HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 03.11.2010, 12 Sa 974/10

   
Schlagworte: Zeugnis: Dankesformel
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 12 Sa 974/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 03.11.2010
   
Leitsätze:

1. Im Rahmen des § 109 GewO sind wechselseitig kleinere, ephemere Unvollkommenheiten hinzunehmen (Fortführung der Bezirksrechtsprechung seit ArbG Düsseldorf NZA 1985, 812 0 = NJW 1986, 1281). Dementsprechend hat der Arbeitgeber, dem gesetzlich die wohlwollende Betrachtung des Gesamtbildes angesonnen wird, das Arbeitsverhältnis bzw. das Arbeitszeugnis nach guter Leistung und Führung mit dem Dank an den Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit und guten Wünschen für den weiteren Berufsweg ausklingen zu lassen.

2. Es bleibt unentschieden, ob es der effizienten Ausübung des Rechts auf Elternzeit (Art 33 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegensteht, wenn der Arbeitgeber das Zeugnis ohne höfliche Schlussformel mit dem Satz abschließt, dass die Arbeitnehmerin "nach ihrer dreijährigen Elternzeit im beiderseitigen Einvernehmen aus dem Unternehmen ausscheide".

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 08.06.2010, 7 Ca 1575/10
   

12 Sa 974/10

7 Ca 1575/10
Ar­beits­ge­richt Düssel­dorf  

Verkündet

am 03. No­vem­ber 2010

Es­ser Re­gie­rungs­beschäftig­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT DÜSSEL­DORF

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

der Frau E. X., I. str. 86, C.,

- Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte C., L. u.a.,
B. Str. 2 - 4, C.,

g e g e n

die H. Kanz­lei Con­sul­ting GmbH, ver­tre­ten durch die Geschäftsführe­rin L. I., I.-I.-Str. 28, F.,

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte Q. u.a.,
L. str. 34, E.,

hat die 12. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 03.11.2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Plüm als Vor­sit­zen­den so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Les­ke und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Horst­mann

für R e c h t er­kannt:

Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 08.06.2010 teil­wei­se ab­geändert und die Be­klag­te ver­ur­teilt, das Schluss­zeug­nis der Kläge­rin vom 31.05.2009 da­hin­ge­hend zu ändern, dass im letz­ten Satz fol­gen­de For­mu­lie­rung an­gefügt wird:

„Wir dan­ken Frau X. für ih­re ge­leis­te­te Ar­beit und wünschen ihr auf ih­rem wei­te­ren Be­rufs­weg al­les Gu­te und wei­ter­hin viel Er­folg.“

 

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Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens wer­den ge­gen­ein­an­der auf­ge­ho­ben.
Die Kos­ten ers­ter In­stanz tra­gen die Kläge­rin zu 4/5 und die Be­klag­te zu 1/5.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

T A T B E S T A N D :

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob die Be­klag­te in das Ar­beits­zeug­nis der Kläge­rin als Schluss­satz ei­ne Dan­kes- und Wunsch­for­mel auf­zu­neh­men hat.

Die Kläge­rin war seit dem 01.03.2003 bei der Be­klag­ten, die als Sys­tem­part­ner der DA­TEV Steu­er­be­ra­ter und de­ren Man­dan­ten be­treut, als Team­spre­che­rin beschäftigt.

Un­ter dem 19.07.2006 er­teil­te die Be­klag­te der Kläge­rin anläss­lich der In­an­spruch­nah­me von El­tern­zeit wunsch­gemäß ein Zwi­schen­zeug­nis.

Im Jah­re 2009 kam es zwi­schen den Par­tei­en zu ei­nem Rechts­streit (ArbG Düssel­dorf 11 Ca 4116/09) über die Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin in der Funk­ti­on der „Mit­ar­bei­te­rin des Ser­vice Cen­ters“ und ei­ner am 30.03.2009 aus­ge­spro­che­nen Ände­rungskündi­gung. Zur so­zia­len Recht­fer­ti­gung der Kündi­gung be­rief sich die Be­klag­te dar­auf, dass während der El­tern­zeit der Kläge­rin die Po­si­ti­on der Team­spre­che­rin be­trieb­lich in Weg­fall ge­bracht wor­den sei. Die Kläge­rin, die das Ände­rungs­an­ge­bot ab­ge­lehnt hat­te, und die Be­klag­te verständig­ten sich in ei­nem am 19.07.2009 ge­schlos­se­nen Pro­zess­ver­gleich dar­auf, dass das zwi­schen ih­nen be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis auf­grund ar­beit­ge­ber­sei­ti­ger frist­gemäßer be­triebs­be­ding­ter Kündi­gung vom 30.03.2009 mit Ab­lauf des 31.05.2009 sein En­de ge­fun­den ha­be. Wei­ter­hin ver­pflich­tet die Be­klag­te sich in dem Ver­gleich, „der Kläge­rin ein wohl­wol­len­des und qua­li­fi­zier­tes

 

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End­zeug­nis auf der Ba­sis des be­reits er­teil­ten Zwi­schen­zeug­nis­ses vom 19.07.2006“ zu er­tei­len.

Das dar­auf­hin un­ter dem 31.05.2009 aus­ge­stell­te End­zeug­nis ist – ab­ge­se­hen von der Schluss­for­mu­lie­rung – vom Wort­laut her iden­tisch mit dem Zwi­schen­zeug­nis. Nach der Dar­stel­lung des Auf­ga­ben­be­reichs wer­den Leis­tung und Führung wie folgt be­schrie­ben:

„Frau X. er­le­dig­te al­le ihr über­tra­ge­nen Auf­ga­ben völlig selbständig zu un­se­rer volls­ten Zu­frie­den­heit. Sie en­ga­gier­te sich sehr für ih­re Auf­ga­ben und wies ein ho­hes Maß an Ein­satz­be­reit­schaft bei gu­ter Ar­beits­qua­lität auf.

Auf­grund ih­rer ak­ti­ven und ko­ope­ra­ti­ven Mit­ar­beit wur­de Frau X. von Vor­ge­setz­ten und Kol­le­gen glei­cher­maßen geschätzt und an­er­kannt. Her­vor­zu­he­ben ist ihr freund­li­cher und an­ge­neh­mer Um­gang mit den Kun­den, der ihr für die Ak­qui­se neu­er Pro­jek­te und für die Fes­ti­gung lang­fris­ti­ger Kun­den­be­zie­hun­gen sehr zum Vor­teil ge­reich­te.“

Während das Zwi­schen­zeug­nis mit dem Satz en­det, dass „das Zwi­schen­zeug­nis auf Wunsch von Frau W. auf­grund ih­rer mehrjähri­gen El­tern­zeit aus­ge­stellt“ wer­de, ist in dem End­zeug­nis for­mu­liert: „Nach ih­rer dreijähri­gen El­tern­zeit schei­det Frau W. aus un­se­rem Un­ter­neh­men im bei­der­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men aus.“

Mit der im März 2010 vor dem Ar­beits­ge­richt Düssel­dorf er­ho­be­nen Kla­ge hat die Kläge­rin ei­ne umfäng­li­che Ände­rung des Zeug­nis­ses und u.a. die Auf­nah­me ei­ner Dan­kes- und Wunsch­for­mel als Schluss­satz be­gehrt.

Das Ar­beits­ge­richt hat durch Ur­teil vom 08.06.2010 die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit der form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­ten und be­gründe­ten Be­ru­fung greift die Kläge­rin mit dem zu­letzt ge­stell­ten An­trag das Ur­teil, auf das hier­mit zur nähe­ren Dar­stel­lung des Sach- und Streit­stan­des ver­wie­sen wird, in­so­weit an, als sie die Dan­kes- und Wunsch­for­mel in das Zeug­nis auf­ge­nom­men wis­sen möch­te.

 

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Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 08.06.2010 teil­wei­se ab­zuändern und die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, das Schluss­zeug­nis der Kläge­rin vom 31.05.2009 da­hin­ge­hend zu ändern, dass im letz­ten Satz fol­gen­de For­mu­lie­rung an­gefügt wird:

„Wir dan­ken Frau X. für ih­re ge­leis­te­te Ar­beit und wünschen ihr auf ih­rem wei­te­ren Be­rufs­we­ge al­les Gu­te und wei­ter­hin viel Er­folg.“

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf den In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze mit den hier­zu über­reich­ten An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :

I. Die Be­ru­fung ist an sich statt­haft, § 64 Abs. 1 ArbGG, nach dem Wert
des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des zulässig, § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG, so­wie in ge­setz­li­cher Form und Frist ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.
Der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des über­steigt € 600,00.

1. Bei dem Zeug­nis­rechts­streit han­delt es sich um ei­ne vermögens­recht­li­che Strei­tig­keit (BAG 13.02.1984 – 7 AZB 22/83 – Ju­ris Rn. 5). Gemäß § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG ArbGG fin­det ge­gen ein erst­in­stanz­li­ches Ur­teil die Be­ru­fung statt, wenn der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des € 600,00 über-

 

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steigt. Die Be­rech­nung des Be­schwer­de­wer­tes er­folgt nach § 3 ZPO. Maßgeb­lich sind die in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­stell­ten Anträge (BAG 04.06.2008 – 3 AZB 37/08 – NJW 2009, 172 = Ju­ris Rn. 11, vgl. GK-ArbGG/Vos­sen, § 64 Rn. 44). Die Kläge­rin hat sich nach teil­wei­ser An­fech­tung des klag­ab­wei­sen­den Ur­teils zu­letzt auf das Ver­lan­gen nach Auf­nah­me ei­ner ab­sch­ließen­den Dan­kes- und Wunsch­for­mel in das Zeug­nis be­schränkt.

2. Als Wert ei­ner Kla­ge auf Er­tei­lung ei­nes qua­li­fi­zier­ten Zeug­nis­ses hat sich das Mo­nats­ein­kom­men ein­gebürgert (BAG 20.02.2001 – 9 AZR 44/00 – BA­GE 97, 57, zu A II = Ju­ris Rn. 12, LAG Schles­wig-Hol­stein 19.03.2009 – 1 Ta 203/08 – JurBüro 2010, 306 = Ju­ris Rn. 15, LAG Köln 28.04.1999 – 13 Sa 96/99 – MDR 1999, 1336 = Ju­ris Rn. 4, GK-ArbGG/Schleu­se­ner, § 12 Rn. 338 f.). Des­halb muss sich am Mo­nats­ge­halt auch der Wert der Kla­ge auf Be­rich­ti¬gung des Zeug­nis­ses ori­en­tie­ren.

a) Nach Auf­fas­sung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (20.02.2001 – 9 AZR 44/00 – BA­GE 97, 57-63 = Ju­ris Rn. 12) kommt es für die Be­wer­tung des Zeug­nis­be­rich­ti­gungs­an­spruchs mit ei­nem Mo­nats­ver­dienst nicht auf den Um­fang der vom Ar­beit­neh­mer ver­lang­ten Ände­run­gen an. Das Ge­setz ken­ne kei­nen Zeug­nis-Be­rich­ti­gungs­an­spruch, so dass der Ar­beit­neh­mer mit dem Ver­lan­gen nach ei­nem an­ders ge­fass­ten Zeug­nis in Wahr­heit ei­nen Erfüllungs­an­spruch auf Er­tei­lung ei­nes rich­ti­gen Zeug­nis­ses gel­tend ma­che.

Da­nach wäre die Be­ru­fung nach dem Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des, den das Ar­beits­ge­richt mit ei­nem Mo­nats­ge­halt (€ 3.059,00) an­ge­nom­men hat, gemäß § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statt­haft.

b) Die Statt­haf­tig­keit der vor­lie­gen­den Be­ru­fung steht auch dann nicht in Fra­ge, wenn man der Ab­schlags­theo­rie folgt. Da­nach ist bei ei­nem Streit nur über ein­zel­ne Ände­rungs­punk­te von dem re­gelmäßig an­zu­neh­men­den Mo­nats­ver­dienst ein Ab­schlag zu ma­chen (z.B. LAG Köln 29.12.2000 – 8 Ta 299/00 – NZA-RR 2001, 324 = Ju­ris Rn. 19, ErfK/Koch, 11. Aufl., § 12 ArbGG Rn. 21; vgl. BAG 13.02.1984 – 7 AZB 22/83 – Ju­ris Rn. 8) und auch sonst nach dem

 

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wirt­schaft­li­chen In­ter­es­se an der Ti­tu­lie­rung des Zeug­nis­an­spruchs zu dif­fe­ren­zie­ren (LAG Düssel­dorf 28.03.2006 – 6 Ta 137/06 – Ju­ris Rn. 2 ff., vgl. Säch­si­sches LAG 07.07.2009 – 4 Ta 59/09 [2] – Ju­ris Rn. 13 ff.).

Die Kam­mer folgt die­ser Sicht­wei­se.

Für die Wert­be­mes­sung in der Rechts­mit­tel­in­stanz ist das In­ter­es­se des je­wei­li­gen Rechts­mitt­elführers maßge­bend. Legt, wie hier, die Kläge­rin nach Ab­wei­sung ih­rer Kla­ge in der Vor­in­stanz Be­ru­fung ein, dann be­stimmt sich der Wert des Zeug­nis­be­rich­ti­gungs­an­spruchs nach dem wirt­schaft­li­chen In­ter­es­se, das sie an der Aus­stel­lung ei­nes geänder­ten Zeug­nis­ses hat. Der Kläge­rin geht es um Erhöhung der Be­wer­bungs­chan­cen durch ein „bes­se­res“ Zeug­nis. Die­se Wert­erhöhung hat das Ge­richt gemäß § 3 ZPO nach frei­em Er­mes­sen zu schätzen. An­zu­mer­ken ist, dass auch aus Sicht der Ar­beit­ge­bers der „Re­gel­wert“ von ei­nem Mo­nats­ver­dienst nicht er­reicht ist, wenn es nur um die Schluss­flos­kel geht und den Auf­wand an Zeit und Kos­ten für die Er­stel­lung ei­nes neu­en Zeug­nis­ses be­grenzt.

Ste­hen – wie vor­lie­gend – nur ein­zel­ne Punk­te im Streit, hat als Kon­se­quenz dar­aus, dass der Zeug­nis­rechts­streit vermögens­recht­li­cher Na­tur ist und das ins­ge­samt um­strit­te­ne Zeug­nis mit ei­nem Mo­nats­ge­halt aus­rei­chend be­wer­tet zu sein pflegt, den­knot­wen­dig der Streit­wert für ein nur teil­wei­se um­strit­te­nes Zeug­nis ge­rin­ger, nämlich der Bruch­teil ei­nes Mo­nats­ein­kom­mens, zu sein. Nach den Ge­set­zen der Lo­gik wäre die­ser Bruch­teil an­hand des wertmäßigen Verhält­nis­ses zwi­schen dem streit­be­fan­ge­nen Ände­rungs­punkt und dem Ge­samt­zeug­nis zu er­mit­teln (vgl. HWK/Gänt­gen, 3. Aufl., § 109 Ge­wO Rn. 53 a.E.). Dem­gemäß hat die Kam­mer er­kannt, dass der Streit nur über die Leis­tungs­be­ur­tei­lung mit 1/3 des Mo­nats­ge­halts an­ge­mes­sen be­wer­tet sein kann (LAG Düssel­dorf 08.08.1990 – 12 Sa 816/90 – Ju­ris Rn. 68). Al­ler­dings fängt die Bruch­rech­nung die par­ti­el­le Man­gel­haf­tig­keit des Ge­samt­akts „Zeug­nis“ nicht im­mer ein und leuch­tet dann nur spot­licht­ar­tig den Spiel­raum des frei­en Er­mes­sens (§ 3 ZPO) aus. So kann sich ei­ne ab­wei­chen­de Quo­tie­rung im Ein­zel­fall aus dem höhe­ren oder ge­rin­ge­ren wirt­schaft­li­chen In­ter­es­se des Ar­beit-

 

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neh­mers an ein­zel­nen Zeug­nis­punk­ten er­ge­ben oder die Un­zuläng­lich­keit ei­nes sin­gulären Zeug­nis­man­gels das Zeug­nis übermäßig in sei­nem Ge­samt­wert be­ein­träch­ti­gen. Ge­richt­li­che Klein­lich­keit würde – auch wenn dies kein recht­lich durch­schla­gen­der As­pekt ist – dem an­walt­li­chen Auf­wand mit Pro­zess und ei­ge­ner Par­tei nicht ge­recht wer­den und ge­ra­de in Zeug­nis­rechts­strei­tig­kei­ten als un­an­ge­mes­sen er­schei­nen.

c) Im Streit­fall ist das mit Aus­nah­me der Schluss­for­mu­lie­rung ord­nungs­gemäß er­teil­te Zeug­nis für die Kläge­rin durch­aus von Wert und bei Be­wer­bun­gen ver­wend­bar. Die Abände­rung des Zeug­nis­ses durch Einfügung der Dan­kes-und Zu­kunfts­for­mel dient der Erhöhung der Be­wer­bungs­chan­cen mit­tels ei­nes „bes­se­ren“ Zeug­nis­ses. In die­sem Licht hat die Kam­mer den Streit um die freund­li­che Schluss­flos­kel mit 20 % des Mo­nats­ver­diens­tes, d.h. € 611,80, be­wer­tet. Da­mit ist die Wert­gren­ze des § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG über­wun­den.

II. Die Be­ru­fung ist be­gründet. Die Be­klag­te ist gemäß § 109 Ge­wO ver­pflich­tet, die in dem Be­ru­fungs­an­trag vor­for­mu­lier­te Dan­kes- und Wunsch­for­mel in das Schluss­zeug­nis auf­zu­neh­men.

1. Das Ar­beits­ge­richt hat zur Be­gründung sei­ner ge­gen­tei­li­gen Auf­fas­sung aus­geführt, dass grundsätz­lich kein An­spruch auf Auf­nah­me ei­nes der­ar­ti­gen Schluss­sat­zes be­ste­he und auch der Pro­zess­ver­gleich vom 19.07.2009 die Be­klag­te hier­zu nicht ver­pflich­te. „Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 20.02.2001 (9 AZR 44/00) ent­schie­den, dass sol­che Schlusssätze nicht zum ge­setz­lich ge­schul­de­ten In­halt ei­nes Ar­beits­zeug­nis­ses gehören. Das Feh­len sol­cher Schlusssätze macht ein Zeug­nis nicht un­vollständig. Dem Ar­beit­ge­ber ob­liegt die For­mu­lie­rung und Ge­stal­tung des Zeug­nis­ses. Ein Zeug­nis oh­ne Schluss­satz wird nicht zwin­gend ent­wer­tet. Oh­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge kann ein Ar­beit­ge­ber nicht ver­ur­teilt wer­den, Dank oder Be­dau­ern aus­zu­drücken und dem Ar­beit­neh­mer sol­che Gefühle schrift­lich zu be­schei­ni­gen. Die vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf in der Ent­schei­dung vom 21.05.2008 (12 Sa 505/08) er­ho­be­nen Be­den­ken sind be­reits in der Ent­sch­ei-

 

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dung vom 20.02.2001 vom Bun­des­ar­beits­ge­richt berück­sich­tigt wor­den. Vor die­sem Hin­ter­grund schließt sich die Kam­mer der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts an.“

2. Dem folgt die Kam­mer nicht. Sie ist – un­ter An­knüpfung an ihr Ur­teil vom
12.05.2008 – 12 Sa 505/08 – NZA-RR 2009, 177 = LA­GE Nr. 5 zu § 630 BGB 2002 = Ju­ris Rn. 30 – der Auf­fas­sung, dass die Ver­pflich­tung zur Auf­nah­me ei­ner Dan­kes- und Zu­kunfts­for­mel ins­be­son­de­re dann in Be­tracht kommt, wenn die dem Ar­beit­neh­mer zu­ste­hen­de Leis­tungs- und Ver­hal­tens­be­wer­tung über ein "be­frie­di­gend" si­gni­fi­kant hin­aus­geht und In­halt und Form des vor­ge­leg­ten Ar­beits­zeug­nis­ses bei Be­wer­bun­gen bzw. der Be­wer­be­r­aus­wahl re­le­vant zu sein pfle­gen. In die­ser Kon­stel­la­ti­on stellt das Feh­len ei­ner Schluss­for­mu­lie­rung, mit der der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer für die ge­leis­te­te Ar­beit dankt und al­les Gu­te und Er­folg für den wei­te­ren Be­rufs­weg wünscht, ei­ne nach § 109 Abs. 2 Satz 2 Ge­wO un­zulässi­ge Ab­wer­tung der Leis­tungs- und Ver­hal­tens­be­ur­tei­lung dar. Mit ei­nem oh­ne ab­sch­ließen­de freund­li­che Schluss­flos­kel (clau­su­la co­mis be­ne­vo­len­tiae) aus­ge­stell­ten Zeug­nis genügt der Ar­beit­ge­ber nicht dem all­ge­mei­nen zeug­nis­recht­li­chen „Wohl­wol­lens­ge­bot“. Da­nach muss das Zeug­nis von verständi­gem Wohl­wol­len ge­genüber dem Ar­beit­neh­mer ge­tra­gen sein und darf des­sen wei­te­res Fort­kom­men nicht un­ge­recht­fer­tigt er­schwe­ren (BAG 21.06.2005 – 9 AZR 352/04 – BA­GE 115, 133 = Ju­ris Rn. 22, 10.05.2005 – 9 AZR 261/04 – BA­GE 114, 322 = Ju­ris Rn. 16, vgl. BAG 12.08.2008 – 9 AZR 632/07 – BA­GE 127, 237 = Ju­ris Rn. 19; an die „alt­ehrwürdi­ge Fürsor­ge­pflicht [§ 242 BGB]“ er­in­nernd: ArbG Ber­lin 07.03.2003 – 88 Ca 604/03 – AR-Blat­tei ES 1850 Nr .45 = Ju­ris Rn. 56). Das „Wohl­wol­lens­ge­bot“ er­gibt sich aus dem Ge­set­zes­zweck, wo­nach – im Rah­men der Zeug­nis­wahr­heits­pflicht – das Zeug­nis dem In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers an sei­nem be­ruf­li­chen Fort­kom­men Rech­nung tra­gen soll (LAG Ham­burg 06.12.2007 – 8 Sa 51/07 –, Ju­ris Rn. 54/68, HWK/Gänt­gen, § 109 Ge­wO, Rn. 36 [ge­gen ei­nen kon­sti­tu­tio­nell über­spann­ten Ob­jek­ti­vis­mus]; kri­tisch Preis/Ben­der, NZA 2005, 1327 MüArbR/Wank, 3. Aufl., § 105 Rn. 20 [18], die aber ver­nachlässi­gen, dass „Wahr­heits­lie­be sich dar­in zeigt, daß man übe­r­all das Gu­te zu fin­den und zu

 

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schätzen weiß“ (Goe­the, Wil­helm Meis­ters Wan­der­jah­re II. Buch, Be­trach­tun­gen im Sin­ne der Wan­de­rer - - 2).

Im Ein­zel­nen:

3. Das Zeug­nis soll dem Ar­beit­neh­mer als Un­ter­la­ge für ei­ne neue Be­wer­bung die­nen und so­mit ei­nen Drit­ten, der die Ein­stel­lung des Zeug­nis­in­ha­bers erwägt, un­ter­rich­ten. In­dem es da­zu be­stimmt ist, in Un­ter­neh­men oder Ver­wal­tun­gen, bei de­nen der Ar­beit­neh­mer sich be­wirbt, den zuständi­gen Per­so­nen ei­nen Ein­druck über die bis­he­ri­ge be­ruf­li­che Tätig­keit des Be­wer­bers, des­sen Qua­li­fi­ka­ti­on und Leis­tungs- und Führungs­ver­hal­ten zu ver­schaf­fen, kommt es nicht dar­auf an, wel­che Vor­stel­lun­gen der Zeug­nis­ver­fas­ser mit sei­ner Wort­wahl und Zeug­nis­ge­stal­tung ver­bin­det. Viel­mehr ist maßge­bend die Sicht des Zeug­nis­le­sers (BAG 21.06.2005, a.a.O., Rn. 21 ff.). Die­ses Verständ­nis ist ge­prägt von den Gebräuch­lich­kei­ten des je­wei­li­gen Rechts­krei­ses. Da­mit sind, was Er­schei­nungs­bild und In­halt des Zeug­nis­ses an­be­langt, die Ge­pflo­gen­hei­ten im Ar­beits­le­ben zu berück­sich­ti­gen. Hier hat sich seit lan­gem ei­ne ei­ge­ne Kul­tur stan­dar­di­sier­ter Ge­stal­tungs­for­men und –in­hal­te in be­son­de­rer sti­lis­ti­scher Blüte ent­wi­ckelt und – über ge­sell­schaft­li­che Sprach- und Höflich­keits­for­men hin­aus – ei­ne ei­ge­ne Se­man­tik der Zeug­nis­spra­che her­aus­ge­bil­det (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 23). So darf ein Zeug­nis nichts aus­las­sen, was der Le­ser ei­nes Zeug­nis­ses er­war­ten darf (LAG Düssel­dorf 03.05.2005 – 3 Sa 359/05 – DB 2005, 1799 = Ju­ris Rn. 33), oder hin­ter ei­ner zwei­deu­ti­gen Wort­wahl Ta­del ver­ste­cken (da­zu, dass et­wa ei­nem Metz­ger­lehr­ling, der Kno­chen ent­wen­det ha­be, nicht be­schei­nigt wer­den dürfe, er sei kor­rekt bis auf die Kno­chen, vgl. LAG Hamm 27.04.2000 – 4 Sa 1018/99 – Ju­ris Rn. 71). Das Zeug­nis darf kei­ne feh­ler­haf­ten An­ga­ben z.B. zur Per­son ent­hal­ten und soll­te Recht­schrei­be­feh­ler ver­mei­den (BAG 21.06.2005 – 9 AZR 352/04 – Ju­ris Rn. 14, un­ter ex­pli­zi­tem Hin­weis ArbG Düssel­dorf 19.12.1984 – 6 Ca 5682/84 – NJW 1986, 1281 = NZA 1985, 812, fer­ner BAG 03.03.1993 – 5 AZR 182/92 – NJW 1993, 2197 = Ju­ris 12 f.). Ar­beit­neh­mer müssen aber klei­ne­re, nicht ins Ge­wicht fal­len­de Un­voll­kom­men­hei­ten ih­rer Ar­beit­ge­ber hin­neh­men, glei­ches gilt auch dann um­ge­kehrt (cum le­ge­re vo­les ArbG Düssel­dorf 19.12.1984, a.a.O.).

 

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4. In­dem das Zeug­nis ty­pi­scher­wei­se ver­wen­det wird für Be­wer­bun­gen in Deutsch­land und na­ment­lich in der Re­gi­on des bis­he­ri­gen Wohn- und Ar­beits­or­tes, kommt es dar­auf an, was ein po­ten­ti­el­ler Ar­beit­ge­ber im deut­schen und – wie hier – im rhei­ni­schen Kul­tur- und Sprach­raum in Kennt­nis der Gebräuch­lich­kei­ten nach Form, In­halt und Spra­che von ei­nem Ar­beits­zeug­nis er­war­tet. Da­zu zählt die Wah­rung von Höflich­keits­for­meln.
Höflich­keit ist Rhein­kul­tur. Eben­so wird sie stets und zu Recht als ein Grund­wert der deut­schen Leit­kul­tur u.a. ne­ben Dis­zi­plin, Pünkt­lich­keit und Rück­sicht­nah­me ge­nannt. Höflich­keit ma­ni­fes­tiert sich in freund­li­cher Kon­zi­li­anz: „Die wah­re Höflich­keit be­steht dar­in, dass man ein­an­der mit Wohl­wol­len ent­ge­gen­kommt. So­bald es uns an die­sem nicht ge­bricht, tritt sie oh­ne Mühe her­vor“ (Rous­seau, Émi­le 2,4).

5. Am Schluss ei­nes End­zeug­nis­ses fin­det Höflich­keit ih­ren übli­chen Aus­druck in der Dank­sa­gung für die ge­leis­te­te Ar­beit und Wünschen für die Zu­kunft.
Wäre es so, dass in der freund­li­chen Schluss­flos­kel das Be­ste­hen von Gefühlen wie Wertschätzung, An­teil­nah­me und Be­dau­ern schrift­lich be­schei­nigt wer­den sol­le, würde al­ler­dings das „Wohl­wol­lens­ge­bot“ die Ver­ur­tei­lung des Ar­beit­ge­bers zu der­ar­ti­gen Aus­sa­gen über sei­ne persönli­che Emp­fin­dun­gen nicht bzw. erst nach ent­spre­chen­der ge­setz­li­cher Kon­kre­ti­sie­rung le­gi­ti­mie­ren (zu­tref­fend BAG 20.02.2001 – 9 AZR 44/00 – BA­GE 97, 62 zu = Ju­ris Rn. 26; skep­tisch auch Goe­the, zu Ecker­mann, 12. 3. 1828: „Wie soll ei­ner ge­gen an­de­re Wohl­wol­len emp­fin­den und ausüben, wenn es ihm sel­ber nicht wohl ist ?“). Es ist aber nicht so. We­der schul­det der Ar­beit­ge­ber im Ar­beits­zeug­nis Emo­ti­ons­ar­beit, noch wer­den im Zeug­nis­rechts­streit von ihm als Gefühls­aus­druck for­mu­lier­te Aus­sa­gen auf Echt­heit des Gefühls nach­ge­prüft und am tatsächli­chen oder recht­lich schutzwürdi­gen Vor­han­den­sein des­sel­ben ge­mes­sen.
Die freund­li­che (Schluss-)For­mel ist mit­hin nicht Kund­ga­be wirk­li­cher oder vor­geb­li­cher Emp­fin­dun­gen. Nicht an­ders als bei der Leis­tungs­wer­tung nach der sog. Zu­frie­den­heits­ska­la (oder auch bei all­ge­mei­nen Grußfor­meln) äußert der

 

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Ar­beit­ge­ber in der Schluss­for­mu­lie­rung nicht sei­ne sub­jek­tiv auf­rich­ti­gen Gefühle, son­dern wahrt ge­ra­de und nur all­ge­mei­ne Stan­dards und Höflich­keits­for­men. Das Weg­las­sen sol­cher For­meln kann dem­ent­spre­chend als Dis­tan­zie­rung und Brüskie­rung des be­ur­teil­ten Mit­ar­bei­ters auf­ge­fasst wer­den (Kam­mer 21.05.2008, Ju­ris Rn. 29 mwN.; vgl. zum Gan­zen: Hes­si­sches LAG 17.06.1999 – 14 Sa 1157/98 – BB 2000, 155 = Ju­ris Rn. 46 f., LAG Köln 29.02.2008 – 4 Sa 1315/07 – Ju­ris Rn. 22, LAG Nie­der­sach­sen 13.03.2007 – 9 Sa 1835/06 – Ju­ris Rn. 29, 118, LAG Hamm 12.07.1994 – 4 Sa 564/94 – LA­GE Nr. 26 zu § 630 BGB, ErfK/Müller-Glöge, § 109 Ge­wO Rn. 46, MüKo-BGB/Hens­s­ler, 5. Aufl., § 630 BGB Rn. 45, Kütt­ner/Rei­ne­cke, Per­so­nal­buch 2010, Rn. 34, HWK/ Gänt­gen, § 109 Ge­wO Rn. 28, Stück, MDR 2006, 795, Ko­ke­moor, ju­ris­PR-ArbR 16/2009 Anm. 3, Fuchs Be­ckOK BGB § 630 Rn. 7a).

6. Um­so mehr ist dann, wenn – wie hier – ei­ne über­durch­schnitt­lich po­si­ti­ve
Be­ur­tei­lung des Leis­tungs- und Führungs­ver­hal­tens des Ar­beit­neh­mers er­folgt ist, das Weg­las­sen der Schluss­for­mel ge­eig­net, die Be­ur­tei­lung ab­zu­wer­ten und Miss­trau­en zu er­re­gen. Das Feh­len der Dan­kes– und Wunsch­for­mel kann den Zeug­nis­le­ser zu­dem ver­an­las­sen, Nach­fra­ge bei dem frühe­ren Ar­beit­ge­ber zu hal­ten und po­si­tiv klin­gen­den Auskünf­ten Skep­sis ent­ge­gen­zu­brin­gen.

Da­ge­gen lässt sich nicht ein­wen­den, dass der Zeug­nis­le­ser das Feh­len der Dan­kes- und Zu­kunfts­for­mel als persönli­che Ei­gen­heit des Zeug­nis­aus­stel­lers oder des­sen Un­kennt­nis der Zeug­nis­spra­che ab­tun könn­te. Ei­ne sol­che Einschätzung des Aus­stel­lers könn­te nämlich den Zeug­nis­le­ser auf den Ge­dan­ken brin­gen, dass es auch sonst mit der Kom­pe­tenz des frühe­ren Ar­beit­ge­bers womöglich nicht zum Bes­ten be­stellt ge­we­sen sei, und dem­ent­spre­chend das er­teil­te Zeug­nis ent­wer­ten.

III. Im Licht der vor­erwähn­ten Rechts­grundsätze mo­niert die Kläge­rin zu Recht das Feh­len ei­ner Dan­kes- und Wunsch­for­mel im End­zeug­nis.

 

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1. Der eben­so schlich­te wie lieb­lo­se Schluss­satz, dass die Kläge­rin nach dreijähri­ger El­tern­zeit in bei­der­sei­ti­gem Ein­ver­neh­men aus dem Un­ter­neh­men aus­schei­de, steht in auffälli­gem Wi­der­spruch zu der über­durch­schnitt­lich po­si­ti­ven Leis­tungs- und Führungs­be­wer­tung und ent­wer­tet schon des­halb die Ge­samt­aus­sa­ge des vor­aus­ge­hen­den Zeug­nis­tex­tes. Das Aus­las­sen ei­ner Dan­kes- und Wunsch­for­mel kann nach dem ob­jek­ti­ven Empfänger­ho­ri­zont des Le­sers des Zeug­nis­ses als be­red­tes Schwei­gen und Hin­weis auf Un­stim­mig­kei­ten oder Enttäuschun­gen im Zu­ge der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­stan­den wer­den.

Auf die Dan­kes- und Wunsch­for­mel kann vor­lie­gend um­so we­ni­ger ver­zich­tet wer­den, als der Um­stand, dass in dem vor­auf­ge­hen­den Text Be­en­di­gungs­tat­be­stand „bei­der­sei­ti­ges Ein­ver­neh­men“ an­ge­ge­ben wird, bei dem Zeug­nis­le­ser, der den be­triebs­be­ding­ten Auflösungs­grund nicht kennt bzw. einschätzen kann, leicht der Ein­druck ent­ste­hen kann, dass es anläss­lich der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Kläge­rin zu­zu­rech­nen­de ne­ga­ti­ve Be­gleit­umstände im An­schluss an die in An­spruch ge­nom­me­ne El­tern­zeit gab. In­dem die For­mel die­sen Ein­druck ver­wischt, hat die Kam­mer sich nicht mehr die uni­ons­recht­lich bri­san­te Fra­ge vor­zu­le­gen, ob die (dreijähri­ge) El­tern­zeit als ei­ne we­sent­li­che tatsächli­che Un­ter­bre­chung der Beschäfti­gung im Zeug­nis erwähnt wer­den darf oder gemäß § 7 Abs. 1, § 1, § 3 Abs. 2 AGG (Art. 3 Abs. 1 c EGRL 78/2000) zu be­an­stan­den wäre (da­zu BAG 10.05.2005, a.a.O., Rn. 35, LAG Köln 30.08.2007 – 10 Sa 482/07 – AE 2008, 276 = Ju­ris Rn. 42).

2. Das Zeug­nis (mit der be­gehr­ten Schluss­for­mel) ist für die Kläge­rin ei­ne bei künf­ti­gen Be­wer­bun­gen wich­ti­ge Un­ter­la­ge, ins­be­son­de­re wenn es um Stel­len geht, bei de­nen der mögli­che künf­ti­ge Ar­beit­ge­ber vom Ar­beit­neh­mer die „völlig selbständi­ge“ Auf­ga­ben­er­le­di­gung mit Pro­jekt- und Mit­ar­bei­ter­ver­ant­wor­tung (was die Be­klag­te der Kläge­rin in der Funk­ti­on der Team­spre­che­rin des Ser­vice-Cen­ters at­tes­tier­te) er­war­tet. Hier kann das Zeug­nis Grund­la­ge für die Per­so­nal(vor)aus­wahl sein. Die Dan­kes- und Wunsch­for­mel gehört dann, wie aus­geführt, zu ei­nem anständi­gen Zeug­nis.

 

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IV. Da sich die be­an­spruch­te Zeug­nis­ergänzung be­reits aus dem § 109 Ge­wO im­ma­nen­ten „Wohl­wol­lens­ge­bot“ er­gibt, kann da­hin­ste­hen, ob der Pro­zess­ver­gleich vom 28.07.2009 die ge­stei­ger­te Ob­lie­gen­heit der Be­klag­ten zu ei­ner „wohl­wol­len­den“ Ab­fas­sung des Zeug­nis­in­halts be­gründet.

V. Die im Kla­ge­an­trag for­mu­lier­te Dan­kes- und Wunsch­for­mel liegt im Rah­men zeug­nisübli­cher Höflich­keit und ist das Min­des­te, was ein Ar­beit­ge­ber ei­nem über­durch­schnitt­lich be­ur­teil­ten Ar­beit­neh­mer schul­det. Die Be­klag­te hat auch kei­ne kon­kre­ten Einwände ge­gen die streit­ge­genständ­li­che For­mu­lie­rung er­ho­ben.

N e b e n e n t s c h e i d u n g e n

Die Kos­ten der Be­ru­fung sind gemäß § 92 Abs. 1 (§ 97 Abs. 1) ZPO ge­gen­ein­an­der auf­zu­he­ben, die Kos­ten ers­ter In­stanz gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu 4/5 der über­wie­gend mit der Kla­ge un­ter­le­ge­nen Kläge­rin und zu 1/5 der Be­klag­ten auf­zu­er­le­gen.

Die Kam­mer hat für die Be­klag­te die Re­vi­si­on an das Bun­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­sen. Der Rechts­streit hat grundsätz­li­che Be­deu­tung i. S. v. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Außer­dem be­steht Di­ver­genz zu dem – al­ler­dings zu § 630 BGB er­gan­ge­nen – BAG-Ur­teil vom 20.02.2001 (a.a.O.).

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der Be­klag­ten

R E V I S I O N

ein­ge­legt wer­den.

 

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Für die Kläge­rin ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

Fax: 0361-2636 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,
2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
3. Ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Num­mer 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Re­vi­si­ons­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.

* ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

 

Dr. Plüm 

Les­ke 

Horst­mann

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