HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/167

Ge­schäfts­füh­rer und Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung

Das AGG schützt auch Ge­schäfts­füh­rer vor Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung beim Be­rufs­zu­gang: Bun­des­ge­richts­hof, Ur­teil vom 23.04.2012, II ZR 163/10
Mit 62 Jah­ren zu alt für ei­nen Ge­schäfts­füh­rer­ver­trag?

24.04.2012. Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) gilt auch für Ge­schäfts­füh­rer, de­ren Ver­trag we­gen ih­res Al­ters nicht ver­län­gert wird. Das hat der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) ges­tern erst­mals ent­schie­den.

Be­trof­fe­ne Ge­schäfts­füh­rer kön­nen da­nach ne­ben ent­gan­ge­nem Ge­halt auch ei­ne Ent­schä­di­gung ver­lan­gen. Der BGH be­stä­tig­te da­mit ein Ur­teil des Ober­lan­des­ge­richts (OLG) Köln, das zu­guns­ten des ehe­ma­li­gen Ge­schäfts­füh­rers ei­ner Köl­ner Kli­nik er­gan­gen war. Die Kli­nik hat­te ihm we­gen des „Um­bruchs auf dem Ge­sund­heits­markt“ ei­nen jün­ge­ren Mit­be­wer­ber vor­ge­zo­gen, der die GmbH „lang­fris­tig in den Wind stel­len“ kön­ne: BGH, Ur­teil vom 23.04.2012, II ZR 163/10.

Ein­ge­schränk­ter Schutz von Geschäftsführern durch das AGG

Die un­ge­recht­fer­tig­te Be­nach­tei­li­gung (Dis­kri­mi­nie­rung) von Ar­beit­neh­mern und Aus­zu­bil­den­den we­gen ih­res Al­ters ist ge­setz­lich ver­bo­ten (§§ 1, 7 Abs.1 AGG). Für Selbständi­ge und ge­setz­li­che Ver­tre­ter von Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten, al­so Geschäftsführer und Vorstände, gilt der die­ser Schutz nur "ent­spre­chend" und so­weit „die Be­din­gun­gen für den Zu­gang zur Er­werbstätig­keit so­wie den be­ruf­li­chen Auf­stieg“ be­trof­fen sind (§ 6 Abs.3 AGG).

Da­nach ist ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters nur aus Gründen er­laubt, die das AGG zulässt. Das AGG ak­zep­tiert zwin­gen­de be­ruf­li­che An­for­de­run­gen als Grund für ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung (§ 8 AGG), aber auch an­de­re „le­gi­ti­me Zie­le“, die ei­ner un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung zu­grun­de lie­gen können (§ 10 AGG). Grei­fen sol­che Recht­fer­ti­gun­gen nicht ein, liegt ei­ne ver­bo­te­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung vor. Sie löst Scha­dens­er­satz- und Entschädi­gungs­for­de­run­gen aus (§ 15 Abs.1, Abs.2 AGG).

Da Be­trof­fe­ne meist kei­nen Ein­blick in die Vorgänge ha­ben, die zu ih­rer Be­nach­tei­li­gung führen, müssen ih­re Dis­kri­mi­nie­rung nicht be­wei­sen, son­dern nur In­di­zi­en, die auf ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung hin­deu­ten. Der Ar­beit­ge­ber muss dann be­wei­sen, dass das Al­ter bei der je­wei­li­gen Ent­schei­dung kei­ne Rol­le ge­spielt hat (§ 22 AGG). Der BGH hat die­se Grundsätze nun erst­mals zu­guns­ten ei­nes Geschäftsführers an­ge­wandt.

Ab­leh­nung der Wei­ter­beschäfti­gung we­gen Al­ters ist dis­kri­mi­nie­rend

Der me­di­zi­ni­sche Geschäftsführer ei­ner Kli­nik der Stadt Köln war 62 Jah­re alt, als sein fünfjähri­ger Geschäftsführer­ver­trag aus­lief. Ein Jahr da­vor hat­te der Auf­sichts­rat zu ent­schei­den, ob das Ver­trags­verhält­nis verlängert wer­den soll­te. Hier sag­te der Auf­sichts­rat nein, nach­dem er sich in ei­ner darüber ab­ge­hal­te­nen Sit­zung nur über das Al­ter des Geschäftsführers, nicht aber über sei­ne Leis­tun­gen Ge­dan­ken ge­macht hat­te. Später hieß es von sei­ten des Auf­t­sichts­rats­vor­sit­zen­den, der bis­he­ri­ge Geschäftsführer gewähr­leis­te aus Al­ters­gründen nicht die er­for­der­li­che „Kon­ti­nuität in der Geschäftsführung“ über das 65.Le­bens­jahr hin­aus.

Da­mit la­gen nach An­sicht des OLG Köln (Ur­teil vom 29.07.2010, 18 U 196/09) und des BGH genügend In­di­zi­en dafür vor, dass der der Geschäftsführer we­gen sei­nes Al­ters kei­nen wei­te­ren Ver­trag be­kom­men hat­te. Recht­fer­ti­gen­de Gründe im Sin­ne der §§ 8, 10 AGG konn­te die Kli­nik dafür nicht nen­nen, was sie hätte tun müssen, um die hier vor­lie­gen­den In­di­zi­en für ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung zu wi­der­le­gen. Der Geschäftsführer konn­te da­her ei­ne Entschädi­gung und Scha­dens­er­satz be­an­spru­chen. In wel­cher Höhe, muss nun das OLG ent­schei­den, so der BGH.

Fa­zit: Mit die­sem Ur­teil hat der BGH den recht­li­chen Schutz von GmbH-Geschäftsführern ge­genüber Al­ters­dis­kri­mi­nie­run­gen gestärkt. An­ge­sichts der Umstände die­ses Ein­zel­falls und des be­reits zu­guns­ten des Geschäftsführers er­gan­ge­nen OLG-Ur­teils war al­ler­dings auch kaum mit ei­ner an­de­ren Ent­schei­dung des BGH zu rech­nen.

Auf die­se Ent­schei­dung können sich auch Ver­tre­tungs­or­ga­ne an­de­rer ju­ris­ti­scher Per­so­nen wie z.B. Vorstände ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft oder Ver­eins­vorstände be­ru­fen. Sie sind zwar kei­ne Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des AGG, sind aber gemäß § 6 Abs.3 AGG beim Zu­gang zur Er­werbstätig­keit und beim be­ruf­li­chen Auf­stieg vor Al­ters­dis­kri­mi­nie­run­gen im Sin­ne des AGG geschützt.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat der BGH sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BGH fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 11. Juni 2019

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de