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BAG, Ur­teil vom 09.01.2016, 9 AZR 608/14

   
Schlagworte: Tarifvertrag, Urlaub, Urlaubsanspruch
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 608/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.01.2016
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Zwickau, Urteil vom 19.12.2013,1 Ca 884/13
Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 01.08.2014, 7 Sa 109/14
   

Im Na­men des Vol­kes!

UR­TEIL

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 19. Ja­nu­ar 2016 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Suckow und

 

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Klo­se so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kran­zusch und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Pie­lenz für Recht er­kannt:

1. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Säch­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 1. Au­gust 2014 - 7 Sa 109/14 - teil­wei­se auf­ge­ho­ben.

2. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Zwi­ckau vom 19. De­zem­ber 2013 - 1 Ca 884/13 - wird ins­ge­samt zurück­ge­wie­sen.

3. Die Be­klag­te hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu 3/14 zu tra­gen, der Kläger zu 11/14. Die Be­klag­te hat die Kos-ten der Be­ru­fung zu 1/5 zu tra­gen, der Kläger zu 4/5.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Höhe ta­rif­li­cher Ur­laubs­ansprüche.

Der über 40 Jah­re al­te Kläger ist bei der Be­klag­ten im kom­mu­na­len feu­er­wehr­tech­ni­schen Dienst beschäftigt. Kraft ar­beits­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me be­stimmt sich das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nach dem BAT-O und den die­sen ergänzen­den, ändern­den oder er­set­zen­den Ta­rif­verträgen in der für den Be­reich der Ver­ei­ni­gung der kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­verbände (VKA) je­weils gel­ten­den Fas­sung. In der durch­ge­schrie­be­nen Fas­sung des Ta­rif­ver­trags für den öffent­li­chen Dienst für den Be­reich Ver­wal­tung im Be­reich der Ver­ei­ni­gung der kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­verbände vom 7. Fe­bru­ar 2006 (TVöD-V aF) war im streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum aus­zugs­wei­se Fol­gen­des ge­re­gelt:

㤠26

Er­ho­lungs­ur­laub

(1) Beschäftig­te ha­ben in je­dem Ka­len­der­jahr An­spruch auf Er­ho­lungs­ur­laub un­ter Fort­zah­lung des Ent­gelts (§ 21). Bei Ver­tei­lung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit auf fünf Ta­ge in der Ka­len­der­wo­che beträgt der Ur­laubs­an­spruch in je­dem Ka­len­der­jahr

...

nach dem voll­ende­ten 40. Le­bens­jahr 30 Ar­beits­ta­ge.

... Bei ei­ner an­de­ren Ver­tei­lung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit als auf fünf Ta­ge in der Wo­che erhöht oder ver­min­dert sich der Ur­laubs­an­spruch ent­spre­chend. Ver­bleibt bei der Be­rech­nung des Ur­laubs ein Bruch­teil, der min­des­tens ei­nen hal­ben Ur­laubs­tag aus­macht, wird er auf ei­nen vol­len Ur­laubs­tag auf­ge­run­det; Bruch­tei­le von we­ni­ger als ei­nem hal­ben Ur­laubs­tag blei­ben un­berück­sich­tigt. ...

...

§ 27

Zu­satz­ur­laub

(1) Beschäftig­te, die ständig Wech­sel­schicht­ar­beit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schicht­ar­beit nach § 7 Abs. 2 leis­ten und de­nen die Zu­la­ge nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zu­steht, er­hal­ten

a) bei Wech­sel­schicht­ar­beit für je zwei zu­sam­menhängen­de Mo­na­te

...

ei­nen Ar­beits­tag Zu­satz­ur­laub.

...“

Die An­la­ge D zum TVöD-V aF lau­tet aus­zugs­wei­se:

„D.2
Beschäftig­te im kom­mu­na­len feu­er­wehr­tech­ni­schen Dienst
Zu Ab­schnitt I All­ge­mei­ne Vor­schrif­ten
Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 - Gel­tungs­be­reich -
Die­se Son­der­re­ge­lun­gen gel­ten für Beschäftig­te, die haupt­amt­lich im kom­mu­na­len feu­er­wehr­tech­ni­schen Dienst beschäftigt sind.

Zu Ab­schnitt II Ar­beits­zeit und
zu Ab­schnitt III Ein­grup­pie­rung, Ent­gelt und sons­ti­ge Leis­tun­gen

 

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Nr. 2

(1) Die §§ 6 bis 9 und 19 fin­den kei­ne An­wen­dung. Es gel­ten die Be­stim­mun­gen für die ent­spre­chen­den Be­am­ten. § 27 fin­det un­be­scha­det der Sätze 1 und 2 An­wen­dung.
...“

Gemäß der Dienst­ver­ein­ba­rung über den Dienst­plan des Ein­satz­diens­tes der Be­rufs­feu­er­wehr P vom 18. De­zem­ber 2009, An­la­ge 1 zu § 2 Abs. 2 (Rah­men­dienst­plan), wur­den im ope­ra­ti­ven Ein­satz­dienst zwei Dienst­schich­ten zu je zwölf St­un­den an sie­ben Ta­gen in der Wo­che ge­leis­tet, ei­ne Tag­schicht von 06:00 Uhr bis 18:00 Uhr und ei­ne Nacht­schicht von 18:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Im Jahr 2011 zog die Be­klag­te den Kläger, den sie re­gelmäßig in bei­den Schich­ten nach ei­nem Dienst­plan ein­setz­te, längs­tens nach Ab­lauf ei­nes Mo­nats er­neut zur Nacht­schicht her­an.

Im Jahr 2011 be­stand an 244 Ta­gen Ar­beits­pflicht. Der Kläger er­hielt 2011 ei­nen Tag Son­der­ur­laub auf­grund sei­nes 25-jähri­gen Be­triebs­ju­biläums. Die Be­klag­te gewähr­te ihm im Jahr 2011 zur Erfüllung der in die­sem Jahr ent­stan­de­nen Ur­laubs­ansprüche an 36 Ta­gen Ur­laub. An sechs die­ser Ta­ge be­stand für den Kläger nur in den Mor­gen­stun­den vor dem Nacht­schich­ten­de ei­ne Ar­beits­pflicht.

In der Dienst­ver­ein­ba­rung zur Neu­ord­nung der Dienst­durchführung im ope­ra­ti­ven Dienst der Be­rufs­feu­er­wehr vom 21. De­zem­ber 2011, die am 1. Ja­nu­ar 2012 in Kraft trat, wur­den ua. Wo­chen­ar­beits­zeit und Schicht­fol­gen wie folgt neu ge­re­gelt:

㤠2

Wo­chen­ar­beits­zeit und Schicht­fol­gen

(1) Die re­gelmäßige Ar­beits­zeit beträgt im Durch­schnitt pro Wo­che 48 St­un­den. Pro 7-Ta­ge-Zeit­raum ist ei­ne kon­ti­nu­ier­li­che Min­destru­he­zeit von 24 St­un­den zuzüglich der tägli­chen Ru­he­zeit von 11 St­un­den zu gewähr­leis­ten.

(2) Die zeit­li­che Ver­tei­lung von Be­reit­schafts- und Dienst­zei­ten so­wie der Pau­sen ist im Rah­men­dienst-plan fest­ge­legt (An­la­ge).

 

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(3) Der ope­ra­ti­ve Ein­satz­dienst wird von 3 Wach­ab­tei­lun­gen ge­leis­tet. Von Mon­tag bis Don­ners­tag gilt ein 12-St­un­den-Dienst­sys­tem (Tag­schicht oder Nacht­schicht - je­weils 12 St­un­den - T/N) und von Frei­tag bis Sonn­tag so­wie fei­er­tags ein Kom­bi­na­ti­ons­dienst aus Tag- und Nacht­schicht (2 mal 12 St­un­den - T + N).

Die Tag­schicht des ope­ra­ti­ven Ein­satz­diens­tes be­ginnt um 06:00 Uhr und en­det um 18:00 Uhr. Die Nacht­schicht des ope­ra­ti­ven Ein­satz­diens­tes be­ginnt um 18:00 Uhr und en­det um 06:00 Uhr.

(4) Die Schicht der Be­set­zung Ret­tungs­wa­gen be­ginnt um 05:45 Uhr und en­det um 18:00 Uhr.

(5) Die Be­set­zung des Not­arz­t­ein­satz­fahr­zeugs (NEF) er­folgt von Mon­tag bis Don­ners­tag im 12-St­un­den-Schicht­sys­tem. Die Tag­schicht be­ginnt um 05:45 Uhr und en­det um 18:00 Uhr. Die Nacht­schicht be­ginnt um 17:45 Uhr und en­det um 06:00 Uhr. Frei­tag - Sonn­tag und fei­er­tags er­folgt die Be­set­zung im Kom­bi­na­ti­ons­dienst (T + N). Soll­te von Mon­tag - Don­ners­tag ei­ne Be­set­zung im 12-St­un­den-Schicht­sys­tem nicht möglich sein, kann die Be­set­zung aus­nahms­wei­se im 24-St­un­den-Dienst er­fol­gen; Dienst­be­ginn ist hier 05:45 Uhr.

(6) Bei der Ein­tei­lung der Schich­ten sind fol­gen­de Grundsätze zu be­ach­ten:

1. Die Ver­tei­lung von Tag- und Nacht­schich­ten soll für al­le Mit­ar­bei­ter über das Jahr im glei­chen Verhält­nis er­fol­gen.

2. Wo­chen­end- bzw. Fei­er­tags­schich­ten sind im Jah­res­durch­schnitt gleichmäßig auf die Mit­ar­bei­ter zu ver­tei­len.

3. Kann ei­ne Schicht we­gen ur­laubs­be­ding­ter, krank­heits­be­ding­ter und/oder sons­ti­ger Ab­we­sen­heit nicht aus ei­ner Wach­ab­tei­lung be­setzt wer­den, ist zur Be­set­zung der Schicht auf Mit­ar­bei­ter aus den an­de­ren Wach­ab­tei­lun­gen zu-rück­zu­grei­fen. Je­der Mit­ar­bei­ter ist ver­pflich­tet, im Be­darfs­fall auch in den an­de­ren bei­den Wach­ab­tei­lun­gen Dienst zu tun.“

Im Jahr 2012 wur­de der Kläger ent­spre­chend der „Dienst­leis­tungsüber­sicht“ so­wie dem „Dienst­plan der Wach­ab­tei­lun­gen“ ein­ge­setzt. An 248 Ta­gen

 

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be­stand Ar­beits­pflicht. Da­bei fiel beim Kläger in je­dem Ka­len­der­mo­nat min­des­tens ei­ne Nacht­schicht an. Die Be­klag­te gewähr­te ihm 2012 an 32 Ta­gen Ur­laub. An zwölf von die­sen Ta­gen be­stand für den Kläger nur in den Mor­gen-stun­den vor dem Nacht­schich­ten­de ei­ne Ar­beits­pflicht.
Mit Schrei­ben vom 16. De­zem­ber 2011 mach­te der Kläger wei­te­re sechs Ta­ge Ur­laub für 2011 gel­tend und wie­der­hol­te sei­ne For­de­rung mit Schrei­ben vom 25. Ja­nu­ar 2012. Un­ter dem 17. De­zem­ber 2012 ver­lang­te der Kläger zwei wei­te­re Ta­ge Er­ho­lungs­ur­laub so­wie sechs Ta­ge Zu­satz­ur­laub.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, auf­grund des Schicht­sys­tems ha­be er im Jahr 2011 An­spruch auf auf­ge­run­det 28 Ta­ge Er­ho­lungs­ur­laub ge-habt, von de­nen 24 Ta­ge gewährt wor­den sei­en. Da er im ge­sam­ten Jahr 2011 ständig Wech­sel­schicht­ar­beit ge­leis­tet und die Be­klag­te le­dig­lich vier Ta­ge Zu­satz­ur­laub gewährt ha­be, ver­blei­be ein Rest­an­spruch von zwei Ta­gen Zu­satz­ur­laub. Auch nach Ände­rung des Dienst­plan­sys­tems im Jahr 2012 sei wei­ter­hin Wech­sel­schicht­ar­beit ge­leis­tet wor­den.

Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm für das Ka­len­der­jahr 2011 noch sechs Ta­ge Ur­laub zu gewähren;

2. hilfs­wei­se zum An­trag zu 1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm für das Ka­len­der­jahr 2011 noch sechs Dienst­schich­ten Ur­laub zu gewähren;

3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm für das Ka­len­der­jahr 2012 noch sechs Ta­ge Ur­laub zu gewähren;

4. hilfs­wei­se zum An­trag zu 3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm für das Ka­len­der­jahr 2012 noch sechs Dienst­schich­ten Ur­laub zu gewähren.

Zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag hat die Be­klag­te die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Kläger ha­be kei­nen An­spruch auf Zu­satz­ur­laub.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Be­klag­te ver­ur­teilt, dem Kläger für das Ka­len­der­jahr 2012 noch drei Ur­laubs­ta­ge zu gewähren, und hat die Kla­ge im Übri­gen ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung des Klägers hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts teil­wei­se ab­geändert und die Be­klag­te ver­ur­teilt,

 

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dem Kläger für das Ka­len­der­jahr 2011 fünf Ta­ge Ur­laub und für das Ka­len­der­jahr 2012 sechs wei­te­re Ta­ge Ur­laub zu gewähren. Im Übri­gen hat es die Be­ru­fung des Klägers eben­so zurück­ge­wie­sen wie die Be­ru­fung der Be­klag­ten. Mit ih­rer Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ihr Ziel der vollständi­gen Kla­ge­ab­wei­sung wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist teil­wei­se be­gründet. Der Kläger hat gemäß § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB ei­nen An­spruch auf Nach­gewährung von Ta­ri­fur­laub im Um­fang von drei Ta­gen aus dem Jahr 2012. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu Recht an­ge­nom­men, dass dem Kläger nach § 26 Abs. 1 TVöD-V aF für das Jahr 2011 ein Ur­laubs­an­spruch iHv. 28 Ar­beits­ta­gen und für das Jahr 2012 iHv. 29 Ar­beits­ta­gen zu­stand. Eben­so zu­tref­fend ist das Lan­des­ar­beits­ge­richt da­von aus­ge­gan­gen, dass der Kläger in den Jah­ren 2011 und 2012 ei­nen An­spruch auf je­weils sechs Ar­beits­ta­ge Zu­satz­ur­laub gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. a iVm. An­la­ge D.2 Nr. 2 TVöD-V aF hat­te. Rechts­feh­ler­haft hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt je­doch bei der Prüfung des Erfüllungs­ein­wands der Be­klag­ten Ta­ge nicht berück­sich­tigt, an de­nen der Kläger oh­ne Ur­laub von 00:00 Uhr bis 06:00 Uhr hätte ar­bei­ten müssen.

I. Grundsätz­lich stan­den dem Kläger nach § 26 Abs. 1 TVöD-V aF für die Jah­re 2011 und 2012 je­weils 30 Ar­beits­ta­ge ta­rif­li­cher Er­ho­lungs­ur­laub zu. Für Ar­beit­neh­mer in Schicht­ar­beit sind die Ur­laubs­ta­ge in Ta­ge mit Ar­beits­pflicht um­zu­rech­nen (vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 799/09 - Rn. 18 ff., BA­GE 137, 221). Die hier an­zu­wen­den­de Ta­rif­vor­schrift trifft kei­ne be­son­de­re Um­rech­nungs­be­stim­mung für Schicht­ar­beit. § 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD-V aF be­stimmt nur all­ge­mein, dass bei ei­ner an­de­ren Ver­tei­lung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit als auf fünf Ta­ge in der Wo­che sich der Ur­laubs­an­spruch ent­spre­chend erhöht oder ver­min­dert. In­so­fern ist nach all­ge­mei­nen Grundsätzen um­zu­rech­nen. Ist

 

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die re­gelmäßige Ar­beits­zeit nicht auf ei­ne Ka­len­der­wo­che ver­teilt, muss für die Um­rech­nung ei­nes nach Ar­beits­ta­gen be­mes­se­nen Ur­laubs auf den Zeit­ab­schnitt ab­ge­stellt wer­den, in dem die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit im Durch­schnitt er­reicht wird. Die da­nach maßgeb­li­che Um­rech­nungs­for­mel lau­tet:

Ur­laubs­ta­ge im Jahr x Ar­beits­ta­ge im Jahr bei ab­wei­chen­der Ver­tei­lung
-------------------------------------------------------------
Ar­beits­ta­ge im Jahr bei ei­ner Fünf­ta­ge­wo­che (261 Ar­beits­ta­ge)

In die­se For­mel sind als Di­vi­dend die im Ta­rif­ver­trag fest­ge­leg­te An­zahl von 30 Ur­laubs­ta­gen ein­zu­set­zen. Die­se sind mit der vom Kläger im Schicht­sys­tem im Ka­len­der­jahr zu leis­ten­den An­zahl von 244 Ar­beits­ta­gen (2011) bzw. 248 Ar­beits­ta­gen (2012) zu mul­ti­pli­zie­ren. Als Ar­beits­ta­ge sind da­bei in Er­man­ge­lung ei­ner ent­spre­chen­den Re­ge­lung im TVöD-V aF nicht nur die Ka­len­der­ta­ge zu berück­sich­ti­gen, an de­nen die Schicht be­gon­nen hat, son­dern al­le Ka­len­der­ta­ge, an de­nen ei­ne Ar­beits­pflicht be­stand (vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 799/09 - Rn. 21 und 28, BA­GE 137, 221; vgl. zu ei­nem ähn­li­chen Ta­rif­ver­trag BAG 21. Ju­li 2015 - 9 AZR 145/14 - Rn. 11). Dies wird von der Be­klag­ten mit der Re­vi­si­on auch nicht in Zwei­fel ge­zo­gen.

Als Di­vi­sor sind im Hin­blick auf § 21 TVöD-V aF die in der Fünf­ta­ge­wo­che mögli­chen 261 Ar­beits­ta­ge ein­zu­set­zen (vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 799/09 - Rn. 25 und 29, BA­GE 137, 221). Dar­aus er­rech­net sich für den Kläger auf­grund der 244 Ar­beits­ta­ge im Jahr 2011 und der 248 Ar­beits­ta­ge im Jahr 2012 ein An­spruch auf ge­run­det 28 Ar­beits­ta­ge für 2011 und ge­run­det 29 Ar­beits­ta­ge für 2012 (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 5 TVöD-V aF).

II. Oh­ne Rechts­feh­ler hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt dem Kläger für die Jah­re 2011 und 2012 je­weils sechs Ta­ge Zu­satz­ur­laub nach § 27 Abs. 1 Buchst. a iVm. An­la­ge D.2 Nr. 2 TVöD-V aF für ge­leis­te­te Wech­sel­schicht­ar­beit zu­er­kannt. Nach der An­la­ge D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 TVöD-V aF fin­den die §§ 6 bis 9 und 19 TVöD-V aF für Beschäftig­te wie den Kläger, die haupt­amt­lich im kom­mu­na­len feu­er­wehr­tech­ni­schen Dienst beschäftigt sind, kei­ne An­wen­dung. Es gel­ten gemäß der An­la­ge D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 TVöD-V aF die Be­stim­mun­gen für die ent­spre­chen­den Be­am­ten. Al­ler­dings fin­det nach der An­la­ge D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 TVöD-V aF § 27 TVöD-V aF „un­be­scha­det“ der Sät-

 

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ze 1 und 2 An­wen­dung. Nach § 27 Abs. 1 TVöD-V aF er­hal­ten „Beschäftig­te, die ständig Wech­sel­schicht­ar­beit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schicht­ar­beit nach § 7 Abs. 2 leis­ten und de­nen die Zu­la­ge nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zu­steht“, bei Wech­sel­schicht­ar­beit für je zwei zu­sam­menhängen­de Mo­na­te ei­nen Ar­beits­tag Zu­satz­ur­laub.

1. Für den An­spruch des Klägers ist es ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on un­er­heb­lich, dass ihm we­gen der Re­ge­lung in der An­la­ge D.2 Nr. 2 Abs. 1 TVöD-V aF kein An­spruch auf Wech­sel­schicht­zu­la­ge nach § 8 Abs. 5 TVöD-V aF zu­steht.

a) Ent­schei­dend ist, dass dem Kläger oh­ne die Son­der­re­ge­lung ei­ne Wech­sel­schicht­zu­la­ge nach § 8 Abs. 5 TVöD-V aF zu­ge­stan­den hätte (vgl. Brei­er/Das­sau/Kie­fer/Lang/Lan­gen­brinck TVöD Stand Ja­nu­ar 2016 Teil B 4.1 TVöD-V An­la­ge D Rn. 14; vgl. auch Cle­mens/Scheu­ring/St­ein­gen/Wie­se TVöD Stand Ja­nu­ar 2016 BT-V § 46 (VKA) Rn. 16 zu Nr. 2). Die An­la­ge D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 erklärt § 27 TVöD-V aF aus­drück­lich für an­wend­bar. Da­bei kann es letzt­lich of­fen­blei­ben, ob die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die For­mu­lie­rung „un­be­scha­det der Sätze“ in ei­nem zu­tref­fen­den Wort­sinn be­nutzt ha­ben (zum mögli­chen Wort­verständ­nis BAG 27. April 2004 - 9 AZR 18/03 - zu A II 2 b (2) der Gründe, BA­GE 110, 208; Wolff JZ 2012, 31 un­ter Hin­weis auf das Hand­buch der Rechtsförm­lich­keit 3. Aufl. Rn. 87). Aus dem Ge­samt­zu­sam­men­hang er­gibt sich, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die An­wend­bar­keit des § 27 TVöD-V aF an­ord­nen woll­ten, oh­ne dass die Gel­tung die­ser Vor­schrift durch die Re­ge­lun­gen „der Sätze 1 und 2“ be­ein­träch­tigt wird. Es ist an­er­kannt, dass bei der Aus­le­gung von Ta­rif­verträgen ei­ne Bin­dung an den mögli­chen Wort­sinn ei­nes Be­griffs dann nicht be­steht, wenn sich aus dem Ge­samt­zu­sam­men­hang das Vor-lie­gen ei­nes Re­dak­ti­ons­ver­se­hens er­gibt (vgl. BAG 31. Ok­to­ber 1990 - 4 AZR 114/90 - BA­GE 66, 177; JKOS/Krau­se 2. Aufl. § 4 Rn. 177; Thüsing/Braun/ Wißmann Ta­rif­recht Kap. 4 Rn. 157; vgl. zu Ge­set­zen eben­so Wolff JZ 2012, 31, 33). Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Re­ge­lung in der An­la­ge D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 TVöD-V aF weit­ge­hend leer­lie­fe, wenn man die tatsächli­che Zah­lung ei­ner Wech­sel­schicht­zu­la­ge bei haupt-

 

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amt­lich im kom­mu­na­len feu­er­wehr­tech­ni­schen Dienst Beschäftig­ten als Tat­be­stands­merk­mal ansähe.

b) So­weit die Re­vi­si­on gel­tend macht, es ver­blei­be als An­wen­dungs­be­reich noch die Gewährung von zusätz­li­chen Ur­laubs­ta­gen durch Be­triebs- oder Dienst­ver­ein­ba­rung iSd. § 27 Abs. 3 TVöD-V aF, so muss da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nicht den ge­sam­ten § 27 TVöD-V aF für an­wend­bar erklärt hätten, wenn Sie im Er­geb­nis al­lein die Gel­tung des Ab­sat­zes 3 der Ta­rif­norm hätten an­ord­nen wol­len. Viel­mehr be­stand zwi­schen den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en stets Ein­ver­neh­men, dass für Wech­sel­schicht- und Schicht­ar­beit Zu­satz­ur­laub wie zu Zei­ten des BAT/BAT-O gewährt wer­den soll-te. Durch Satz 3 der An­la­ge D.2 Nr. 2 Abs. 1 TVöD-V aF, der durch Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 31. März 2008 rück­wir­kend zum 1. Ok­to­ber 2005 ein­gefügt wur­de, ist dies nur klar­ge­stellt wor­den (Brei­er/Das­sau/Kie­fer/Lang/Lan­gen­brinck aaO; vgl. auch RdSchr. der VKA vom 18. De­zem­ber 2006 - R 414/06 - be­rich­tigt durch RdSchr. vom 5. Ja­nu­ar 2007 (zu 2.4), ab­ge­druckt bei Spo­ner/ St­ein­herr TVöD Stand Ja­nu­ar 2016 TVöD-V An­la­ge D.2 Nr. 2 Vor­bem.).

2. Be­reits das Ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend un­ter Rück­griff auf die De­fi­ni­ti­on in § 7 Abs. 1 TVöD-V aF an­ge­nom­men, dass der Kläger in den bei­den streit­ge­genständ­li­chen Jah­ren ständig Wech­sel­schicht­ar­beit ge­leis­tet hat. Wech­sel­schicht­ar­beit ist nach § 7 Abs. 1 TVöD-V aF die Ar­beit nach ei­nem Schicht­plan, der ei­nen re­gelmäßigen Wech­sel der tägli­chen Ar­beits­zeit in Wech­sel­schich­ten vor­sieht, bei de­nen Beschäftig­te durch­schnitt­lich längs­tens nach Ab­lauf ei­nes Mo­nats er­neut zur Nacht­schicht her­an­ge­zo­gen wer­den. Wech­sel­schich­ten sind wech­seln­de Ar­beits­schich­ten, in de­nen un­un­ter­bro­chen bei Tag und Nacht, werk­tags, sonn­tags und fei­er­tags ge­ar­bei­tet wird. Zu Un­recht meint die Re­vi­si­on, es sei im Rah­men des § 27 TVöD-V aF nicht auf das Vor­lie­gen von Wech­sel­schich­ten iSd. § 7 Abs. 1 TVöD-V aF, son­dern auf das Vor­lie­gen von Wech­sel­diens­ten nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SächsAZ­VO ab­zu­stel­len. Zwar fin­det § 7 Abs. 1 TVöD-V aF an sich auf den haupt­amt­lich im kom­mu­na­len feu­er­wehr­tech­ni­schen Dienst beschäftig­ten Kläger nach der An­la­ge D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 TVöD-V aF kei­ne An­wen­dung. Viel­mehr gel­ten

 

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die ent­spre­chen­den be­am­ten­recht­li­chen Re­ge­lun­gen. Das gilt aber nach der An­la­ge D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 TVöD-V aF ge­ra­de nicht für die Fra­ge des Zu­satz­ur­laubs nach § 27 TVöD-V aF. Die­se Vor­schrift des TVöD-V aF soll auf die im kom­mu­na­len feu­er­wehr­tech­ni­schen Dienst Beschäftig­ten An­wen­dung fin­den. § 27 TVöD-V aF stellt aber nicht auf die ent­spre­chen­den be­am­ten­recht­li­chen Re­ge­lun­gen zu Wech­sel­diens­ten, son­dern auf das Vor­lie­gen von Wech­sel­schich­ten ab. Hier­zu enthält der TVöD-V aF ei­ne ei­ge­ne De­fi­ni­ti­on, die im Rah­men des § 27 TVöD-V aF her­an­zu­zie­hen ist.

III. Die Be­klag­te rügt mit ih­rer Re­vi­si­on zu Recht, dass we­der der TVöD-V aF noch das BUrlG ei­ne recht­li­che Grund­la­ge dafür ent­hal­ten, dass die Ta­ge, an de­nen der Kläger oh­ne Ur­laub von 00:00 Uhr bis 06:00 Uhr hätte ar­bei­ten müssen, zwar bei der Be­rech­nung der Ur­laubs­ta­ge, nicht aber bei der Erfüllung des Ur­laubs­an­spruchs zu berück­sich­ti­gen sind.

1. Es be­steht ein Gleich­lauf zwi­schen dem Be­zugs­punkt bei der Be­rech­nung des Ur­laub­s­um­fangs und dem Be­zugs­punkt bei der Erfüllung des Ur­laubs­an­spruchs. Setzt man in die For­mel für die Be­rech­nung als Ar­beits­ta­ge nicht nur die Ka­len­der­ta­ge ein, an de­nen die Schicht be­gon­nen hat, son­dern al­le Ka­len­der­ta­ge, an de­nen ei­ne Ar­beits­pflicht be­stand, so wird auch mit je­dem Tag der be­zahl­ten Frei­stel­lung der Ur­laubs­an­spruch erfüll

2. Die Be­klag­te er­teil­te dem Kläger zur Erfüllung des Ur­laubs­an­spruchs aus dem Jahr 2011 an 36 Ta­gen mit Ar­beits­pflicht Ur­laub. Der Ur­laubs­an­spruch von ins­ge­samt 34 Ta­gen ist da­mit auch un­ter Berück­sich­ti­gung des Son­der­ur­laubs auf­grund des 25-jähri­gen Be­triebs­ju­biläums durch Erfüllung er­lo­schen.

Die Be­klag­te gewähr­te dem Kläger zur Erfüllung des Ur­laubs­an­spruchs aus dem Jahr 2012 (ins­ge­samt 35 Ta­ge) an 32 Ta­gen mit Ar­beits­pflicht Ur­laub. Da­mit ver­blieb noch ein Ur­laubs­an­spruch im Um­fang von drei Ar­beits­ta­gen aus dem Jahr 2012. Als An­spruchs­grund­la­ge für die ver­lang­te Nach­gewährung von Ta­ri­fur­laub aus dem Jahr 2012 kom­men § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB in Be­tracht (vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 799/09 - Rn. 16, BA­GE 137, 221).

 

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Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en fand der TVöD-V aF als der den BAT-O er­set­zen­der Ta­rif­ver­trag An­wen­dung. Ein mögli­cher Erfüllungs­an­spruch ist mit dem 31. De­zem­ber 2012 grundsätz­lich er­lo­schen. Zu die­sem Zeit­punkt hat­te der Kläger die Gewährung des wei­te­ren Ur­laubs von der Be­klag­ten be­reits er­folg­los ver­langt, so­dass die­se sich in Ver­zug be­fand.

IV. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. 26

Brühler

Suckow

Klo­se

Pie­lenz

Kran­zusch

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