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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 21.05.2010, 6 Sa 350/10

   
Schlagworte: Lenkzeit, Arbeitszeit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 6 Sa 350/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.05.2010
   
Leitsätze:

1. Die Regelungen über Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten für Kraftfahrer begründen als bloße Nebenpflichten des Arbeitgebers keinen einklagbaren Leistungsanspruch des Arbeitnehmers. (Rn.29)

2. An einer Feststellung, dass der Arbeitgeber die Regelungen über Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten zu beachten hat, besteht kein nach § 256 Abs 1 ZPO erforderliches Interesse, wenn darüber kein Streit zwischen den Parteien herrscht, dieser sich vielmehr darauf beschränkt, ob aufgetretene Verstöße auf der Disposition der Touren durch den Arbeitgeber beruhen. (Rn.30)

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Brandenburg, Urteil vom 3.12.2009, 1 Ca 881/09
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

Verkündet

am 21.05.2010

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

6 Sa 350/10

1 Ca 881/09
Ar­beits­ge­richt Bran­den­burg an der Ha­vel

St., VA
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In dem Rechts­streit 

pp 

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Kam­mer 6,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 21. Mai 2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt C. als Vor­sit­zen­den
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter A. und S.

für Recht er­kannt:

1. Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bran­den­burg an der Ha­vel vom 03.12. 2009 – 1 Ca 881/09 - im Kos­ten­aus­spruch und in­so­weit geändert, wie die Kla­ge im Um­fang von 881,00 € brut­to nebst Zin­sen ab­ge­wie­sen wor­den ist, und die Be­klag­te ver­ur­teilt, an den Kläger 881,00 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über den Ba­sis­zins­satz seit dem 02.12.2009 zu zah­len.

2. Die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung wird zurück­ge­wie­sen.

3. Die Kos­ten des Rechts­streits 1. In­stanz ha­ben bei ei­nem Streit­wert von 8.046,42 € der Kläger zu 89,05 % und die Be­klag­te zu 10,95 % zu tra­gen, während die Kos­ten der Be­ru­fungs­in­stanz bei ei­nem Streit­wert von 9.046,42 € dem Kläger zu 90,26 % und der Be­klag­ten zu 9,74 % auf­er­legt wer­den.

4. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

C. A. S.

 

- 3 -

T a t b e s t a n d

Der am ….. 1953 ge­bo­re­ne Kläger stand seit dem 1. Mai 1992 als Kraft­fah­rer in den Diens­ten ei­nes Un­ter­neh­mens des Ein­zel­han­dels. Auf sein Ar­beits­verhält­nis fand der bis En­de 1999 all­ge­mein­ver­bind­li­che Man­tel­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del im Land Bran­den­burg (MTV) An­wen­dung. Am 6. No­vem­ber 2006 ging das Ar­beits­verhält­nis im We­ge ei­nes Be­triebs­teilüber­gangs auf die Be­klag­te über.

Mit sei­ner Kla­ge be­gehrt der Kläger Zah­lung von Ur­laubs­geld für 2009 und ei­ner Entschädi­gung we­gen sys­te­ma­ti­scher Ver­let­zung der Vor­schrif­ten über Lenk- und Ru­he­zei­ten, die er außer­dem zum Ge­gen­stand von Leis­tungs- und Fest­stel­lungs­anträgen macht.

Das Ar­beits­ge­richt Bran­den­burg an der Ha­vel hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, ein An­spruch des Klägers auf Ur­laubs­geld für 2009 sei noch nicht fällig, weil dem Kläger noch nicht min­des­tens die Hälf­te sei­nes ta­rif­ver­trag­li­chen Jah­res­ur­laubs gewährt wor­den sei. Verstöße ge­gen die Vor­schrif­ten über die tägli­chen Ru­he­zei­ten in den Mo­na­ten April bis Ju­ni 2009 ha­be der Kläger trotz Be­strei­tens der Be­klag­ten nicht be­wie­sen, sei­ne Lenk­zei­ten an den ein­zel­nen Ta­gen ha­be er trotz ent­spre­chen­der Auf­la­ge nicht dar­ge­legt.

Ge­gen die­ses ihm am 18. Ja­nu­ar 2009 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die am 17. Fe­bru­ar 2009 ein­ge­leg­te und am 29. März 2009 nach ent­spre­chen­der Verlänge­rung der Be­gründungs­frist be­gründe­te Be­ru­fung des Klägers. Er be­haup­tet in Ergänzung sei­nes erst­in­stanz­li­chen Vor­tra­ges zu ei­nem auch Rest­ur­laub aus dem Vor­jahr um­fas­sen­den Ur­laubs­an­trag vom 14. Ju­li 2009 (Ab­lich­tung Bl. 25 d. A.) auch in der Zeit vom 16. bis 27. No­vem­ber 2009 Ur­laub er­hal­ten und die rest­li­chen Ta­ge im Ja­nu­ar 2010 ge­nom­men zu ha­ben.

In den Mo­na­ten April bis Au­gust 2009 sei es auf Grund sei­nes Ein­sat­zes durch die drei Dis­po­nen­ten der Be­klag­ten zu neun Verstößen ge­gen ge­setz­li­che Vor­ga­ben zur Ru­he­zeit, drei Ta­ges­lenk­zei­ten­verstößen und 41 Verstößen ge­gen die Vor­ga­ben zu Lenk­zeit­un­ter­bre­chun­gen ge­kom­men. Die­se Verstöße ließen sich den Aus­wer­tun­gen der Schaublätter sei­nes Lkw (Ab­lich­tung Bl. 261 bis 271 d. A.) ent­neh­men. Dar­in sei ei­ne als Mob­bing zu wer­ten­de per­ma­nen­te Schi­ka­ne zu se­hen, durch die er nach ei­nem im Sep­tem­ber 2007 er­lit­te­nen Herz­in­farkt ei­ner er­heb­li­chen Ge­fahr für sei­ne Ge­sund­heit aus­ge­setzt wor­den sei. Durch per­ma­nen­ten Man­gel an Schlaf- und Ru­he­zeit lei­de er zu­dem un­ter Schlafstörun­gen und Blut­hoch­druck.

 

- 4 -

Der Kläger be­an­tragt,

das an­ge­foch­te­ne Ur­teil wie folgt zu ändern:

1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, dem Kläger ein Ur­laubs­geld für das Jahr 2009 in Höhe von 881,00 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz gemäß § 247 BGB seit dem 01.07.2009 zu zah­len.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, dem Kläger gemäß Ar­ti­kel 8 Abs. 1 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 561/2006 in­ner­halb je­des Zeit­rau­mes von 24 St­un­den ei­ne tägli­che Ru­he­zeit von min­des­tens elf zu­sam­menhängen­den St­un­den un­ter der Maßga­be zu gewähren, dass die Ru­he­zeit höchs­tens drei mal pro Wo­che auf nicht we­ni­ger als neun zu­sam­menhängen­de St­un­den verkürzt wer­den darf, so­fern bis zum En­de der fol­gen­den Wo­che ei­ne ent­spre­chen­de Ru­he­zeit zum Aus­gleich gewährt wird.

3. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, dem Kläger, so­fern die­ser kei­ne Ru­he­zeit nimmt, ei­ne Lenk­zeit­un­ter­bre­chung von min­des­tens 45 Mi­nu­ten nach ei­ner Ge­samt­lenk­dau­er von 270 Mi­nu­ten zu gewähren, wo­bei die tägli­che Lenk­zeit neun St­un­den und die wöchent­li­che Lenk­zeit 56 St­un­den nicht über­schrei­ten darf.

4. Vor­sorg­lich, für den Fall der Un­zulässig­keit der Kla­ge­anträge 2 und 3 wird fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, bei der Schicht – Dienst­plan­ein­tei­lung des Klägers zu gewähr­leis­ten,

a) dass der Kläger in­ner­halb je­des Zeit­rau­mes von 24 St­un­den ei­ne tägli­che Ru­he­zeit von min­des­tens elf zu­sam­menhängen­den St­un­den ein­le­gen kann,

b) dass die Ru­he­zeit da­bei höchs­tens drei mal pro Wo­che auch nicht we­ni­ger als neun zu­sam­menhängen­de St­un­den verkürzt wer­den darf, so­fern bis zum En­de der fol­gen­den Wo­che ei­ne ent­spre­chen­de zum Aus­gleich gewährt wird,

c) dass nach ei­ner Ge­samt­lenk­dau­er 270 Mi­nu­ten ei­ne Lenk­zeit­un­ter­bre­chung von 45 Mi­nu­ten ein­ge­legt wer­den kann, so­fern der Kläger kei­ne Ru­he­zeit nimmt,
d) dass die tägli­che Lenk­zeit neun St­un­den und die wöchent­li­che Lenk­zeit 56 St­un­den nicht über­schrei­tet.

5. Äußerst vor­sorg­lich, für den Fall der Un­zulässig­keit auch die­ses An­tra­ges – fest­zu­stel­len, dass der Kläger be­rech­tigt ist, nach ei­ner Ge­samt­lenk­dau­er von 270 Mi­nu­ten ei­ne Lenk­zeit­un­ter­bre­chung von 45 Mi­nu­ten ein­zu­le­gen, so­fern der Kläger kei­ne Ru­he­zeit nimmt, so­wie dass der Kläger be­rech­tigt ist, in­ner­halb je­des Zeit­rau­mes von 24 St­un­den ei­ne tägli­che Ru­he­zeit von min­des­tens elf zu­sam­menhängen­den St­un­den ein­zu­le­gen, wo­bei die Ru­he­zeit höchs­tens drei mal pro Wo­che auch nicht we­ni­ger als neun zu­sam­menhängen­de St­un­den verkürzt wer­den kann, so­fern bis zum En­de der fol­gen­den Wo­che ei­ne ent­spre­chen­de Ru­he­zeit zum Aus­gleich gewährt wird.

6. Hilfs­wei­se, für den Fall der Ab­wei­sung auch die­ses An­tra­ges wird fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te bei der Ein­tei­lung des Klägers zu dienst­li­chen Fahr­ten in der Zeit vom 02.04.2009 bis 31.08.2009 so­wie am 04.11.2009 ge­gen die ge­setz­li­chen Vor­ga­ben zu den Lenk- und Ru­he­zei­ten so­wie ge­gen die ge­setz­li­chen Vor­ga­ben zu Fahrt­un­ter­bre­chun­gen ver­s­toßen hat.

 

- 5 -

7. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger ein in das Er­mes­sen des Ge­richt ge­stell­tes Schmer­zens­geld – je­doch nicht un­ter 2.500,00 € - nebst Zin­sen in Höhe von 5 % über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie be­haup­tet, bei dem Ur­laub des Klägers im Ja­nu­ar 2010 ha­be es sich um an­tei­li­gen Ur­laub für die­ses Jahr ge­han­delt. Der Vor­trag des Klägers, die Tou­ren­pläne hätten kei­ne aus­rei­chen­den Zei­ten für tägli­che Ru­he­zei­ten und Lenk­zeit­un­ter­bre­chun­gen vor­ge­se­hen, sei wei­ter­hin so pau­schal, dass ei­ne Ein­ver­neh­mung der als Zeu­gen be­nann­ten Dis­po­nen­ten auf ei­ne un­zulässi­ge Aus­for­schung hin­aus­lie­fe. Zu­dem sei der Kläger für die Ein­hal­tung der Vor­schrif­ten über Lenk­zeit­un­ter­bre­chun­gen in ers­ter Li­nie selbst ver­ant­wort­lich ge­we­sen. Nach der ei­ge­nen erst­in­stanz­li­chen Schil­de­rung des Klägers sei der dienst­ha­ben­de Dis­po­nent auf sei­nen Hin­weis nicht aus­rei­chen­der Ru­he­zeit so­fort ein­ver­stan­den ge­we­sen, den Ar­beits­be­ginn auf ei­ne späte­re Uhr­zeit zu ver­schie­ben. Da der Kläger auf ein mit Schrift­satz vom 30. Ok­to­ber 2009 un­ter­brei­te­tes An­ge­bot ei­nes be­trieb­li­chen Ein­glie­de­rungs­ma­nage­ments bis­lang nicht ein­ge­gan­gen sei, be­ste­he An­lass, die be­haup­te­ten ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen und de­ren Ver­ur­sa­chung durch die Art des Ar­beits­ein­sat­zes zu be­strei­ten.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und die in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­wech­sel­ten Schriftsätze Be­zug ge­nom­men.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Die in­ner­halb der verlänger­ten Be­gründungs­frist ord­nungs­gemäß be­gründe­te Be­ru­fung des Klägers ist nur zu ei­nem ge­rin­gen Teil be­gründet.

1.1 Der Kläger hat An­spruch auf Zah­lung von 881,00 € brut­to Ur­laubs­geld nebst Ver­zugs­zin­sen.

1.1.1 Der Haupt­an­spruch be­ruht auf § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB und §§ 4 Abs. 5, 5 Abs. 4 TVG i. V. m. § 12 A Nr. 1, 2 und 8 Abs. 1 Satz 1 MTV EinzH.

1.1.1.1 Nach die­ser ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lung, die seit En­de der All­ge­mein­ver­bind­lich­keit nach­ge­wirkt hat und mit Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers auf Grund Be­triebs­teilüber­gangs am 6. No­vem­ber 2006 des­sen Be­stand­teil ge­wor­den ist, hat der

 

- 6 -

Kläger in je­dem Ka­len­der­jahr ei­nen An­spruch in Höhe von 45 % des je­wei­li­gen ta­rif­li­chen Ent­gelt­an­spruchs für das letz­te ta­rif­lich ver­ein­bar­te Be­rufs­jahr der Ta­rif­grup­pe K 2. Die­ser be­lief sich nach sei­ner in­so­weit un­wi­der­spro­che­ner Dar­stel­lung seit 2006 auf 881,00 € brut­to und wur­de auch in die­ser Höhe von der Be­klag­ten 2007 an ihn ge­zahlt.

1.1.1.2 Der An­spruch ist auch in­zwi­schen fällig ge­wor­den, weil die Be­klag­te dem Kläger min­des­tens die Hälf­te sei­nes Jah­res­ur­lau­bes für 2009 gewährt hat, der gemäß § 11 Nr. 1 MTV nach voll­ende­tem 30. Le­bens­jahr 36 Werk­ta­ge und da­mit in der 5-Ta­ge-Wo­che (36 x 5/6 =) 30 Ar­beits­ta­ge dau­er­te. Wie dem Ur­laubs­an­trag des Klägers vom 14. Ju­li 2009 zu ent­neh­men ist, hat­te er für die Zeit vom 14. Sep­tem­ber bis 11. Ok­to­ber 2009 Ur­laub be­an­tragt. Selbst wenn es sich da­bei laut Ein­tra­gung des Klägers bei 14,5 Ta­gen um Rest­ur­laub aus dem vo­ri­gen Jahr ge­han­delt ha­ben soll­te, wären da­mit doch zu­min­dest 5,5 Ta­ge Ur­laub auf 2009 ent­fal­len, die zu­sam­men mit wei­te­ren zehn Ur­laubs­ta­gen in der Zeit vom 16. bis 27. No­vem­ber 2009 be­reits die Hälf­te des Ur­laubs für die­ses Jahr aus­mach­ten.

1.1.2 Ver­zugs­zin­sen ste­hen dem Kläger gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB erst ab dem 2. De­zem­ber 2009 zu, weil sein An­spruch gemäß § 614 Satz 2 BGB erst nach Ab­lauf des Mo­nats No­vem­ber 2009 am 1. De­zem­ber 2009 fällig ge­wor­den ist.

1.2 Der Kläger hat kei­nen im We­ge der Leis­tungs­kla­ge durch­setz­ba­ren An­spruch auf Leis­tung ei­ner tägli­chen Ru­he­zeit im be­stimm­ten Min­dest­um­fang und Gewährung von Lenk­zeit­un­ter­bre­chun­gen nach be­stimm­ten Lenk­zei­ten un­ter Ein­hal­tung tägli­cher und wöchent­li­cher Lenk­zeit­gren­zen. Dass die Be­klag­te als Ar­beit­ge­ber des Klägers ver­pflich­tet ist, die­se sich aus Art. 6 und 8 VO (EG) Nr. 561/2006 und § 21a Abs. 4 Arb­ZG er­ge­ben­den Vor­ga­ben bei sei­ner Beschäfti­gung zu be­ach­ten, be­trifft nicht das Was, son­dern, das Wie der ge­schul­de­ten Leis­tung, stellt mit­hin ei­ne bloße Ne­ben- und kei­ne Ne­ben­leis­tungs­pflicht dar.

1.3 Den auf ei­ne ent­spre­chen­de Fest­stel­lung ge­rich­te­ten Hilfs­anträgen des Klägers konn­te eben­falls nicht ent­spro­chen wer­den, weil es an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­chen Fest­stel­lungs­in­ter­es­se man­gel­te. Dass sie die vom Kläger zum Ge­gen­stand ei­nes Fest­stel­lungs­be­geh­rens ge­mach­ten recht­li­chen Vor­ga­ben zu be­ach­ten hat bzw. dass der Kläger be­rech­tigt ist, sei­ne Ar­beits­leis­tung an die­sen Vor­ga­ben aus­zu­rich­ten, ist von der Be­klag­ten nie in Ab­re­de ge­stellt wor­den. Strei­tig war le­dig­lich, ob auf­ge­tre­te­ne Verstöße von der Be­klag­ten auf Grund der Tou­ren­pläne zu ver­tre­ten sind. Da­ge­gen herrsch­te auch nicht et­wa Streit darüber, was als Lenk­zeit an­zu­se­hen ist, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne

 

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Lenk­zeit­un­ter­bre­chung zu stel­len sind oder wie die Ru­he­zeit zu be­rech­nen ist (vgl. zu solch ei­nem Fall BAG, Ur­teil vom 24.03.1998 – 9 AZR 172/97 – AP GVG § 21e Nr. 4 zu IV 1 der Gründe). Le­dig­lich bei der ge­le­gent­li­che prak­ti­zier­ten Über­las­sung des Lkw für Fahr­ten des Klägers nach Hau­se oder zur Ar­beit schei­nen die Par­tei­en de­ren lenk- und ru­he­zeit­recht­li­che Be­deu­tung übe­rein­stim­mend ver­kannt zu ha­ben, was aus die­sem Grund aber auch ge­ra­de kei­nen durch ge­richt­li­che Ent­schei­dung klärungs­bedürf­ti­gen Streit­punkt dar­stell­te.

1.4 Der mit der Be­ru­fungs­be­gründung zulässi­ger­wei­se gemäß § 533 ZPO er­ho­be­ne wei­te­re Hilfs­an­trag auf Fest­stel­lung von Verstößen ge­gen ge­setz­li­che Vor­ga­ben bei der Ein­tei­lung des Klägers zu dienst­li­chen Fahr­ten ent­spricht eben­falls nicht den Zulässig­keits­an­for­de­run­gen des § 256 Abs. 1 ZPO. Die­ser An­trag ist nicht auf ein Rechts­verhält­nis oder auch nur ei­nen Teil da­von ge­rich­tet, son­dern auf die Fest­stel­lung von Tat­sa­chen. Da­mit genügte er auch nicht den An­for­de­run­gen an ei­ne Zwi­schen­fest­stel­lungs­kla­ge nach § 256 Abs. 2 ZPO.

1.5 Der Kläger kann schließlich auch nicht Zah­lung ei­ner Entschädi­gung in Geld ver­lan­gen.

1.5.1 Dass sei­ne Schlafstörun­gen und sein Blut­hoch­druck auf vor­ga­be­wid­ri­ge Tou­ren­pläne der Dis­po­nen­ten der Be­klag­ten zurück­ge­hen, was ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten we­gen Ver­let­zung ih­rer Pflicht zur Rück­sicht­nah­me gemäß §§ 241 Abs. 2, 278 Satz 1, 280 Abs. 1 BGB und ei­ne de­lik­ti­sche Haf­tung gemäß §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 Satz 1 BGB be­gründen und da­mit gemäß § 253 Abs. 2 BGB auch zur Zah­lung ei­ner Entschädi­gung in Geld ver­pflich­ten würde, hat der Kläger bloß pau­schal be­haup­tet, trotz be­reits erst­in­stanz­li­cher Be­an­stan­dung der Be­klag­ten je­doch nicht sub­stan­ti­iert dar­ge­legt. Die von ihm mit der Be­ru­fungs­be­gründung in Be­zug ge­nom­me­nen Aus­wer­tun­gen der Schaublätter des Fahr­ten­schrei­bers sei­nes Lkw wei­sen für den Zeit­raum von fünf Mo­na­ten le­dig­lich zehn Ru­he­zeit­un­ter­schrei­tun­gen und drei Ta­ges­lenk­zeitüber­schrei­tun­gen aus, während es 41 Mal zu ver­späte­ten Lenk­zeit­un­ter­bre­chun­gen ge­kom­men ist, die der Kläger selbst hätte ver­mei­den können. Auf die von der Be­klag­ten be­reits erst­in­stanz­lich vor­ge­brach­ten zum Teil ganz er­heb­li­chen Ab­wei­chun­gen der Fahrt­stre­cken des Klägers vom Tou­ren­schein ist die­ser über­haupt nicht ein­ge­gan­gen, son­dern hat mit sei­ner Be­ru­fungs­be­gründung le­dig­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Be­klag­te den frag­li­chen Zeit­raum oh­ne Ein­be­hal­te zum St­un­den­lohn ab­ge­rech­net ha­be, und dar­aus ge­fol­gert, dass der Um­fang sei­ner Ar­beits­zeit un­strei­tig sein dürf­te.

 

- 8 -

1.5.2 Selbst wenn die do­ku­men­tier­ten Verstöße ge­gen Vor­schrif­ten über Lenk- und Ru­he­zei­ten auf den Tou­ren­plänen der Dis­po­nen­ten be­ruht ha­ben soll­ten, was bei den ganz über­wie­gend auf­ge­tre­te­nen ver­späte­ten Lenk­zeit­un­ter­bre­chun­gen schon nicht er­kenn­bar war, ließe sich dar­aus doch nicht ab­lei­ten, dass die Dis­po­nen­ten den Kläger da­mit hat­ten sys­te­ma­tisch schi­ka­nie­ren wol­len, wor­in ei­ne schwe­re Ver­let­zung des All­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts läge, die, von der ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung in § 253 BGB un­berührt, eben­falls zu ei­ner Entschädi­gung in Geld ver­pflich­tet hätte (da­zu BAG, Ur­teil vom 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – BA­GE 122, 304 = AP BGB § 611 Mob­bing Nr. 5 zu B II 3 b bb und cc der Gründe). Da­ge­gen sprach be­reits, dass ein Hin­weis des Klägers auf nicht aus­rei­chen­de Ru­he­zeit so­fort berück­sich­tigt wor­den ist. Auch hat der Kläger nichts zu ei­nem feind­li­chen Um­feld vor­ge­bracht, dass in An­leh­nung an die De­fi­ni­ti­on ei­ner Belästi­gung in § 3 Abs. 3 AGG ku­mu­la­tiv zu ei­ner Würde­ver­let­zung vor­lie­gen muss, um von sog. Mob­bing als ei­ner sich aus zahl­rei­chen Ein­zel­ak­ten zu­sam­men­set­zen­den Ver­let­zungs­hand­lung spre­chen zu können (da­zu BAG, Ur­teil vom 25.10.2007 – 8 AZR 593/06 – BA­GE 124, 295 = AP BGB § 611 Mob­bing Nr. 6 R 59; Ur­teil vom 24.09.2009 – 8 AZR 705/08 – NZA 2010, 387 R 29).

2. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Zur Er­mitt­lung der zweit­in­stanz­li­chen Quo­te ist der neue Hilfs­an­trag des Klägers gemäß § 3 Ts. 1 ZPO mit 1.000,00 € ne­ben dem erst­in­stanz­li­chen Streit­wert von 8.046,42 € in An­satz ge­bracht wor­den.

Die Vor­aus­set­zun­gen des § 72 Abs. 2 ArbGG für ei­ne Zu­las­sung der Re­vi­si­on wa­ren nicht erfüllt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Ge­gen die­ses Ur­teil ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

 

C.

A.

S.

 

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