HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ham­burg, Ur­teil vom 26.06.2013, 5 Sa 110/12

   
Schlagworte: Herausgabepflicht
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Aktenzeichen: 5 Sa 110/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.06.2013
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg - 3 Ca 248/12
   


Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg


Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes


Geschäfts­zei­chen:

5 Sa 110/12
(3 Ca 248/12 ArbG Ham­burg)  

In dem Rechts­streit

Verkündet am:
26. Ju­ni 2013

 


Fer­schen
An­ge­stell­te
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le
 


-Kläge­rin / Be­ru­fungskläge­rin-

 

ge­gen


- Be­klag­ter / Be­ru­fungs­be­klag­ter-

 

er­kennt das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg, 5. Kam­mer
auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 29. Mai 2013

durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Les­meis­ter
als Vor­sit­zen­den

den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter  


für Recht:


Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Teil­ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 12. Sep­tem­ber 2012 – 3 Ca 248/12 – teil­wei­se ab­geändert:

2

 

Der Be­klag­te zu 1 wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin € 255.610,41 (i.W.: Eu­ro zwei­hun­dertfünf­undfünf­zig­tau­send­sechs­hun­dert­zehn 41/100) nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 18. Fe­bru­ar 2011 zu zah­len, die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung wird zurück­ge­wie­sen.

Von den Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens tra­gen der Be­klag­te zu 1 94/100, die Kläge­rin 6/100.

Die Re­vi­si­on wird für den Be­klag­ten zu 1 zu­ge­las­sen, für die Kläge­rin nicht.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten in der Be­ru­fungs­in­stanz über Zah­lung von Scha­dens­er­satz.

Der am X.XXXXXXX 1958 ge­bo­re­ne Be­klag­te zu 1) war seit dem 10. April 1995 bei der Kläge­rin bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin beschäftigt. Er war zunächst im Kre­ma­to­ri­um H.-1 als Be­die­ner der Einäsche­rungs­an­la­ge ein­ge­setzt, seit dem 1. Ju­ni 2005 über­wie­gend im Büro des Kre­ma­to­ri­ums tätig und führ­te nur noch aus­hilfs­wei­se Einäsche­run­gen durch, wo­bei er im Jahr 2010 mehr als 350 Einäsche­run­gen durchführ­te. Der Be­klag­te zu 1) war bei der Kläge­rin bis zum 20. Ok­to­ber 2011 beschäftigt. Er er­hielt zu­letzt ein Brut­to­mo­nats­ge­halt von € 2.746,89.

Bei Einäsche­run­gen sind im An­schluss an die Ver­bren­nung Asche­res­te von dem mit der Einäsche­rung be­fass­ten Ar­beit­neh­mern auf Edel­me­tal­le und Im­plan­ta­te zu un­ter­su­chen. Zahn­gold und sons­ti­ges Gold sind so­dann in ein dafür vor­ge­se­he­nes Tre­sor­behält­nis zu le­gen. Der Be­klag­te zu 1) war u.a. für die Ent­lee­rung des Tre­sor­behält­nis­ses zuständig. So­wohl der Schlüssel für das Tre­sor­behält­nis, als auch ein Ent­nah­me-Auf­zeich­nungs­buch wur­de vom Be­klag­ten zu 1) ver­wahrt be­zie­hungs­wei­se geführt, strei­tig ist, ob dies al­lein durch den Be­klag­ten zu 1) er­folg­te und wie lan­ge. Auch hat der Be­klag­te zu 1) ent­nom­me­nes Edel­me­tall ge­wo­gen.

Mit Schrei­ben vom 7. März 2003 (An­la­ge K2, Bl. 40 d.A.) wur­de der Be­klag­te zu 1) un­ter an­de­rem dar­auf hin­ge­wie­sen, dass an der Lei­che be­find­li­cher Schmuck nicht ei­genmäch­tig ent­fernt oder an Drit­te über­ge­ben wer­den dürfe. Aus­ge­nom­men sei­en der be­auf­trag­te Be­stat­ter, die

3

Staats­an­walt­schaft oder die Po­li­zei im Rah­men an­ge­ord­ne­ter Un­ter­su­chun­gen. Gleich­zei­tig wur­de dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ei­ne Ver­let­zung die­ser ar­beits­ver­trag­li­chen Ne­ben­pflicht ne­ben der Möglich­keit der Kündi­gung durch den Ar­beit­ge­ber auch Scha­dens­er­satz­ansprüche auslösen könne.

In ei­nem wei­te­ren dies­bezügli­chen Schrei­ben vom 9. Fe­bru­ar 2004 an den Be­klag­ten zu 1) heißt es, dass Wert­ge­genstände wie Schmuck­ge­genstände, Gold und an­de­re sons­ti­ge wert­vol­le Ma­te­ria­li­en in den Einäsche­rungsrückständen nie­mals ent­nom­men wer­den dürfen (An­la­ge K3, Bl. 41 d.A.). Soll­te es zu er­neu­ten Vorfällen kom­men, an de­nen der Be­klag­te zu 1) be­tei­ligt sei, wer­de das Ar­beits­verhält­nis um­ge­hend frist­los gekündigt und Straf­an­zei­ge er­stat­tet.


Mit in die­sem Zu­sam­men­hang ar­beit­ge­ber­sei­tig ab­ge­for­der­ter Erklärung vom 9. Fe­bru­ar 2004 bestätig­te der Be­klag­te zu 1), dass er das Schrei­ben vom 9. Fe­bru­ar 2004 er­hal­ten, ge­le­sen und ver­stan­den ha­be. Er erklärte, nie­mals Wert­ge­genstände wie Schmuck oder Uh­ren von Ver­stor­be­nen oh­ne ent­spre­chen­de Ge­neh­mi­gung eben­so we­nig wie wert­vol­le Ma­te­ria­li­en, wie z.B. Gold aus Einäsche­rungsrückständen ent­wen­det zu ha­ben (An­la­ge K3, Bl. 42 d.A.).

In ei­ner Verfügung der Kläge­rin vom 9. Fe­bru­ar 2005 (An­la­ge K4, Bl. 43 d.A.) zum Um­gang mit Zahn­gold, Schmuck und Körper­er­satz­tei­len im An­schluss an die Kre­ma­ti­on heißt es:

„1. Das mit der Über­nah­me ei­nes Ver­stor­be­nen ent­stan­de­ne Ge­wahr­sams­verhält­nis be­steht nach der Einäsche­rung fort. Dies gilt ins­be­son­de­re in Be­zug auf Zahn­gold, Schmuck­res­te und Körper­er­satzstücke. Sie ge­hen mit der Kre­ma­ti­on in das Ei­gen­tum der Ham­bur­ger Friedhöfe -AöR- über.
2. Mit­ar­bei­ter an den Einäsche­rungs­an­la­gen sind ver­pflich­tet, in den Einäsche­rungsrückständen of­fen­sicht­lich be­find­li­ches Zahn­gold, Schmuck­res­te und Körper­er­satzrückstände zu si­chern und der durch ört­li­che An­wei­sung fest­ge­leg­ten Sor­tie­rung zu­zuführen.
3. Die Weg­nah­me der Sa­chen aus dem Ei­gen­tum der Ham­bur­ger Friedhöfe AöR wird als Dieb­stahl an­ge­zeigt und hat außer­dem ar­beits­recht­li­che Kon­se­quen­zen.
4. Aus­sor­tier­tes Zahn­gold, Schmuck­res­te und Körper­er­satzstücke wer­den na­mens und im Auf­trag der Ham­bur­ger Friedhöfe AöR durch Veräußerung ver­wer­tet. Die Erlöse wer­den fol­gen­den Zwe­cken zu­geführt:
• Veräußerungs­erlöse aus der Ver­wer­tung von Zahn­gold und Schmuckrückständen wer­den der Kin­der­krebs­hil­fe ge­spen­det.

4


• Veräußerungs­erlöse aus der Ver­wer­tung von Körper­er­satzstücken wer­den zur Ver­bes­se­rung der Ar­beits- und Dienst­be­din­gun­gen der Mit­ar­bei­ter des Ham­bur­ger Kre­ma­to­ri­ums ver­wen­det.
5. Or­ga­ni­sa­ti­on und Durchführung vor­ste­hen­der Verfügung lie­gen bei K 0. Das gilt ins­be­son­de­re auch in den Fällen, in de­nen Ansprüche von An­gehöri­gen auf Her­aus­ga­be von Zahn­gold oder Schmuck­res­ten gel­tend ge­macht wer­den.“

Die­se Verfügung vom 9. Fe­bru­ar 2005 wur­de mit der Ar­beits­an­ord­nung vom 10. Fe­bru­ar mit Wir­kung zum 3. März 2005 um­ge­setzt. (An­la­gen­kon­vo­lut K5, Bl. 44-45. D.A.) Dar­in wur­de auf Fol­gen­des an­ge­wie­sen:

„1. Al­le Mit­ar­bei­ter an den Einäsche­rungs­an­la­gen sind ver­pflich­tet, in den Einäsche­rungsrückständen sicht­bar vor­han­de­nes Zahn­gold und Schmuck­res­te zu ent­neh­men, zu sam­meln und un­ter Ver­schluss auf­zu­be­wah­ren.
2. Ver­ant­wort­lich für die­se Maßnah­me in je­der Schicht ist im­mer der Be­die­ner der 3-er An­la­ge. Die Über­nah­me und die Wei­ter­ga­be des Sam­mel­gu­tes in ei­ner Stahl­blech­kas­set­te gehört zu sei­nen Dienst­pflich­ten. Die Stahl­blech­kas­set­te ist ab­bau­si­cher an ei­ner Wand zu be­fes­ti­gen.
3. Täglich über­gibt der Be­die­ner der 3-er An­la­ge in der Frühschicht das Vor­ta­ges­er­geb­nis an Herrn Q. oder ei­ner von KO be­stimm­ten Mit­ar­bei­ter. Die La­ge­rung er­folgt im Sa­fe im Dienst­zim­mer von KO.
4. Zur Nach­weisführung und zur Si­cher­heit des Be­die­ners er­folgt am En­de je­der Schicht ein Ein­trag in ein dafür vor­lie­gen­des Heft- auch bei ne­ga­ti­vem Er­geb­nis- mit Un­ter­schrift. Die in der Geschäftsführer­verfügung an­ge­wie­se­ne Ver­pflich­tung zur Si­che­rung von Schmuck­res­ten und des Zahn­gol­des er­for­dert ge­wis­sen­haf­te Ar­beit.
5. Körper­er­satzstücke wer­den aus den Einäsche­rungsrückständen ent­nom­men und in den dafür vor­ge­se­he­nen Behält­nis­sen ein­ge­la­gert.
6. Die Veräußerung des Zahn­gol­des und der Schmuck­res­te er­folgt in Ver­ant­wor­tung von K 20/30. Dafür zu­ge­las­se­ne Fir­men sind re­gelmäßig zu kon­tak­tie­ren und kei­ne übermäßig großen La­ger­bestände zu­zu­las­sen. Bei al­len Überg­a­be­hand­lun­gen ist das Vier-Au­gen-Prin­zip si­cher­zu­stel­len. Körper­er­satzstücke sind nur auf Wei­sung von K0 oder K 20/30 an Ab­ho­ler ein Ver­s­toß ge­gen die Dienst­pflich­ten.
7. Im Be­reich des Ham­bur­ger Kre­ma­to­ri­ums ist über al­le Ver­kaufs- und Spen­den­ak­ti­vitäten Nach­weis zu führen.“

Auf die­se der Ar­beits­an­ord­nung zu Grun­de lie­gen­de Verfügung wur­de der Be­klag­te zu 1) in Dienst­be­spre­chun­gen vom 16. De­zem­ber 2005, 4. Au­gust 2006 und 14. Ja­nu­ar 2008 so­wie mit E-Mail vom 31. Ok­to­ber 2006 hin­ge­wie­sen (An­la­gen­kon­vo­lut K6, Bl. 46ff. d.A).

5

Seit Ok­to­ber 2009 wer­den die Edel­me­tallrückstände aus der Asche des Ver­stor­be­nen an die E. GmbH ge­lie­fert. Die­se teil­te der Kläge­rin im Ok­to­ber 2009 mit, dass in an­de­ren Kre­ma­to­ri­en mit nur ca. 10 % der Einäsche­run­gen des Kre­ma­to­ri­ums der Kläge­rin die 10-15fache Men­ge an Edel­me­tall an­fal­len würde.

Dar­auf­hin schal­te­te die Be­klag­te die Po­li­zei ein, wel­che Er­mitt­lun­gen we­gen schwe­ren Ban­den­dieb­stahls, Störung der To­ten­ru­he und Ver­wah­rungs­bruch ge­genüber sämt­li­chen Mit­ar­bei­tern des Kre­ma­to­ri­ums auf­nahm. U.a. ist das Er­mitt­lungs­ver­fah­ren auch ge­genüber dem Be­klag­ten zu 1) anhängig. Im Rah­men des Er­mitt­lungs­ver­fah­rens wur­de auf­grund rich­ter­li­chen Be­schlus­ses die Einäsche­rungs­an­la­ge im Kre­ma­to­ri­um H.-1 un­ter Ein­satz von Vi­deo­tech­nik ob­ser­viert. In­so­weit heißt es in ei­nem Ver­merk der Po­li­zei Ham­burg vom 13. Au­gust 2010 in den Er­mitt­lungs­ak­ten (vor­ge­legt als An­la­ge K 7, Bl. 50 d.A.) u.a.:

„Die Aus­wer­tung hat er­ge­ben, dass sich die Be­schul­dig­ten […],L., […] die Asche der Ver­stor­be­nen ge­zielt nach Ge­genständen durch­su­chen, um die­se se­lek­tier­ten Ge­genstände an­sch­ließend zu ver­wer­ten.“

Bei Haus­durch­su­chun­gen bei an­de­ren Mit­ar­bei­tern des Kre­ma­to­ri­ums wur­den ins­ge­samt mehr als 4,7 kg Kre­mie­rungsrückstände (Zahn­gold) so­wie ins­ge­samt € 145.740,00 in bar auf­ge­fun­den. Meh­re­re Mit­ar­bei­ter der Kläge­rin wur­den vorläufig fest­ge­nom­men. Bei ei­ner po­li­zei­li­chen Haus­durch­su­chung am 20. Au­gust 2010 wur­den in der ge­mein­sa­men Woh­nung der Be­klag­ten von der Po­li­zei ei­ne Lis­te mit Geld­beträgen so­wie ein Um­schlag mit Hin­wei­sen zu Aus­lands­im­mo­bi­li­en­be­sitz si­cher­ge­stellt.

In sog. „Edel­me­tall­be­gleit­schrei­ben“ aus dem Zeit­raum zwi­schen dem 28. Mai 2003 und dem 07. Mai 2010 (in An­la­gen K11- K53, Bl. 57-144 d.A.) mach­te die Be­klag­te zu 2) ge­genüber der E1 GmbH & Co. KG u.a. je­weils An­ga­ben zu Scheid­gut und gewünsch­ter Über­wei­sung auf ei­ne an­ge­ge­be­ne Bank­ver­bin­dung. Ei­ne der Bank­ver­bin­dun­gen lau­tet: Spar­kas­se S. bzw. B., Bank­leit­zahl: xxxxx, Kon­to­num­mer: xxxxx; da­bei han­delt es sich um das Kon­to des Be­klag­ten zu 1). Im Übri­gen ist ein Kon­to mit der Num­mer xxxxx bei der Spar­kas­se B. an­ge­ge­ben, de­ren Kon­to­in­ha­be­rin die Be­klag­te zu 2) ge­we­sen ist. Die E1 GmbH & Co. KG be­schei­nig­te ge­genüber der Be­klag­ten zu 2) di­ver­se Gut­schrif­ten bzgl. von Scheid­gut­an­lie­fe­run­gen und erklärte „Be­trag wird über­wie­sen“. We­gen des ge­nau­en In­halts wird auf die An­la­gen K11 – K53 Be­zug ge­nom­men. Hierüber gibt es ei­nen Ver­merk des KK H. vom 17. No­vem­ber 2011 (Anl. K 10, Bl. 55 d.A.), aus dem sich er­gibt, dass die Fir­ma E1 für das er­hal­te­ne Zahn­gold ins­ge­samt € 273.682,97 ge­zahlt hat.

6

Mit Schrei­ben vom 23. Au­gust 2010 (An­la­ge K55, Bl. 146 d.A.) teil­te die Kläge­rin dem Be­klag­ten zu 1) mit, dass sie be­ab­sich­ti­ge das Ar­beits­verhält­nis frist­los zu kündi­gen, stell­te ihn un­wi­der­ruf­lich von der Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung frei und er­teil­te ihm ein Haus­ver­bot.

Nach ein­ge­hol­ter Zu­stim­mung durch den Per­so­nal­rat stell­te die Kläge­rin dem Be­klag­ten zu 1) am 20. Ok­to­ber 2010 ein Schrei­ben vom sel­ben Ta­ge zu, mit dem die Kläge­rin das Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich frist­los, hilfs­wei­se außer­or­dent­lich zum 30. Ju­ni 2011 kündig­te. Das vom Be­klag­ten zu 1) ge­gen die Kündi­gun­gen geführ­te Ar­beits­ge­richts­ver­fah­ren (Bei­ak­te ArbG Ham­burg 3 Ca 422/10 = LAG Ham­burg 5 Sa 44/11) blieb er­folg­los.

Erst­in­stanz­lich hat die Kläge­rin ein Rück­zah­lungs­ver­lan­gen in Höhe von € 2.156,99 we­gen ei­nes aus ih­rer Sicht über­zahl­ten Ge­halts ge­gen den Be­klag­ten zu 1) gel­tend ge­macht.

Die Kläge­rin hat vor­ge­tra­gen, der Be­klag­te zu 1) ha­be durch die Ent­wen­dung und Veräußerung von Zahn­gold in ei­ner Viel­zahl von Fällen vorsätz­lich ge­gen die Wei­sun­gen der Kläge­rin ver­s­toßen. Dies sei auch durch die po­li­zei­lich auf­ge­nom­me­nen Vi­deo­auf­zeich­nun­gen be­legt wor­den, wo zu se­hen sei, wie der Be­klag­te zu 1) mehr­fach Ge­genstände aus den Ascherückständen ent­nom­men und nicht in das hierfür vor­ge­se­he­ne Tre­sor­behält­nis ge­legt ha­be. Die Vi­deo­auf­zeich­nun­gen würden zei­gen, dass sich der Be­klag­te zu 1) die aus der Asche aus­sor­tier­ten Edel­me­tal­le in die Ho­sen­ta­sche ge­steckt ha­be. Da der Be­klag­te zu 1) auch in Kennt­nis des Ver­s­toßes ge­gen die aus­drück­li­chen An­wei­sun­gen der Kläge­rin ge­han­delt ha­be, ha­be er auch vorsätz­lich ge­han­delt.

Die (am XX.XXXXX 2012) ver­stor­be­ne Be­klag­te zu 2) ha­be in den Jah­ren 2003 bis 2010 an die E1 GmbH & Co. KG ins­ge­samt 31.709,80 Gramm Edel­me­tal­le ver­kauft. Hier­durch sei der Kläge­rin ein Scha­den in Höhe von ins­ge­samt € 273.682,97 ent­stan­den. Die­ser Be­trag stel­le den fi­nan­zi­el­len Ge­gen­wert der ins­ge­samt ent­wen­de­ten und mit der Be­klag­ten zu 2) ab­ge­setz­ten 31,7098 kg Zahn­gold dar und las­se sich durch die Vor­la­ge der aus­ge­stell­ten Be­gleit­schrei­ben der E1 GmbH & Co. KG be­le­gen. Durch die Ent­nah­me des Zahn­gol­des ha­be die Kläge­rin die ihr zu­ste­hen­de Verfügungs­ge­walt hierüber ver­lo­ren.

Die Kläge­rin hat die An­sicht ver­tre­ten, sie ha­be im We­ge der An­eig­nung durch In-Ei­gen­be­sitz­nah­me an dem Zahn­gold und den übri­gen Ascherückständen Ei­gen­tum er­wor­ben. Der An­eig­nungs­wil­le sei in Zif­fer 1 der Verfügung der Geschäftsführung vom 9. Fe­bru­ar 2005 gel­tend ge­macht wor­den, in der die Kläge­rin hin­sicht­lich des kre­mier­ten Zahn­gol­des be­kun­de­te, dass das mit der Über­nah­me ei­nes Ver­stor­be­nen ent­stan­de­ne Ge­wahr­sams­verhält­nis auch nach der Einäsche­rung fort­be­ste­he und Zahn­gold, Schmuck­res­te und Körper­er­satzstücke mit der Kre­ma­ti­on in das Ei­gen­tum der Kläge­rin über­ge­he.

7

Dass die Erlöse aus den Zahn­gold­verkäufen in der Ver­gan­gen­heit an so­zia­le Ein­rich­tun­gen ge­spen­det wor­den sei­en, hin­de­re die An­nah­me ei­nes er­satzfähi­gen Scha­dens nicht. Der Scha­den lie­ge dar­in, dass die zweck­ge­bun­de­nen fi­nan­zi­el­len Mit­tel der Kläge­rin ver­rin­gert wor­den sei­en, oh­ne dass der da­mit ver­bun­de­ne Zweck ha­be er­reicht wer­den können.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

1. den Be­klag­ten zu 1) und die Be­klag­te zu 2) ge­samt­schuld­ne­risch zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin

€ 25.317,03 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2003,
wei­te­re € 40.825,04 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2004,
wei­te­re € 29.163,81 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2005,
wei­te­re € 37.577,03 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2006,
wei­te­re € 9.014,46 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2007,
wei­te­re € 42.458,01 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2008,
wei­te­re € 71.255,03 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2009,
wei­te­re € 18.072,056 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2010 zu zah­len und

2. den Be­klag­ten zu 1) zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin € 2.156,99 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 1. De­zem­ber 2011 zu zah­len.


Der Be­klag­te zu 1) hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

8


Der Be­klag­te zu 1) hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Kläge­rin ha­be an den sich in den Ascherückständen be­find­li­chen Edel­me­tal­len kein Ei­gen­tum er­wor­ben. Die­se sei­en viel­mehr her­ren­los ge­we­sen.

Ein Ei­gen­tums­er­werb sei auch nicht durch die Um­set­zung der Ar­beits­an­wei­sung vom 09. Fe­bru­ar 2005 er­folgt, da der Rechts­ord­nung ei­nen Ei­gen­tums­er­werb durch Um­set­zung fremd sei.

Die Kläge­rin ha­be da­her man­gels Ei­gentümer­stel­lung nicht an­ord­nen dürfen, die Ge­genstände nicht zu ent­wen­den, da ihr hierfür die Le­gi­ti­ma­ti­on ge­fehlt ha­be.

Der Be­klag­te zu 1) hat die Rich­tig­keit sämt­li­cher im Ver­fah­ren von der Kläge­rin vor­ge­leg­ten, aber nicht be­glau­big­ten Ko­pi­en be­strit­ten.

Durch das dem Be­klag­ten zu 1) am 22. Ok­to­ber 2012 zu­ge­stell­te Teil­ur­teil vom 12. Sep­tem­ber 2012, auf das zur nähe­ren Sach­dar­stel­lung Be­zug ge­nom­men wird, hat das Ar­beits­ge­richt der Kla­ge hin­sicht­lich des über­zahl­ten Ge­halts statt­ge­ge­ben, im Übri­gen hat es die Kla­ge ge­gen den Be­klag­ten zu 1) ab­ge­wie­sen. Das Ar­beits­ge­richt hat zur Be­gründung der Klag­ab­wei­sung im We­sent­li­chen aus­geführt, die Kläge­rin ha­be an dem nach Einäsche­rung übrig ge­blie­be­nen Zahn­gold kein Ei­gen­tum er­wor­ben, so­mit sei ihr kein durch die Weg­nah­me zu er­set­zen­der Scha­den ent­stan­den.

Hier­ge­gen rich­tet sich die am 22. No­vem­ber 2012 ein­ge­leg­te und mit am 24. Ja­nu­ar 2013 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründe­te Be­ru­fung der Kläge­rin, nach­dem die Be­ru­fungs­be­gründungs­frist am 17. De­zem­ber 2012 bis zum 24. Ja­nu­ar 2013 verlängert wor­den war. Die vom Be­klag­ten zu 1 ein­ge­leg­te An­schluss­be­ru­fung wur­de zurück­ge­nom­men.

Die Kläge­rin trägt vor, ab dem Jah­re 2010 sei das Kre­ma­to­ri­um von ih­rer Toch­ter­ge­sell­schaft, der K1 GmbH geführt wor­den. Sie ha­be sich vor­sorg­lich ermäch­ti­gen las­sen, mögli­che Scha­dens­er­satz­ansprüche die­ser Toch­ter­ge­sell­schaft gel­tend zu ma­chen. Die Kläge­rin ver­tritt die Rechts­auf­fas­sung, sie ha­be das ver­blie­be­ne Zahn­gold, wenn es denn her­ren­los war, gemäß § 958 Abs. 1 BGB an­eig­nen können. Auf et­wai­ge Ansprüche hätten die Hin­ter­blie­be­nen je­den­falls kon­klu­dent ver­zich­tet. Im Übri­gen sei auch die Be­sitzstörung von § 823 Abs. 1 BGB er­fasst.


Die Kläge­rin be­an­tragt,

9

un­ter teil­wei­ser Abände­rung des Teil­ur­teils des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 12. Sep­tem­ber 2012 – 3 Ca 248/12 -

den Be­klag­ten zu 1) zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin

€ 25.317,03 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis-zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2003,
wei­te­re € 40.825,04 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2004,
wei­te­re € 29.163,81 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2005,
wei­te­re € 37.577,03 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2006,
wei­te­re € 9.014,46 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2007,
wei­te­re € 42.458,01 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2008,
wei­te­re € 71.255,03 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2009,
wei­te­re € 18.072,056 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 31. De­zem­ber 2010 zu zah­len.


Der Be­klag­te zu 1) be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te trägt vor, we­gen feh­len­den Ei­gen­tums­er­werbs hätte die Kläge­rin kei­nen Scha­den, wenn er über­haupt je­mals Edel­me­tal­le an sich ge­nom­men ha­ben soll­te. Et­wai­ge Ansprüche stünden der K1 GmbH zu. Es wer­de be­strit­ten, dass die Kläge­rin den Erlös ge­spen­det hätte. Die Hin­ter­blie­be­nen hätten nicht auf ihr Recht zur An­eig­nung ver­zich­tet, denn sie hätten nichts von den Vorgängen ge­wusst und sei­en nicht in­for­miert wor­den. Ein An­spruch aus ei­ner Be­sitzstörung schei­te­re dar­an, dass die Mit­ar­bei­ter - auch wenn sie als Be­sitz­die­ner ein­zu­ord­nen sei­en – mit ei­ge­nem An­eig­nungs­wil­len die Edel­me­tallrückstände gemäß § 958 Abs. 1 BGB an sich ge­nom­men hätten. Die For­de­run­gen der Kläge­rin, die er der Höhe und dem Grun­de nach be­strei­te, sei­en zeit­lich nicht ein­zu­ord­nen. Er er­he­be die Ein­re­de der Verjährung, denn seit März 2003 ha­be die Kläge­rin im­mer wie­der dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Wert­ge­genstände nicht ei­genmäch­tig ent­fernt wer­den dürf­ten, al­so ha­be die Kläge­rin grob fahrlässig Un­kennt­nis von den Weg­nah­me­hand­lun­gen

10

der Mit­ar­bei­ter ge­habt, denn sie ha­be ei­ne kon­kre­te, durch­schlagsfähi­ge und er­folgs­ori­en­tier­te Kon­troll­or­ga­ni­sa­ti­on nicht si­cher­ge­stellt. Nach dem Vor­trag der Kläge­rin selbst ha­be er in der Zeit vom 1. Ju­ni 2005 bis in das Jahr 2010 hin­ein über­haupt kei­nen Zu­gang zum Kre­ma­to­ri­um ge­habt und er schei­de als Täter aus. In die­ser Zeit sei er nicht mit der Be­die­nung der Einäsche­rungs­an­la­ge be­fasst ge­we­sen.

Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en, ih­rer Be­weis­an­trit­te und der von ih­nen über­reich­ten Un­ter­la­gen so­wie ih­rer Rechts­ausführun­gen wird ergänzend auf den ge­sam­ten Ak­ten­in­halt Be­zug ge­nom­men.


Ent­schei­dungs­gründe

I. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statt­haft und im Übri­gen form- und frist­gemäß ein­ge­legt und be­gründet wor­den und da­mit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist über­wie­gend be­gründet. Sie hat ge­genüber dem Be­klag­ten zu 1) ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch im Um­fang des ihm und der ver­stor­be­nen Be­klag­ten zu 2) in der Zeit von Mai 2003 bis En­de des Jah­res 2009 zu­ge­flos­se­nen Erlöses von Den­tal­schei­de­gut, nicht je­doch für das Jahr 2010.

1. Al­ler­dings geht die Be­ru­fungs­kam­mer mit dem Ar­beits­ge­richt da­von aus, dass sich ein sol­cher An­spruch aus § 823 BGB oder aus der Ver­let­zung des Ar­beits­ver­tra­ges, §§ 611, 280 Abs. 1 BGB, selbst nicht be­gründen lässt, denn man­gels Ei­gen­tums­er­werbs ist der Kläge­rin im Sin­ne die­ser Vor­schrif­ten ein Scha­den nicht ent­stan­den.

a. Bei Würdi­gung des un­strei­ti­gen Sach­ver­hal­tes un­ter Berück­sich­ti­gung des Vor­brin­gens der Par­tei­en im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren und dem bei­ge­zo­ge­nen Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren geht die Kam­mer gemäß § 286 ZPO da­von aus, dass sich der Be­klag­te zu 1) im an­ge­ge­be­nen Zeit­raum Edel­me­tall, ins­be­son­de­re Zahn­gold, aus der Asche der im Kre­ma­to­ri­um der Kläge­rin ein­geäscher­ten Ver­stor­be­nen ver­schafft und un­ter Mit­hil­fe sei­ner Le­bens­gefähr­tin, der ver­stor­be­nen Be­klag­ten zu 2), an die Fa. E1 GmbH ver­kauft hat. Die­se hat der Be­klag­ten zu 2) den Kauf­preis je­weils schrift­lich mit­ge­teilt und den Be­trag auf de­ren Kon­to oder das des Be­klag­ten zu 1) über­wie­sen. Zwar hat der Be­klag­te zu 1) – ent­ge­gen § 138 Abs. 4 ZPO - die Rich­tig­keit der nicht be­glau­big­ten Ko­pi­en der Edel­me­tall­be­gleit­schrei­ben und Gut­schrif­ten (Anl. K 11) be­strit­ten, je­doch nicht die Vorgänge an sich und auch nicht, dass das Geld auf sein Kon­to und das sei­ner Le­bens­gefähr­tin ge­flos­sen ist. Hierfür gibt es für die Kam­mer nur ei­ne Erklärung: Das Gold und die

11

an­de­ren Edel­me­tal­le stam­men aus der Asche von den bei der Kläge­rin Ein­geäscher­ten, wur­den vom Be­klag­ten zu 1) an sich ge­nom­men und so­dann mit sei­ner Le­bens­gefähr­tin ge­mein­sam ver­wer­tet. Es wur­den Vi­deo­auf­zeich­nun­gen im Ju­li 2010 ge­macht, der Be­klag­te zu 1) wur­de von dem Über­wa­cher POM P. in des­sen Be­richt et­wa vom 29. Ju­li 2010 (Anl. K8, Bl. 51 d.A.) als über­wach­te Per­son an­ge­ge­ben, die mit der Asche han­tiert, et­was an sich zu neh­men scheint und er des­halb im Ver­merk vom 13. Au­gust 2010 (Anl K7, Bl. 50 d.A.) als Be­schul­dig­ter an­ge­ge­ben wird. Dem­ent­spre­chend vor­sich­tig ist auch der Vor­trag des Be­klag­ten zu 1) im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren, in dem er ei­ne auch nur annähernd nach­voll­zieh­ba­re Erklärung für das von der Fa. E1 GmbH & Co KG ge­flos­se­ne Geld nicht ge­ben konn­te und noch in der Ver­hand­lung vor der Be­ru­fungs­kam­mer im We­sent­li­chen auf die zu­grun­de lie­gen­de Rechts­fra­ge des Ei­gen­tums­er­werbs ab­stell­te und dar­auf hin­wei­sen ließ, die Mit­ar­bei­ter hätten sich in ei­nem „rechts­frei­en Raum“ be­wegt.

b. Die­ser Raum war al­ler­dings nicht rechts­frei. In der Tat hat aber die Kläge­rin an dem ver­blie­be­nen Edel­me­tall kein Ei­gen­tum er­langt. Die mit dem Leich­nam fest ver­bun­de­nen künst­li­chen Körper­tei­le, z.B. das Zahn­gold, die in Form und Funk­ti­on de­fek­te Körper­tei­le er­set­zen, sog. Sub­sti­tu­tiv-Im­plan­ta­te (OLG Ham­burg 19.12.2011 – 2 Ws 123/11 – NJW 2012, 1601 ju­ris), gehören zum Leich­nam und tei­len während der Ver­bin­dung des­sen Schick­sal. So­wohl der Leich­nam als auch die künst­li­chen Körper­tei­le ste­hen in nie­man­des Ei­gen­tum und gehören des­halb auch nicht zum Nach­lass iSd. § 1922 BGB (Gott­wald, Rechts­pro­ble­me um die Feu­er­be­stat­tung NJW 2012, 2231, 2232 mwN.).

Die künst­li­chen Körper­tei­le wer­den al­ler­dings mit Tren­nung vom Leich­nam ei­gen­tumsfähig, sie wer­den nach der Einäsche­rung zur be­weg­li­chen Sa­che, § 90 BGB. Da man­gels Uni­ver­sal­suk­zes­si­on die­se Tei­le als her­ren­lo­se Sa­chen an­zu­se­hen sind, kann an ih­nen nach § 958 Abs. 1 BGB durch In­be­sitz­nah­me Ei­gen­tum er­wor­ben wer­den. Al­ler­dings ver­hin­dert § 958 Abs. 2 BGB ei­nen Ei­gen­tums­er­werb auf die­sem We­ge, so­fern durch die Be­sitz­er­grei­fung das An­eig­nungs­recht ei­nes An­de­ren ver­letzt wird. In­ha­ber die­ses An­eig­nungs­rechts ist der Er­be oder nach an­de­rer Auf­fas­sung die Per­son, die im Ein­zel­fall zur To­tenfürsor­ge be­rech­tigt ist (En­gel­brecht, Zum Um­gang mit Zahn­gold und Im­plan­ta­ten im Rah­men der Be­stat­tung, Kom­mu­nal­Pra­xis BY 2007, 173, ju­ris; vgl. die Nach­wei­se bei Gott­wald aaO.). Die­se Fra­ge kann hier of­fen­blei­ben, denn si­cher­lich ist nicht der Kre­ma­to­ri­ums­be­trei­ber an­eig­nungs­be­fugt und ein kon­klu­den­ter Ver­zicht der vor­ran­gig An­eig­nungs­be­rech­tig­ten kann nicht an­ge­nom­men wer­den, denn die ge­hen da­von aus, dass al­le Asche mit ih­ren Be­stand­tei­len in der Ur­ne lan­det, wis­sen nicht, dass die Edel­me­tal­le aus­ge­son­dert wer­den, würden an­ge­sichts des Wer­tes eher nicht zu­stim­men, dass sich der Be­trei­ber des Kre­ma­to­ri­ums die­se Wer­te zu­eig­net (OLG Ham­burg aaO.; Gott­wald aaO.). Wenn die Kläge­rin al­so nicht Ei­gentümer wer­den konn­te, konn­te sie in ih­rem Ei­gen­tums­recht nicht iS.d. § 823 Abs. 1 BGB ver­letzt wer­den, der ar­beits­ver­trag­li­che Ver­s­toß

12

sei­tens des Be­klag­ten zu 1) führ­te nicht zu ei­nem Scha­den, die in Fra­ge kom­men­den straf­recht­li­chen Vor­schrif­ten sind kei­ne Schutz­ge­set­ze zu­guns­ten der Kläge­rin iSd. § 823 Abs. 2 BGB.

c. Zwar ist auch der Be­sitz gleich ei­nem ab­so­lu­ten Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB geschützt (Stau­din­ger BGB 13. Aufl. 1999, Nr. B 167 zu § 823), es sind al­ler­dings nur die Schäden zu er­set­zen, die dem Be­sit­zer auf­grund ent­gan­ge­ner Er­satz­ansprüche, Weg­nah­me- und Ver­wen­dungs­rech­te ent­ste­hen, auch sog. Haf­tungsschäden, da­mit sind Ansprüche ge­gen den Be­sit­zer ge­meint, de­nen die­ser aus­ge­setzt ist, weil er für den Un­ter­gang der Sa­che auch bei Zu­fall ver­ant­wort­lich ist oder weil er fahrlässig an der Scha­dens­ent­ste­hung mit­ge­wirkt hat (Stau­din­ger aaO). Al­len­falls theo­re­tisch ist denk­bar, dass Er­ben oder To­ten­sor­ge­be­rech­tig­te ge­genüber der Kläge­rin Ansprüche gel­tend ma­chen könn­ten. Dies ist nicht der Fall und es wäre auch kaum er­mit­tel­bar, wie viel Gold et­wa bei ei­nem be­stimm­ten To­ten ge­fun­den wur­de.

2. Der An­spruch der Kläge­rin folgt für die Zeit bis zum Jah­res­en­de 2009 aus § 667 BGB.

a. § 667 BGB ist auf Ar­beits­verhält­nis­se ent­spre­chend an­zu­wen­den, ob­wohl Ar­beit­neh­mer nicht im Sin­ne von § 662 BGB un­ent­gelt­lich tätig wer­den. Die auf­trags­recht­li­chen Be­stim­mun­gen ent­hal­ten all­ge­mei­ne Grundsätze, die auch für Ar­beits­verhält­nis­se gel­ten. Wer im In­ter­es­se ei­nes an­de­ren Auf­wen­dun­gen macht, kann Er­satz der Auf­wen­dun­gen von dem­je­ni­gen ver­lan­gen, für den er tätig ge­wor­den ist (BAG 11. April 2006 – 9 AZR 500/05, AP Nr. 1 zu § 667 BGB, ju­ris; 14. Ok­to­ber 2003 - 9 AZR 657/02 - AP BGB § 670 Nr. 32, ju­ris). Die­sel­ben Grundsätze gel­ten für die Her­aus­ga­be­pflicht nach § 667 BGB. Die­se Vor­schrift bil­det das Ge­genstück zum Auf­wen­dungs­er­satz­an­spruch nach § 670 BGB. Der Be­auf­trag­te soll durch die Geschäfts­be­sor­gung kei­nen Nach­teil er­lei­den, aus ihr aber auch kei­nen Vor­teil zie­hen (Er­man BGB 13. Aufl. 2011 § 667 Rn. 1). Eben­so soll der Ar­beit­neh­mer re­gelmäßig ne­ben der ver­ein­bar­ten Ar­beits­vergütung kei­ne wei­te­ren ma­te­ri­el­len Vor­tei­le aus sei­ner Ar­beits­leis­tung er­lan­gen. Die für die Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung not­wen­di­gen Be­triebs­mit­tel hat der Ar­beit­ge­ber zur Verfügung zu stel­len. Nur was zur selbst­verständ­li­chen Ein­satz­pflicht des Ar­beit­neh­mers bei der Ar­beit gehört, wird durch die Vergütungs­zah­lung aus­ge­gli­chen (BAG 14.12.2011 – 10 AZR 283/10 – AP Nr. 2 zu § 667 BGB, ju­ris; 14. Ok­to­ber 2003 - 9 AZR 657/02 – aaO.).

b. Der Her­aus­ga­be­an­spruch nach § 667 1. Alt. BGB be­zieht sich auf al­les, was der Be­auf­trag­te „zur Ausführung des Auf­trags“ er­hal­ten hat. Dies um­fasst al­les, was dem Be­auf­trag­ten vom Auf­trag­ge­ber oder auf des­sen Ver­an­las­sung von Drit­ten zu dem Zweck zur Verfügung ge­stellt wor­den ist, den Be­auf­trag­ten recht­lich oder tatsächlich in die La­ge zu ver­set­zen, das Geschäft durch­zuführen. Ent­schei­dend ist die vom Auf­trag­ge­ber fest­ge­leg­te Zweck­be­stim­mung, gleichgültig ist, ob die­se Mit­tel zur Rück­ga­be oder zum Ver­brauch be­stimmt sind und gleichgültig ist auch,

13

dass die Zu­wen­dung ei­nes Drit­ten nach des­sen Wil­len nicht für den Auf­trag­ge­ber be­stimmt war (Er­man aaO. mwN.). Ge­gen­stand des Er­hal­te­nen und da­mit des Her­aus­ga­be­an­spruchs aus der 1. Al­ter­na­ti­ve kann je­de recht­li­che oder tatsächli­che Po­si­ti­on sein: Ei­gen­tum, Be­sitz, In­ha­ber­stel­lung. Hier­un­ter fal­len et­wa Werk­zeu­ge, Schlüssel, Ma­te­ria­li­en (Er­man aaO.). An­ders ge­sagt: Im Rah­men sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses – und nicht nur bei Ge­le­gen­heit - war es Auf­ga­be des Be­klag­ten zu 1), Edel­me­tal­le zu sam­meln, zu ver­brin­gen, zu wie­gen usw. Ein ei­ge­nes Recht zum Be­sitz, zur Weg­nah­me be­stand nicht, der Be­klag­te zu 1) ist des­halb ver­pflich­tet, die­se ihm zur Verfügung ge­stell­ten Ma­te­ria­li­en an die Kläge­rin her­aus­zu­ge­ben.

c. Der Her­aus­ga­be­an­spruch nach § 667 2. Alt. BGB setzt vor­aus, dass der Be­auf­trag­te et­was aus der Geschäfts­be­sor­gung er­langt hat. Das ist je­der Vor­teil, den der Be­auf­trag­te auf Grund ei­nes in­ne­ren Zu­sam­men­hangs mit dem geführ­ten Geschäft er­hal­ten hat (BGH 17. Ok­to­ber 1991 - III ZR 352/89 - NJW-RR 1992, 560, ju­ris). Das sind die Bo­nus­mei­len (BAG 11. April 2006 aaO.) oder die er­hal­te­nen Schmier­gel­der (BAG 26. Fe­bru­ar 1971 – 3 AZR 97/70 – AP Nr. 5 zu § 687 BGB, ju­ris), al­so je­der Vor­teil, den der Be­auf­trag­te auf­grund ei­nes in­ne­ren Zu­sam­men­hangs mit dem geführ­ten Geschäft er­hal­ten hat. Auch auf die­sem We­ge – z.B. über Drit­te - er­lang­te Ma­te­ria­li­en aus dem Geschäft der Kläge­rin hat der Be­klag­te zu 1) so­mit her­aus­zu­ge­ben.

d. Bei ver­schul­de­ter Unmöglich­keit der Her­aus­ga­be haf­tet der Be­auf­trag­te gemäß § 280 BGB auf Scha­dens­er­satz (Er­man aaO. Nr 13 mwN.). Der Be­klag­te zu 1) hat vorsätz­lich den Her­aus­ga­be­an­spruch der Kläge­rin unmöglich wer­den las­sen, in­dem das er­lang­te/er­hal­te­ne Edel­me­tall der Fa. E1 GmbH & Co KG zur wei­te­ren Ver­ar­bei­tung, nämlich zum Ein­schmel­zen, über­ge­ben wur­de. Der Wie­der­be­schaf­fungs­wert und da­mit der Um­fang des zu er­set­zen­den Scha­dens iSd. § 249 BGB drückt sich im er­hal­te­nen Ent­gelt aus, dürf­te an­ge­sichts des ge­stie­ge­nen Gold­prei­ses noch darüber lie­gen.

3. Der An­spruch der Kläge­rin ist nicht verjährt. Gemäß § 199 BGB be­ginnt die re­gelmäßige Verjährungs­frist mit dem Schluss des Jah­res, in dem 1. der An­spruch ent­stan­den ist und 2. der Gläubi­ger von den den An­spruch be­gründen­den Umständen und der Per­son des Schuld­ners Kennt­nis er­langt oder oh­ne gro­be Fahrlässig­keit er­lan­gen müss­te. Gro­be Fahrlässig­keit liegt vor, wenn die im Ver­kehr er­for­der­li­che Sorg­falt in un­gewöhn­lich großem Maße ver­letzt wor­den ist, ganz na­he lie­gen­de Über­le­gun­gen nicht an­ge­stellt oder bei­sei­te ge­scho­ben wur­den und das­je­ni­ge un­be­ach­tet ge­blie­ben ist, was im ge­ge­be­nen Fall je­dem hätte ein­leuch­ten müssen. Dem Gläubi­ger muss persönlich ein schwe­rer Ob­lie­gen­heits­ver­s­toß in sei­ner ei­ge­nen An­ge­le­gen­heit der An­spruchs­ver­fol­gung („Ver­schul­den ge­gen sich selbst“) vor­ge­wor­fen wer­den können, weil sich ihm die den An­spruch be­gründen­den Umstände förm­lich auf­ge­drängt ha­ben, er da­vor aber letzt­lich die Au­gen ver­schlos­sen hat (Lak­kis in: ju­risPK-BGB, 6. Aufl. 2012, § 199 BGB Nr. 59). Wenn die Kläge­rin ih­re Ar­beit­neh­mer seit dem Jah­re 2003 schrift­lich dar­auf hin­weist, dass Wert­ge­genstände

14

Ver­stor­be­ner nicht pri­vat ein­be­hal­ten dürfen, wie­der­holt sie ei­ne selbst­verständ­li­che Ver­trags­pflicht. Es ist ihr recht­lich nicht vor­zu­wer­fen, dass sie dies für aus­rei­chend hält, auf die Ehr­lich­keit ih­rer Mit­ar­bei­ter ver­traut und auf ei­ne ef­fek­ti­ve Über­wa­chung ver­zich­tet hat. Der An­spruch der Kläge­rin, die erst im Jah­re 2009 die Mit­tei­lung der Fa. E. über die ge­rin­gen ab­ge­lie­fer­ten Gold­men­gen er­hielt, ist so­mit nicht verjährt.

4. Der An­spruch der Kläge­rin für das Jahr 2010 ist vom Be­klag­ten zu 1) un­ter Hin­weis auf ei­nen Gläubi­ger­wech­sel be­strit­ten wor­den. Die Über­nah­me des Kre­ma­to­ri­ums durch ei­ne Toch­ter­ge­sell­schaft der Kläge­rin mit Be­ginn des Jah­res 2010 könn­te in der Tat bspw. ei­nen Be­triebsüber­gang und ei­nen Ar­beit­ge­ber­wech­sel iSd. § 613a BGB dar­stel­len. Die Kam­mer hat dies in der münd­li­chen Ver­hand­lung klären wol­len, die Kläge­rin konn­te hier­zu kei­ne An­ga­ben ma­chen, die schriftsätz­lich vor­ge­tra­ge­ne Ermäch­ti­gung ist recht­lich nicht wei­terführend. Die Be­ru­fung war des­halb hin­sicht­lich des An­spruchs für das Jahr 2010 im Um­fang von € 18.072,56 zurück­zu­wei­sen.

5. Die Zins­ent­schei­dung be­ruht auf §§ 286, 288 BGB. Ver­zug trat mit dem Schrei­ben der Kläge­rin vom 17. Fe­bru­ar 2011 ein.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf §§ 92, 516 Abs. 3 ZPO. Die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on für den Be­klag­ten zu 1) lie­gen vor, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, für die Kläge­rin nicht.

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 5 Sa 110/12