HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 26.04.2010, 17 Sa 1772/09

   
Schlagworte: Arbeitsunfähigkeit, Urlaub
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 17 Sa 1772/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.04.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt, Urteil vom 30.09.2009, 13 Ca 2046/09
   

Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt


Ak­ten­zei­chen: 17 Sa 1772/09
(Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main: 13 Ca 2046/09)  

Verkündet am:

26. April 2010

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In dem Be­ru­fungs­ver­fah­ren


Be­klag­te und

Be­ru­fungskläge­rin

Pro­zess­be­vollmäch­tigt.:

ge­gen

Kläge­rin und

Be­ru­fungs­be­klag­te

Pro­zess­be­vollmäch­tigt.:

hat das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt, Kam­mer 17,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 26. April 2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt als Vor­sit­zen­den
und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter
und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter
als Bei­sit­zer
für Recht er­kannt:


Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 30. Sep­tem­ber 2009, 13 Ca 2046/09, und die An­schluss­be­ru­fung der Kläge­rin wer­den zurück­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens tra­gen die Kläge­rin zu 18% und die Be­klag­te zu 82%.

Für die Be­klag­te wird die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen. Für die Kläge­rin wird die Re­vi­si­on nicht zu­ge­las­sen.

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Tat­be­stand


Die Par­tei­en strei­ten im Be­ru­fungs­rechts­zug noch um Ur­laubs­ab­gel­tung.

Die im De­zem­ber 1947 ge­bo­re­ne Kläge­rin war seit dem 01. Au­gust 1991 bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänger als Verkäufe­r­in/Kas­sie­re­rin beschäftigt. Seit 17. Au­gust 2007 war sie durchgängig ar­beits­unfähig er­krankt. Mit Be­scheid der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund vom 29. Au­gust 2008 (Bl. 13 d.A.) wur­de ihr rück­wir­kend ab 01. Sep­tem­ber 2007 Ren­te we­gen vol­ler Er­werbs­min­de­rung be­wil­ligt. Mit Schrei­ben vom 18. Fe­bru­ar 2009 (Bl. 3 d.A.) erklärte die Be­klag­te ge­genüber der Kläge­rin die Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 28. Fe­bru­ar 2009. Hier­ge­gen hat die Kläge­rin Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben, wo­bei sie sich dann aber nur noch ge­gen die Nicht­ein­hal­tung der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist ge­wandt hat. Außer­dem hat sie Ur­laubs­ab­gel­tung ih­res ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruchs be­gehrt und hier­bei für 2008 und 2009 je­weils den vol­len Ur­laubs­an­spruch und für 2007 ei­nen rest­li­chen Ur­laubs­an­spruch an­ge­setzt. In die­sem Zu­sam­men­hang ha­ben die Par­tei­en ins­be­son­de­re darüber ge­strit­ten, ob der Kläge­rin trotz dau­er­haf­ter krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit und rück­wir­ken­der Ren­ten­be­wil­li­gung we­gen vol­ler Er­werbs­unfähig­keit ein Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch zu­steht. We­gen der Ein­zel­hei­ten des un­strei­ti­gen Sach­ver­halts, des Vor­trags der Par­tei­en im ers­ten Rechts­zug und der dort zu­letzt ge­stell­ten Anträge wird auf den Tat­be­stand der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung Be­zug ge­nom­men (Bl. 63 bis 66 d.A.).


Das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main hat durch am 30. Sep­tem­ber 2009 verkünde­tes Ur­teil, 13 Ca 2046/09, fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 18. Fe­bru­ar 2009 nicht zum 28. Fe­bru­ar 2009, son­dern erst zum 31. Au­gust 2009 auf­gelöst wor­den ist und die Be­klag­te un­ter Kla­ge­ab­wei­sung im Übri­gen zur Zah­lung von 3.816,00 € brut­to an die Kläge­rin ver­ur­teilt. Es hat hier­bei ei­ne Ur­laubs­ab­gel­tung für den ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruch für die Jah­re 2008 und 2009 zu­ge­spro­chen und die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch der Kläge­rin sei trotz dau­er­haf­ter Ar­beits­unfähig­keit während des Be­zugs­zeit­raums und über das En­de des Über­tra­gungs­zeit­raums hin­aus nicht er­lo­schen. Es hat sich hier­bei ins­be­son­de­re auf die Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs (EuGH 20. Ja­nu­ar 2009 – C-350/06, C-520/06 – NZA 2009, 135 [Schultz-Hoff]) und die neue­re Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, wo­nach der An­spruch auf Ab­gel­tung ge­setz­li­chen Voll- oder Teil­ur­laubs nicht erlösche, wenn der Ar­beit­neh­mer bis zum En­de des Ur­laubs­jah­res bzw. des Über­tra­gungs­zeit­raums

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er­krankt und des­halb ar­beits­unfähig ist (BAG 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – AP BUrlG § 7 Nr. 39), be­zo­gen. Ein Ab­gel­tungs­an­spruch für ei­nen Teil­ur­laub aus dem Ur­laubs­jahr 2007 ste­he der Kläge­rin da­ge­gen nicht zu. Nach­dem die Kläge­rin nicht be­strit­ten ha­be, dass ihr vom 18. Mai 2007 bis 21. Mai 2007 und vom 13. Ju­ni 2007 bis 08. Ju­li 2007 Ur­laub gewährt wor­den sei, sei der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch für 2007 von der Be­klag­ten erfüllt. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin sei nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ur­laubs­gewährung zunächst in Erfüllung des höhe­ren ta­rif­li­chen Ur­laubs­an­spruchs er­folgt sei. Man­gels nähe­rer Leis­tungs­be­stim­mung sei viel­mehr da­von aus­zu­ge­hen, dass der Ar­beit­ge­ber zunächst auf den ge­setz­li­chen und so­dann erst auf den ta­rif­li­chen bzw. ver­trag­li­chen Ur­laubs­an­spruch leis­te. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ver­wie­sen (Bl. 66 bis 73 d.A.).

Ge­gen die­ses ihr am 22. Ok­to­ber 2009 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Be­klag­te am 27. Ok­to­ber 2009 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 15. De­zem­ber 2009 be­gründet, wo­bei sie sich aus­sch­ließlich ge­gen die Ver­ur­tei­lung zur Zah­lung der Ur­laubs­ab­gel­tung wen­det. Nach­dem die Be­ru­fungs­be­gründung der Kläge­rin am 21. De­zem­ber 2009 zu­ge­stellt wur­de, hat die­se am 19. Ja­nu­ar 2010 An­schluss­be­ru­fung ein­ge­legt und die­se gleich­zei­tig be­gründet. Mit ih­rer An­schluss­be­ru­fung ver­folgt die Kläge­rin die Zah­lung ei­ner Ur­laubs­ab­gel­tung für ei­nen Teil­ur­laubs­an­spruch aus dem Jahr 2007.

Die Be­klag­te ver­tieft ih­re Ar­gu­men­ta­ti­on und wen­det sich ge­gen die Auf­fas­sung, § 7 Abs. 4 BUrlG sei richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen. Viel­mehr sei der Ge­setz­ge­ber auf­ge­for­dert, ei­ne Neu­re­ge­lung der maßgeb­li­chen recht­li­chen Grund­la­gen vor­zu­neh­men. Die Ent­schei­dung des EuGH ste­he der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des BAG nicht ent­ge­gen, wo­nach der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers grundsätz­lich vor­aus­set­ze, dass er zu­min­dest bei hy­po­the­ti­scher Fort­set­zung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses über den Kündi­gungs­ter­min hin­aus sei­nen Ur­laubs­an­spruch in Na­tur neh­men könne. Der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch als Sur­ro­gat des Ur­laubs­an­spruchs set­ze grundsätz­lich die Möglich­keit vor­aus, den Ur­laub neh­men zu können. Auch bei Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses be­ste­he zwar nach der Ent­schei­dung des EuGH der Ur­laubs­an­spruch des dau­er­haft er­krank­ten Ar­beit­neh­mers un­ge­schmälert. Er könne ihn al­ler­dings nicht in Na­tur neh­men. Von da­her stel­le es ei­ne Un­gleich­be­hand­lung an­sons­ten glei­cher Sach­ver­hal­te dar, wenn ein Ab­gel­tungs­an­spruch an­er­kannt wer­de, weil in ei­ner der­ar­ti­gen Si­tua­ti­on das Ar­beits­verhält­nis be­en­det wer­de, ob­wohl der Ar­beit­neh­mer bei fort­be­ste­hen­dem Ar­beits­verhält­nis auch wei­ter nicht in der La­ge wäre, sei­nen Ur­laubs­an­spruch in Na­tur

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zu neh­men. Dies müsse ins­be­son­de­re dann gel­ten, wenn wie vor­lie­gend der Ar­beit­neh­mer in­fol­ge dau­er­haf­ter vol­ler Er­werbs­min­de­rung nicht in der La­ge sei, ei­ne Ar­beits­leis­tung zu er­brin­gen und we­gen vol­ler Er­werbs­min­de­rung ei­ne un­be­fris­te­te Ren­te be­wil­ligt sei. Die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung ver­s­toße auch ge­gen das Rück­wir­kungs­ver­bot.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 30. Sep­tem­ber 2009, 13 Ca 2046/09, ab­zuändern und die Kla­ge auch in­so­weit ab­zu­wei­sen, als dass die Be­klag­te ver­ur­teilt wor­den ist, an die Kläge­rin 3.816,00 € brut­to zu zah­len.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen,

und im We­ge der An­schluss­be­ru­fung,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie wei­te­re 858,60 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01. Sep­tem­ber 2009 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die An­schluss­be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin ver­tei­digt die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung, so­weit die Be­klag­te zur Zah­lung ei­ner Ur­laubs­ab­gel­tung für den ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruch der Ur­laubs­jah­re 2008 und 2009 ver­ur­teilt wur­de. Mit ih­rer An­schluss­be­ru­fung ver­folgt sie ei­ne Ur­laubs­ab­gel­tung für ei­nen nach ih­rer Auf­fas­sung noch of­fe­nen Teil des ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruchs des Ur­laubs­jah­res 2007 von 9 Ur­laubs­ta­gen. Sie meint, der ihr zu­ste­hen­de Ur­laubs­an­spruch von 36 Werk­ta­gen set­ze sich zu­sam­men aus ei­nem ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruch von 24 Werk­ta­gen und ei­nem ta­rif­ver­trag­li­chen An­spruch von 12 Werk­ta­gen. Nach­dem ihr im Jahr 2007 für 25 Werk­ta­ge Ur­laub gewährt wor­den sei, ver­blie­ben noch 11 Werk­ta­ge, was bei ei­ner 5-Ta­ge-Wo­che 9 Ur­laubs­ta­gen entspräche. Hier­bei han­de­le es sich um ei­nen Teil des ge­setz­li­chen und nicht um ei­nen

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Teil des ta­rif­ver­trag­li­chen Ur­laubs­an­spruchs. Nach­dem die Be­klag­te bei der Ur­laubs­gewährung im Jahr 2007 – in­so­weit un­strei­tig – kei­ne Be­stim­mung ge­trof­fen ha­be, sei nach der Rang­fol­ge des § 366 Abs. 2 BGB zunächst der ta­rif­ver­trag­li­che Ur­laubs­an­spruch erfüllt wor­den, da die­ser dem Gläubi­ger die ge­rin­ge­re Si­cher­heit bie­te.

Zur Ergänzung des Sach- und Streit­stan­des wird auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze und de­ren An­la­gen ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 30. Sep­tem­ber 2009, 13 Ca 2046/09, ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statt­haft und auch im Übri­gen zulässig, ins­be­son­de­re form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO. Auch die An­schluss­be­ru­fung ist zulässig, ins­be­son­de­re form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 524 Abs. 1, 2 und 3 ZPO.

Be­ru­fung und An­schluss­be­ru­fung sind je­doch un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat der Kläge­rin zu Recht un­ter Kla­ge­ab­wei­sung im Übri­gen ei­ne Ur­laubs­ab­gel­tung für ins­ge­samt 40 Ur­laubs­ta­ge (Ar­beits­ta­ge) zu­ge­spro­chen. Der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch für 2008 und 2009 ist ab­zu­gel­ten, § 7 Abs. 4 BUrlG. Darüber hin­aus ge­hen­de Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche hin­sicht­lich des ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruchs für 2007 be­ste­hen nicht, denn der ge­setz­li­che Min­des­t­ur­laub für 2007 ist erfüllt. Ab­gel­tung et­wai­gen darüber hin­aus ge­hen­den ta­rif­ver­trag­li­chen Ur­laubs be­gehrt die Kläge­rin nicht. Es wird fest­ge­stellt, dass die Kam­mer den Ent­schei­dungs­gründen des an­ge­foch­te­nen Ur­teils folgt, § 69 Abs. 2 ArbGG. Auf die­se wird zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen ver­wie­sen. Im Hin­blick auf das Vor­brin­gen im Be­ru­fungs­rechts­zug ist le­dig­lich Fol­gen­des zu ergänzen:

Die Kam­mer folgt der neue­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, wo­nach die ge­setz­li­chen Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche nicht erlöschen, wenn Ar­beit­neh­mer bis zum En­de des Ur­laubs­jah­res und/oder des Über­tra­gungs­zeit­raums er­krankt und des­we­gen ar­beits­unfähig sind (BAG 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – aaO; BAG 19. Mai 2009 – 9 AZR 477/07 – DB 2009, 2051). Dies be­ruht auf richt­li­ni­en­kon­for­mer ein­schränken­der Aus­le­gung, zu­min­dest auf richt­li­ni­en­kon­for­mer Rechts­fort­bil­dung durch te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on von § 7 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 BUrlG. Hier­nach gilt Fol­gen­des:
 

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- Nach der Recht­spre­chung des EuGH (EuGH 20. Ja­nu­ar 2009 – C-350/06, C-520/06 – aaO [Schultz-Hoff]) ist Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG da­hin aus­zu­le­gen, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, nach de­nen der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub bei Ab­lauf des Be­zugs­zeit­raums und/oder ei­nes im na­tio­na­len Recht fest­ge­leg­ten Über­tra­gungs­zeit­raums auch dann er­lischt, wenn der Ar­beit­neh­mer während des ge­sam­ten Be­zugs­zeit­raums oder ei­nes Teils da­von krank­ge­schrie­ben war und sei­ne Ar­beits­unfähig­keit bis zum En­de sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses fort­ge­dau­ert hat, wes­halb er sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht ausüben konn­te, und ist Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG da­hin aus­zu­le­gen, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, nach de­nen für nicht ge­nom­me­nen Jah­res­ur­laub am En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung ge­zahlt wird, wenn der Ar­beit­neh­mer während des ge­sam­ten Be­zugs­zeit­raums und/oder Über­tra­gungs­zeit­raums oder ei­nes Teils da­von krank­ge­schrie­ben war und des­halb sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht ausüben konn­te.
- Der EuGH ist als ge­setz­li­cher Rich­ter zur endgülti­gen Ent­schei­dung über die Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts be­ru­fen. Das Aus­le­gungs­er­geb­nis des EuGH ist vor­lie­gend in­halt­lich ver­bind­lich.
- Die­ses Aus­le­gungs­er­geb­nis steht der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ent­ge­gen.
- Die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts wi­der­spricht se­kundärem Ge­mein­schafts­recht.
- Ein­zel­staat­li­che Nor­men sind im Verhält­nis zu ei­nem pri­va­ten Ar­beit­ge­ber wie der Be­klag­ten zwar grundsätz­lich nur dann un­an­ge­wen­det zu las­sen, wenn das na­tio­na­le Recht ge­gen das Primärrecht der Ge­mein­schaf­ten verstößt. Auch kommt Art. 7 RL 2003/88/EG kei­ne un­mit­tel­ba­re Wir­kung ge­genüber der Be­klag­ten als pri­va­tem Ar­beit­ge­ber zu.
- Ermöglicht es das na­tio­na­le Recht aber, durch An­wen­dung sei­ner Aus­le­gungs­me­tho­den, ei­ne in­ner­staat­li­che Be­stim­mung so aus­zu­le­gen, dass ei­ne Kol­li­si­on mit ei­ner an­de­ren Norm in­ner­staat­li­chen Rechts ver­mie­den wird, sind die na­tio­na­len Ge­rich­te ge­hal­ten, die glei­chen Me­tho­den an­zu­wen­den, um das von der Richt­li­nie ver­folg­te Ziel zu er­rei­chen.
- Ei­ne ent­spre­chen­de richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung des § 7 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 BUrlG, je­den­falls richt­li­ni­en­kon­for­me Rechts­fort­bil­dung durch te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on, ist möglich, denn das Er­for­der­nis der Erfüll­bar­keit der Frei­stel­lung,
 

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der Ver­fall des Ur­laubs­an­spruchs und der Sur­ro­ga­ti­ons­cha­rak­ter des Ab­gel­tungs­an­spruchs sind im Ge­set­zes­wort­laut nicht aus­drück­lich an­ge­legt und dem Ge­set­zes­zu­sam­men­hang auch nicht in ei­ner je­de an­de­re Aus­le­gung aus­sch­ließen­den Wei­se zu ent­neh­men, ei­ne ein­deu­ti­ge ab­wei­chen­de Ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers liegt nicht vor, so dass die Bin­dung der Ge­rich­te an Recht und Ge­setz so­wie das Ge­wal­ten­tei­lungs­prin­zip nicht ver­letzt wer­den, viel­mehr liegt ei­ne ver­deck­te Re­ge­lungslücke im Sin­ne ei­ner plan­wid­ri­gen Un­vollständig­keit des Ge­set­zes vor und be­ste­hen kei­ne An­halts­punk­te für ei­ne den Richt­li­ni­en­zie­len wi­der­spre­chen­de Ziel­set­zung des deut­schen Ge­setz­ge­bers.

Zu den von der Be­klag­ten in­so­weit er­ho­be­nen Einwänden hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt da­mit be­reits Stel­lung ge­nom­men (vgl. BAG 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – aaO). Dies gilt glei­cher­maßen für den Ein­wand der Un­gleich­be­hand­lung ge­genüber dau­er­haft er­krank­ten Ar­beit­neh­mern im un­gekündig­ten und fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis. Auch hier­zu hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt zunächst be­reits aus­geführt, der Sach­grund für die Un­gleich­be­hand­lung der ar­beitsfähi­gen Ar­beit­neh­mer, de­ren An­spruch zeit­lich be­grenzt ist, lie­ge in dem mit der krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit ver­bun­de­nen Hin­der­nis, den Ur­laubs­an­spruch zu ver­wirk­li­chen (BAG 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – aaO). Dies gilt zunächst glei­cher­maßen für dau­er­haft er­krank­te Ar­beit­neh­mer in ei­nem gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis wie in ei­nem un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis. Die von der Be­klag­ten ins Feld geführ­te Un­gleich­be­hand­lung be­ruht auf der Prämis­se, dass im zwei­ten Fall der (ge­setz­li­che) Ur­laubs­an­spruch zwar un­ge­schmälert fort­be­steht, al­ler­dings nicht in Na­tur ge­nom­men wer­den könne und dem­ent­spre­chend im be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis auch nicht ab­ge­gol­ten wer­den könne. Die Ar­gu­men­ta­ti­on der Be­klag­ten be­ruht fer­ner auf der Prämis­se, dass der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch Erfüll­bar­keit des Ur­laubs­an­spruchs im hy­po­the­tisch fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis vor­aus­setzt. Von bei­den Prämis­sen kann aber an­ge­sichts der Recht­spre­chung des EuGH und der neue­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht aus­ge­gan­gen wer­den, und zwar auch dann nicht, wenn dem Ar­beit­neh­mer rück­wir­kend Ren­te we­gen vol­ler Er­werbs­min­de­rung be­wil­ligt wur­de.

Der EuGH dif­fe­ren­ziert in sei­ner Ent­schei­dung vom 20. Ja­nu­ar 2009 nicht da­nach, ob nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses wei­ter­hin dau­er­haf­te Ar­beits­unfähig­keit vor­liegt oder nicht. Er dif­fe­ren­ziert auch nicht da­nach, ob rück­wir­kend Ren­te we­gen Er­werbs­min­de­rung be­wil­ligt wur­de. Hierfür hätte aber Ver­an­las­sung be­stan­den, wenn die Aus­le­gung von Art. 7 Abs. 1 und ins­be­son­de­re Abs. 2 RL 2003/88/EG von der

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Erfüll­bar­keit des Ur­laubs­an­spruchs im hy­po­the­tisch fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis ab­hin­ge. Denn in dem der Ent­schei­dung des EuGH zu­grun­de­lie­gen­den Sach­ver­halt war dem Kläger des Aus­gangs­ver­fah­rens A-B eben­falls rück­wir­kend Ren­te be­wil­ligt wor­den. Dem­ent­spre­chend be­traf das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen (LAG Düssel­dorf 02. Au­gust 2006 – 12 Sa 486/06 – NZA-RR 2006, 628) auch aus­drück­lich die Fra­ge der Aus­le­gung von Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG für den Fall, dass der Ar­beit­neh­mer nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses Ren­te we­gen ver­min­der­ter Er­werbsfähig­keit oder In­va­li­dität be­zieht. Der EuGH nimmt hier­zu nicht aus­drück­lich Stel­lung. Er sieht aber auch trotz der Fra­ge kei­ne Ver­an­las­sung für den Hin­weis, die nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG zu gewähr­leis­ten­de fi­nan­zi­el­le Vergütung set­ze Erfüll­bar­keit des Ur­laubs­an­spruchs im hy­po­the­tisch fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis vor­aus.

Das Er­for­der­nis der Erfüll­bar­keit der Frei­stel­lung und der Sur­ro­ga­ti­ons­cha­rak­ter des Ab­gel­tungs­an­spruchs sind wie dar­ge­legt ge­ra­de im Ge­set­zes­wort­laut nicht aus­drück­lich an­ge­legt und dem Ge­set­zes­zu­sam­men­hang auch nicht in ei­ner ei­ne an­de­re Aus­le­gung aus­sch­ließen­den Wei­se zu ent­neh­men (BAG 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – aaO).

Nach der Recht­spre­chung des EuGH steht Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar na­tio­na­len Vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten grundsätz­lich nicht ent­ge­gen, nach de­nen während krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit kein Ur­laub zu gewähren ist, wo­bei der EuGH hier al­ler­dings be­reits die Ein­schränkung vor­nimmt, dass der Ar­beit­neh­mer den ihm durch die Richt­li­nie ver­lie­he­nen An­spruch während ei­nes an­de­ren Zeit­raums ausüben könne (EuGH 20. Ja­nu­ar 2009 – C 350/06, C 520/06 – aaO [Schultz-Hoff] Rn. 29). An­de­rer­seits hin­dert Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG aber auch kei­ne Ur­laubs­gewährung während be­ste­hen­der krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit (EuGH 20. Ja­nu­ar 2009 – C 350/06, C 520/06 – aaO [Schultz-Hoff] Rn. 31). Die Ent­schei­dung be­ruht da­mit nicht auf der Prämis­se, während be­ste­hen­der Ar­beits­unfähig­keit sei Ur­laubs­gewährung nicht erfüll­bar. Sie be­ruht auch nicht auf der Prämis­se, Ur­laubs­ab­gel­tung set­ze künf­ti­ge hy­po­the­ti­sche Erfüll­bar­keit des Ur­laubs­an­spruchs vor­aus. Sie be­ruht viel­mehr dar­auf, dass der Ar­beit­neh­mer aus von sei­nem Wil­len un­abhängi­gen Gründen nicht in der La­ge war, sei­nen Ur­laubs­an­spruch vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses tatsächlich aus­zuüben und die­se Unmöglich­keit der tatsächli­chen Ur­laubs­nah­me nicht da­zu führen sol­le, dass ihm je­der Ge­nuss die­ses An­spruchs, selbst in fi­nan­zi­el­ler Form ver­wehrt wer­de (EuGH 20. Ja­nu­ar 2009 – C 350/06, C-520/06 – aaO [Schultz-Hoff] Rn. 56 und Rn. 61). Da­mit be­steht kei­ne Un­gleich­be­hand­lung ge­genüber dau­er­haft er­krank­ten Ar­beit­neh­mern im nicht be­en­de­ten Ar­beits­verhält­nis. De­ren Ur­laubs­an­spruch er­lischt zunächst nicht nach

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Ab­lauf des Be­zugs­zeit­raums bzw. Über­tra­gungs­zeit­raums. Für den Fall der späte­ren Wie­der­her­stel­lung der Ar­beitsfähig­keit während des fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses kann er nach­gewährt wer­den. Für den Fall, dass bis zur ir­gend­wann ein­mal auch ein­tre­ten­den Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses Ar­beitsfähig­keit nicht wie­der her­ge­stellt wäre, wäre er nach den­sel­ben Grundsätzen ab­zu­gel­ten. Der Ab­gel­tungs­an­spruch knüpft hier­nach an die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses und die da­mit ver­bun­de­ne Un­erfüll­bar­keit des auf­recht­er­hal­te­nen Ur­laubs­an­spruchs an, nicht an hy­po­the­ti­sche Erfüll­bar­keit im Rah­men ei­nes fik­tiv fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses und mögli­che Wie­der­er­lan­gung der Ar­beitsfähig­keit (LAG Hamm 29. April 2009 – 18 Sa 1594/08 – n.v., ju­ris).

Die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung verstößt nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, der die Kam­mer auch in­so­weit folgt, auch nicht ge­gen den Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes. Der EuGH hat da­von ab­ge­se­hen, die Rück­wir­kung sei­ner Ent­schei­dung aus­zu­sch­ließen. Bei Be­kannt­wer­den des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens (LAG Düssel­dorf 02. Au­gust 2006 – 12 Sa 486/06 – aaO) war der Ur­laubs­an­spruch der Kläge­rin für 2008 und 2009 un­ter Berück­sich­ti­gung der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts noch nicht ver­fal­len. Er war dies im Zeit­punkt der Ent­schei­dung des EuGH auch noch nicht. Ab Be­kannt­wer­den des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens muss­ten deut­sche Ar­beit­ge­ber da­mit rech­nen, dass der EuGH die dort ge­stell­ten Rechts­fra­gen ab­wei­chend von der bis­he­ri­gen ge­fes­tig­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts be­ant­wor­ten könn­te und Ur­laubs­ansprüche trotz dau­er­haf­ter krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit noch erfüllt bzw. bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­ge­gol­ten wer­den müssen (BAG 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – aaO).

Der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch für 2008 und 2009 im Um­fang von je­weils – be­zo­gen auf ei­ne 5-Ta­ge-Wo­che – 20 Ar­beits­ta­gen ist da­mit gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ab­zu­gel­ten, wo­bei der Kläge­rin un­ter An­wen­dung der Be­rech­nung nach § 11 Abs. 1 BUrlG ein An­spruch von 3.816,00 € brut­to zu­steht (2.067,00 € x 3 : 65 x 40).

Ein darüber hin­aus ge­hen­der Ab­gel­tungs­an­spruch für 9 Ur­laubs­ta­ge (Ar­beits­ta­ge) aus dem Jahr 2007 be­steht nicht. Der ge­setz­li­che Min­des­t­ur­laubs­an­spruch für 2007 ist erfüllt. In­wie­weit ta­rif­ver­trag­li­che Ur­laubs­ansprüche der Kläge­rin ab­wei­chend vom BUrlG ge­re­gelt sind, wird von den Par­tei­en nicht näher dar­ge­legt und kann auf sich be­ru­hen. Denn die Kläge­rin be­an­sprucht aus­sch­ließlich Ab­gel­tung ei­nes rest­li­chen ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruchs für 2007.

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Auch nach der Be­rech­nung der Kläge­rin hat sie bei ei­nem ta­rif­ver­trag­li­chen Ur­laubs­an­spruch von ins­ge­samt 36 Werk­ta­gen und ei­nem gewähr­ten Ur­laub von 25 Werk­ta­gen im Jahr 2007 ei­nen Teil­ur­laub er­hal­ten, der über den Um­fang des ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laubs hin­aus­geht. Das Ar­beits­ge­richt hat fer­ner zu­tref­fend dar­auf hin­ge­wie­sen, dass nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts man­gels ei­ner un­strei­tig nicht er­folg­ten Leis­tungs­be­stim­mung nach der Aus­le­gungs­re­gel des § 366 Abs. 2 BGB da­von aus­zu­ge­hen sei, dass der Ar­beit­ge­ber zunächst auf den ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruch und so­dann auf den ta­rif­li­chen/ver­trag­li­chen Ur­laubs­an­spruch leis­tet (BAG 05. Sep­tem­ber 2002 – 9 AZR 244/01 – AP BUrlG § 3 Fünf-Ta­ge-Wo­che Nr. 17). Es kann letzt­lich of­fen blei­ben, ob hier­an an­ge­sichts der neue­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zum Fort­be­stand des ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruchs bei dau­er­haf­ter krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit fest­zu­hal­ten wäre oder ob nicht der ta­rif­li­che oder ein­zel­ver­trag­li­che Ur­laubs­an­spruch dem Ar­beit­neh­mer als Gläubi­ger nun­mehr die ge­rin­ge­re Si­cher­heit i.S.d. § 366 Abs. 2 BGB bie­ten würde. Ei­ne Til­gungs­be­stim­mung i.S.d. § 366 Abs. 2 BGB kommt nicht in Be­tracht. Ge­setz­li­cher und ta­rif­li­cher Ur­laubs­an­spruch rich­ten sich auf die­sel­be Leis­tung, nämlich die Gewährung von Er­ho­lungs­ur­laub. Mit der Ur­laubs­gewährung wer­den da­her bei­de Ur­laubs­ansprüche gleich­zei­tig erfüllt. Der Ar­beit­neh­mer kann nicht ge­setz­li­chen Ur­laub ne­ben ta­rif­li­chem Ur­laub for­dern, viel­mehr be­steht für die ers­ten 24 Werk­ta­ge – bzw. hier die ers­ten 20 Ar­beits­ta­ge – Ur­laub im Jahr An­spruchs­kon­kur­renz durch meh­re­re An­spruchs­grund­la­gen. Wird der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch erfüllt, ver­bleibt al­lein der die­sen An­spruch über­stei­gen­de ta­rif­li­che Er­ho­lungs­ur­laub (LAG Ber­lin-Bran­den­burg 02. De­zem­ber 2009 – 17 Sa 621/09 – n.v., ju­ris). Dem steht nicht ent­ge­gen, dass der Ar­beit­ge­ber bei in­halt­lich un­ter­schied­li­cher Leis­tung auf­grund ver­schie­de­ner An­spruchs­grund­la­gen ei­ne Leis­tungs­be­stim­mung zu tref­fen hat (BAG 01. Ok­to­ber 1991 – 9 AZR 290/90 – AP BUrlG § 7 Nr. 12). An­ders als in dem der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu­grun­de lie­gen­den Sach­ver­halt geht es nicht um die Fra­ge, ob ei­ne Frei­stel­lung zur Erfüllung ei­nes An­spruchs auf be­zahl­ten Son­der­ur­laub oder zur Erfüllung des An­spruchs auf Er­ho­lungs­ur­laub er­folg­te. Es kom­men ge­ra­de nicht ver­schie­de­ne Ur­laubs­ansprüche in Be­tracht, son­dern nur ein ein­heit­li­cher auf Gewährung von Er­ho­lungs­ur­laub ge­rich­te­ter An­spruch, für den nur meh­re­re An­spruchs­grund­la­gen be­ste­hen.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

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Für die Be­klag­te ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen. We­gen der Ab­wei­sung der auf Ab­gel­tung des Teil­ur­laubs aus 2007 ge­rich­te­ten Kla­ge be­steht da­ge­gen kein Zu­las­sungs­grund i.S.d. § 72 Abs. 2 ArbGG.

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