HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ham­burg, Ur­teil vom 09.11.2007, H 3 Sa 102/07

   
Schlagworte: Bewerbung, Diskriminierung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Aktenzeichen: H 3 Sa 102/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.11.2007
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 11.04.2007, 12 Ca 512/06
   

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg


Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes


Geschäfts­zei­chen:

H 3 Sa 102/07
( 12 Ca 512/06 ArbG Ham­burg)  

In dem Rechts­streit


Verkündet am:
9. No­vem­ber 2007

 

 

 

 

-Kläge­rin / Be­ru­fungskläge­rin-

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter:

 


ge­gen

 


- Be­klag­te / Be­ru­fungs­be­klag­te-


Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter:

2

 

er­kennt das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg, Drit­te Hilfs- Kam­mer,
auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 9. No­vem­ber 2007
durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt Schau­de als Vor­sit­zen­den

den eh­ren­amt­li­cher Rich­ter Herr Fi­lip
den eh­ren­amt­li­cher Rich­ter Herr Stai­ger


für Recht:

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 11. April 2007 – 12 Ca 512/06 – wird zurück­ge­wie­sen.
Die Kläge­rin hat die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens zu tra­gen.
Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

 

 

 

 

3

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g


Ge­gen die­ses Ur­teil kann die Kläge­rin Re­vi­si­on bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­le­gen. Für die Be­klag­te ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on kann nur dar­auf gestützt wer­den, dass das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts auf der Ver­let­zung ei­ner Rechts­norm be­ruht.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss ent­hal­ten:
- die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird;
- die Erklärung, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wird.
Mit der Re­vi­si­ons­schrift soll ei­ne Aus­fer­ti­gung oder be­glau­big­te Ab­schrift des an­ge­foch­te­nen Ur­teils vor­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on ist zu be­gründen. Die Re­vi­si­ons­be­gründung muss ent­hal­ten:
- die Erklärung, in­wie­weit das Ur­teil an­ge­foch­ten und des­sen Auf­he­bung be­an­tragt wird (Re­vi­si­ons­anträge),
- die An­ga­be der Re­vi­si­ons­gründe, und zwar,
a) die be­stimm­te Be­zeich­nung der Umstände, aus de­nen sich die Rechts­ver­let­zung er­gibt,
b) so­weit die Re­vi­si­on dar­auf gestützt wird, dass das Ge­setz in Be­zug auf das Ver­fah­ren ver­letzt sei, die Be­zeich­nung der Tat­sa­chen, die den Man­gel er­ge­ben.

Ei­ne Re­vi­si­on kann nur ein Rechts­an­walt oder ei­ne Rechts­anwältin, der bzw. die bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­sen ist, ein­le­gen und be­gründen.

Die Frist für die Ein­le­gung der Re­vi­si­on (Not­frist) beträgt ei­nen Mo­nat, die Frist für die Be­gründung der Re­vi­si­on zwei Mo­na­te. Die Re­vi­si­ons­be­gründungs­frist kann auf An­trag ein­mal bis zu ei­nem wei­te­ren Mo­nat verlängert wer­den.

4

Die Re­vi­si­ons­frist und die Re­vi­si­ons­be­gründungs­frist be­gin­nen mit dem Ta­ge der von Amts we­gen er­folg­ten Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils des Lan­des­ar­beits­ge­richts, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.


Hin­weis:

1. Die An­schrift des Bun­des­ar­beits­ge­richts lau­tet:

Hu­go-Preuß-Platz 1 – 99084 Er­furt

2. Aus tech­ni­schen Gründen sind die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift und die sons­ti­gen wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren in sie­ben­fa­cher Aus­fer­ti­gung (und für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ei­ne Aus­fer­ti­gung mehr) bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­zu­rei­chen.

5


Tat­be­stand:

Die Kläge­rin ver­langt von der Be­klag­ten Zah­lung ei­ner Entschädi­gung we­gen be­haup­te­ter Be­nach­tei­li­gung bei ei­ner Stel­len­be­wer­bung.

Die Kläge­rin ist Soft­ware­ent­wick­le­rin und hat sich bei der Be­klag­ten am 5. Ok­to­ber 2006 auf­grund ei­ner Stel­len­an­zei­ge be­wor­ben. We­gen des In­hal­tes der An­zei­ge wird auf die Klag­schrift (Bl. 1 f. d. A.) ver­wie­sen.

Am 11. Ok­to­ber 2006 be­kam die Kläge­rin ei­ne Ab­sa­ge von der Be­klag­ten mit fol­gen­dem Wort­laut:

„Sehr ge­ehr­te Frau M.,

vie­len Dank für Ih­re Be­wer­bung und Ihr In­ter­es­se. Die Aus­wahl auf­grund der Viel­zahl der Be­wer­bun­gen fiel nicht leicht. Lei­der sind Sie nicht in die en­ge­re Aus­wahl ge­kom­men. Beim nächs­ten Mal wer­den Sie be­stimmt das klei­ne Quänt­chen mehr Glück ha­ben. Wir drücken Ih­nen für Ih­re wei­te­re be­ruf­li­che Neu­ori­en­tie­rung ganz fest die Dau­men und wünschen Ih­nen al­les Gu­te.

Mit freund­li­chen Grüßen…“

Auf ei­ne in­halts­glei­che Stel­len­an­zei­ge im In­ter­net schrieb die Kläge­rin die Be­klag­te er­neut an. We­gen des Wort­lauts die­ser er­neu­ten Be­wer­bung wird auf Sei­te 4 der Klag­schrift ver­wie­sen.

Am 20. Ok­to­ber 2006 er­hielt die Kläge­rin ei­ne Ab­sa­ge der Be­klag­ten:

„Sehr ge­ehr­te Frau M.,

un­se­re Ab­sa­ge war we­der vor­ei­lig noch unüber­legt. Wir ha­ben ei­ne Aus­wahl an Be­wer­bern ge­trof­fen, die wir zum Vor­stel­lungs­gespräch ein­la­den. Aus die­sem Kreis wer­den wir ei­ne Aus­wahl tref­fen. Die Stel­len­an­zei­ge ist von uns nicht wie­der veröffent­licht wor­den. Wir ha­ben ei­ne Lauf­zeit von drei Mo­na­ten ein­ge­kauft, als wir die­se ge­schal­tet ha­ben.

6

Vie­len Dank noch­mals für Ihr In­ter­es­se. Wir wünschen Ih­nen für Ih­re wei­te­re Su­che al­les Gu­te und viel Er­folg!

Mit freund­li­chen Grüßen“

Die Kläge­rin hat vor­ge­tra­gen, ih­re be­ruf­li­che Si­tua­ti­on wer­de von der Be­klag­ten völlig falsch als „Neu­ori­en­tie­rung“ be­zeich­net. Das be­deu­te, dass die Be­wer­bung von der Be­klag­ten fahrlässig oder be­wusst be­nach­tei­li­gend be­ar­bei­tet wor­den sei. Sie ent­spre­che ide­al den An­for­de­run­gen der Be­klag­ten, es ge­be ob­jek­tiv kei­ne ge­eig­ne­te­ren Be­wer­ber. Da die Be­klag­te die­ser Be­haup­tung nicht wi­der­spre­che, lie­ge ei­ne Be­nach­tei­li­gung gemäß ei­nes der in § 1 des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG) ge­nann­ten Gründe vor. Die Be­klag­te müsse ihr sechs Mo­nats­gehälter als Entschädi­gung für die­se Be­nach­tei­li­gung zah­len. Ein an­ge­mes­se­nes Mo­nats­ge­halt für ei­nen Soft­ware­ent­wick­ler be­tra­ge ca. 3.000,00 €. Da­her müsse die Entschädi­gung 18.000,00 € be­tra­gen.

Wei­ter hat die Kläge­rin ver­langt, die Be­klag­te zu ver­pflich­ten, ihr und dem Ge­richt die Be­wer­bungs­un­ter­la­gen des von ihr auf­grund der Stel­len­an­zei­ge im Ok­to­ber 2006 als Soft­ware­ent­wick­ler ein­ge­stell­ten Be­wer­bers vor­zu­le­gen.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie 18.000,00 € zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Mit dem der Kläge­rin am 10. Mai 2007 zu­ge­stell­ten Ur­teil vom 11. April 2007 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Ar­beits­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung im We­sent­li­chen da­mit be­gründet, ei­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne von § 2 AGG sei auf­grund der Ausführun­gen der Kläge­rin nicht zu er­ken­nen. Die Kläge­rin ha­be auch kei­nen An­spruch auf Vor­la­ge der übri­gen Be­wer­bungs­un­ter­la­gen.

Hier­ge­gen wen­det sich die Kläge­rin mit ih­rer am 6. Ju­ni 2007 ein­ge­leg­ten und am 9. Ju­li 2007 be­gründe­ten Be­ru­fung.

7

Die Kläge­rin trägt vor, dass zu­min­dest ein An­spruch auf Vor­la­ge der Be­wer­bungs­un­ter­la­gen des an ih­rer Stel­le aus­gewähl­ten Be­wer­bers be­ste­he. Sie ha­be nämlich zahl­rei­che In­di­zi­en be­nannt, die ih­re Be­nach­tei­li­gung im Be­wer­bungs­ver­fah­ren zeig­ten, so dass nun­mehr die Be­klag­te die Be­weis­last dafür tref­fe, dass tatsächlich kei­ne Be­nach­tei­li­gung vor­ge­le­gen ha­be. Sie sei bes­tens für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le qua­li­fi­ziert ge­we­sen. Trotz­dem sei sie nicht zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den wor­den. Die Be­nach­tei­li­gung sei be­son­ders of­fen­kun­dig, weil in ih­rer Per­son drei ty­pi­sche Dis­kri­mi­nie­rungs­merk­ma­le ver­eint sei­en: Sie sei ei­ne Frau, sie sei über 45 Jah­re alt und nicht­deut­scher Her­kunft. Die Vor­la­ge der Be­wer­bungs­un­ter­la­gen des aus­gewähl­ten Be­wer­bers hätte ver­an­schau­licht, dass die­ser nicht bes­ser qua­li­fi­ziert sei als sie. Im Übri­gen ha­be das Ar­beits­ge­richt es un­ter­las­sen, den Sach­ver­halt wei­ter auf­zuklären.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

un­ter Auf­he­bung des am 11. April 2007 verkünde­ten Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Ham­burg - 12 Ca 512/06 - die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin € 18.000,- nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te trägt vor, der Sach­vor­trag der Kläge­rin in ers­ter In­stanz sei nicht schlüssig ge­we­sen.

Zur Ergänzung des Tat­be­stan­des wird im Übri­gen auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze der Par­tei­en und die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten ver­wie­sen.


Ent­schei­dungs­gründe:

I.

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b) ArbGG statt­haft. Sie ist zu­dem gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den und da­mit auch im Übri­gen zulässig.

8


II.

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist je­doch nicht be­gründet. Die zulässi­ge Kla­ge ist un­be­gründet.

Vor­aus­set­zung für ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch gemäß § 15 Abs. 2 des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG) ist, dass der Ar­beit­ge­ber ge­gen das sich aus § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG er­ge­ben­de Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot verstößt. Er­for­der­lich ist al­so ei­ne Be­nach­tei­li­gung aus Gründen der Ras­se oder we­gen der eth­ni­schen Her­kunft, des Ge­schlechts, der Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Iden­tität. Die Kläge­rin hat nicht schlüssig vor­ge­tra­gen, dass ei­ne Be­nach­tei­li­gung aus ei­nem die­ser Gründe er­folgt wäre oder dies je­den­falls ver­mu­tet wer­den könn­te.

Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für das Vor­lie­gen von In­di­zi­en, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ver­mu­ten las­sen, trägt gemäß § 22 AGG die­je­ni­ge Par­tei, die sich auf ei­ne sol­che Be­nach­tei­li­gung be­ruft. § 22 AGG sieht ein zwei­stu­fi­ges Ver­fah­ren vor: Auf der ers­ten Stu­fe steht der Nach­weis ei­ner Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­mu­tung durch den Ar­beit­neh­mer. Ge­lingt die­ser Nach­weis, so trift auf der zwei­ten Stu­fe den Ar­beit­ge­ber die Dar­le­gungs- und Be­weis­last dafür, dass die Be­nach­tei­li­gung ge­recht­fer­tigt ist. § 22 AGG enthält kei­ne vollständi­ge Be­weis­last­um­kehr i.S. von § 292 ZPO. Viel­mehr gewährt die Norm dem Ar­beit­neh­mer „nur“ ei­ne Be­wei­ser­leich­te­rung hin­sicht­lich der Kau­sa­lität zwi­schen Ar­beit­ge­ber­ver­hal­ten und Be­nach­tei­li­gung bzw. spe­zi­fi­scher Be­nach­tei­li­gungs­ten­denz (§ 3 Abs. 2 AGG) in Form ei­ner Ab­sen­kung des Be­weis­maßes (vgl. Gro­bys, Die Be­weis­last im An­ti-Dis­kri­mi­nie­rungs­pro­zess, NZA 2006, 898, 900).

In­di­zi­en, die ei­ne un­zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung ver­mu­ten ließen, hat die Kläge­rin we­der schlüssig vor­ge­tra­gen noch un­ter Be­weis ge­stellt.

In­so­weit gel­ten fol­gen­de Rechts­grundsätze: In­di­zi­en, auf die sich der An­spruch­stel­ler be­ruft, müssen sub­stan­zi­iert dar­ge­legt und in vol­lem Um­fang be­wie­sen wer­den. Be­haup­tun­gen „ins Blaue hin­ein“ stel­len kei­nen aus­rei­chen­den Tat­sa­chen­vor­trag dar und sind des­halb nicht ge­eig­net, die Ver­mu­tung ei­ner ver­bo­te­nen Be­nach­tei­li­gung zu be­gründen (Bau­er u.a., AGG, § 22 Rn. 11). Al­lein die Be­haup­tung der Zu­gehörig­keit zu ei­ner durch das AGG geschütz­ten Grup­pe, sei es u.a. – wie vor­lie­gend - hin­sicht­lich des Al­ters oder des Ge­schlechts oder der eth­ni­schen Her­kunft rei­chen nicht aus, um die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen dar­zu­le­gen.

9

Würde man ei­ne sol­che Be­haup­tung aus­rei­chen las­sen, könn­te je­der, der zu der durch das Ge­setz geschütz­ten Per­so­nen­grup­pe gehört und ein Merk­mal, das nicht in die Ent­schei­dung ein­fließen darf, erfüllt, oh­ne je­den wei­te­ren An­halts­punkt ver­su­chen, sei­ne an­geb­li­chen Rech­te durch­zu­set­zen (Bertz­bach in Däubler/Bertz­bach, AGG, § 22 Rn. 30).

Über­tra­gen auf den vor­lie­gen­den Rechts­streit be­deu­tet dies fol­gen­des:

We­der in den Stel­len­aus­schrei­bun­gen noch in den Ab­sa­ge­schrei­ben der Be­klag­ten sind An­halts­punk­te ent­hal­ten, aus de­nen sich ei­ne Wahr­schein­lich­keit für ei­ne Be­nach­tei­li­gung er­ge­ben könn­te. Der Vor­trag, dass die Kläge­rin als über 45 Jah­re al­te Frau nicht­deut­scher Her­kunft nicht zu ei­nen Be­wer­bungs­gespräch ge­la­den wur­de, reicht da­nach nicht aus, denn es gibt kei­nen Er­fah­rungs­satz des In­halts, dass Be­wer­ber mit den persönli­chen Merk­ma­len der Kläge­rin nur we­gen die­ser Merk­ma­le nicht zu Vor­stel­lungs­gesprächen ein­ge­la­den wer­den. Dies gilt auch dann, wenn da­von aus­ge­gan­gen wird, dass die Kläge­rin die für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le er­for­der­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on auf­weist. Die Ent­schei­dung ei­nes Ar­beit­ge­bers, wel­che oder wel­chen Be­wer­ber er zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch einlädt, hängt nicht nur da­von ab, ob die in ei­ner Stel­len­aus­schrei­bung ge­nann­ten Qua­li­fi­ka­tio­nen vor­han­den sind. Maßge­bend ist viel­mehr auch, wie vie­le ge­eig­ne­te Be­wer­ber vor­han­den sind, wel­che die­ser Be­wer­ber mögli­cher­wei­se über zusätz­li­che Qua­li­fi­ka­tio­nen verfügen und wie der Ar­beit­ge­ber an­hand der ihm vor­lie­gen­den Be­wer­bungs­un­ter­la­gen die Qua­li­fi­ka­ti­on einschätzt. Al­le die­se Umstände ha­ben für sich mit den in § 1 AGG ge­nann­ten Merk­ma­len nichts zu tun.

Die Be­haup­tung der Kläge­rin, es ge­be kei­nen ge­eig­ne­te­ren Be­wer­ber, er­folgt ins Blaue hin­ein. Es gibt außer der persönli­chen Über­zeu­gung der Kläge­rin von ih­rer Qua­li­fi­ka­ti­on kei­ner­lei Dar­le­gun­gen der Kläge­rin da­zu, war­um es aus­ge­schlos­sen sein soll­te, dass gleich oder bes­ser ge­eig­ne­te Be­wer­ber vor­han­den ge­we­sen sein soll­ten. Im Übri­gen be­stand auch kei­ne be­son­de­re Ver­an­las­sung für die Be­klag­te, ge­ra­de die Kläge­rin zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­zu­la­den. Das von der Kläge­rin vor­ge­leg­te Ar­beits­zeug­nis enthält kei­nes­falls ei­ne über­durch­schnitt­lich gu­te Be­ur­tei­lung. Viel­mehr ist die Leis­tungs­be­ur­tei­lung der Fir­ma S. GmbH nach der im Ar­beits­le­ben übli­chen Zeug­nis­spra­che le­dig­lich im be­frie­di­gen­den Be­reich an­ge­sie­delt („zur vol­len Zu­frie­den­heit“).

Die Kläge­rin kann sich auch nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, dass die Be­klag­te ihr in ih­rem Schrei­ben vom 11. Ok­to­ber 2006 für ih­re be­ruf­li­che „Neu­ori­en­tie­rung“ al­les Gu­te wünscht. Ei­nen Be­zug auf ir­gend­ein Merk­mal im Sin­ne des § 1 AGG enthält die­se For­mu­lie­rung nicht. Wer sich auf ei­ne aus­ge­schrie­be­ne Stel­le be­wirbt, will sich „neu ori­en­tie­ren“, denn in der

10

Re­gel ist er ent­we­der der­zeit ar­beits­los und sucht des­we­gen ei­ne neue Stel­le oder er be­wirbt sich aus ei­nem be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis her­aus und will sich al­so be­ruf­lich verändern. Das Wort „Neu­ori­en­tie­rung“ im Ab­sa­ge­schrei­ben der Be­klag­ten stellt in­so­fern nichts an­de­res dar als den höflich for­mu­lier­ten Wunsch der Be­klag­ten, die Kläge­rin möge bei ih­rer Su­che Er­folg ha­ben.

Ent­ge­gen der von der Kläge­rin ver­tre­te­te­nen Auf­fas­sung gibt es auch kei­nen ge­ne­rel­len An­spruch für Be­wer­ber bzw. Be­wer­be­rin­nen dar­auf, zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den zu wer­den. An­de­res folgt auch nicht aus der von der Kläge­rin zi­ti­ter­ten Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­ho­fes (EuGH) vom 28.03.2000 (Rs. C-158/97 - NJW 2000, 1549). Zwar führt der EuGH un­ter Zif­fer 62 fol­gen­des aus: „Es han­delt sich folg­lich um ei­ne Be­stim­mung, die da­durch, dass sie bei glei­cher Qua­li­fi­ka­ti­on si­cher­stellt, dass qua­li­fi­zier­te Frau­en zu Vor­stel­lungs­gesprächen ein­ge­la­den wer­den, die Chan­cen­gleich­heit von Männern und Frau­en im Sin­ne von Ar­ti­kel 2 Ab­satz IV Richt­li­nie 76/207/EWGfördern soll.“ Die­se Ent­schei­dung be­traf je­doch Ein­stel­lungs­richt­li­ni­en für den öffent­li­chen Dienst, über de­ren Ver­ein­bar­keit mit der Richt­li­nie der EuGH zu be­fin­den hat­te. Ein An­spruch, ge­ne­rell zu Be­wer­bungs­gesprächen nach ei­ner Be­wer­bung auf ei­ne aus­ge­schrie­be­ne Stel­le, de­ren Qua­li­fi­ka­ti­ons­merk­ma­le erfüllt wer­den, ge­la­den zu wer­den, be­steht nicht und folgt auch nicht aus der Recht­spre­chung des EuGH.

Sch­ließlich kom­men der Kläge­rin auch kei­ne Be­wei­ser­leich­te­run­gen im Sin­ne ei­nes ge­gen die Be­klag­te ge­rich­te­ten Aus­kunfts­an­spru­ches zu Gu­te. Von da­her kann da­hin­ste­hen, ob ein der­ar­ti­ger Aus­kunfts­an­spruch durch ge­son­der­te Kla­ge gel­tend zu ma­chen wäre oder ob – das Be­ste­hen ei­nes sol­chen Aus­kunfts­an­spru­ches un­ter­stellt – sich hier­aus le­dig­lich ei­ne ab­ge­stuf­te Dar­le­gungs- und Be­weis­last im Rah­men ei­ner Entschädi­gungs­kla­ge nach § 15 AGG ergäbe.

In der Li­te­ra­tur wird ein Aus­kunfts­an­spruch im Zu­sam­men­hang mit § 22 AGG über­wie­gend ab­ge­lehnt (Bau­er a.a.O., § 22 Rn. 11; Fal­ke in: Rust/Fal­ke, AGG, § 22 Rn. 107 ff; Gro­bys a.a.O. S. 903). Zur Be­gründung wird aus­geführt, der Ge­setz­ge­ber ha­be be­wusst kei­nen Aus­kunfts­an­spruch ge­re­gelt, son­dern mit der Be­wei­ser­leich­te­rung in § 22 AGG ei­nen an­de­ren Weg zur Durch­set­zung von Ansprüchen bei „un­kla­ren“ Sach­ver­hal­ten vor­ge­se­hen. Ein nicht zum Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­de­ner Be­wer­ber, der kei­ne Kennt­nis über die Per­son des ein­ge­stell­ten Be­wer­bers be­sit­ze, müsse sich auf an­de­re Wei­se die benötig­ten In­for­ma­tio­nen be­schaf­fen, et­wa durch „Tipp“ des Be­triebs­ra­tes (Bau­er a.a.O.). Fal­ke (a.a.O., Rn. 109) weist dar­auf hin, dass nach § 311 Abs. 2 BGB ein Schuld­verhält­nis auch durch Auf­nah­me von Ver­trags­ver­hand­lun­gen ent­ste­he. Dar­aus entstünden zwar Ansprüche auf

11

ver­trau­li­che Be­hand­lung der per­so­nen­be­zo­ge­nen In­for­ma­tio­nen und auch ein An­spruch dar­auf, dass aus­drück­lich als auss­sichts­reich ein­ge­stuf­te Ver­hand­lun­gen nicht ein­fach ab­ge­bro­chen wer­den dürf­ten, ein An­spruch auf In­for­ma­ti­on über den tatsächlich rea­li­sier­ten Ver­trag las­se sich dar­aus je­doch nicht ab­lei­ten. Gro­bys (a.a.O.) ver­tritt die Auf­fas­sung, ge­genüber außen­ste­hen­den Per­so­nen (z.B. ab­ge­lehn­ten Be­wer­bern) schei­te­re ei­ne Aus­kunfts­pflicht un­ter Zu­mut­bar­keits­ge­sichts­punk­ten. Der Ar­beit­ge­ber könne schwer­lich ver­pflich­tet sein, sich oh­ne je­den An­halts­punkt für ein un­zulässi­ges Han­deln mögli­cher­wei­se ge­genüber hun­der­ten von Be­wer­bern bis ins De­tail für ei­ne ge­trof­fe­ne Aus­wah­l­ent­schei­dung recht­fer­ti­gen zu müssen. Dies käme ei­ner Aus­for­schung durch Be­haup­tung „ins Blaue hin­ein“ gleich, die mit der Re­ge­lung in § 22 AGG ge­ra­de ver­hin­dert wer­den sol­le. Außer­dem bestünden Be­den­ken im Hin­blick auf schutzwürdi­ge (Persönlich­keits-) In­ter­es­sen der Mit­be­wer­ber. § 22 AGG stel­le ei­ne in sich ab­ge­schlos­se­ne und aus­ge­wo­ge­ne Re­ge­lung dar. Die zu Grun­de lie­gen­den Richt­li­ni­en, ins­be­son­de­re die Be­weis­lastricht­li­nie, hätten sich of­fen­kun­dig ge­gen ei­nen all­ge­mei­nen Aus­kunfts­an­spruch ent­schie­den. Dem Um­stand, dass Ar­beit­neh­mer nur ein­ge­schränk­ten Ein­blick in be­stimm­te Verhält­nis­se hätten, wer­de in aus­rei­chen­dem Maße mit der ge­setz­li­chen Be­weis­last­re­gel Rech­nung ge­tra­gen.

Dem­ge­genüber ver­tritt Bertz­bach (a.a.O., Rn. 28 f) die Auf­fas­sung, ein Aus­kunfts­an­spruch sei als Ne­ben­pflicht aus dem An­bahnungs­verhält­nis zu be­ja­hen, um ei­nen ef­fek­ti­ven Rechts­schutz zu gewähr­leis­ten. Ab­ge­lehn­te Be­wer­ber würden häufig in Be­weis­not kom­men, weil sie oft noch nicht ein­mal wüss­ten, ob ein Be­wer­ber des an­de­ren Ge­schlechts, ei­ner an­de­ren Eth­nie etc. ein­ge­stellt wor­den sei. Be­den­ken we­gen des Da­ten­schut­zes ließen sich ver­rin­gern, wenn man den Aus­kunfts­an­spruch nicht auf al­le Be­wer­ber, son­dern nur auf den Ein­ge­stell­ten oder Beförder­ten be­zie­he, auf be­stimm­te Grund­da­ten be­schränke und zusätz­lich den Nach­weis ver­lan­ge, dass der kla­gen­de Be­wer­ber selbst die aus der Aus­schrei­bung oder sonst er­sicht­li­che Min­dest­qua­li­fi­ka­ti­on für die Stel­le erfülle (im Er­geb­nis eben­so, al­ler­dings le­dig­lich als rechts­po­li­ti­sche For­de­rung, Ha­nau in: Ar­beit und Recht. Fest­schrift für Al­bert Gna­de, S. 351, 361f).

Ein Aus­kunfts­an­spruch im Zu­sam­men­hang mit Kla­gen we­gen ei­ner be­haup­te­ten Dis­kri­mi­nie­rung bei Ein­stel­lun­gen wird zu Recht ab­ge­lehnt.

Ei­ne all­ge­mei­ne, nicht aus be­son­de­ren Rechts­gründen ab­ge­lei­te­te Pflicht zur Aus­kunfts­er­tei­lung be­steht nicht. Auch die Zi­vil­pro­zess­ord­nung kennt kei­ne – über die an­er­kann­ten Fälle der Pflicht zum sub­stan­ti­ier­ten Be­strei­ten hin­aus­ge­hen­de – Aufklärungs­pflicht der nicht dar­le­gungs- und be­weis­be­las­te­ten Par­tei. We­der die Auf­ga­be der Wahr­heits­fin­dung noch das Rechts­staats­prin­zip hin­dert den Ge­setz­ge­ber dar­an, den

12

Zi­vil­pro­zess der Ver­hand­lungs­ma­xi­me zu un­ter­stel­len und es in ers­ter Li­nie den Par­tei­en zu über­las­sen, die not­wen­di­gen Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen auf­zu­stel­len und die Be­weis­mit­tel zu be­nen­nen. Dar­auf be­ruht die Re­ge­lung der Be­haup­tungs- und Be­weis­last im Zi­vil­pro­zess. Im Grund­satz gilt, dass kei­ne Par­tei ge­hal­ten ist, dem Geg­ner das Ma­te­ri­al für des­sen Pro­zess­sieg zu ver­schaf­fen (BAG vom 1.12.2004 - 5 AZR 664/03 - AP Nr. 38 zu § 242 BGB Aus­kunfts­pflicht m.w.N.).

Ge­wohn­heits­recht­lich ist an­er­kannt, dass Aus­kunfts­ansprüche nach Treu und Glau­ben be­ste­hen können, wenn die Rechts­be­zie­hun­gen zwi­schen den Par­tei­en es mit sich brin­gen, dass der Be­rech­tig­te in ent­schuld­ba­rer Wei­se über Be­ste­hen und Um­fang sei­nes Rechts im Un­ge­wis­sen ist und der Ver­pflich­te­te die zur Be­sei­ti­gung der Un­ge­wiss­heit er­for­der­li­che Aus­kunft un­schwer ge­ben kann. Ein Un­gleich­ge­wicht kann et­wa aus ei­ner wirt­schaft­li­chen Über­macht oder aus ei­nem er­heb­li­chen In­for­ma­ti­ons­gefälle re­sul­tie­ren. Ei­ne sol­che Si­tua­ti­on kann es er­for­dern, Aus­kunfts­ansprüche zu sta­tu­ie­ren, die ei­ne Ver­trags­par­tei zur Wahr­neh­mung ih­rer ma­te­ri­el­len Rech­te aus dem Ver­trag benötigt. Im Re­gel­fall setzt das ei­nen dem Grun­de nach fest­ste­hen­den Leis­tungs­an­spruch vor­aus. In­ner­halb ver­trag­li­cher Be­zie­hun­gen, ins­be­son­de­re bei Dau­er­schuld­verhält­nis­sen, kann der Aus­kunfts­an­spruch darüber hin­aus die Funk­ti­on ha­ben, dem Be­rech­tig­ten In­for­ma­tio­nen auch schon über das Be­ste­hen des An­spruchs dem Grun­de nach zu ver­schaf­fen. Im Ar­beits­verhält­nis wird der In­halt die­ser Ne­ben­pflicht durch ei­ne be­son­de­re persönli­che Bin­dung der Ver­trags­part­ner ge­prägt. Aus dem Ar­beits­verhält­nis er­ge­ben sich spe­zi­fi­sche Pflich­ten zur Rück­sicht­nah­me. Be­steht ein bil­li­gens­wer­tes In­ter­es­se an ei­ner Aus­kunft, zB weil sie zur Gel­tend­ma­chung ei­nes Leis­tungs­an­spruchs er­for­der­lich ist, kann sie ver­langt wer­den, so­weit die Ver­pflich­tung kei­ne übermäßige Be­las­tung des Ver­trags­part­ners dar­stellt und die ge­setz­li­che Ver­tei­lung der Dar­le­gungs- und Be­weis­last im Pro­zess berück­sich­tigt bleibt. Die Dar­le­gungs- und Be­weis­si­tua­ti­on darf nicht durch die Gewährung ma­te­ri­ell­recht­li­cher Aus­kunfts­ansprüche un­zulässig verändert wer­den (BAG a.a.O. m.w.N.).

Un­ter Zu­grun­de­le­gung die­ser Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, der die Kam­mer folgt, ist der Ar­beit­ge­ber nicht ver­pflich­tet, ab­ge­lehn­ten Stel­len­be­wer­bern Aus­kunft über die Per­son des- oder der­je­ni­gen zu er­tei­len, der bzw. die ein­ge­stellt wur­de. Es fehlt in der­ar­ti­gen Fällen zum ei­nen an ei­nem fest­ste­hen­den An­spruch. Darüber hin­aus fehlt es auch an den be­son­de­ren Bin­dun­gen, wie sie sich bei Zu­stan­de­kom­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses als Dau­er­schuld­verhält­nis er­ge­ben. Die Si­tua­ti­on bei der er­folg­lo­sen Stel­len­be­wer­bung ist in­so­fern ei­ne gänz­lich an­de­re als im be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis. Der Ar­beit­ge­ber, der ei­ne Stel­le aus­schreibt, rich­tet das Stel­len­an­ge­bot in der Re­gel an ei­ne un­be­kann­te, mögli­cher­wei­se sehr große Zahl von Be­wer­bern. Dar­auf, wer sich dann letzt­lich auf die­se

13

Stel­len­aus­schrei­bung be­wirbt und wie vie­le Be­wer­ber auf­tre­ten, hat er kei­nen Ein­fluss. Schon von da­her würde es ei­ne übermäßige Be­las­tung in or­ga­ni­sa­to­ri­scher Hin­sicht dar­stel­len, wenn der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet wäre, je­dem ab­lehn­ten Be­wer­ber Aus­kunft im Zu­sam­men­hang mit der tatsächlich vor­ge­nom­me­nen Ein­stel­lung zu er­tei­len. Hin­zu kommt, dass bei Kla­gen we­gen ver­meint­li­cher Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne des § 7 AGG der Ar­beit­ge­ber bei Be­ja­hung ei­nes Aus­kunfts­an­spru­ches auch dann, wenn kei­ner­lei An­halts­punk­te für ein un­zulässi­ges Han­deln vorlägen, ge­hal­ten wäre, kla­ge­be­rei­ten Per­so­nen letzt­lich die zur Schlüssig­keit ih­res Be­geh­rens mögli­cher­wei­se erst noch er­for­der­li­chen In­for­ma­tio­nen er­tei­len müss­te. Gro­bys (a.a.O.) weist zu Recht dar­auf hin, dass dies un­zu­mut­bar wäre. Die Re­ge­lun­gen der Be­haup­tungs- und Be­weis­last, wie sie sich aus § 22 AGG er­ge­ben, würden da­mit voll­kom­men ne­giert. Dies zeigt sich auch im vor­lie­gen­den Fall. Die Kläge­rin hat – wie aus­geführt – kei­ner­lei Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, die auch nur ent­fernt An­lass zu der An­nah­me gäben, die Be­klag­te ha­be sie bei der Be­wer­bung um den aus­ge­schrie­be­nen Ar­beits­platz un­zulässig be­nach­tei­ligt. Woll­te man gleich­wohl die Be­klag­te ver­pflich­ten, der Kläge­rin Aus­kunft über die Per­son des ein­ge­stell­ten Be­wer­bers bzw. der ein­ge­stell­ten Be­wer­be­rin zu er­tei­len, so würde da­mit die Be­klag­te ge­zwun­gen, trotz ei­ner un­ter Berück­sich­ti­gung der Be­weis­last­re­ge­lung des § 22 AGG vollständig un­schlüssi­gen Kla­ge da­zu bei­zu­tra­gen, das Kla­ge­be­geh­ren wei­ter ver­fol­gen zu können. Dies ist un­zu­mut­bar. Das gilt erst recht an­ge­sichts des­sen, dass die Kläge­rin – wie ge­richts­be­kannt ist – nicht nur im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren, son­dern in ei­ner Viel­zahl von Fällen Ansprüche we­gen be­haup­te­ter Verstöße ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 AGG ge­gen ver­schie­de­ne Ar­beit­ge­ber gel­tend macht.

Ein Aus­kunfts­an­spruch folgt schließlich auch nicht un­ter Berück­sich­ti­gung der Vor­ga­ben des eu­ropäischen Rechts. Ar­ti­kel 4 Abs. 1 der Richt­li­ne 97/80/EG des Ra­tes vom 15. De­zem­ber 1997 über die Be­weis­last bei Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts ver­pflich­tet die Mit­glieds­staa­ten, die er­for­der­li­chen Maßnah­men zu er­grei­fen, nach de­nen dann, wenn Per­so­nen, die sich durch die Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes für be­schwert hal­ten und bei ei­nem Ge­richt bzw. ei­ner an­de­ren zuständi­gen Stel­le Tat­sa­chen glaub­haft ma­chen, die das Vor­lie­gen ei­ner un­mit­tel­ba­ren oder mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten las­sen, es dem Be­klag­ten ob­liegt zu be­wei­sen, dass kei­ne Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes vor­ge­le­gen hat. Ei­ne ent­spre­chen­de Be­weis­last­re­ge­lung for­dern Ar­ti­kel 8 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/43/EG des Ra­tes vom 29. Ju­ni 2000 zur An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes oh­ne Un­ter­schied der Ras­se oder der eth­ni­schen Her­kunft und Ar­ti­kel 10 Abs. 1 der Richt­li­ne 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf. Die­sen An­for­de­run­gen trägt § 22 AGG

14

Rech­nung, in­dem er den Be­weis von In­di­ztat­sa­chen genügen lässt, wo­bei hier da­hin­ste­hen kann, ob in­so­fern ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung des § 22 AGG des In­halts ge­bo­ten ist, dass die Be­wei­ser­leich­te­rung nicht nur für die Kau­sa­lität zwi­schen Be­nach­tei­li­gung und ei­nem der in § 1 AGG ge­nann­ten Merk­ma­le, son­dern auch für die Vor­lie­gen ei­ner Be­nach­tei­li­gung als sol­cher gilt (vgl. da­zu Bertz­bach a.a.O., § 22 Rn. 17 ff m.w.N.). Je­den­falls sta­tu­ie­ren die ge­nann­ten Richt­li­ni­en kei­nen Aus­kunfts­an­spruch, son­dern for­dern le­dig­lich Be­wei­ser­leich­te­run­gen.


III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S.1 ArbGG.


IV.

Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­ruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG. Die Fra­ge, ob ein ab­ge­lehn­ter Be­wer­ber An­spruch auf Aus­kunft über die Per­son des ein­ge­stell­ten Be­wer­bers hat, ist – so­weit er­sicht­lich – höchst­rich­ter­lich noch nicht ent­schie­den. Die­se Fra­ge kann für ei­ne Viel­zahl von Ver­fah­ren nach § 15 AGG ent­schei­dungs­er­heb­lich sein, so dass die Klärung der Rechts­fra­ge grundsätz­li­che Be­deu­tung hat.

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht H 3 Sa 102/07