HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

VGH Hes­sen, Ur­teil vom 12.09.2013, 8 C 1776/12.N

   
Schlagworte: Sonntagsarbeit
   
Gericht: Verwaltungsgerichtshof Hessen
Aktenzeichen: 8 C 1776/12.N
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.09.2013
   
Leitsätze:

1. Gewerkschaften können sich aufgrund ihrer Grundrechte aus Art. 9 Abs. 1 und 3 GG auf den Schutz der Sonn und Feiertagsruhe nach Art. 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV) i.V.m. Art. 140 GG berufen und daraus eine Antragsbefugnis für Normenkontrollanträge gegen untergesetzliche Rechtsnormen herleiten, die eine zusätzliche Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn und Feiertagen ermöglichen.

2.Gleiche Schutzrechte haben Dekanate der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau; sie sind juristische Personen, als solche im verwaltungsrechtlichen Normenkontrollverfahren gem. § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig und gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG i.V.m. Art. 139 WRV und Art. 140 GG antragsbefugt.

3.Aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 13 Abs. 1 und 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) können die Landesregierungen keine dem Bundesgeswetzgeber vorbehaltenen wesentlichen Grundentscheidungen treffen. Deshalb sind die in § 1 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 9 der hessischen Bedarfsgewerbeverordnung (BedGewV) geregelten Ausnahmen vom gesetzlichen Verbot der Sonn und Feiertagsarbeit unwirksam (betrifft Getränkeindustrie und großhandel, Eisfabriken und Großhandel sowie Callcenter).

4.Das gesetzliche Verbot der Sonn und Feiertagsbeschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hat weder bei Videotheken und öffentlichen Bibliotheken noch bei Lotto und Totogesellschaften erhebliche Schäden i.S.d. § 13 Abs. 1 ArbZG zur Folge. Deshalb sind die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 10 BedGewO geregelten Ausnahmen von diesem Verbot unwirksam.

5.Im Buchmachergewerbe dürften allenfalls die den zertifizierten oder konzessionierten Buchmachern vorbehaltenen Abschlüsse und Vermittlungen von Pferdewetten ausschließlich an Sonn und Feiertagen möglich sein, da jeweils erst an den Renntagen das Teilnehmerfeld feststeht. Da die diesen Gewerbezeig betreffende Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV nicht auf die Annahme von Pferdewetten beschränkt ist und wegen ihrer tatbestandlichen Weite ihre Auswirkungen nicht abschätzbar sind, ist sie ebenfalls unwirksam.

Vorinstanzen:
   

VGH Hes­sen, 12.09.2013 - 8 C 1776/12.N

 

Te­nor:

Die in § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 8, 9 und 10 der Ver­ord­nung über die Zu­las­sung der Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen (Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung - Bed­Ge­wV -) vom 12. Ok­to­ber 2011 (GVBl. I Sei­te 664) ge­trof­fe­nen Aus­nah­me­re­ge­lun­gen sind un­wirk­sam.

Die Kos­ten des Ver­fah­rens hat der An­trags­geg­ner zu tra­gen.

Das Ur­teil ist we­gen der Kos­ten vorläufig voll­streck­bar. Der An­trags­geg­ner kann die Voll­stre­ckung durch Si­cher­heits­leis­tung in Höhe der fest­ge­setz­ten Kos­ten ab­wen­den, wenn nicht die An­trag­stel­ler Si­cher­heit in glei­cher Höhe leis­ten.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

Tat­be­stand

Die An­trag­stel­ler hal­ten ei­ni­ge Be­stim­mun­gen der am 2. No­vem­ber 2011 in Kraft ge­tre­te­nen Ver­ord­nung über die Zu­las­sung der Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen (Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung - Bed­Ge­wV -) vom 12. Ok­to­ber 2011 (GVBl. I Sei­te 664) für ver­fas­sungs­wid­rig und be­geh­ren, die­se Be­stim­mun­gen für un­wirk­sam zu erklären.

§ 1 die­ser Ver­ord­nung hat fol­gen­den Wort­laut:

" (1) Ab­wei­chend von § 9 des Ar­beits­zeit­ge­set­zes dürfen Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer an Sonn- und Fei­er­ta­gen in den fol­gen­den Be­rei­chen beschäftigt wer­den, so­weit die Ar­bei­ten nicht an Werk­ta­gen durch­geführt wer­den können:

1. in Vi­deo­the­ken und öffent­li­chen Bi­blio­the­ken im Sin­ne von § 5 Abs. 1 des Hes­si­schen Bi­blio­theks­ge­set­zes vom 20. Sep­tem­ber 2010 (GVBl. I S. 295) ab 13 Uhr für bis zu sechs St­un­den,

2. im Be­stat­tungs­ge­wer­be,

3. in Ga­ra­gen und Parkhäusern,

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4. in

a) Braue­rei­en,

b) Be­trie­ben zur Her­stel­lung von al­ko­hol­frei­en Ge­tränken oder Schaum­wein so­wie

c) in Be­trie­ben des Großhan­dels, die die Er­zeug­nis­se der in Buchst. a und b ge­nann­ten Be­trie­be ver­trei­ben, zur Be­lie­fe­rung der Kund­schaft

je­weils vom 1. April bis 31. Ok­to­ber für bis zu acht St­un­den,

5. in Fa­bri­ken zur Her­stel­lung von Roh- und Spei­se­eis und Be­trie­ben des Großhan­dels, die de­ren Er­zeug­nis­se ver­trei­ben, zur Be­lie­fe­rung der Kund­schaft vom 1. April bis 31. Ok­to­ber für bis zu acht St­un­den,

6. im Im­mo­bi­li­en­ge­wer­be mit der Be­glei­tung und Be­ra­tung von Kun­den bei der Be­sich­ti­gung von Häusern und Woh­nun­gen für bis zu sechs St­un­den,

7. in Mus­ter­haus-Aus­stel­lun­gen mit ge­werb­li­chem Cha­rak­ter für bis zu sechs St­un­den,

8. im Buch­ma­cher­ge­wer­be zur An­nah­me von Wet­ten für Ver­an­stal­tun­gen für bis zu sechs St­un­den,

9. in Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men mit der Ent­ge­gen­nah­me von Auf­trägen, der Aus­kunfts­er­tei­lung und der Be­ra­tung per Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on,

10. in Lot­to- und To­to­ge­sell­schaf­ten mit der elek­tro­ni­schen Geschäfts­ab­wick­lung für bis zu acht St­un­den.

(2) Die Aus­nah­men nach Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 bis 9 gel­ten nicht am Neu­jahrs­tag, Palm­sonn­tag, Kar­frei­tag, Os­ter­sonn­tag, Os­ter­mon­tag, 1. Mai, Him­mel­fahrts­tag, Pfingst­sonn­tag, Pfingst­mon­tag, Fron­leich­nams­tag, Volks­trau­er­tag, To­ten­sonn­tag so­wie am ers­ten und zwei­ten Weih­nachts­tag.

(3) Die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen nach Abs. 1 Nr. 9 ist der Auf­sichts­behörde vor der erst­ma­li­gen Beschäfti­gung an­zu­zei­gen. Die An­zei­ge muss ins­be­son­de­re ent­hal­ten:

1. An­ga­ben zur Not­wen­dig­keit der Ar­bei­ten,

2. die Zahl der Beschäftig­ten und

3. die Ar­beits­zei­ten der Beschäftig­ten an Sonn- und Fei­er­ta­gen.

We­sent­li­che Verände­run­gen sind an­zu­zei­gen."

Mit Schrift­satz ih­res Be­vollmäch­tig­ten vom 27. Au­gust 2012, der am 3. Sep­tem­ber 2012 beim Hes­si­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hof ein­ge­gan­gen ist, hat die An­trag­stel­le­rin zu 1. den vor­lie­gen­den Nor­men­kon­troll­an­trag ge­stellt. Mit Schrift­satz ih­res Be­vollmäch­tig­ten vom 22. Ok­to­ber 2012, der am 29. Ok­to­ber 2012 beim Hes­si­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hof ein­ge­gan­gen ist, sind die An­trag­stel­ler zu 2. und 3. die­sem An­trag bei­ge­tre­ten.

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Die An­trag­stel­le­rin zu 1. macht gel­tend, sie sei als Ge­werk­schaft mit 168.000 Mit­glie­dern in Hes­sen, von de­nen 6.700 in Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men tätig sei­en, an­trags­be­fugt, da sie gel­tend ma­chen könne, durch die an­ge­grif­fe­ne Ver­ord­nung oder de­ren An­wen­dung in ei­ge­nen sub­jek­ti­ven Rech­ten ver­letzt zu sein oder in ab­seh­ba­rer Zeit ver­letzt zu wer­den. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts und der Ver­wal­tungs­ge­rich­te könne sie sich auf den Sonn­tags­schutz gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung (WRV) be­ru­fen, da die­ser ver­fas­sungs­recht­li­che Schutz auch die sich aus den Grund­rech­ten - hier Art. 9 Abs. 1 und 3 GG - er­ge­be­nen Schutz­pflich­ten des Staa­tes kon­kre­ti­sie­re. Der Sonn­tags­schutz aus Art. 139 WRV die­ne nach die­ser Recht­spre­chung nicht nur der Re­li­gi­ons­frei­heit, son­dern auch der Ver­wirk­li­chung an­de­rer Grund­rech­te, ins­be­son­de­re der Ver­ei­ni­gungs­frei­heit. Da sich Träger der durch den Sonn­tags­schutz kon­kre­ti­sier­ten Grund­rech­te zur Be­gründung der Be­schwer­de­be­fug­nis im Rah­men ei­ner Ver­fas­sungs­be­schwer­de auf Art. 139 WRV be­ru­fen könn­ten, ste­he ih­nen auch die An­trags­be­fug­nis im ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren zu. Die Ver­ei­ni­gungs­frei­heit sei auch durch die von ihr für ver­fas­sungs­wid­rig ge­hal­te­nen Grund­rech­te kon­kret tan­giert. Die ko­ali­ti­onsmäßige Betäti­gung nach Art. 9 Abs. 3 GG sei nicht auf ei­nen Kern­be­reich be­schränkt, son­dern er­fas­se sämt­li­che ko­ali­ti­ons­spe­zi­fi­schen Ver­hal­tens­wei­sen, ins­be­son­de­re auch die Or­ga­ni­sa­ti­on von Streiks, De­mons­tra­tio­nen und ähn­li­chen Maßnah­men. Für ei­ne Viel­zahl der­ar­ti­ger ko­ali­ti­ons­spe­zi­fi­scher Betäti­gun­gen sei ein kol­lek­ti­ver frei­er Tag zwin­gen­de Vor­aus­set­zung. Dies kom­me auch schon dar­in zum Aus­druck, dass zahl­rei­che Ver­an­stal­tun­gen von Ge­werk­schaf­ten und ins­be­son­de­re De­mons­tra­tio­nen re­gelmäßig an Sonn- bzw. Fei­er­ta­gen stattfänden.

Der An­trag­stel­ler zu 2., ein Zu­sam­men­schluss von 20 evan­ge­li­schen Kir­chen­ge­mein­den im Ge­biet der Stadt D-Stadt, und der An­trag­stel­ler zu 3., der aus ins­ge­samt 40 Kir­chen­ge­mein­den im Oden­wald mit rund 64.000 Ge­mein­de­mit­glie­dern be­steht, lei­ten ih­re An­trags­be­fug­nis aus ih­rer körper­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer durch kirch­li­ches Recht be­gründe­ten Auf­ga­be her, die Ge­mein­den zu ver­net­zen und Kon­tak­te nach außen her­zu­stel­len.

Zur Be­gründet­heit ih­rer Anträge führen die An­trag­stel­ler aus, § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 8, 9 und 10 Bed­Ge­wV sei­en schon des­halb ungültig, weil die dar­in vor­ge­se­he­ne Lo­cke­rung der Sonn- und Fei­er­tags­ru­he ent­ge­gen der bun­des­ge­setz­li­chen Ermäch­ti­gung in § 13 Abs. 1 , Abs. 2 Satz 1 Ar­beits­zeit­ge­setz (Arb­ZG) nicht zur Ver­mei­dung er­heb­li­cher Schäden er­for­der­lich sei und auch die wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Aus­nah­me­re­ge­lung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Arb­ZG nicht erfüllt sei­en. Da­nach zulässi­ge Aus­nah­men dürf­ten nicht das ge­ne­rel­le Kon­zept und den Kern­be­reich der Sonn- und Fei­er­tags­ru­he gefähr­den. Ei­ne Ar­beit trotz des Sonn- und Fei­er­ta­ges sei da­her nur im In­ter­es­se der Gewähr­leis­tung an­de­rer Rechtsgüter mit gleich- oder höher­wer­ti­gem Ver­fas­sungs­rang zulässig. Für kei­ne der be­an­stan­den­den Aus­nah­me­re­ge­lun­gen be­ste­he das nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 a Arb­ZG er­for­der­li­che be­son­ders her­vor­tre­ten­de Bedürf­nis der Bevölke­rung für ei­ne tägli­che oder an die­sem Tag er­fol­gen­de Be­darfs­be­frie­di­gung. Die­ses be­son­de­re Bedürf­nis könne nicht schon dann an­ge­nom­men wer­den, wenn die Bevölke­rung ein vor­han­de­nes An­ge­bot an Sonn- und Fei­er­ta­gen be­grüßen und nut­zen würde. Viel­mehr müsse von der Mehr­heit der Bevölke­rung bzw. von ei­nem we­sent­li­chen Teil der Bevölke­rung bei Feh­len ei­nes ent­spre­chen­den An­ge­bots ein ech­ter Man­gel emp­fun­den wer­den, was in der Recht­spre­chung z. B. für die Ver­sor­gung mit ak­tu­el­len Pres­se­er­zeug­nis­sen an­er­kannt wor­den ist. Da­mit sei­en die von den An­trag­stel­lern be­an­stan­de­ten Aus­nah­me­re­ge­lun­gen nicht ver­gleich­bar. Dies wird für die ein­zel­nen be­an­stan­de­ten Aus­nah­me­re­ge­lun­gen näher aus­geführt; in­so­weit und we­gen der Ausführun­gen zu gerügten Abwägungsmängeln wird we­gen der Ein­zel­hei­ten auf die Sei­ten 17 ff. der An­trags­schrift vom 27. Au­gust 2012 Be­zug ge­nom­men.

Die An­trag­stel­ler be­an­tra­gen,

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 8, 9 und 10 Bed­Ge­wV vom 12. Ok­to­ber 2011 (GVBl. I S. 664) für un­wirk­sam zu erklären.

Der An­trags­geg­ner be­an­tragt,

den An­trag zurück­zu­wei­sen.

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Er hält den An­trag der An­trag­stel­le­rin zu 1. für un­zulässig und ist der Auf­fas­sung, sämt­li­che Anträge sei­en je­den­falls un­be­gründet.

Der An­trag­stel­le­rin zu 1. feh­le so­wohl die An­trags­be­fug­nis als auch ein Rechts­schutz­bedürf­nis für ih­ren Nor­men­kon­troll­an­trag. An­ge­sichts der im Ar­beits­zeit­ge­setz selbst ge­re­gel­ten zahl­rei­chen Aus­nah­men vom Sonn­tags­ar­beits­ver­bot könne sie we­gen der ge­rin­gen Zahl der von den an­ge­foch­te­nen Ver­ord­nungs­be­stim­mun­gen be­trof­fe­nen Beschäftig­ten nicht mit dem Ar­gu­ment gehört wer­den, or­ga­ni­sier­te oder nicht­or­ga­ni­sier­te Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer könn­ten we­gen der Ver­hin­de­rung in­fol­ge Sonn- und Fei­er­tags­ar­beit nicht an ih­ren Ver­an­stal­tun­gen teil­neh­men. Es ob­lie­ge der An­trag­stel­le­rin zu 1. selbst, ih­re Ver­an­stal­tun­gen so zu ter­mi­nie­ren, dass es auch dem durch Sonn- und Fei­er­tags­ar­beit be­trof­fe­nen Kreis von Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern möglich sei, an ih­ren Ver­an­stal­tun­gen teil­zu­neh­men. Das Rechts­schutz­bedürf­nis feh­le der An­trag­stel­le­rin zu 1., weil sie nicht kon­kret dar­ge­legt ha­be, wel­che Ver­an­stal­tun­gen sie in Zu­kunft so ter­mi­nie­ren wol­le, dass sie mit den in der Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung ge­re­gel­ten Aus­nah­men vom Sonn- und Fei­er­tags­ar­beits­ver­bot in Kon­flikt ge­rie­ten. We­gen der zahl­rei­chen Aus­nah­men von die­sem Ver­bot, die be­reits im Ar­beits­zeit­ge­setz selbst ge­re­gelt sei­en, sei nicht er­kenn­bar, wel­che recht­li­chen oder tatsächli­chen Vor­tei­le ei­ne Ungültig­keits­erklärung in Be­zug auf die an­ge­foch­te­nen Ver­ord­nungs­be­stim­mun­gen für die An­trag­stel­le­rin zu 1. brin­gen könn­te.

Die Nor­men­kon­troll­anträge al­ler An­trag­stel­ler sei­en je­den­falls un­be­gründet, da die an­ge­grif­fe­ne Ver­ord­nung sich im Rah­men der Ver­ord­nungs­ermäch­ti­gung in § 13 Abs. 2 Arb­ZG hal­te, in ei­nem ord­nungs­gemäßen Ver­fah­ren zu­stan­de ge­kom­men sei und die an­ge­grif­fe­nen Be­stim­mun­gen in § 1 Abs. 1 Bed­Ge­wV mit höher­ran­gi­gem Recht ver­ein­bar und ma­te­ri­ell rechtmäßig sei­en. Mit dem In­kraft­tre­ten des Ar­beits­zeit­ge­set­zes im Jahr 1994 sei­en für ein­zel­ne Wirt­schafts­zwei­ge Aus­nah­men vom Beschäfti­gungs­ver­bot an Sonn- und Fei­er­ta­gen nicht mehr im sel­ben Um­fang wie nach frühe­rer Rechts­la­ge möglich. Zwar sei­en durch das Ar­beits­zeit­ge­setz we­sent­li­che Re­ge­lungs­ge­genstände aus § 105e Ge­wO in den Ka­ta­log des § 10 Abs. 1 Nr. 1 - 16 Arb­ZG über­nom­men wor­den, so dass in den dort ge­nann­ten Be­rei­chen Sonn- und Fei­er­tags­ar­beit kraft Ge­set­zes auch oh­ne Er­tei­lung von Ein­zel­aus­nah­men möglich sei. Die­ser Ka­ta­log sei je­doch nicht ab­sch­ließend und berück­sich­ti­ge ins­be­son­de­re nicht die Ände­rung des Wirt­schafts- und Ar­beits­le­bens auf­grund der Ent­wick­lung der In­for­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie ein­sch­ließlich des da­mit ein­her­ge­hen­den Wan­dels ge­sell­schaft­li­cher Verhält­nis­se und Wert­vor­stel­lun­gen. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der An­trag­stel­ler be­ste­he für die Be­reit­stel­lung ei­ni­ger Dienst- und Ver­sor­gungs­leis­tun­gen, die nicht von § 10 Arb­ZG er­fasst sind, ein an­zu­er­ken­nen­der Be­darf in der Bevölke­rung an Sonn- und Fei­er­ta­gen, so dass ergänzen­de Aus­nah­me­re­ge­lun­gen er­for­der­lich ge­we­sen sei­en, die der An­trags­geg­ner im Ver­ord­nungs­we­ge un­ter An­wen­dung des "ihm zu­ste­hen­den ge­setz­li­chen Be­ur­tei­lungs­spiel­raums" ge­re­gelt ha­be. Da­bei ha­be der An­trags­geg­ner ent­ge­gen der Auf­fas­sung der An­trag­stel­ler nicht ei­nen von den Ländern er­ar­bei­te­ten Mus­ter­ent­wurf für ei­ne Ver­ord­nung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 a Arb­ZG blind über­nom­men, son­dern ei­ne um­fas­sen­de Abwägung hin­sicht­lich der ein­zel­nen in die Ver­ord­nung auf­zu­neh­men­den Tat­bestände vor­ge­nom­men, in­dem er sich dar­an ori­en­tiert ha­be, dass zum ei­nen der Aus­nah­men­ka­ta­log des § 10 Arb­ZG dem so­ge­nann­ten Bedürf­nis­ge­wer­be nicht ge­recht wer­de und sich zum an­de­ren seit In­kraft­tre­ten des Ar­beits­zeit­ge­set­zes ganz gra­vie­ren­de Verände­run­gen des Frei­zeit- und Ver­brau­cher­ver­hal­tens der Bevölke­rung so­wie der Rah­men­be­din­gun­gen der öko­no­mi­schen Verhält­nis­se er­ge­ben hätten. Da­bei sei zu berück­sich­ti­gen ge­we­sen, dass vor Er­lass der Hes­si­schen Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung ei­nem an­zu­er­ken­nen­den Be­darf der Bevölke­rung an be­stimm­ten Dienst­leis­tun­gen an Sonn- und Fei­er­ta­gen nur durch Er­tei­lung von Dul­dun­gen oder Aus­nah­me­ge­neh­mi­gun­gen auf zwei­fel­haf­ter Rechts­grund­la­ge ha­be ent­spro­chen wer­den können. Da fast al­le an­de­ren Bun­desländer be­reits ähn­li­che Tat­bestände re­geln­de Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nun­gen er­las­sen hätten, sei bei der Vor­be­rei­tung der an­ge­grif­fe­nen Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung ins­be­son­de­re die Über­le­gung ein­zu­be­zie­hen ge­we­sen, Schäden in Ge­stalt von Wett­be­werbs­nach­tei­len für die hes­si­sche Wirt­schaft ab­zu­bau­en und zu ver­mei­den.

Vor Er­lass der Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung ha­be ei­ne Verbände­anhörung statt­ge­fun­den, an der auch die An­trag­stel­le­rin zu 1. und der Be­auf­trag­te der Evan­ge­li­schen Kir­chen in Hes­sen am Sitz der Lan­des­re­gie­rung be­tei­ligt wor­den sei­en und de­ren Er­geb­nis­se in die Abwägung des An­trags­geg­ners ein­ge­flos­sen sei­en. Die An­trag­stel­ler berück­sich­tig­ten nicht hin­rei­chend, dass dem Ge­bot des Sonn-und Fei­er­tags­schut­zes auch mit § 1 Abs. 1 Bed­Ge­wV da­durch Rech­nung ge­tra­gen wor­den sei, dass

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Ar­beit­neh­mer in den ge­nann­ten Be­rei­chen an Sonn- und Fei­er­ta­gen nur beschäftigt wer­den könn­ten, so­weit die Ar­bei­ten nicht an Werk­ta­gen durch­geführt wer­den könn­ten. Durch § 1 Abs. 2 Bed­Ge­wV sei hin­sicht­lich ei­ni­ger Aus­nah­men vom Ar­beits­ver­bot an Fei­er­ta­gen der be­son­de­re Schutz der sog. ho­hen Fei­er­ta­ge gewähr­leis­tet wor­den. Für ei­ni­ge Be­rei­che sei­en die Aus­nah­me­re­ge­lun­gen auf we­ni­ge St­un­den an Sonn- und Fei­er­ta­gen be­grenzt wor­den.

We­gen des Vor­brin­gens des An­trags­geg­ners zu den ein­zel­nen vor­ge­se­hen Beschäfti­gungs­be­schränkun­gen und zu den von den An­trag­stel­lern an­ge­grif­fe­nen Aus­nah­me­tat­beständen im Ein­zel­nen wird auf die An­trags­er­wi­de­rung der Be­vollmäch­tig­ten des An­trags­geg­ners vom 10. Ja­nu­ar 2013 (Bd. I Bl. 105 ff. GA) und die die­sem Schrift­satz als An­la­ge bei­gefügte Ver­gleich­s­ta­bel­le zum Er­geb­nis der durch­geführ­ten Verbände­anhörung (Bd. I Bl. 135 ff. GA) so­wie auf den Schrift­satz der Be­vollmäch­tig­ten des An­trags­geg­ners vom 27. Au­gust 2013 (Bd. II Bl. 214 ff. GA) und auf die mit die­sem Schrift­satz vor­ge­leg­ten An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Die An­trag­stel­ler sind mit Schrift­satz ih­rer Be­vollmäch­tig­ten vom 28. Fe­bru­ar 2013 (Bd. I Bl. 148 ff. GA), auf den we­gen der Ein­zel­hei­ten ver­wie­sen wird, den Zwei­feln des An­trags­geg­ners an der Zulässig­keit des Nor­men­kon­troll­an­trags der An­trag­stel­le­rin zu 1. und sei­nen Ausführun­gen zur Be­gründet­heit der Anträge al­ler An­trag­stel­ler ent­ge­gen­ge­tre­ten.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Nor­men­kon­troll­anträge sind zulässig.

Ih­re Statt­haf­tig­keit er­gibt sich aus § 47 Abs. 1 Nr. 2 Vw­GO i. V. m. § 15 des Hes­si­schen Ge­set­zes zur Ausführung der Vw­GO (Hes­sAGVw­GO). Da­nach ent­schei­det der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof in Nor­men­kon­troll­ver­fah­ren nach § 47 Vw­GO über die Gültig­keit im Rang un­ter dem Lan­des­ge­setz ste­hen­der Rechts­vor­schrif­ten, auch so­weit die­se nicht in § 47 Abs. 1 Nr. 1 Vw­GO ge­nannt sind. Die an­ge­grif­fe­ne Ver­ord­nung ist ei­ne im Rang un­ter dem Lan­des­ge­setz ste­hen­de Rechts­norm.

Die An­trag­stel­le­rin zu 1. ist als Ver­ei­ni­gung i. S. d. § 61 Nr. 2 Vw­GO be­tei­lig­tenfähig, weil ihr ein Recht zu­ste­hen kann, ins­be­son­de­re die Rech­te auf Ver­ei­ni­gungs- und Ko­ali­ti­ons­frei­heit ( Art. 9 Abs. 1 und 3 GG ).

Die An­trag­stel­le­rin zu 1. ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung des An­trags­geg­ners an­trags­be­fugt, weil sie gel­tend macht, durch die an­ge­grif­fe­nen Rechts­vor­schrif­ten oder de­ren An­wen­dung in ab­seh­ba­rer Zeit in ih­ren Rech­ten ver­letzt zu wer­den ( § 47 Abs. 2 Satz 1 Vw­GO ). Zu Recht ver­tritt sie un­ter Be­ru­fung auf das Ur­teil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 1. De­zem­ber 2009 - 1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/07 - (BVerfGE 125, 39; ju­ris) die Auf­fas­sung, durch die an­ge­grif­fe­ne Ver­ord­nung in ih­rem Grund­recht auf Ko­ali­ti­ons­frei­heit aus Art. 9 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 140 GG und Art. 139 WRV ver­letzt zu wer­den. In die­ser Ent­schei­dung hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt be­tont, dass der Grund­rechts­schutz sich nicht in sei­nem klas­si­schen Ge­halt als sub­jek­ti­ves Ab­wehr­recht erschöpfe, son­dern aus den Grund­rech­ten viel­mehr auch ei­ne Schutz­pflicht des Staa­tes für das geschütz­te Rechts­gut ab­zu­lei­ten sei (Rn. 134). Art. 139 WRV sei ein re­li­giöser, in der christ­li­chen Tra­di­ti­on wur­zeln­der Ge­halt ei­gen, der mit ei­ner de­zi­diert so­zia­len, welt­lich-neu­tral aus­ge­rich­te­ten Zweck­set­zung ein­her­ge­he (ju­ris Rn. 141). Zum ei­nen knüpfe er an die an­er­kann­ten re­li­giösen Fei­er­ta­ge in ih­rer über­kom­me­nen christ­li­chen Be­deu­tung als ar­beits­freie Ru­he­ta­ge an (Rn. 142). Gleich­zei­tig kom­me ihm aber auch die Auf­ga­be zu, Schutz vor ei­ner weit­ge­hen­den Öko­no­mi­sie­rung des Men­schen zu bie­ten. Mit der Gewähr­leis­tung rhyth­misch wie­der­keh­ren­der Ta­ge der Ar­beits­ru­he kon­kre­ti­sie­re Art. 139 WRV über­dies das So­zi­al­staats­prin­zip. Die Sonn- und Fei­er­tags­ru­he förde­re und schütze da­her nicht nur die Ausübung der Re­li­gi­ons­frei­heit. Die Ar­beits­ru­he die­ne viel­mehr auch der psy­chi­schen und phy­si­schen Re­ge­ne­ra­ti­on und da­mit der körper­li­chen Un­ver­sehrt­heit - Art. 2 Abs. 2 GG -, dem Schutz von Ehe und Fa­mi­lie - Art. 6 Abs. 1 GG - so­wie der ef­fek­ti­ven Wahr­neh­mung der Ver­samm­lungs­frei­heit ( Art. 9 Abs. 1 GG ). Der Sonn- und Fei­er­tags­ga­ran­tie könne schließlich ein be­son­de­rer Be­zug zur Men­schenwürde bei­ge­mes­sen wer­den, weil sie dem öko­no­mi­schen Nut­zen­den­ken ei­ne Gren­ze zie­he und dem Men­schen um sei­ner selbst wil­len die­ne (BVerfG a.a.O., ju­ris Rn. 141 ff.). Glei­ches gilt nach Auf­fas­sung des Se­nats für die An­wen­dung des

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Art. 53 der Ver­fas­sung des Lan­des Hes­sen (HV), der mit Art. 139 WRV wört­lich übe­rein­stimmt.

Die so­zia­le Be­deu­tung des Sonn- und Fei­er­tags­schut­zes und da­mit der ge­ne­rel­len Ar­beits­ru­he im welt­li­chen Be­reich re­sul­tiert we­sent­lich aus der syn­chro­nen Tak­tung des so­zia­len Le­bens. Der zeit­li­che Gleich­klang ei­ner für al­le re­gelmäßigen Ar­beits­ru­he ist da­her ein grund­le­gen­des Ele­ment für die Wahr­neh­mung der ver­schie­de­nen For­men so­zia­len Le­bens und be­trifft ins­be­son­de­re Fa­mi­li­en und ge­sell­schaft­li­che Verbände. Die Ar­beits­ru­he an Sonn- und Fei­er­ta­gen ist da­mit we­sent­li­cher Be­stand­teil der Rah­men­be­din­gun­gen des Wir­kens po­li­ti­scher Par­tei­en, der Ge­werk­schaf­ten und sons­ti­ger Ver­ei­ni­gun­gen. In­so­weit kommt ihr we­sent­li­che Be­deu­tung für die Ge­stal­tung der Teil­ha­be im All­tag ei­ner ge­leb­ten De­mo­kra­tie zu (vgl. BVerfG a.a.O., ju­ris Rn. 145).

Da­von aus­ge­hend wird auch die An­trag­stel­le­rin zu 1. durch die vom An­trags­geg­ner mit der an­ge­grif­fe­nen Ver­ord­nung fest­ge­setz­ten Aus­nah­men vom Ar­beits­ver­bot an Sonn- und Fei­er­ta­gen in ih­ren Rech­ten berührt und mögli­cher­wei­se ver­letzt, weil die Sonn­tags­ru­he auch dem Schutz ih­rer In­ter­es­sen dient.

Der An­trag­stel­le­rin zu 1. kann nicht mit Er­folg ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den, sie be­ru­fe sich rechts­miss­bräuch­lich auf ei­ne Ver­let­zung ih­res Grund­rechts aus Art. 9 GG , weil sie ih­re Be­trof­fen­heit von den an­ge­grif­fe­nen Aus­nah­me­be­stim­mun­gen um­ge­hen könne, in­dem sie Kund­ge­bun­gen und an­de­re von ihr ge­plan­te Ver­an­stal­tun­gen so ter­mi­nie­re, dass von den an­ge­grif­fe­nen Aus­nah­me­re­ge­lun­gen be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer dar­an teil­neh­men könn­ten. Auf­grund ih­rer von Art. 9 Abs. 1 und 3 S. 1 GG geschütz­ten Ver­ei­ni­gungs­frei­heit kann die An­trag­stel­le­rin zu 1. im Rah­men ih­res sat­zungsmäßigen Auf­trags in pla­ka­ti­ver und öffent­lich­keits­wirk­sa­mer Form auf die aus ih­rer Sicht ne­ga­ti­ven Aus­wir­kun­gen der Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen hin­wei­sen. Das mit der Ver­ei­ni­gungs­frei­heit Hand in Hand ge­hen­de Grund­recht der De­mons­tra­ti­ons­frei­heit gem. Art. 8 GG gewähr­leis­tet den Grund­recht­strägern über­dies das Selbst­be­stim­mungs­recht über Ort, Zeit­punkt, Art und In­halt der Ver­an­stal­tung (BVerfG, Be­schluss vom 14. Mai 1985 - Brok­dorf II - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, ju­ris Rn. 61; Sächs. OVG, Be­schluss vom 1. No­vem­ber 2010 - 3 B 291/10 -, ju­ris Rn. 22). Es liegt auf der Hand, dass von ei­ner Ge­werk­schaft or­ga­ni­sier­te De­mons­tra­tio­nen und an­de­re Ver­an­stal­tun­gen ge­gen die Zu­las­sung verstärk­ter Ar­beit­neh­mer­beschäfti­gung an Sonn- und Fei­er­ta­gen be­vor­zugt in ört­li­cher und zeit­li­cher Nähe zu den be­an­stan­de­ten Beschäfti­gun­gen durch­geführt wer­den, um der Öffent­lich­keit zu zei­gen, dass die kri­ti­sier­ten Missstände Rea­lität sind.

Sch­ließlich hat die An­trag­stel­le­rin zu 1. auch ein Rechts­schutz­bedürf­nis für ih­ren Nor­men­kon­troll­an­trag, weil sie durch die be­an­trag­te Ungülti­gerklärung ver­schie­de­ner Be­stim­mun­gen der Be­darfs­ge­wer­be­ord­nung kon­kre­te Vor­tei­le zu­min­dest in tatsäch­li­cher Hin­sicht er­lan­gen würde.

Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts kommt es in­so­weit für die Zulässig­keit der Nor­men­kon­trol­le maßgeb­lich dar­auf an, ob der An­trag­stel­ler gel­tend ma­chen kann, durch die Rechts­vor­schrift in sei­nen Rech­ten ver­letzt zu sein oder ver­letzt zu wer­den. Ist die­se Hürde ge­nom­men, so ist re­gelmäßig auch von ei­nem Rechts­schutz­in­ter­es­se aus­zu­ge­hen, es sei denn, das Ge­richt müss­te in ei­ne Norm­prüfung ein­tre­ten, die für den An­trag­stel­ler im Er­geb­nis wert­los wäre ( BVerwG, Ur­teil vom 23. April 2002 - 4 CN 3.01 - ju­ris Rn. 10). Dies ist bei dem Nor­men­kon­troll­an­trag der An­trag­stel­le­rin zu 1. schon des­halb nicht der Fall, weil ihr durch ei­ne Ungülti­gerklärung der von ihr be­an­stan­de­ten Be­stim­mun­gen der Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung der per­so­nel­le und sach­li­che Auf­wand er­spart bleibt, der sonst mit der Or­ga­ni­sa­ti­on und Durchführung von Kund­ge­bun­gen und an­de­ren Ver­an­stal­tun­gen ge­gen ver­mehr­te Sonn­tags­ar­beit ver­bun­den wäre.

Dem kann der An­trags­geg­ner nicht mit Er­folg ent­ge­gen­hal­ten, an­ge­sichts der be­reits durch den Bun­des­ge­setz­ge­ber selbst in § 10 Abs. 1 Arb­ZG zu­ge­las­se­nen Aus­nah­men vom Ver­bot der Sonn-und Fei­er­tags­ar­beit fie­len die Aus­wir­kun­gen der wei­ter ge­hen­den Aus­nah­men auf­grund der an­ge­grif­fe­nen Ver­ord­nung sta­tis­tisch nicht ins Ge­wicht. Zwar dürf­ten die per­so­nel­len Aus­wir­kun­gen bei ein­zel­nen an­ge­grif­fe­nen Aus­nah­me­re­ge­lun­gen - et­wa § 1 Abs. 1 Nr. 8 und 10 Bed­Ge­wV (Buch­ma­cher­ge­wer­be, To­to- und Lot­to­ge­sell­schaf­ten oh­ne An­nah­me­stel­len) - tatsächlich sta­tis­tisch ge­ring sein. Bei an­de­ren Aus­nah­men - ins­be­son­de­re nach § 1 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 9 Bed­Ge­wV

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(Ge­tränke­indus­trie und -großhan­del, Spei­se­e­is­fa­bri­ken und ent­spre­chen­der Großhan­del, sog. Call­cen­ter) zeigt aber schon die von der Lan­des­re­gie­rung selbst für ih­re Ver­ord­nung ge­ge­be­ne Be­gründung, auf die später noch näher ein­zu­ge­hen ist, dass der Ver­ord­nungs­ge­ber selbst hier mit er­heb­li­chen zah­lenmäßigen Aus­wir­kun­gen rech­net, vor al­lem bei dem boo­men­den Ver­sand­han­del per In­ter­net, der sich in­zwi­schen zu ei­ner ei­ge­nen pros­pe­rie­ren­den Han­dels­bran­che ent­wick­le.

Auch die Nor­men­kon­troll­anträge der An­trag­stel­ler zu 2. und 3. sind aus den schon dar­ge­stell­ten Gründen statt­haft. Sie sind auch im Übri­gen zulässig.

Mit der am 29. Ok­to­ber 2012 beim Hes­si­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hof ein­ge­gan­ge­nen Bei­tritts­erklärung ih­rer Be­vollmäch­tig­ten und der da­mit ver­bun­de­nen An­trag­stel­lung ha­ben auch sie die einjähri­ge An­trags­frist nach Verkündung der an­ge­grif­fe­nen Ver­ord­nung am 1. No­vem­ber 2011 (GVBl. I S. 664) ge­wahrt. Ob die De­ka­na­te da­mals in­ner­kirch­lich be­rech­tigt und fähig wa­ren, die­se Rech­te vor ei­nem staat­li­chen Ge­richt oh­ne die nach § 26 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 3 Nr. 2 der De­ka­nats­syn­oda­l­ord­nung (DSO) vom 26. No­vem­ber 2003 (ABl. 2004 S. 87, Ab­druck Bd. I Bl. 166 ff. GA), zu­letzt geändert am 24. No­vem­ber 2012 (ABl. 2013 S. 38, 54) er­for­der­li­che Ge­neh­mi­gung der Kir­chen­lei­tung gel­tend zu ma­chen, kann da­hin­ste­hen. Denn die er­for­der­li­chen Ge­neh­mi­gun­gen sind mit Schrei­ben der Kir­chen­lei­tung der Evan­ge­li­schen Kir­che in Hes­sen und Nas­sau vom 23. Au­gust 2013 (Bd. II Bl. 255 ff. GA) er­teilt wor­den und ma­chen die der An­trag­stel­lung zu­grun­de lie­gen­den Be­schlüsse bei­der De­ka­nats­syn­odal­vorstände rück­wir­kend wirk­sam (§ 26 Abs. 3 DSO; § 184 Abs. 1 BGB ana­log).

Die An­trag­stel­ler zu 2. und 3. sind als ju­ris­ti­sche Per­so­nen be­tei­lig­tenfähig ( § 61 Nr. 1 Vw­GO ). Nach Art. 16 S. 1 der Ord­nung der Evan­ge­li­schen Kir­che in Hes­sen und Nas­sau (KO) in der Fas­sung vom 20. Fe­bru­ar 2010 (ABl. S. 118), geändert am 23 No­vem­ber 2012 (ABl. 2013 S. 5, Ab­druck Bd. I Bl. 163 ff. GA) bil­den die Kir­chen­ge­mein­den ei­nes zu­sam­menhängen­den Ge­biets das De­ka­nat, das Ver­ant­wor­tung für die kirch­li­chen Hand­lungs­fel­der in sei­nem Ge­biet trägt (Art. 17 S. 3 KO). Nach Art. 1 Abs. 4 des Ver­trags der Evan­ge­li­schen Lan­des­kir­chen in Hes­sen mit dem Lan­de Hes­sen vom 18. Fe­bru­ar 1960 (ra­ti­fi­ziert und veröffent­licht mit § 1 des Kir­chen­ge­set­zes vom 26. April 1960, ABl. S. 41, so­wie § 1 Abs. 1 und 2 des Ge­set­zes vom 10. Ju­ni 1960, GVBl. S. 54) sind die Kir­chen, die Kir­chen­ge­mein­den und die aus ih­nen ge­bil­de­ten Verbände Körper­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts. Mit­hin sind die an­trag­stel­len­den De­ka­na­te ju­ris­ti­sche Per­so­nen.

Die An­trags­be­fug­nis der bei­den De­ka­na­te ( § 47 Abs. 2 S. 1 Vw­GO ) er­gibt sich un­mit­tel­bar aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG i.V.m. Art. 140 GG und Art. 139 WRV , da sie gel­tend ma­chen, durch die an­ge­grif­fe­nen Aus­nah­me­re­ge­lun­gen in ih­rem Ver­ant­wor­tungs­be­reich selbst, ge­genwärtig und un­mit­tel­bar ver­letzt zu sein. Es er­scheint möglich, dass die Got­tes­diens­te in den zu ih­ren Verbänden gehören­den Kir­chen­ge­mein­den und ih­re ei­ge­nen re­li­giösen Ak­ti­vitäten durch mit der Ver­ord­nung er­laub­te Mehr­ar­beit an Sonn- und Fei­er­ta­gen be­ein­träch­tigt wer­den. Auf Art. 53 HV braucht hier nicht ge­son­dert ein­ge­gan­gen zu wer­den.

Das Rechts­schutz­bedürf­nis der An­trag­stel­ler zu 2. und 3. er­gibt sich oh­ne Wei­te­res aus den schon erwähn­ten mögli­chen Störun­gen der Got­tes­diens­te der ih­nen an­gehören­den Kir­chen­ge­mein­den, zu­mal ei­ni­ge der an­ge­grif­fe­nen Aus­nah­me­re­ge­lun­gen nicht ein­mal den Schutz der Haupt­got­tes­dienst­zei­ten gewähr­leis­ten.

Die Nor­men­kon­troll­anträge sind auch be­gründet.

Zwei­fel am ord­nungs­gemäßen Zu­stan­de­kom­men der an­ge­grif­fe­nen Ver­ord­nung sind nicht dar­ge­legt und nicht er­sicht­lich.

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 9 und 10 Bed­Ge­wV sind je­doch ins­ge­samt un­wirk­sam, weil sie oh­ne hin­rei­chen­de Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge er­gan­gen sind.

Für § 1 Abs. 1 Nr. 4 Bed­Ge­wV (Ge­tränke­indus­trie und -großhan­del), § 1 Abs. 1 Nr. 5 Bed­Ge­wV (Fa­bri­ken für Roh- und Spei­se­eis so­wie ent­spre­chen­der Großhan­del) und § 1 Abs. 1 Nr. 9

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Bed­Ge­wV (Call­cen­ter) gilt dies schon des­halb, weil der Ver­ord­nungs­ge­ber hier auch die An­trag­stel­ler im grund­rechts­re­le­van­ten Be­reich be­las­ten­de we­sent­li­che Grund­ent­schei­dun­gen ge­trof­fen hat, die nicht ihm zu­ste­hen, son­dern dem (hier: Bun­des-) Ge­setz­ge­ber vor­be­hal­ten sind (Ja­rass in: Ja­rass/Pie­roth, Grund­ge­setz, 12. Aufl. 2012, Rn. 44 ff. zu Art 20 m.w.N.). Nach der sog. We­sent­lich­keits­theo­rie muss der par­la­men­ta­ri­sche Ge­setz­ge­ber in grund­le­gen­den nor­ma­ti­ven Be­rei­chen al­le we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen selbst tref­fen und darf sie nicht an­de­ren Norm­ge­bern über­las­sen, ins­be­son­de­re nicht dem Han­deln und der Ent­schei­dungs­macht der Exe­ku­ti­ve (Ja­rass, a.a.O., Rn 47 f. m.w.N.). Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat hier­zu in sei­nem Ur­teil vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. - (BVerfGE 120, 378 = ju­ris Rn. 93 ff.) aus­geführt:

"...Die Ermäch­ti­gung zur au­to­ma­ti­sier­ten Kenn­zei­chen­er­fas­sung muss den rechts­staat­li­chen An­for­de­run­gen der Be­stimmt­heit und Klar­heit ei­ner ge­setz­li­chen Ermäch­ti­gung genügen. Dem wer­den die an­ge­grif­fe­nen Nor­men nicht ge­recht.

... Das Be­stimmt­heits­ge­bot soll si­cher­stel­len, dass der de­mo­kra­tisch le­gi­ti­mier­te Par­la­ments­ge­setz­ge­ber die we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen über Grund­rechts­ein­grif­fe und de­ren Reich­wei­te selbst trifft, dass Re­gie­rung und Ver­wal­tung im Ge­setz steu­ern­de und be­gren­zen­de Hand­lungs­maßstäbe vor­fin­den und dass die Ge­rich­te ei­ne wirk­sa­me Rechts­kon­trol­le durchführen können. Fer­ner er­lau­ben die Be­stimmt­heit und Klar­heit der Norm, dass der be­trof­fe­ne Bürger sich auf mögli­che be­las­ten­de Maßnah­men ein­stel­len kann (vgl. BVerfGE 110, 33 [BVerfG 03.03.2004 - 1 BvF 3/92] <52 ff.>; 113, 348 <375 ff.>). Der Ge­setz­ge­ber hat An­lass, Zweck und Gren­zen des Ein­griffs hin­rei­chend be­reichs­spe­zi­fisch, präzi­se und nor­men­klar fest­zu­le­gen (vgl. BVerfGE 100, 313 <359 f., 372>; 110, 33 <53>; 113, 348 <375>; BVerfG, NJW 2007, S. 2464 [BVerfG 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03; 1 BvR 2357/04; 1 BvR 603/05] <2466>).

Das Be­stimmt­heits­ge­bot steht in en­ger Be­zie­hung zum Par­la­ments­vor­be­halt (vgl. BVerfGE 56, 1 [BVerfG 08.01.1981 - 2 BvL 3/77] <13>; 83, 130 <152>). Die­ser soll si­cher­stel­len, dass Ent­schei­dun­gen von sol­cher Trag­wei­te aus ei­nem Ver­fah­ren her­vor­ge­hen, das der Öffent­lich­keit Ge­le­gen­heit bie­tet, ih­re Auf­fas­sun­gen aus­zu­bil­den und zu ver­tre­ten, und die Volks­ver­tre­tung da­zu anhält, Not­wen­dig­keit und Aus­maß von Grund­rechts­ein­grif­fen in öffent­li­cher De­bat­te zu klären (vgl. BVerfGE 85, 386 [BVerfG 25.03.1992 - 1 BvR 1430/88] <403 f.>; 108, 282 <312>). Die kon­kre­ten An­for­de­run­gen an die Be­stimmt­heit und Klar­heit der Ermäch­ti­gung rich­ten sich nach der Art und Schwe­re des Ein­griffs (vgl. BVerfGE 110, 33 [BVerfG 03.03.2004 - 1 BvF 3/92] <55>). Die Ein­griffs­grund­la­ge muss dar­um er­ken­nen las­sen, ob auch schwer­wie­gen­de Ein­grif­fe zu­ge­las­sen wer­den sol­len. Wird die Möglich­keit der­ar­ti­ger Ein­grif­fe nicht hin­rei­chend deut­lich aus­ge­schlos­sen, so muss die Ermäch­ti­gung die be­son­de­ren Be­stimmt­heits­an­for­de­run­gen wah­ren, die bei sol­chen Ein­grif­fen zu stel­len sind (vgl. BVerfGE 113, 348 [BVerfG 27.07.2005 - 1 BvR 668/04] <377 f.>; 115, 320 <365 f.>).

Die glei­che Auf­fas­sung ver­tritt das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in ständi­ger Recht­spre­chung und be­grenzt da­bei die Norm­set­zungs­be­fug­nis des durch Ge­setz ermäch­tig­ten Ver­ord­nungs­ge­bers im Nor­men­kon­troll­ver­fah­ren. In sei­nem Ur­teil vom 3. Ju­li 2002 - 6 CN 8.01 - ( BVerw­GE 116, 347 = ju­ris Rn.31) hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt aus­geführt:

"...Aus dem rechts­staat­li­chen und de­mo­kra­ti­schen Ver­fas­sungs­sys­tem ( Art. 20 Abs. 1 und 3 , Art. 28 Abs. 1 GG ) folgt, dass in ei­nem Ge­setz, durch das die Exe­ku­ti­ve zum Er­lass von Rechts­ver­ord­nun­gen ermäch­tigt wird, In­halt, Zweck und Aus­maß der er­teil­ten Ermäch­ti­gung be­stimmt wer­den. Das Par­la­ment soll sich sei­ner Ver­ant­wor­tung als ge­setz­ge­ben­de Körper­schaft nicht da­durch entäußern können, dass es ei­nen Teil der Ge­setz­ge­bungs­macht der Exe­ku­ti­ve überträgt, oh­ne die Gren­zen die­ser Kom­pe­ten­zen be­dacht und die­se nach Ten­denz und Pro­gramm so ge­nau um­ris­sen zu ha­ben, dass schon aus der Ermäch­ti­gung er­kenn­bar und vor­her­seh­bar ist, was dem Bürger ge­genüber zulässig sein soll. Das Er­for­der­nis hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit stellt die not­wen­di­ge Ergänzung und Kon­kre­ti­sie­rung des aus dem De­mo­kra­tie- und Rechts­staats­prin­zip fol­gen­den Grund­sat­zes des Vor­be­halts des Ge­set­zes dar. Wel­che Be­stimmt­heits­an­for­de­run­gen im Ein­zel­nen erfüllt sein müssen, hängt von den Be­son­der­hei­ten des je­wei­li­gen Re­ge­lungs­ge­gen­stan­des so­wie der In­ten­sität der Maßnah­me, na­ment­lich der Grund­rechts­re­le­vanz der Re­ge­lung ab (vgl. BVerfGE 58, 257, 277 f. [BVerfG 20.10.1981 - 1 BvR 640/80] ; BVerw­GE 110,

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253, 255 f. )."

Bei den Aus­nah­me­re­ge­lun­gen in § 1 Abs. 1 Nr. 4, 5, und 9 Bed­Ge­wV han­delt es sich um grund­rechts­re­le­van­te Grund­ent­schei­dun­gen im Sin­ne die­ser Recht­spre­chung. Für wei­te Tei­le der Ge­tränke­indus­trie und Eis­fa­bri­ken ein­sch­ließlich des zu­gehöri­gen Großhan­dels wird Sonn- und Fei­er­tags­beschäfti­gung im Som­mer­halb­jahr bis zu acht St­un­den frei­ge­ge­ben, so dass die­se Ta­ge hin­sicht­lich der mögli­chen Ar­beits­zeit et­wa zur Hälf­te den Werk­ta­gen na­he­zu gleich­ge­stellt wer­den (vgl. § 3 Arb­ZG ). Für Call­cen­ter er­folgt die Frei­ga­be ganzjährig und völlig oh­ne Be­gren­zung der zulässi­gen Ar­beits­zeit. Von die­sen Re­ge­lun­gen sind ab­seh­bar sehr vie­le Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer be­trof­fen, wie sich auch der Be­gründung der Lan­des­re­gie­rung für die Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung ent­neh­men lässt (sie­he dort S. 6 f., Bd. II Bl. 239 f. GA). Dies gilt vor al­lem für Call­cen­ter, wo­mit nach die­ser Be­gründung Be­ra­tungs- und Auf­trags­diens­te ("On­line­diens­te, E-Com­mer­ce, Rei­se­bu­chun­gen, On­line-Ban­king, In­for­ma­ti­ons- und Nach­rich­ten­re­cher­che") ge­meint sind (a.a.O., S. 7).

Ei­ne so weit­ge­hen­de Frei­ga­be der Ar­beit­neh­mer­beschäfti­gung an Sonn- und Fei­er­ta­gen ist durch die Ver­ord­nungs­ermäch­ti­gung in § 13 Abs. 2 Nr. 2 a , Abs. 2 S. 1 Arb­ZG nicht ge­deckt und könn­te nach der We­sent­lich­keits­theo­rie auch gar nicht ver­fas­sungs­kon­form an ei­nen Ver­ord­nungs­ge­ber de­le­giert wer­den. Zu die­ser ge­staf­fel­ten Ver­ord­nungs­ermäch­ti­gung für die Lan­des­re­gie­run­gen ist in der Be­gründung des Ge­setz­ent­wurfs der Bun­des­re­gie­rung für ein Ar­beits­zeit­rechts­ge­setz vom 13. Ok­to­ber 1993 aus­geführt (BT-Drs. 12/5888, S. 30 zum da­ma­li­gen Art. 1 § 12 Abs. 2 des Ge­setz­ent­wurfs):

"Die Lan­des­re­gie­run­gen sol­len die Möglich­keit er­hal­ten, ei­ne Rechts­ver­ord­nung in den Fällen des Ab­sat­zes 1 Nr. 2 a [wort­gleich mit § 13 Abs. 1 Nr. 2 a Arb­ZG ] zu er­las­sen, so­weit die Bun­des­re­gie­rung von ih­rer Ermäch­ti­gung nicht Ge­brauch macht. Ei­ne Lan­des­ver­ord­nung kommt ins­be­son­de­re dann in Fra­ge, wenn das Re­ge­lungs­bedürf­nis re­gio­na­ler Art ist."

Mit die­sem Vor­schlag hat die Bun­des­re­gie­rung mit na­he­zu glei­cher Be­gründung an ih­ren Ent­wurf ei­nes Ar­beits­zeit­ge­set­zes vom 9. Ja­nu­ar 1985 an­ge­knüpft (BT-Drs. 10/2706, S. 21 zum da­ma­li­gen § 9 des Ge­setz­ent­wurfs), das da­mals nicht ver­ab­schie­det wur­de.

Auch wenn der Text der ge­staf­fel­ten Ver­ord­nungs­ermäch­ti­gung in § 13 Abs. 1 und 2 Arb­ZG die Reich­wei­te der Re­ge­lungs­kom­pe­tenz der Lan­des­re­gie­run­gen nicht aus­drück­lich be­grenzt, gibt doch der Hin­weis auf ein "Re­ge­lungs­bedürf­nis re­gio­na­ler Art" in der Be­gründung des Ge­setz­ent­wurfs der Bun­des­re­gie­rung ei­nen An­halts­punkt dar­auf, dass der Ge­setz­ge­ber - ähn­lich wie bei der kon­kur­rie­ren­den Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz ( Art. 72 Abs. 1 und 2 GG ) - lan­des­recht­li­che Re­ge­lun­gen nur da zu­las­sen woll­te, wo nicht zur Her­stel­lung gleich­wer­ti­ger Le­bens­verhält­nis­se im Bun­des­ge­biet oder zur Wah­rung der Rechts- und Wirt­schafts­ein­heit im ge­samt­staat­li­chen In­ter­es­se ei­ne bun­des­recht­li­che Re­ge­lung er­for­der­lich ist. Dass bei den meis­ten der in­zwi­schen durch Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nun­gen der Lan­des­re­gie­run­gen ge­re­gel­ten Aus­nah­men vom Ver­bot der Sonn- und Fei­er­tags­ar­beit ein Bedürf­nis für bun­des­ein­heit­li­che Rechts­set­zung ge­se­hen wur­de, zeigt der Um­stand, dass der Länder­aus­schuss für Ar­beits­schutz und Si­cher­heits­tech­nik schon 1996 - zwei Jah­re nach In­kraft­tre­ten des Ar­beits­zeit­ge­set­zes - ei­nen Mus­ter­ent­wurf für Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nun­gen er­stellt hat, an dem sich die Lan­des­re­gie­run­gen seit­her ori­en­tiert ha­ben (vgl. das vom An­trags­geg­ner vor­ge­leg­te Re­de­ma­nu­skript von Herrn So­zi­al­mi­nis­ter Grütt­ner vor dem Hes­si­schen Land­tag zur Initia­ti­ve der LIN­KEN ge­gen ei­ne Aus­wei­tung der Sonn- und Fei­er­tags­ar­beit, LT-Drs. 18/4294; Bd. II Bl. 243 ff., S. 2 f.). Ob § 13 Abs. 1 und 2 Arb­ZG ei­ne Kom­pe­tenz der Lan­des­re­gie­run­gen ent­nom­men wer­den kann, an­stel­le der primär zuständi­gen Bun­des­re­gie­rung suk­zes­si­ve na­he­zu bun­des­ein­heit­li­che Aus­nah­me­re­ge­lun­gen zu schaf­fen, bleibt da­hin­ge­stellt.

Ei­ner der­art sub­si­diär ge­stal­te­ten Ver­ord­nungs­ermäch­ti­gung kann je­den­falls nicht die oh­ne­hin dem Ge­setz­ge­ber vor­be­hal­te­ne Be­fug­nis ent­nom­men wer­den, Fra­gen grundsätz­li­cher Art mit Grund­rechts­be­zug im Ver­ord­nungs­we­ge zu re­geln. Dies gilt um­so mehr, als dem Bun­des­ge­setz­ge­ber von An­fang an der all­ge­mein­kun­di­ge Um­stand be­kannt war, dass die

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Ge­tränke­indus­trie und Eis­fa­bri­ken so­wie die ent­spre­chen­den Großhan­dels­un­ter­neh­men im Som­mer­halb­jahr bun­des­weit mit ei­ner erhöhten Nach­fra­ge ins­be­son­de­re an Wo­chen­en­den zu rech­nen ha­ben. Dass er gleich­wohl die­se Be­rei­che nicht in den Aus­nah­men­ka­ta­log des § 10 Arb­ZG auf­ge­nom­men hat, ist ein wich­ti­ges In­diz dafür, dass hier auch von Ge­set­zes we­gen dem Schutz der Sonn- und Fei­er­ta­ge höhe­res Ge­wicht bei­ge­mes­sen wird als den wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen die­ser Ge­wer­be­be­trie­be, die die Fol­gen des Ar­beits­ver­bots an die­sen geschütz­ten Ta­gen bis­lang of­fen­sicht­lich or­ga­ni­sa­to­risch bewälti­gen konn­ten.

Auch hin­sicht­lich der Call­cen­ter hat der Bun­des­ge­setz­ge­ber bis­lang kei­nen Hand­lungs­be­darf für ei­ne Li­be­ra­li­sie­rung des Ar­beits­zeit­rechts ge­se­hen, ob­wohl hier­zu anläss­lich zahl­rei­cher Ände­run­gen des Ar­beits­zeit­ge­set­zes - zu­letzt durch Art. 3 Abs. 6 des Ge­set­zes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868, 914) - Ge­le­gen­heit be­stan­den hätte und hier seit Jah­ren in ei­ner recht­li­chen Grau­zo­ne auf­grund ent­spre­chen­der Aus­nah­me­re­ge­lun­gen in Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nun­gen an­de­rer Bun­desländer, mögli­cher­wei­se aber auch we­gen der Dul­dung il­le­ga­ler Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen durch die Ge­wer­be­auf­sicht ei­ne bun­des­weit wir­ken­de fak­ti­sche Aushöhlung des Schutz­ge­bots für die­se Ta­ge statt­ge­fun­den hat­te. Die Fra­ge, ob dem Druck der Wirt­schaft und ei­ner stei­gen­den Zahl von In­ter­net­nut­zern nach­ge­ge­ben und die­se Pra­xis dau­er­haft le­ga­li­siert wer­den soll, ist we­gen ih­rer schwer­wie­gen­den Be­deu­tung nicht nur für die Wahr­neh­mung der von den An­trag­stel­lern gel­tend ge­mach­ten Grund­rech­te, son­dern auch für die Wett­be­werbs­struk­tu­ren in vie­len Wirt­schafts­zwei­gen nur durch den zuständi­gen (Bun­des-) Ge­setz­ge­ber zu ent­schei­den, der aber of­fen­bar bis­her kei­nen An­lass für ei­ne ent­spre­chen­de Ein­schränkung des Schut­zes von Sonn- und Fei­er­ta­gen ge­se­hen hat.

Auch die Aus­nah­me­re­ge­lung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Bed­Ge­wV für Vi­deo­the­ken und öffent­li­che Bi­blio­the­ken hält der Se­nat für un­wirk­sam.

Zwar dürf­te hier kei­ne Ent­schei­dung von grund­le­gen­der Be­deu­tung im Sin­ne der We­sent­lich­keits­theo­rie ge­trof­fen wor­den sein. Zum ei­nen ist da­von nur ei­ne über­schau­ba­re Zahl von Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern be­trof­fen, weil Vi­deo­the­ken an­ge­sichts der tech­ni­schen Möglich­kei­ten mit re­la­tiv we­nig Per­so­nal aus­kom­men und öffent­li­che Bi­blio­the­ken - in kom­mu­na­ler oder kirch­li­cher Träger­schaft ( § 5 Abs. 1 Hes­si­sches Bi­blio­theks­ge­setz vom 20. Sep­tem­ber 2010, GVBl. I. S. 295) aus ta­rif­li­chen Gründen bzw. we­gen des Ein­sat­zes eh­ren­amt­li­cher Kräfte an Wo­chen­en­den kaum mit be­zahl­tem Per­so­nal ar­bei­ten. Zum an­de­ren ist durch Ände­rungs­ge­setz vom 2. Fe­bru­ar 2010 (GVBl. I S.10) mit § 6 Abs. 2 Nr. 5 Hes­si­sches Fei­er­tags­ge­setz die Öff­nung von Vi­deo­the­ken und Bi­blio­the­ken an Sonn- und Fei­er­ta­gen ab 13:00 Uhr er­laubt wor­den, wo­durch der Lan­des­ge­setz­ge­ber ei­nen re­gio­na­len Be­zug für die Aus­nah­me­re­ge­lung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Bed­Ge­wV ge­schaf­fen hat­te.

Je­doch fehlt es in­so­weit of­fen­sicht­lich an dem Tat­be­stands­merk­mal, dass die Aus­nah­me­re­ge­lung "zur Ver­mei­dung er­heb­li­cher Schäden" ge­trof­fen sein muss ( § 1 Abs. 1 und 2 S. 1 Bed­Ge­wV ). Zwar ist dem An­trags­geg­ner ein­zuräum­en, dass so­wohl bei Vi­deo­the­ken­be­trei­bern - in wirt­schaft­li­cher Hin­sicht durch Um­satz­ein­bußen - als auch bei po­ten­ti­el­len Kun­den bzw. Nut­zern von Vi­deo­the­ken und öffent­li­chen Bi­blio­the­ken - durch die ent­gan­ge­ne Möglich­kei­ten be­stimm­ter Frei­zeit­ge­stal­tun­gen -"Schäden" ma­te­ri­el­ler bzw. im­ma­te­ri­el­ler Art ent­ste­hen können, wenn die­se Ein­rich­tun­gen an Sonn- und Fei­er­ta­gen nicht in Be­trieb sind. Dass die­se Schäden "er­heb­lich" sein sol­len, ist je­doch nicht nach­voll­zieh­bar. Denn Um­satz­ein­bußen der Be­trei­ber wer­den großent­eils durch die Er­spar­nis von Auf­wen­dun­gen für die Be­zah­lung der an Sonn- und Fei­er­ta­gen ein­ge­setz­ten Ar­beits­kräfte und die Ver­la­ge­rung der Nach­fra­ge auf Werk­ta­ge kom­pen­siert. Die Nut­zer der Ein­rich­tun­gen können sich auf de­ren Sch­ließung an Sonn- und Fei­er­ta­gen durch ei­ne ge­ringfügi­ge Ver­hal­tensände­rung ein­stel­len, in­dem sie ih­re Vor­be­rei­tun­gen für die Ge­stal­tung die­ser Ta­ge - wie et­wa beim Ein­kauf benötig­ter Le­bens­mit­tel - schon am Sams­tag oder ei­nem an­de­ren ar­beits­frei­en Tag tref­fen. Ei­ne sol­che Ver­hal­tensände­rung ist nicht "er­heb­lich", auch nicht für Be­rufs­pend­ler, die ih­ren Wo­chen­end­be­darf an Vi­deo­auf­zeich­nun­gen und Le­se­stoff am Ort ih­rer be­ruf­li­chen Tätig­keit de­cken und bei­des zu Hau­se kon­su­mie­ren können, so dass sie auf ei­ne sonn-und fei­ertägli­che Be­treu­ung am Wohn­ort nicht an­ge­wie­sen sind. Für Vi­deo­the­ken-Nut­zer be­steht außer­dem die Möglich­keit, auf in­ha­ber­geführ­te Be­trie­be aus­zu­wei­chen, die an Sonn- und Fei­er­ta­gen öff­nen dürfen.

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In Be­zug auf Präsenz­bi­blio­the­ken kommt hin­zu, dass der (Bun­des-) Ge­setz­ge­ber mit der Aus­nah­me­re­ge­lung für "wis­sen­schaft­li­che Präsenz­bi­blio­the­ken" in § 10 Abs. 1 Nr. 7 Arb­ZG zu er­ken­nen ge­ge­ben hat, dass er nur die Wahr­neh­mung des Grund­rechts aus Art. 5 Abs. 3 GG für wich­tig ge­nug hält, in die­sem Be­reich den grund­recht­lich gewähr­leis­te­ten Schutz der Sonn- und Fei­er­tags­ru­he ein­zu­schränken. Die­se Ein­schränkung ist auch für Vi­deo­the­ken zu be­ach­ten, zu­mal dem Ver­ord­nungs­ge­ber das vom An­trags­geg­ner in An­spruch ge­nom­me­ne "ge­setz­ge­be­ri­sche Er­mes­sen" nicht zu­steht.

Auch die in § 1 Abs. 1 Nr. 10 Bed­Ge­wV ge­trof­fe­ne Aus­nah­me­re­ge­lung "in To­to- und Lot­to­ge­sell­schaf­ten mit der elek­tro­ni­schen Geschäfts­ab­wick­lung für bis zu acht St­un­den" ist un­wirk­sam.

Zwar ist auch hier wohl kei­ne dem Ge­setz­ge­ber vor­be­hal­te­ne Grund­satz­ent­schei­dung ge­trof­fen wor­den, weil sich die Aus­nah­me­re­ge­lung auf ei­ne über­schau­ba­re Zahl von Beschäftig­ten und sehr spe­zi­el­le, weit­ge­hend au­to­ma­ti­sier­te Ar­beits­vorgänge be­zieht.

Je­doch fehlt es auch in­so­weit of­fen­sicht­lich an dem Tat­be­stands­merk­mal, dass die Aus­nah­me­re­ge­lung "zur Ver­mei­dung er­heb­li­cher Schäden" ge­trof­fen sein muss ( § 1 Abs. 1 und 2 S. 1 Bed­Ge­wV ). In der Be­gründung der Lan­des­re­gie­rung für die Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung wird die Er­for­der­lich­keit die­ser Aus­nah­me­re­ge­lung mit ei­nem drin­gen­den Bedürf­nis der Bevölke­rung für ei­ne zeit­na­he Aus­wer­tung von To­to- und Lot­to­er­geb­nis­sen und der im On­line-Ver­fah­ren bun­des­weit statt­fin­den­den Spiel­ver­trags­ab­wick­lung be­gründet (S. 8 der Be­gründung, Bd. II Bl. 241 GA). Wes­halb mit ei­ner um ei­nen Tag verzöger­ten Er­mitt­lung von Ge­win­nern und Quo­ten und mit de­ren ent­spre­chend später statt­fin­den­den Be­nach­rich­ti­gung bzw. Veröffent­li­chung ein Scha­den ver­bun­den sein soll, der zu­dem er­heb­lich sein müss­te, wird je­doch nicht be­gründet und ist auch nicht nach­voll­zieh­bar. Durch ei­ne der­ar­ti­ge Verzöge­rung könn­te al­len­falls die Wer­be­wirk­sam­keit der Veröffent­li­chung der Quo­ten lei­den, was aber - wenn über­haupt - kein er­heb­li­cher Scha­den wäre. Denn die in­ten­si­ven Wer­be­maßnah­men der To­to- und Lot­to­ge­sell­schaf­ten in Deutsch­land als Nutz­nießer ei­nes - der­zeit durch ei­ne Kon­zes­si­ons­re­ge­lung über­la­ger­ten - staat­li­chen Sport­wet­ten­mo­no­pols sind oh­ne­hin uni­ons- und ver­fas­sungs­recht­lich höchst pro­ble­ma­tisch und bedürfen im In­ter­es­se ei­ner kohären­ten Bekämp­fung der Spiel­sucht drin­gend der Über­prüfung ( EuGH, Ur­teil vom 8. Sep­tem­ber 2010 - C-316/07 u.a. -, NVwZ 2010, 1409 [EuGH 08.09.2010 - Rs. C-316/07; Rs. C-358/07; Rs. 359/07; Rs. C-360/07; Rs. C-409/07; Rs. C-410/07] = ju­ris Rn. 103; BVerfG, Ur­teil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 -, BVerfGE 115, 276 = ju­ris Rn 132 ff. m.w.N.; BVerwG, Ur­teil vom 24. No­vem­ber 2010 - 8 C 13.09 -, NVwZ 2011, 549 = ju­ris Rn. 50 und 66 m.w.N.).

Sch­ließlich ist auch § 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV , der im Buch­ma­cher­ge­wer­be die Beschäfti­gung von Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern an Sonn- und Fei­er­ta­gen zur An­nah­me von Wet­ten für Ver­an­stal­tun­gen für bis zu sechs St­un­den zulässt, we­gen nicht hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit von der Ver­ord­nungs­ermäch­ti­gung in § 13 Abs. 2 Nr. 2 a , Abs. 2 S. 1 Arb­ZG nicht ge­deckt und da­her ent­ge­gen der Auf­fas­sung des An­trags­geg­ners un­wirk­sam.

Auch in­so­weit hat der Ver­ord­nungs­ge­ber zwar im Hin­blick auf die ge­rin­ge Zahl der be­trof­fe­nen Ar­beits­kräfte und die Be­son­der­hei­ten die­ses Ge­wer­bes kei­ne dem Ge­setz­ge­ber vor­be­hal­te­ne Grund­satz­ent­schei­dung ge­trof­fen. In ih­rer Be­gründung für die Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung hat die Lan­des­re­gie­rung dar­auf hin­ge­wie­sen, dass das Buch­ma­cher­ge­wer­be ein Be­stand­teil der im Übri­gen nicht ge­werb­li­chen, re­gelmäßig an Sonn- oder Fei­er­ta­gen statt­fin­den­den und durch § 10 Arb­ZG pri­vi­le­gier­ten Renn­sport­ver­an­stal­tun­gen sei (S. 7 der Be­gründung, Bd. II Bl. 240 GA). Ge­meint wa­ren hier aber of­fen­bar nur Pfer­de­ren­nen, bei de­nen - an­ders als bei den To­to- und Lot­to­ge­sell­schaf­ten - Wet­ten nicht an Werk­ta­gen an­ge­nom­men wer­den können, weil erst am Ver­an­stal­tungs­tag fest­steht, wel­che Pfer­de an den Ren­nen teil­neh­men. An­ders als bei den To­to-und Lot­to­ge­sell­schaf­ten hat der Ver­ord­nungs­ge­ber hier die auf­schieb­ba­re Aus­wer­tung der Wet­ten nicht in die Aus­nah­me­re­ge­lung ein­be­zo­gen und mit ei­ner Be­gren­zung auf sechs St­un­den die an Sonn- und Fei­er­ta­gen zulässi­ge Beschäfti­gungs­zeit recht deut­lich von der ge­setz­lich zulässi­gen Ar­beits­zeit an Werk­ta­gen ( § 3 Arb­ZG ) ab­ge­setzt, um da­durch dem Schutz der prin­zi­pi­el­len Sonn-

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und Fei­er­tags­ru­he Rech­nung zu tra­gen.

Dass die Aus­nah­me­re­ge­lung in § 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV in­so­weit "zur Ver­mei­dung er­heb­li­cher Schäden" ge­trof­fen wor­den ist und "zur Be­frie­di­gung ... an die­sen Ta­gen be­son­ders her­vor­tre­ten­der Bedürf­nis­se der Bevölke­rung er­for­der­lich ist ( § 1 Abs. 1 und 2 S. 1 a Bed­Ge­wV ), er­gibt sich dar­aus, dass Pfer­de­wet­ten gar nicht mehr ver­an­stal­tet und an­ge­bo­ten wer­den könn­ten, wenn nicht die Wett­an­nah­me an den Ver­an­stal­tungs­ta­gen nach Be­kannt­wer­den der Star­ter­fel­der ermöglicht würde.

§ 1 Abs. 1 Nr. 8 Bed­Ge­wV kann nach Auf­fas­sung des Se­nats gleich­wohl nicht als gülti­ge Aus­nah­me­re­ge­lung an­ge­se­hen wer­den, weil sie nicht auf zer­ti­fi­zier­te bzw. kon­zes­sio­nier­te Buch­ma­cher be­schränkt ist, die aus­sch­ließlich Pfer­de­wet­ten ab­sch­ließen und ver­mit­teln dürfen (Hahn in: Fri­auf, Ge­wO, Stand: Ju­li 2013, Rn. 31 f. zu § 33 h Ge­wO ; vgl. auch § 27 Glück­spiel­staats­ver­trag - GlüStV -). Auch der im Tat­be­stand der Vor­schrift ver­wen­de­te Be­griff "Ver­an­stal­tun­gen" lässt nicht er­ken­nen, dass aus­sch­ließlich die An­nah­me von Pfer­de­wet­ten pri­vi­le­giert wer­den soll. Viel­mehr ist die Aus­nah­me­re­ge­lung auch auf Buch­ma­cher an­wend­bar, die ih­re Tätig­keit nach ei­ner Ge­wer­be­an­mel­dung oh­ne Er­laub­nis ausüben können (Heß in: Fri­auf, a.a.O., Rn. 5 f. vor § 14 Ge­wO m.w.N.) oder - so­weit es sich um Glücks­spie­le ein­sch­ließlich sons­ti­ger Sport­wet­ten han­delt - mit ei­ner Kon­zes­si­on nach § 4a GlüStV Wet­ten auch auf an­de­re Er­eig­nis­se als Sport­ver­an­stal­tun­gen ab­sch­ließen und ver­mit­teln dürfen, oh­ne dass je­weils vor­her­seh­bar ist, dass die­se Er­eig­nis­se aus­sch­ließlich an Sonn- und Fei­er­ta­gen statt­fin­den und Wet­ten dar­auf nur am Ver­an­stal­tungs­tag ab­ge­schlos­sen wer­den können. Da­durch ge­winnt die Aus­nah­me­be­stim­mung zu­dem ei­ne tat­be­stand­li­che Wei­te, die die Befürch­tung be­gründet, dass der Ver­ord­nungs­ge­ber (auch) sei­ne oben be­schrie­be­ne be­grenz­te Ermäch­ti­gung über­schrit­ten hat.

Die Kos­ten des Ver­fah­rens hat der An­trags­geg­ner als un­ter­lie­gen­der Be­tei­lig­ter zu tra­gen ( § 154 Abs. 1 Vw­GO ).

Das Ur­teil ist we­gen der Kos­ten mit Ab­wen­dungs­be­fug­nis des An­trags­geg­ners für vorläufig voll­streck­bar zu erklären ( § 167 Abs. 2 Vw­GO ana­log, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Re­vi­si­on ist we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­zu­las­sen ( § 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO . Nach un­wi­der­spro­che­nem Vor­trag der An­trag­stel­le­rin zu 1. Ist das vor­lie­gen­de Ver­fah­ren bun­des­weit das ers­te, in dem ei­ne Be­darfs­ge­wer­be­ver­ord­nung ei­ner Lan­des­re­gie­rung der Nor­men­kon­trol­le un­ter­wor­fen wird.

Streit­wert­be­schluss:

Be­schluss

Der Streit­wert wird ent­spre­chend den Emp­feh­lun­gen des Streit­wert­ka­ta­logs für die Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit auf 5.000,- € fest­ge­setzt (NVwZ 2004, 1327; Nr. 35.5 Nor­men­kon­trol­le), da die An­trag­stel­ler kein wirt­schaft­li­ches In­ter­es­se an der Ent­schei­dung ha­ben ( § 52 Abs. 2 GKG ).

Der Be­schluss ist un­an­fecht­bar ( §§ 66 Abs. 3 S. 3 , 68 Abs. 1 S. 5 GKG ).

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