HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/014

Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung: Vor­sicht bei Ver­tei­lungs­wün­schen

Wer ei­ne Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit und zu­gleich ei­ne be­stimm­te Ar­beits­zeit­ver­tei­lung ver­langt, kann nach Kla­ge­er­he­bung kei­ne an­de­re Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit mehr ver­lan­gen: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 24.06.2008, 9 AZR 514/07
Wanduhr Die Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit ist oft sinn­los oh­ne be­stimm­te Dienst­zei­ten

05.02.2009. Mit Ur­teil vom 24.06.2008 (9 AZR 514/07) hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den, dass der Ar­beit­neh­mer bei ei­nem Ver­lan­gen nach Ver­rin­ge­rung sei­ner Ar­beits­zeit ge­mäß § 8 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) an ei­nen zu­sätz­lich ge­äu­ßer­ten Wunsch nach ei­ner be­stimm­ten Ver­tei­lung der ver­rin­ger­ten Ar­beits­zeit ge­bun­den ist.

Ver­bin­det der Ar­beit­neh­mer näm­lich sei­nen Wunsch nach Re­du­zie­rung der Ar­beits­zeit mit dem Wunsch nach ei­ner be­stimm­ten Ar­beits­zeit­ver­tei­lung, kann er nach Kla­ge­er­he­bung kei­ne an­de­re Ver­tei­lung mehr ver­lan­gen.

Die­ses Ur­teil hat­ten wir im Ju­li 2008 auf der Grund­la­ge ei­ner Pres­se­mel­dung des BAG für Sie kom­men­tiert (Ar­beits­recht ak­tu­ell: 08/075 Bin­dung des Ar­beit­neh­mers an die ge­wünsch­te Ar­beits­zeit­ver­tei­lung).

Die zwi­schen­zeit­lich ver­öf­fent­lich­ten Ur­teils­grün­de ma­chen deut­lich, dass Ar­beit­neh­mer bei Kom­pro­miss­an­ge­bo­ten an den Ar­beit­ge­ber im­mer deut­lich ma­chen soll­ten, dass dies kein neu­er An­trag auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung ist.

Der Streit­fall: Rechts­an­walts­fach­an­ge­stell­te möch­te von 40 auf 33 St­un­den re­du­zie­ren und Frei­tags nur bis Mit­tag ar­bei­ten, ver­langt aber später ei­ne an­de­re Ar­beits­zeit­ver­tei­lung

Ei­ne Rechts­an­walts­fach­an­ge­stell­te aus Hal­le hat­te von ih­rem Ar­beit­ge­ber die Ver­rin­ge­rung ih­rer Ar­beits­zeit von 40 auf 33 St­un­den ver­langt. Von ih­rem ursprüng­lich auch geäußer­ten Wunsch nach ei­ner be­stimm­ten Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit rück­te sie ab, al­ler­dings recht spät, nämlich erst, nach­dem der Ar­beit­ge­ber ih­ren Ar­beits­zeit­re­du­zie­rungs­wunsch ab­ge­lehnt hat­te und sie des­halb be­reits Kla­ge er­ho­ben hat­te.

Sie änder­te im fol­gen­den ih­ren zunächst an­gekündig­ten Kla­ge­an­trag und stell­te dem Ar­beit­ge­ber den geänder­ten Kla­ge­an­trtag auch un­mit­tel­bar per Fax zu. Hin­ter­grund ih­res geänder­ten Wun­sches nach ei­ner Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit war der zwi­schen­zeit­lich er­folg­te Um­zug der Kanz­lei. Die­ser führ­te we­gen ei­nes länge­ren An­fahrts­we­ges da­zu, dass die Kläge­rin auf ein frühe­res Diens­ten­de an­ge­wie­sen war, um ihr Kind recht­zei­tig vom Kin­der­gar­ten ab­ho­len zu können.

Un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ein Ar­beit­neh­mer von sei­nem Ar­beit­ge­ber ei­ne Ver­rin­ge­rung der Ar­beit­zeit und ei­nen Ver­tei­lungs­wunsch dies­bezüglich ver­lan­gen kann, ist in § 8 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) ge­re­gelt. Nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des BAG, von der das LAG Sach­sen-An­halt als Vor­in­stanz ab­ge­wi­chen war, kann der Ar­beit­neh­mer ei­nen ein­mal geäußer­ten Ver­tei­lungs­wunsch nicht nachträglich ändern. Die­se Recht­spre­chung des BAG hat das BAG mit dem vor­lie­gen­den Ur­teil noch ein­mal aus­drück­lich bestätigt.

BAG: Anträge auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung soll­ten bei Ab­leh­nung durch den Ar­beit­ge­ber ge­richt­lich gel­tend ge­macht wer­den, da ein neu­er An­trag erst nach zwei Jah­ren möglich ist

Das BAG stellt klar, dass ei­ne Ände­rung des ein­mal geäußer­ten Wun­sches nach ei­ner be­stimm­ten Ver­tei­lung der (ver­rin­ger­ten) Ar­beits­zeit auf die Wo­chen­ta­ge je­den­falls dann nicht mehr möglich ist, wenn der Ar­beit­ge­ber dem ursprüng­li­chen An­trag schon zu­ge­stimmt oder die­sen ab­ge­lehnt hat.

Denn mit der Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers sei das außer­ge­richt­li­che Kon­sens­ver­fah­ren ab­ge­schlos­sen, so dass in dem neu­en An­trag des Ar­beit­neh­mers auch der Be­ginn ei­nes neu­en Ver­fah­rens zu se­hen sei. Des­halb sei, nach­dem die Ar­beit­neh­me­rin ih­re Kla­ge auf den „neu­en“ An­trag um­ge­stellt hat­te, ihr al­ter Wunsch mit vor­lie­gen­der Kla­ge nicht mehr zu prüfen. Die dies­bezügli­chen Kernsätze der Ent­schei­dung des BAG lau­ten (Rn.23):

"Hat der Ar­beit­ge­ber das An­ge­bot auf Ver­rin­ge­rung und Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit ab­ge­lehnt (§ 8 Abs. 5 Satz 1 Tz­B­fG), ist das vor­ge­richt­li­che Ver­fah­ren (Kon­sens­ver­fah­ren) nach § 8 Tz­B­fG ab­ge­schlos­sen. Der Ar­beit­neh­mer kann sei­nen Ver­tei­lungs­wunsch des­halb ab die­sem Zeit­punkt nicht mehr ändern. Das folgt be­reits aus § 8 Abs. 6 Tz­B­fG. Da­nach kann die >neu­er­li­che Gel­tend­ma­chung< nur er­folg­reich sein, wenn die zweijähri­ge Sperr­frist des § 8 Abs. 6 Tz­B­fG ab­ge­lau­fen ist und der Ar­beit­ge­ber den zunächst ge­stell­ten An­trag des Ar­beit­neh­mers zu Recht aus be­trieb­li­chen Gründen ab­ge­lehnt hat (Se­nat 23. No­vem­ber 2004 - 9 AZR 644/03 - BA­GE 113, 11, zu B I 2 a der Gründe) . Dar­an wird deut­lich, dass nach der Ab­leh­nung durch den Ar­beit­ge­ber nur ei­ne neu­er­li­che Gel­tend­ma­chung möglich ist. Das setzt ins­ge­samt ein neu­es Ver­fah­ren nach § 8 Tz­B­fG in Gang. Dem Ar­beit­neh­mer ver­bleibt al­ter­na­tiv da­zu nur die Möglich­keit, sei­nen bis­he­ri­gen vom Ar­beit­ge­ber ab­ge­lehn­ten An­trag ge­richt­lich durch­zu­set­zen."

Im vor­lie­gen­den Fall der Rechts­an­walts­fach­an­ge­stell­ten hielt das BAG den im Pro­zess ge­mach­ten - neu­en - An­trag auf Ar­beits­zeit­ver­tei­lung für un­be­gründet. Zum ei­nen dürfe ein neu­er An­trag erst nach Ab­lauf der Sperr­zeit des § 8 Abs. 6 Tz­B­fG von zwei Jah­ren nach Stel­lung des ers­ten An­tra­ges ge­stellt wer­den. Zum zwei­ten sei es er­for­der­lich, dass er di­rekt ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber be­an­tragt wer­de. Dafür rei­che die Zu­stel­lung der Kla­geände­rung nicht, da die sich eben an das Ge­richt rich­te, nicht an den Ar­beit­ge­ber.

Dies führe da­zu, dass die Kläge­rin nicht nur bezüglich der Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit un­ter­lie­ge, son­dern auch kei­nen An­spruch (mehr) auf die Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit ins­ge­samt ha­be. Denn grundsätz­lich sei da­von aus­zu­ge­hen, dass ein Ar­beit­neh­mer, der Ver­rin­ge­rung und Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit vor­ge­be, den ei­nen An­trag von dem an­de­ren abhängig ma­che. Dies wer­de hier da­durch gestützt, dass für die Kläge­rin ei­ne ver­rin­ger­te Ar­beits­zeit sinn­los sei, wenn sie trotz der Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung auf­grund ungüns­ti­ger Ver­tei­lung der re­du­zier­ten Ar­beits­zeit erst nach Sch­ließung des Kin­der­gar­tens frei ha­be.

Ob ei­ne Ände­rung des Ver­tei­lungs­wun­sches vor der Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers möglich sei, lässt das BAG aus­drück­lich of­fen. Dafür spre­che, dass dem Ar­beit­neh­mer an­sons­ten die Möglich­keit ge­nom­men wer­de, auf Einwände des Ar­beit­ge­bers ein­zu­ge­hen. Dies würde die ge­setz­li­che vor­ge­schrie­be­ne Erörte­rung des Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rungs­be­geh­rens während der Kon­sens­pha­se ent­wer­ten.

Fa­zit: Ar­beit­neh­mer soll­ten vor ei­nem An­trag auf Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit al­le Umstände sorgfältig abwägen und ei­nen An­walt zu Ra­te zie­hen, da sie "nur ei­nen Schuss ha­ben"

In der Re­gel ist dem Ar­beit­neh­mer zu emp­feh­len, in sei­nem An­trag auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung deut­lich zu ma­chen, dass sein Wunsch nach ei­ner Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit nicht von der Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit abhängig sein soll - es sei denn, er möch­te lie­ber sei­ne al­te Ar­beits­zeit be­hal­ten, wenn der Ar­beit­ge­ber mit der gewünsch­ten Ar­beits­ver­tei­lung nicht ein­ver­stan­den ist.

Hat der Ar­beit­ge­ber sei­ne Ent­schei­dung ge­trof­fen, soll­te in­ner­halb der nächs­ten zwei Jah­re gar kein geänder­ter An­trag ge­stellt wer­den. Die­ser würde vor Ge­richt un­wei­ger­lich ab­ge­wie­sen, selbst wenn er, an­ders als im vor­lie­gen­den Fall, di­rekt an den Ar­beit­ge­ber ge­rich­tet wäre.

Ist der Ar­beit­neh­mer mit der Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers nicht ein­ver­stan­den, ist Kla­ge zu er­he­ben, um den Ar­beits­zeit­wunsch in sei­ner bis­he­ri­gen Form ge­richt­lich durch­zu­set­zen. Bei Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen soll­te man bei Kom­pro­miss­an­ge­bo­ten an die Ar­beit­ge­ber­sei­te deut­lich ma­chen, dass die­se kei­nen neu­en An­trag be­tref­fend die Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung und/oder die Ar­beits­zeit­ver­tei­lung dar­stel­len.

Hat sich der Ar­beit­ge­ber noch nicht ent­schie­den und äußert Be­den­ken bezüglich der La­ge der gewünsch­ten Ar­beits­zeit, spricht viel dafür, dass das BAG ei­nen vom Ar­beit­neh­mer geänder­ten Ver­tei­lungs­wunsch für zulässig hält. Um hier auf der si­che­ren Sei­te zu sein, soll­te der Ar­beit­neh­mer, wenn der Ar­beit­ge­ber bei­de An­ge­bo­te ab­lehnt, auch bei­de Va­ri­an­ten vor Ge­richt ein­kla­gen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen zu die­sem Vor­gang fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 30. September 2016

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de