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Neues Integrationsgesetz unter dem Motto "Fördern und Fordern"
26.07.2016. Die Große Koalition hat sich auf ein neues Integrationsgesetz geeinigt, das am 07.07.2016 vom Bundestag beschlossen wurde.
In Zukunft sollen Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive schneller als bisher an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Andererseits enthält das Gesetz die Möglichkeit, Flüchtlingen Wohnsitze zuzuweisen, d.h. ihren Aufenthaltsort behördlich festzulegen.
Das Integrationsgesetz soll "fördern und fordern", d.h. einigen Flüchtlingen helfen und andere erziehen: Entwurf eines Integrationsgesetzes, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, vom 31.05.2016, Bundestag Drucks. 18/8615.
- Asylentscheidungen von Januar bis Juni 2016
- 100.000 Arbeitsgelegenheiten in Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen
- Rechtssicherheit beim Aufenthaltsstatus von Geduldeten während und nach der Ausbildung
- Bessere Förderung der Berufsausbildung
- Befristete Aussetzung der Vorrangprüfung
- Ausweitung der Integrationskurse für Asylsuchende und Pflicht zur Mitwirkung
- Wohnsitzzuweisung für Flüchtlinge für drei Jahre
- Voraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis (Daueraufenthaltsrecht)
- Kritische Stellungnahmen
- Fazit
Asylentscheidungen von Januar bis Juni 2016
Asylanträge laufen in Deutschland derzeit laut der Asylgeschäftsstatistik 6/16 auf folgende Ergebnisse hinaus:
- Neben einer Ablehnung (aktuell ca. 38,5 Prozent der Anträge)
- besteht die Möglichkeit eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Grundgesetz (GG) (aktuell ca. 0,3 Prozent der Anträge)
- oder als Flüchtling nach § 3 Abs.1 Asylgesetz (AsylG) (aktuell ca. 52 Prozent der Anträge),
- eine Rechtstellung als subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 Abs. 1 AsylG (aktuell ca. 8 Prozent der Anträge)
- oder eine Duldung nach § 60 Abs.5 und 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) (aktuell ca. 0,7 Prozent der Anträge).
Das neue Integrationsgesetz soll
"Menschen, die eine gute Bleibeperspektive haben, [...] möglichst zügig in unsere Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt integrieren, Flüchtlinge ohne Perspektive auf Anerkennung als Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte sollen mit Blick auf die Rückkehr in ihre Herkunftsländer adäquat gefördert werden."
100.000 Arbeitsgelegenheiten in Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen
Nach dem Gesetzesentwurf soll künftig der Zugang für Flüchtlinge zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. Dafür soll ein neues Arbeitsmarktprogramm geschaffen werden.
Im Rahmen des Arbeitsmarktprogramms sollen 100.000 Arbeitsgelegenheiten in Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen entstehen. Dadurch sollen Asylsuchende bereits vor dem Abschluss des Asylverfahrens "niedrigschwellig an den deutschen Arbeitsmarkt herangeführt" werden.
Die Arbeitsgelegenheiten umfassen gemeinnützige Beschäftigungen in und um Aufnahmeeinrichtungen sowie einfache öffentliche Arbeiten, ohne dass mit ihnen Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisse begründet werden. Die Arbeitsgelegenheiten entsprechen damit den sog. Ein-Euro-Jobs, doch beträgt die Aufwandsentschädigung, die gemäß § 5 Abs.2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu zahlen ist, künftig nur noch 0,80 EUR pro Stunde statt bisher 1,05 EUR pro Stunde (§ 5 Abs.2 AsylbLG neue Fassung (n.F.)).
Ausgenommen von der Möglichkeit der Arbeitsgelegenheit sind Asylsuchende aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten wie etwa dem Kosovo oder Serbien.
Rechtssicherheit beim Aufenthaltsstatus von Geduldeten während und nach der Ausbildung
Bereits nach bisheriger Rechtslage konnten Asylsuchende, die eigentlich abgeschoben werden müssten, in den Genuss einer vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung ("Duldung") kommen, wenn sie eine dreijährige Berufsausbildung begonnen haben, § 60a Abs.2 Satz 4 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG). Diese Duldung von Auszubildenden kam allerdings bisher nur Personen zugute, die 21 Jahre oder jünger sind.
Künftig fällt die Altersgrenze von 21 Jahren weg, d.h. auch ältere Asylsuchende können eine Duldung erhalten, wenn sie eine Berufsausbildung beginnen bzw. durchlaufen: Asylsuchende, die eine dreijährige Ausbildung machen, sind vor Abschiebung sicher bzw. erhalten eine Duldung (§ 60a Abs.2 Satz 4 bis 6 AufenthG n.F.).
Ergänzend zu dieser Neuregelung wird § 18a AufenthG um einen neuen Abs.1a ergänzt. Er sieht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für höchstens zwei Jahre vor, wenn der bislang geduldete Asylsuchende seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und eine der Ausbildung entsprechenden Arbeitsstelle gefunden hat. § 18a Abs.1a AufenthG n.F. lautet:
"Wurde die Duldung nach § 60a Absatz 2 Satz 4 erteilt, ist nach erfolgreichem Abschluss dieser Berufsausbildung für eine der erworbenen beruflichen Qualifikation entsprechenden Beschäftigung eine Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von zwei Jahren zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 bis 7 vorliegen und die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 zugestimmt hat."
Diese sog. Drei-plus-zwei-Regelung soll es Ausbildungsbetrieben und Flüchtlingen ermöglichen, die Ausbildung und anschließende Beschäftigung für einen längeren Zeitraum von insgesamt fünf Jahren und rechtlich besser abgesichert als bisher planen ´bzw. durchführen zu können.
Falls der Asylsuchende nach erfolgreicher Beendigung seiner Ausbildung keine direkte Anschlussbeschäftigung im Ausbildungsbetrieb findet, bekommt er künftig eine zusätzliche Duldung von sechs Monaten für die Arbeitsplatzsuche.
Bessere Förderung der Berufsausbildung
Nach bisheriger Rechtslage erhalten nur Deutsche, Unionsbürger und einige andere Ausländergruppen wie die anerkannten Flüchtlinge eine finanzielle Ausbildungsförderung ("Berufsausbildungsbeihilfe") nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB).
Das Integrationsgesetz sieht dazu in einem neuen § 132 Abs.2 SGB III vor, dass künftig auch Asylsuchende, die wegen einer Berufsausbildung eine Duldung erhalten, zu dem förderungsfähigen Personenkreis im Sinne von § 59 SGB III gehören werden.
Befristete Aussetzung der Vorrangprüfung
Nach drei Monaten eines rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland dürfen Asylsuchende im Prinzip eine bezahlte Arbeit aufnehmen, vorausgesetzt, dass die sog. Vorrangprüfung zu ihren Gunsten ausgefallen ist. Dies ergibt sich aus § 32 Abs.1 Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Beschäftigungsverordnung - BeschV) und aus § 39 AufenthG.
Im Rahmen der Vorrangprüfung treffen die Arbeitsagenturen eine Entscheidung darüber, ob die Vermittlung eines Asylsuchenden auf eine offene Stelle nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat und ob nicht möglicherweise Deutsche, EU-Bürger und/oder andere bevorrechtigte Ausländer für den Arbeitsplatz zur Verfügung stehen (§ 39 Abs.2 AufenthG).
Schon nach bisheriger Rechtslage erteilen die Arbeitsagenturen die Zustimmung zu einer Beschäftigung ohne eine Vorrangprüfung, wenn es sich um eine sehr gut qualifizierte und bezahlte Stelle handelt oder um eine Berufsausbildung oder wenn sich der Asylsuchende bereits seit 15 Monaten ohne Unterbrechung erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung in Deutschland aufgehalten hat.
Darüber hinaus soll die Vorrangprüfung künftig generell entfallen, und zwar für derzeit geplante drei Jahre. Grundlage ist der neue § 32 Abs.5 Nr.3 BeschV. Voraussetzung ist allerdings, dass die Asylsuchenden eine Beschäftigung in strukturschwachen Regionen ausüben wollen. Dazu soll eine Liste von Arbeitsagenturen erstellt werden, in deren Bezirken auf die Vorrangprüfung verzichtet werden soll (Bundesregierung: Verordnung zum Integrationsgesetz, Art.1 - Änderung der Beschäftigungsverordnung, Entwurf vom 25.05.2016).
Ausweitung der Integrationskurse für Asylsuchende und Pflicht zur Mitwirkung
Die Integrationskurse für Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive werden von derzeit 660 auf 700 Unterrichtsstunden aufgestockt.
Dabei bleibt der Sprachkursanteil mit 600 Unterrichtsstunden gleich, die Wertevermittlung hingegen, die im Orientierungskurs stattfindet, wird von 60 auf 100 Stunden erweitert (Bundesregierung: Verordnung zum Integrationsgesetz, Art.4 Nr.7 - Änderung der Integrationskursverordnung, Entwurf vom 25.05.2016). Hier soll es nach den Vorstellungen der Großen Koalition künftig vor allem um das Thema der Gleichstellung von Frauen und Männern gehen.
Zudem soll man in Zukunft maximal sechs Wochen auf einen Integrationskurs warten müssen. Die Kursträger müssen ihre Angebote und freien Plätze für mehr Transparenz veröffentlichen.
Neben diesen Leistungsausweitungen bzw. -verbesserungen steht künftig die Pflicht zur Teilnahme an Integrationskursen. Dazu wird eine neue Vorschrift in das AsylbLG eingefügt (§ 5b).
Dieser Vorschrift zufolge kann die zuständige Behörde volljährige und nicht mehr der Schulpflicht unterliegende Flüchtlinge, wenn sie arbeitsfähig, aber nicht erwerbstätig sind, zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichten. Wer sich weigert, einen für ihn zumutbaren Integrationskurs zu besuchen, muss mit der Kürzung von Sozialleistungen nach dem AsylbLG rechnen.
Wohnsitzzuweisung für Flüchtlinge für drei Jahre
Um Asylsuchende möglichst gleichmäßig auf das Bundesgebiet zu verteilen und dadurch soziale Brennpunkte zu verhindern, soll ihnen künftig der Wohnsitz für die Dauer von drei Jahren behördlich zugewiesen werden. Der Dreijahreszeitraum beginnt mit der Anerkennung oder der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Dazu erhält das AufenthG einen neuen § 12a. Er lautet (Abs.1):
"(1) Zur Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland ist ein Ausländer, der als Asylberechtigter, Flüchtling im Sinne von § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiär Schutzberechtigter im Sinne von § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes anerkannt worden ist oder dem nach § 22, § 23 oder § 25 Absatz 3 erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, verpflichtet, für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in dem Land seinen gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) zu nehmen, in das er zur Durchführung seines Asylverfahrens oder im Rahmen seines Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer, sein Ehegatte, eingetragener Lebenspartner oder minderjähriges Kind eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnimmt oder aufgenommen hat, durch die diese Person mindestens über ein Einkommen in Höhe des monatlichen durchschnittlichen Bedarfs nach den §§ 20 und 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für eine Einzelperson verfügt, oder eine Berufsausbildung aufnimmt oder aufgenommen hat oder in einem Studien- oder Ausbildungsverhältnis steht."
Die Ausnahmeregelung für Flüchtlinge, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Umfang von mindesten 15 Stunden pro Woche nachgehen, setzt ein Einkommen von mindesten 712,00 EUR voraus, denn das entspricht dem Regelbedarf einer Einzelperson zzgl. des Bedarfs für Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung.
Voraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis (Daueraufenthaltsrecht)
Wer als Flüchtling eine Niederlassungserlaubnis hat, ist vergleichsweise gut gestellt, weil er einen unbefristeten Aufenthaltstitel und damit ein Recht zum Daueraufenthalt besitzt. Außerdem berechtigt die Niederlassungserlaubnis gemäß § 9 Abs.1 AufenthG zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit und kann im Allgemeinen nicht mit behördlichen Auflagen versehen werden.
Die im Allgemeinen für Ausländer geltende Vorschrift über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist in § 9 Abs.2 Satz 1 AufenthG enthalten. Sie listet neun Voraussetzungen auf, die ein Ausländer erfüllen muss, um eine Niederlassungserlaubnis er erhalten. Insbesondere muss man schon seit fünf Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzen und in die Rentenkasse einzahlen, man muss einen gesicherten Lebensunterhalt haben und über "ausreichende" Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen.
An dieser Stelle hatten es Flüchtlinge bislang besser. Denn sie besitzen eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, und wer eine solche Aufenthaltserlaubnis drei Jahre lang besitzt, konnte nach bisher geltendem Recht (§ 26 Abs.3 AufenthG) ohne weitere Voraussetzungen eine Niederlassungserlaubnis erhalten.
Das soll jetzt durch das Integrationsgesetz geändert werden. Künftig enthält § 26 Abs.3 AufenthG zwei Wege, auf denen Flüchtlinge eine Niederlassungserlaubnis erhalten können:
Der längere Weg dauert fünf Jahre (statt bislang drei) und setzt (abweichend von der bisherigen Rechtslage) voraus, dass der Lebensunterhalt des Flüchtlings "überwiegend" gesichert ist und er über "hinreichende" Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Darüber hinaus müssen viele der allgemeinen Voraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis (§ 9 Abs.2 Satz 1 AufenthG) erfüllt sein. Nicht verlangt werden Beitragszahlungen zur Rentenversicherung.
Der kürzere Weg zur Niederlassungserlaubnis dauert drei Jahre (wie bisher), doch sind die Voraussetzungen gegenüber der bisherigen Rechtslage erheblich verschärft. So muss der Flüchtling alle Bedingungen erfüllen, die auch für die Niederlassungserlaubnis nach fünfjährigem Aufenthalt erforderlich sind, und er muss darüber hinaus die "deutsche Sprache beherrschen". Damit ist ein ziemlich gutes Sprachniveau gemeint, das nur wenige Flüchtlinge erreichen.
Immerhin stellt die Neuregelung für den langen wie für den kurzen Weg hin zur Niederlassungserlaubnis klar, dass die Aufenthaltszeit des Asylverfahrens auf die erforderliche Mindestzeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird.
Kritische Stellungnahmen
Die Frage, wie Flüchtlinge besser in die deutsche Gesellschaft integriert werden sollten, ist derzeit sehr umstritten. Entsprechend unterschiedlich fielen die Stellungnahmen zum Integrationsgesetz aus.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bewertet es positiv, dass Flüchtlinge durch das Gesetz künftig leichter in Beschäftigungs- und Ausbildungsverhältnisse eingebunden werden können. Allerdings ist die BDA dafür, die Vorrangprüfung allgemein abzuschaffen (Beschlussempfehlung und Bericht, vom 06.07.2016, BT-Drucks. 18/9090, S.18). Auch die zeitliche Begrenzung des Verzichts auf die Vorrangprüfung auf drei Jahre wird kritisiert, denn das laufe darauf hinaus, nach diesen drei Jahren die Beschäftigung von Flüchtlingen wieder zu verbieten.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ist umgekehrt der Meinung, die Vorrangprüfung solle am besten gar nicht ausgesetzt werden, da Flüchtlinge sonst v.a. in der Leiharbeit eingesetzt werden könnten. Auch die Wohnsitzauflagen werden kritisiert. Die bessere aufenthaltsrechtliche Absicherung der Berufsausbildung sieht der DGB dagegen positiv (Beschlussempfehlung und Bericht, vom 06.07.2016, BT-Drucks. 18/9090, S.17).
Die Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN ist der Ansicht, die geplanten Verbesserungen und Erleichterungen für Flüchtlinge erreiche "nicht einmal die Hälfte der Geflüchteten" (Beschlussempfehlung und Bericht, vom 06.07.2016, BT-Drucks. 18/9090, S.25). Die geplanten 100.000 Arbeitsgelegenheiten sind aus Sicht der Grünen der falsche Weg, den Flüchtlingen zu beruflichen Qualifikationen zu verhelfen. Die Wohnsitzauflagen sind aus Sicht der Grünen mit drei Jahren zu lang bemessen und erschweren die die Integration in den Arbeitsmarkt.
Die Fraktion DIE LINKE spricht sich vor allem gegen die Wohnsitzauflagen aus und dagegen, dass Flüchtlinge für ihre Arbeit im Rahmen der Arbeitsgelegenheiten nur 0,80 EUR Aufwandsentschädigung pro Stunde erhalten sollen. Die Wohnsitzauflagen verstoßen, so die Linken, gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und das EU-Recht (Beschlussempfehlung und Bericht, vom 06.07.2016, BT-Drucks. 18/9090, S.25). Die Linken lehnen die Neuregelung daher insgesamt ab.
Fazit
Das Integrationsgesetz will Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive zügig in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt integrieren. Hingegen sollen Einwanderer ohne Perspektive auf Anerkennung als Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte eher mit Blick auf die Rückkehr in ihre Herkunftsländer gefördert werden.
Diese Unterscheidung ist arbeitsmarkt- und integrationspolitisch fragwürdig, denn mit "Bleibeperspektive" sind ausschließlich juristische Sachverhalte gemeint. Eine schlechte "Bleibeperspektive" haben daher Asylbewerber aus Herkunftsländern, die als sicher eingestuft werden, denn rein rechtlich gesehen müssten sie irgendwann einmal Deutschland wieder verlassen, jedenfalls theoretisch. Faktisch bleiben aber viele hier, "Bleibeperspektive" hin oder her.
Auch wenn sich das derzeit politisch nur "schlecht verkaufen" lässt, vor allem am rechten Rand des politischen Spektrums: Besser als eine Unterscheidung zwischen Flüchtlingen mit oder ohne juristisch-theoretischer "Bleibeperspektive" wäre es, am Sprachniveau und den bereits vorhandenen beruflichen Erfahrungen anzusetzen. Daher sollte man den Zugang zur Arbeitsvermittlung und regulärer Beschäftigung für alle Asylsuchenden möglichst rasch und unbürokratisch öffnen, vorausgesetzt, die Asylsuchenden haben zuvor in einem ausreichenden Umfang Sprach- und Integrationskurse besucht.
Der Hauptfehler der deutschen Zuwanderungspolitik in den vergangenen Jahrzehnten bestand unstreitig darin, in völlig unrealistischer Weise zu unterstellen, dass die Zuwanderer wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren würden. Will man diesen Fehler nicht erneut begehen, müsste man deutlich größere Anstrengungen für eine Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt unternehmen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Entwurf eines Integrationsgesetzes, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, vom 31.05.2016, Bundestag Drucks. 18/8615
- Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD (Bundestag Drucks. 18/8615), vom 06.07.2016, Bundestag Drucks. 18/9090
- Bundesregierung: Integrationsgesetz setzt auf Fördern und Fordern, Pressemeldung der Bundesregierung vom 08.07.2016, mit Verweis auf die Verordnung zum Integrationsgesetz
- Bundesregierung: Verordnung zum Integrationsgesetz (Entwurf vom 25.05.2016)
- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Asylgeschäftsstatistik 6/16
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit, Zeitarbeit)
- Handbuch Arbeitsrecht: Beschäftigung, Beschäftigungsverhältnis
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialversicherungspflicht
- Arbeitsrecht aktuell: 20/094 Erleichterte Zuwanderung für ausländische Fachkräfte
- Arbeitsrecht aktuell: 18/007 Einwanderungsgesetz für ausländische Fachkräfte
- Arbeitsrecht aktuell: 12/123 Blaue Karte EU
- Arbeitsrecht aktuell: 11/190 Personalgewinnungszuschlag und andere Goodies: Gesetz zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund
- Arbeitsrecht aktuell: 11/067 Gesetz zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse
Letzte Überarbeitung: 4. Januar 2021
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