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BAG, Be­schluss vom 17.11.2010, 7 ABR 100/09

   
Schlagworte: Einigungsstelle
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 ABR 100/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 17.11.2010
   
Leitsätze: Das Arbeitsgericht ist in erster und letzter Instanz in voller Kammerbesetzung für die Entscheidung über einen Antrag zuständig, mit dem ein Einigungsstellenvorsitzender wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wird. Das ergibt eine Analogie zu § 1037 Abs 3 Satz 1, § 1062 Abs 1 Nr 1 Var 2, § 1065 Abs 1 Satz 2 ZPO.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 14.11.2008, 13 BV 10/08
Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 16.04.2009, 1 TaBV 1/09
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

7 ABR 100/09

1 TaBV 1/09

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

17. No­vem­ber 2010

BESCHLUSS

Schie­ge, Ur­kunds­be­am­ter der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

2.

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Anhörung vom 17. No­vem­ber 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Lin­sen­mai­er, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gall­ner, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Kiel so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bea und Dr. Ger­scher­mann für Recht er­kannt:


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Die Rechts­be­schwer­de des Be­triebs­rats ge­gen den Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 16. April 2009 - 1 TaBV 1/09 - wird mit der Maßga­be zurück­ge­wie­sen, dass die Be­schwer­de des Be­triebs­rats ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 14. No­vem­ber 2008 - 13 BV 10/08 - als un­zulässig ver­wor­fen wird.

Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Ab­leh­nung ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­vor-

sit­zen­den we­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit.

Der Be­tei­lig­te zu 1. ist der im Be­trieb der Ar­beit­ge­be­rin in H gewähl­te

Be­triebs­rat. Die zu 2. be­tei­lig­te Ar­beit­ge­be­rin be­treibt Wa­renhäuser.

Die Be­tei­lig­ten ei­nig­ten sich durch ge­richt­li­chen Ver­gleich vom 7. Ju­li

2006 auf die Per­son des Vor­sit­zen­den und die Zahl der Bei­sit­zer ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le mit den Re­ge­lungs­ge­genständen „Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung gemäß § 5 Ar­bSchG in den Ab­tei­lun­gen 019/030 und 040“ so­wie „Re­ge­lun­gen zu ei­ner in­ner­be­trieb­li­chen Fach­kraft für Ge­sund­heits­schutz gemäß § 13 Abs. 2 Ar­bSchG“.

Nach ei­ner Ei­ni­gungs­stel­len­sit­zung vom 9. No­vem­ber 2007 lehn­ten die

Bei­sit­zer des Be­triebs­rats den Vor­sit­zen­den der Ei­ni­gungs­stel­le mit Schrei­ben vom 21. No­vem­ber 2007 ab. Sie be­gründe­ten das Ab­leh­nungs­ge­such da­mit, dass der Vor­sit­zen­de in der Sit­zung vom 9. No­vem­ber 2007 nur über ei­nen An­trag der Ar­beit­ge­ber­sei­te ha­be ab­stim­men las­sen, ob­wohl der An­trag der Bei­sit­zer des Be­triebs­rats den­sel­ben Ge­gen­stand be­trof­fen ha­be. Über den Be­fan­gen­heits­an­trag wur­de in der Sit­zung der Ei­ni­gungs­stel­le vom 6. De­zem­ber 2007 ab­ge­stimmt. Er er­hielt kei­ne Mehr­heit. Die Be­triebs­rats­sei­te be­an­trag­te dar­auf­hin, die Ei­ni­gungs­stel­le bis zur ar­beits­ge­richt­li­chen Klärung der


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Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit des Vor­sit­zen­den aus­zu­set­zen. Die­ser An­trag wur­de mit der Stim­me des Vor­sit­zen­den an­ge­nom­men.

Der Be­triebs­rat hat mit sei­nem am 3. Ja­nu­ar 2008 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen An­trag die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Ver­fah­rensführung des Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den las­se an des­sen Un­par­tei­lich­keit zwei­feln. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt sei in ent­spre­chen­der An­wen­dung von § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für die Ent­schei­dung über das Ab­leh­nungs­ge­such zuständig.

Der Be­triebs­rat hat be­an­tragt,

Herrn A als Vor­sit­zen­den der bei den Be­tei­lig­ten ge­bil­de­ten Ei­ni­gungs­stel­le mit dem Re­ge­lungs­ge­gen­stand „Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung gemäß § 5 Ar­bSchG in den Ab­tei­lun­gen 019/030 und 040“ so­wie „Re­ge­lun­gen zu ei­ner in­ner­be­trieb­li­chen Fach­kraft für Ge­sund­heits­schutz gemäß § 13 Abs. 2 Ar­bSchG“ we­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit ab­zu­be­ru­fen.

Die Ar­beit­ge­be­rin hat be­an­tragt, den An­trag zurück­zu­wei­sen.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat das Ver­fah­ren an das Ar­beits­ge­richt ver­wie­sen. Der Vor­sit­zen­de der Kam­mer des Ar­beits­ge­richts hat die Be­tei­lig­ten an­gehört und den An­trag des Be­triebs­rats durch Al­lei­n­ent­schei­dung zurück­ge­wie­sen. Der Be­triebs­rat hat mit der Be­schwer­de die An­sicht geäußert, das Ar­beits­ge­richt ha­be im Ver­fah­ren der §§ 80 ff. ArbGG ent­schei­den müssen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­schwer­de nach Anhörung der Be­tei­lig­ten durch Kam­mer­be­schluss als un­be­gründet zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­be­schwer­de ver­folgt der Be­triebs­rat sein Ab­leh­nungs­ge­such wei­ter.

B. Die Rechts­be­schwer­de hat kei­nen Er­folg.

I. Sie ist zulässig, ins­be­son­de­re statt­haft. Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
ArbGG ist ge­gen ei­nen Be­schluss die Rechts­be­schwer­de statt­haft, wenn das Be­schwer­de­ge­richt sie in dem Be­schluss aus­drück­lich zu­ge­las­sen hat.


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1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat als Be­schwer­de­ge­richt die ge­gen die
Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts er­ho­be­ne Be­schwer­de für zulässig ge­hal­ten und über sie in der Sa­che ent­schie­den. Es hat an­ge­nom­men, über die Be­schwer­de sei nicht ent­spre­chend § 98 Abs. 2 ArbGG zu ent­schei­den, son­dern nach den Re­geln des all­ge­mei­nen Be­schluss­ver­fah­rens im Be­schwer­de­rechts­zug nach §§ 87 bis 91 ArbGG. Die Be­schwer­de sei un­be­gründet. In ana­lo­ger An­wen­dung der §§ 1036 ff. ZPO be­ste­he kein Grund für die Ab­leh­nung des Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den we­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit.

2. Die Rechts­be­schwer­de ist zulässig, ob­wohl be­reits die Ent­schei­dung
des Ar­beits­ge­richts über die Ab­leh­nung des Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den we­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit in ana­lo­ger An­wen­dung der § 1036 Abs. 2, § 1037 Abs. 3 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, § 1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO un­an­fecht­bar war.

a) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt kann ei­ne Rechts­be­schwer­demöglich­keit, die
nicht be­steht, al­ler­dings nicht da­durch eröff­nen, dass es die Rechts­be­schwer­de zulässt. Durch ein ge­setz­wid­ri­ges Ver­fah­ren wird ein (wei­te­res) Rechts­mit­tel nicht statt­haft. Das Rechts­be­schwer­de­ge­richt ist zwar nach § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 3 ArbGG an die Zu­las­sung ge­bun­den. Die Bin­dung be­steht aber nur hin­sicht­lich der Fra­ge, ob es Zu­las­sungs­gründe gibt. Die Zu­las­sung hat dem­ge­genüber kei­ne Wir­kung, wenn die Rechts­be­schwer­de von vorn­her­ein un­statt­haft ist (vgl. für die st. Rspr. BAG 22. Ju­li 2008 - 3 AZB 26/08 - Rn. 25 mwN, BA­GE 127, 173; 15. Sep­tem­ber 2005 - 3 AZB 48/05 - zu II 1 der Gründe mwN, NZA-RR 2006, 211).

b) Die­se Be­schränkung gilt dann nicht, wenn es dar­um geht, die ge­setz-
ge­be­ri­sche Ent­schei­dung, nach der ein Be­schluss un­an­fecht­bar ist, ge­genüber ei­nem Ge­richt durch­zu­set­zen, das in ei­nem Rechts­mit­tel­ver­fah­ren in der Sa­che ent­schie­den hat (vgl. BAG 25. No­vem­ber 2008 - 3 AZB 64/08 - Rn. 8, AP ZPO § 164 Nr. 6 = EzA ZPO 2002 § 319 Nr. 1). Das un­ter­schei­det die ge­ge­be­ne Fall­ge­stal­tung von dem Fall, dass be­reits das Be­schwer­de­ge­richt zu Recht ei­ne An­fech­tungsmöglich­keit des Ur­sprungs­be­schlus­ses ver­neint und die Rechts-

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be­schwer­de zu­ge­las­sen hat (vgl. da­zu BGH 14. Ju­li 2004 - XII ZB 268/03 - zu II 1 der Gründe, NJW-RR 2005, 46).

II. Die Be­schwer­de ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts war in

ent­spre­chen­der An­wen­dung der § 1036 Abs. 2, § 1037 Abs. 3 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, § 1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO un­statt­haft. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hätte sie des­halb nicht als un­be­gründet zurück­wei­sen dürfen, son­dern hätte sie als un­zulässig ver­wer­fen müssen (§ 87 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Mit die­ser Maßga­be ist die Rechts­be­schwer­de ge­gen die Be­schwer­de­ent­schei­dung zurück­zu­wei­sen.

1. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kann der Vor-

sit­zen­de ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le zu je­dem Zeit­punkt des Ei­ni­gungs­stel­len­ver-fah­rens we­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit ab­ge­lehnt wer­den. Er muss nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG un­par­tei­isch sein.

a) Im Zu­sam­men­hang mit der Ab­leh­nung ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­vor-

sit­zen­den fin­den die Vor­schrif­ten über die Ab­leh­nung ei­nes Schieds­rich­ters nach §§ 1036 ff. ZPO ent­spre­chen­de An­wen­dung, so­weit dem nicht zwin­gen­de Grundsätze des Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­rens nach § 76 Be­trVG ent­ge­gen­ste­hen. Legt der für be­fan­gen ge­hal­te­ne Vor­sit­zen­de sein Amt nicht von sich aus nie­der, ent­schei­det die Ei­ni­gungs­stel­le über den Ab­leh­nungs­an­trag in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 1037 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Nach § 76 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 Be­trVG be­sch­ließt sie oh­ne den ab­ge­lehn­ten Vor­sit­zen­den. Fin­det der Ab­leh­nungs­an­trag un­ter den Bei­sit­zern der Ei­ni­gungs­stel­le kei­ne Mehr­heit, ent­schei­det die Ei­ni­gungs­stel­le un­ter Be­tei­li­gung des für be­fan­gen ge­hal­te­nen Vor­sit­zen­den darüber, ob sie das Ver­fah­ren fort­setzt oder es ggf. bis zur ge­richt­li­chen Ent­schei­dung über die gel­tend ge­mach­ten Ab­leh­nungs­gründe aus­setzt, § 1037 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO (vgl. zur Prüfung von Ab­leh­nungs­gründen im An­fech­tungs­ver­fah­ren BAG 29. Ja­nu­ar 2002 - 1 ABR 18/01 - zu B I 2 b bb der Gründe, BA­GE 100, 239; ausführ­lich 11. Sep­tem­ber 2001 - 1 ABR 5/01 - zu B I bis III der Gründe, BA­GE 99, 42; zu der Rechts­la­ge vor In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes zur Neu­re­ge­lung des Schieds­ver­fah­rens­rechts

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vom 22. De­zem­ber 1997 [BGBl. I S. 3224] 9. Mai 1995 - 1 ABR 56/94 - zu B II der Gründe, BA­GE 80, 104).

b) An die­ser Recht­spre­chung hält der Se­nat trotz der im Schrift­tum teil

wei­se geäußer­ten Kri­tik schon aus Gründen der Rechts­si­cher­heit und Rechts-mit­tel­klar­heit fest (vgl. zu der Kon­tro­ver­se bspw. Ber­tels­mann FS Wißmann S. 230, 242 ff.; GK-ArbGG/Dörner Stand No­vem­ber 2010 § 98 Rn. 54 ff. mwN).

2. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat bis­her nicht über das iso­lier­te ge­richt­li­che

Ver­fah­ren der Ab­leh­nung ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den we­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit außer­halb der An­fech­tung ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs ent­schie­den. Der in späte­ren Ent­schei­dun­gen nicht wie­der auf­ge­grif­fe­ne Hin­weis im Be­schluss vom 9. Mai 1995 auf § 98 ArbGG war er­sicht­lich nicht tra­gend (- 1 ABR 56/94 - zu B II der Gründe, BA­GE 80, 104). Auch für das Ab­leh­nungs­ver­fah­ren ist kei­ne Ana­lo­gie zu § 98 ArbGG, son­dern ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung der § 1036 Abs. 2, § 1037 Abs. 3 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, § 1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO ge­bo­ten.

a) Das Ver­fah­ren der Be­hand­lung von Ab­leh­nungs­ge­su­chen, die sich

ge­gen den Vor­sit­zen­den ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le rich­ten, ist ge­setz­lich nicht aus­drück­lich ge­re­gelt. § 76 Abs. 3 Be­trVG ord­net für das Ei­ni­gungs­stel­len­ver-fah­ren le­dig­lich all­ge­mein die münd­li­che Be­ra­tung an und re­gelt das Ab­stim­mungs­ver­fah­ren so­wie die Nie­der­le­gung und das Zu­lei­ten von Be­schlüssen. Darüber hin­aus ermöglicht § 76 Abs. 4 Be­trVG ergänzen­de Ver­fah­rens­be­stim­mun­gen durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung. Da­zu können auch Re­ge­lun­gen über die Be­hand­lung von Ab­leh­nungs­ge­su­chen gehören. Er­zie­len die Be­triebs­par­tei­en darüber kei­ne Ei­ni­gung, enthält das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz kei­ne Auf­fang­re­ge­lung. Auch das Ar­beits­ge­richts­ge­setz re­gelt die Be­hand­lung von Ab­leh­nungs­ge­su­chen ge­gen Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­de nicht. Die für das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teils- und Be­schluss­ver­fah­ren gel­ten­den Vor­schrif­ten der § 49 Abs. 1 und 3, § 64 Abs. 7, § 72 Abs. 6 ArbGG (iVm. § 80 Abs. 2, § 87 Abs. 2, § 92 Abs. 2 ArbGG) be­tref­fen die Ab­leh­nung von Ge­richts­per­so­nen. Sie sind auf das Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren nicht über­trag­bar (vgl. BAG 11. Sep­tem­ber 2001 - 1 ABR 5/01 - zu B I 2 der Gründe, BA­GE 99, 42).

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b) Die plan­wid­ri­ge Ge­set­zeslücke ist ent­ge­gen der über­wie­gen­den Auf-

fas­sung im Schrift­tum nicht durch ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung von § 98 ArbGG, son­dern durch ei­ne Ana­lo­gie zu §§ 1036 ff. ZPO - und da­mit auch zu § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - zu schließen (aA DKKW/Berg Be­trVG 12. Aufl. § 76 Rn. 66; Fit­ting Be­trVG 25. Aufl. § 76 Rn. 28; ErfK/Ka­nia 11. Aufl. § 76 Be­trVG Rn. 16; Kreutz GK-Be­trVG 9. Aufl. Bd. 2 § 76 Rn. 55; WPK/Preis Be­trVG 4. Aufl. § 76 Rn. 16). Da­durch wer­den sys­te­ma­ti­sche Un­stim­mig­kei­ten ver­mie­den. Zu­gleich wird dem Be­schleu­ni­gungs­grund­satz genügt und dafür ge­sorgt, dass der­sel­be Spruchkörper, das Ar­beits­ge­richt, so­wohl über die An­fech­tung des Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs als auch über die Ab­leh­nung des Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den zu ent­schei­den hat. Das Ar­beits­ge­richt - nicht das Lan­des­ar­beits­ge­richt - ist in ers­ter und letz­ter In­stanz ent­spre­chend § 1037 Abs. 3 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, § 1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO in der vol­len Kam­mer­be­set­zung der §§ 2a, 80 ff. ArbGG für die Ent­schei­dung über das Ab­leh­nungs­ge­such zuständig (im Aus­gangs­punkt eben­so, aber für ei­ne Ein­gangs­zuständig­keit des Lan­des­ar­beits­ge­richts I. Schmidt JbAr­bR Bd. 40 S. 121, 129).

aa) In sei­ner Funk­ti­on ent­spricht das Ar­beits­ge­richt so­wohl bei der Ent

schei­dung über die An­fech­tung des Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs als auch bei der Ent­schei­dung über die Ab­leh­nung des Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den dem in ei­nem schieds­rich­ter­li­chen Ver­fah­ren täti­gen Ober­lan­des­ge­richt. Das Ober­lan­des­ge­richt ist nach § 1062 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 ZPO für die Ab­leh­nung ei­nes Schieds­rich­ters we­gen Be­sorg­nis der Be­fan­gen­heit (§ 1037 ZPO) zuständig. Zu­gleich be­steht die Zuständig­keit des Ober­lan­des­ge­richts für die Auf­he­bung des Schieds­spruchs (§ 1059 ZPO) nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Var. 1 ZPO. Da­her ist es kon­se­quent, das Ar­beits­ge­richt nicht nur für die An­fech­tung des Ei­ni-gungs­stel­len­spruchs, son­dern auch für die Ent­schei­dung über die Ab­leh­nung des Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den als zuständig zu er­ach­ten.

bb) Die ent­spre­chen­de An­wen­dung der § 1037 Abs. 3 Satz 1, § 1062

Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 ZPO an­stel­le von § 98 ArbGG führt da­zu, dass die Rich­ter­bank des Ar­beits­ge­richts bei der Ent­schei­dung über das Ab­leh­nungs­ge­such


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die­sel­be ist wie im Ver­fah­ren der An­fech­tung des Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs. Über die An­fech­tung ent­schei­det das Ar­beits­ge­richt in vol­ler Kam­mer­be­set­zung. Ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung des § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG be­gründe­te da­ge­gen die Zuständig­keit des Kam­mer­vor­sit­zen­den.

cc) Die ent­spre­chen­de An­wen­dung der §§ 1037 ff., § 1065 Abs. 1 ZPO

dient fer­ner dem Be­schleu­ni­gungs­grund­satz. Aus der Ana­lo­gie zu § 1065 Abs. 1 Satz 1 und 2 iVm. § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO folgt die Un­an­fecht­bar­keit der Ent­schei­dung über das Ab­leh­nungs­ge­such. Ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung des § 98 ArbGG hätte dem­ge­genüber die An­fecht­bar­keit der Ent­schei­dung über das Ab­leh­nungs­ge­such zur Fol­ge (§ 98 Abs. 2 Satz 1 ArbGG). Die Be­schränkung auf die ei­ne In­stanz des Ar­beits­ge­richts ent­spricht dem all­ge­mei­nen Rechts­ge­dan­ken ei­nes be­schleu­nig­ten Ver­fah­rens in Be­fan­gen­heits­an­ge­le­gen­hei­ten, wie er sich bei­spiels­wei­se in § 49 Abs. 3 und § 103 Abs. 3 Satz 5 ArbGG aus­drückt.

dd) Die auf die Be­stim­mun­gen des schieds­rich­ter­li­chen Ver­fah­rens der

§§ 1036 ff. ZPO be­grenz­te Ana­lo­gie für das Ab­leh­nungs­ver­fah­ren bie­tet zu­dem den Vor­teil, dass nur ein ver­fah­rens­recht­li­ches Sys­tem ent­spre­chend an­ge­wandt wer­den muss. Das zeigt sich et­wa an § 1039 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Nach § 1039 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Er­satz­schieds­rich­ter ua. dann zu be­stel­len, wenn das Amt des Schieds­rich­ters nach §§ 1037, 1038 ZPO en­det. Die Be­stel­lung er­folgt nach den Re­geln, die auf die Be­stel­lung des zu er­set­zen­den Schieds­rich­ters an­zu­wen­den wa­ren (§ 1039 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das sind bei ei­nem Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den die un­mit­tel­bar an­wend­ba­ren Re­geln des § 98 ArbGG.

3. Die Be­schwer­de des Be­triebs­rats ge­gen den Be­schluss des Ar­beits-

ge­richts ist des­halb in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO un­statt­haft. Sie hätte vom Lan­des­ar­beits­ge­richt als un­zulässig ver­wor­fen wer­den müssen. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass das Ar­beits­ge­richt in un­zu­tref­fen­der An­wen­dung des § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ent­schie­den hat, oh­ne die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter her­an­zu­zie­hen. Die feh­ler­haf­te Be­set­zung ei­nes


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Ge­richts führt nicht zur Statt­haf­tig­keit ei­nes von der Rechts­ord­nung nicht vor­ge­se­he­nen Rechts­mit­tels.

Lin­sen­mai­er Kiel Gall­ner


Bea Ger­scher­mann

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