts­dienst, ins­be­son­de­re der ärzt­li­che Be­reit­schafts­dienst in Kran­kenhäusern, in vol­lem Um­fang als Ar­beits­zeit im Sin­ne der Richt­li­nie an­zu­se­hen sei (EuGH, Ur­teil vom 03.10.2000, Rs. C-303/98 - SI­MAP).

Da das Arb­ZG 1994 mit die­sen An­for­de­run­gen nicht ver­ein­bar war, in­dem es den Be­reit­schafts­dienst nicht als Ar­beits­zeit be­wer­te­te und da­her über­lan­ge bzw. mit der Ar­beits­zeit­richt­li­nie un­ver­ein­ba­re Ta­ges- und Wo­chen­ar­beits­zei­ten er­laub­te, wur­de es zum 01.01.2004 geändert. Die we­sent­li­chen Ände­run­gen des Arb­ZG 2004 ge­genüber der al­ten Ge­set­zes­fas­sung be­tref­fen den Be­reit­schafts­dienst und be­ste­hen in fol­gen­den Punk­ten:

  • Be­reit­schafts­diens­te sind seit dem 01.01.2004 in vol­lem Um­fang bei der Be­rech­nung der wöchent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit (48 St­un­den) und der tägli­chen Höchst­ar­beits­zeit (8 bzw. - bei Zeit­aus­gleich - 10 St­un­den) zu berück­sich­ti­gen.
  • Durch Ta­rif­ver­trag (oder auf­grund ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges durch Be­triebs- oder Dienst­ver­ein­ba­rung) ist es zwar wei­ter­hin möglich, die Ar­beits­zeit auf über zehn St­un­den pro Tag zu verlängern, wenn in die Ar­beits­zeit re­gelmäßig und in er­heb­li­chem Um­fang Ar­beits­be­reit­schaft oder Be­reit­schafts­dienst fällt. Hier­bei darf die Ar­beits­zeit al­ler­dings wöchent­lich im Durch­schnitt von 12 Mo­na­ten 48 St­un­den nicht über­schrei­ten.
  • Durch ei­ne erst­mals zum 01.01.2004 in das Arb­ZG auf­ge­nom­me­ne Re­ge­lung ist es möglich, in Ta­rif­verträgen - oder auf­grund ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges in Be­triebs- oder Dienst­ver­ein­ba­run­gen - ei­ne Er­laub­nis dafür zu schaf­fen, dass Ar­beit­neh­mer sich durch schrift­li­che Erklärung zu ei­ner im Prin­zip un­be­grenz­ten Verlänge­rung ih­rer tägli­chen und wöchent­li­chen Ar­beits­zeit oh­ne Zeit­aus­gleich ver­pflich­ten (sog. „Opt-Out“). Ei­ne sol­che Ein­wil­li­gung kann der Ar­beit­neh­mer je­der­zeit, al­ler­dings mit ei­ner lan­gen Frist von sechs Mo­na­ten wi­der­ru­fen.
  • All­ge­mein muss bei ei­ner Verlänge­rung der tägli­chen Ar­beits­zeit über zwölf St­un­den hin­aus im un­mit­tel­ba­ren An­schluss an die Be­en­di­gung der Ar­beits­zeit ei­ne Ru­he­zeit von elf St­un­den gewährt wer­den.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen zu die­sen Fra­gen fin­den Sie un­ter dem Stich­wort "Ar­beits­zeit und Ar­beits­zeit­recht".

Ist ei­ne Re­form der Ar­beits­zeit­richt­li­nie wahr­schein­lich?

Am 10.06.2008 verständig­ten sich die EU-Ar­beits­mi­nis­ter auf die erst­ma­li­ge Ver­ab­schie­dung ei­ner Zeit­ar­beits­richt­li­nie und zu­gleich auf ei­ne weit­ge­hen­de Entschärfung der Ar­beits­zeit­richt­li­nie. Nach dem Ent­wurf der Mi­nis­ter soll­te es künf­tig möglich sein, Zei­ten des „in­ak­ti­ven“ Be­reit­schafts­diens­tes nicht mehr als Ar­beits­zeit zu berück­sich­ti­gen. Darüber hin­aus soll­te die der­zeit schon be­ste­hen­de Möglich­keit, die wöchent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 St­un­den zu über­schrei­ten, falls der Ar­beit­neh­mer sein Ein­verständ­nis hier­mit erklärt hat („Opt-Out“, vgl. Art.17 Abs.5 Richt­li­nie 2003/88/EG), er­wei­tert wer­den (wir be­rich­te­ten darüber in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 08/069 Ei­ni­gung über EU-Richt­li­ni­en zur Ar­beits­zeit und zur Leih­ar­beit).

Nach­dem es da­her in der zwei­ten Jah­reshälf­te 2008 so schien, als sei die Recht­spre­chung des EuGH zum Be­reit­schafts­dienst demnächst auf­grund ei­ner Ände­rung der Ar­beits­zeit­richt­li­nie über­holt, mach­te das Eu­ropäische Par­la­ment dem Mi­nis­ter­rat am 17.12.2008 ei­nen Strich durch die Rech­nung und lehn­te den Neu­ent­wurf der Ar­beits­zeit­richt­li­nie rund­her­aus ab. Es sprach sich dafür aus, „in­ak­ti­ve“ Be­reit­schafts­dienst­zei­ten wie bis­her als Ar­beits­zeit an­zu­se­hen. Außer­dem soll nach den Vor­stel­lun­gen des Par­la­ments die der­zeit gel­ten­de Opt-Out-Re­ge­lung nach ei­ner Rei­he von Jah­ren aus­lau­fen (wir be­rich­te­ten darüber in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 09/011 Eu­ro­pa­par­la­ment stoppt Re­form der Ar­beits­zeit­richt­li­nie.).

Vor die­sem Hin­ter­grund sind die po­li­ti­schen An­stren­gun­gen der Be­trei­ber von Kran­kenhäusern und Pfle­ge­ein­rich­tun­gen, der Recht­spre­chung des EuGH zum The­ma Be­reit­schafts­dienst durch ei­ne Verände­rung der Ar­beits­zeit­richt­li­nie den Bo­den zu ent­zie­hen, vor­erst ge­schei­tert. Mögli­cher­wei­se wird es da­her kei­nen er­neu­ten Ver­such ge­ben, zum Rechts­zu­stand vor der SI­MAP-Ent­schei­dung des EuGH zurück­zu­keh­ren.

Wo fin­den Sie mehr zum The­ma Be­reit­schafts­dienst?

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen, die Sie im Zu­sam­men­hang mit dem The­ma Be­reit­schafts­dienst in­ter­es­sie­ren könn­ten, fin­den Sie hier:

Kom­men­ta­re un­se­res An­walts­teams zu ak­tu­el­len Fra­gen rund um das The­ma Be­reit­schafts­dienst fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 2. Juli 2021

Was können wir für Sie tun?

Wenn Sie Fra­gen im Zu­sam­men­hang mit dem The­ma Be­reit­schafts­dienst ha­ben oder es Pro­ble­me mit der Durch­füh­rung oder Be­zah­lung von Be­reit­schafts­dienst­zei­ten gibt, be­ra­ten wir Sie je­der­zeit ger­ne. Wir un­ter­stüt­zen auch ger­ne Be­triebs­rä­te, Per­so­nal­rä­te und Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tun­gen in al­len ar­beits­zeit­recht­li­chen Fra­gen auf der Grund­la­ge ent­spre­chen­der Kos­ten­über­nah­me­er­klä­run­gen des Ar­beit­ge­bers bzw. Dienst­ge­bers.

Je nach La­ge des Fal­les bzw. ent­spre­chend Ih­ren Wün­schen tre­ten wir ent­we­der nach au­ßen nicht in Er­schei­nung oder aber wir ver­han­deln in Ih­rem Na­men mit Ih­rem Ar­beit­ge­ber bzw. mit den Ver­tre­tern der Ge­sell­schaf­ter.

Für ei­ne mög­lichst ra­sche und ef­fek­ti­ve Be­ra­tung be­nö­ti­gen wir fol­gen­de Un­ter­la­gen:

  • Ar­beits­ver­trag
  • Ge­halts­nach­wei­se / Ab­rech­nun­gen von Be­reit­schafts­diens­ten
  • Ta­rif­ver­trag, Dienst- oder Be­triebs­ver­ein­ba­rung zum The­ma Be­reit­schafts­dienst (falls vor­han­den)

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 4.0 von 5 Sternen (42 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de