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BAG, Ur­teil vom 16.05.2012, 10 AZR 202/11

   
Schlagworte: Leistungsentgelt, TVöD
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 202/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.05.2012
   
Leitsätze: Die Protokollerklärung Nr. 1 zu Absatz 4 des § 18 TVöD (VKA) gewährt ab dem Jahr 2008 für den Fall des Nichtbestehens einer Dienst-/Betriebsvereinbarung nach § 18 Abs. 6 TVöD (VKA) nur einen Anspruch auf ein undifferenziertes Leistungsentgelt in Höhe von 6 vH des individuellen Tabellenentgelts. Der nicht ausgeschüttete Teil des für die Leistungsentgelte zur Verfügung stehenden Gesamtvolumens wird jeweils auf das Folgejahr übertragen, ohne zu einer Erhöhung des undifferenzierten Leistungsentgelts zu führen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Wuppertal, Urteil vom 22.9.2010 - 2 Ca 1911/10
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.1.2011 - 13 Sa 1424/10
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


10 AZR 202/11
13 Sa 1424/10
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Düssel­dorf

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

16. Mai 2012

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 16. Mai 2012 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Mi­kosch, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt
 


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Rein­fel­der und Mest­werdt so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­te­rin­nen Ziel­ke und Ru­dolph für Recht er­kannt:


1. Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 13. Ja­nu­ar 2011 - 13 Sa 1424/10 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Der Kläger hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Höhe des Leis­tungs­ent­gelts nach § 18 TVöD (VKA) für das Jahr 2009.

Der Kläger ist bei der Be­klag­ten als Di­plom­so­zi­al­ar­bei­ter beschäftigt. Er ist Mit­glied des Per­so­nal­rats. Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en fin­det der Ta­rif­ver­trag für den öffent­li­chen Dienst (TVöD) in der für Ge­mein­den gülti­gen Fas­sung (VKA) je­den­falls kraft ver­trag­li­cher Re­ge­lung An­wen­dung. Zum Ab­schluss ei­ner Dienst­ver­ein­ba­rung über das Leis­tungs­ent­gelt kam es bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht. Der Kläger er­hielt im De­zem­ber 2008 als Leis­tungs­ent­gelt 6 vH sei­nes Ta­bel­len­ent­gelts (220,93 Eu­ro brut­to). Im De­zem­ber 2009 zahl­te die Be­klag­te als Leis­tungs­ent­gelt wie­der­um 6 vH sei­nes Ta­bel­len­ent­gelts (227,11 Eu­ro brut­to). Mit Schrei­ben vom 16. März 2010 mach­te der Kläger für das Jahr 2009 die Zah­lung wei­te­rer 6 vH sei­nes Ta­bel­len­ent­gelts aus dem Jahr 2008 als Leis­tungs­ent­gelt gel­tend.


§ 18 TVöD (VKA) lau­te­te in der 2009 maßgeb­li­chen Fas­sung aus­zugs­wei­se:


„(1) Die leis­tungs- und/oder er­folgs­ori­en­tier­te Be­zah­lung soll da­zu bei­tra­gen, die öffent­li­chen Dienst­leis­tun­gen zu ver­bes­sern. Zu­gleich sol­len Mo­ti­va­ti­on, Ei­gen-

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ver­ant­wor­tung und Führungs­kom­pe­tenz gestärkt wer­den.


(2) Ab dem 1. Ja­nu­ar 2007 wird ein Leis­tungs­ent­gelt ein­geführt. Das Leis­tungs­ent­gelt ist ei­ne va­ria­ble und leis­tungs­ori­en­tier­te Be­zah­lung zusätz­lich zum Ta­bel­len­ent­gelt.

(3) Aus­ge­hend von ei­ner ver­ein­bar­ten Ziel­größe von 8 v. H. ent­spricht bis zu ei­ner Ver­ein­ba­rung ei­nes höhe­ren Vom­hun­dert­sat­zes das für das Leis­tungs­ent­gelt zur Verfügung ste­hen­de Ge­samt­vo­lu­men 1 v. H. der ständi­gen Mo­nats­ent­gel­te des Vor­jah­res al­ler un­ter den Gel­tungs­be­reich des TVöD fal­len­den Beschäftig­ten des je­wei­li­gen Ar­beit­ge­bers. Das für das Leis­tungs­ent­gelt zur Verfügung ste­hen­de Ge­samt­vo­lu­men ist zweck­ent­spre­chend zu ver­wen­den; es be­steht die Ver­pflich­tung zu jähr­li­cher Aus­zah­lung der Leis­tungs­ent­gel­te.


Pro­to­kollerklärung zu Ab­satz 3 Satz 1:

Ständi­ge Mo­nats­ent­gel­te sind ins­be­son­de­re das Ta­bel­len­ent­gelt (oh­ne So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge des Ar­beit­ge­bers und des­sen Kos­ten für die be­trieb­li­che Al­ters­vor­sor­ge), die in Mo­nats­beträgen fest­ge­leg­ten Zu­la­gen ein­sch­ließlich Be­sitz­stands­zu­la­gen so­wie Ent­gelt im Krank­heits­fall (§ 22) und bei Ur­laub, so­weit die­se Ent­gel­te in dem be­tref­fen­den Ka­len­der­jahr aus­ge­zahlt wor­den sind; nicht ein­be­zo­gen sind da­ge­gen ins­be­son­de­re Ab­fin­dun­gen, Auf­wands­entschädi­gun­gen, Ein­mal­zah­lun­gen, Jah­res­son­der­zah­lun­gen, Leis­tungs­ent­gel­te, Struk­tur­aus­glei­che, unständi­ge Ent­gelt­be­stand­tei­le und Ent­gel­te der außer­ta­rif­li­chen Beschäftig­ten. Unständi­ge Ent­gelt­be­stand­tei­le können be­trieb­lich ein­be­zo­gen wer­den.


(4) Das Leis­tungs­ent­gelt wird zusätz­lich zum Ta­bel­len­ent­gelt als Leis­tungs­prämie, Er­folgs­prämie oder Leis­tungs­zu­la­ge gewährt; das Ver­bin­den ver­schie­de­ner For­men des Leis­tungs­ent­gelts ist zulässig. ...

Pro­to­kollerklärun­gen zu Ab­satz 4:

1. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sind sich darüber ei­nig, dass die zeit­ge­rech­te Einführung des Leis­tungs­ent­gelts sinn­voll, not­wen­dig und des­halb bei­der­seits ge­wollt ist. Sie for­dern des­halb die Be­triebs­par­tei­en da­zu auf, recht­zei­tig vor dem 1. Ja­nu­ar 2007 die be­trieb­li­chen Sys­te­me zu ver­ein­ba­ren. Kommt bis zum 30. Sep­tem­ber 2007 kei­ne be­trieb­li­che Re­ge­lung zu­stan­de,
 


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er­hal­ten die Beschäftig­ten mit dem Ta­bel­len­ent­gelt des Mo­nats De­zem­ber 2008 6 v. H. des für den Mo­nat Sep­tem­ber je­weils zu­ste­hen­den Ta­bel­len­ent­gelts. Das Leis­tungs­ent­gelt erhöht sich im Fol­ge­jahr um den Rest­be­trag des Ge­samt­vo­lu­mens. So­lan­ge auch in den Fol­ge­jah­ren kei­ne Ei­ni­gung ent­spre­chend Satz 2 zu­stan­de kommt, gel­ten die Sätze 3 und 4 eben­falls. Für das Jahr 2007 er­hal­ten die Beschäftig­ten mit dem Ta­bel­len­ent­gelt des Mo­nats De­zem­ber 2007 12 v. H. des für den Mo­nat Sep­tem­ber 2007 je­weils zu­ste­hen­den Ta­bel­len­ent­gelts aus­ge­zahlt, ins­ge­samt je­doch nicht mehr als das Ge­samt­vo­lu­men gemäß Ab­satz 3 Satz 1, wenn bis zum 31. Ju­li 2007 kei­ne Ei­ni­gung nach Satz 3 zu­stan­de ge­kom­men ist.

2. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en be­ken­nen sich zur wei­te­ren Stärkung der Leis­tungs­ori­en­tie­rung im öffent­li­chen Dienst.

...

(6) Das je­wei­li­ge Sys­tem der leis­tungs­be­zo­ge­nen Be­zah­lung wird be­trieb­lich ver­ein­bart. ... Die Aus­ge­stal­tung ge­schieht durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung oder ein­ver­nehm­li­che Dienst­ver­ein­ba­rung, ...


Pro­to­kollerklärung zu Ab­satz 6:

Be­steht in ei­ner Dienst­stel­le/in ei­nem Un­ter­neh­men kein Per­so­nal- oder Be­triebs­rat, hat der Dienst­stel­len­lei­ter/Ar­beit­ge­ber die jähr­li­che Ausschüttung der Leis­tungs­ent­gel­te im Um­fang des Vom­hun­dert­sat­zes der Pro­to­kollerklärung Nr. 1 zu Ab­satz 4 si­cher­zu­stel­len, so­lan­ge ei­ne Kom­mis­si­on im Sin­ne des Ab­sat­zes 7 nicht be­steht.


(7) Bei der Ent­wick­lung und beim ständi­gen Con­trol­ling des be­trieb­li­chen Sys­tems wirkt ei­ne be­trieb­li­che Kom­mis­si­on mit, de­ren Mit­glie­der je zur Hälf­te vom Ar­beit­ge­ber und vom Be­triebs-/Per­so­nal­rat aus dem Be­trieb be­nannt wer­den.“
 

Die Pro­to­kollerklärung Nr. 2 zu Ab­satz 4 lau­te­te bis zum 2. Ände­rungs-TV vom 31. März 2008 wie folgt:

„In der Ent­gelt­run­de 2008 wer­den die Ta­rif­ver­trags­par­tei-en die Um­set­zung des § 18 (Leis­tungs­ent­gelt) ana­ly­sie­ren und ggf. not­wen­di­ge Fol­ge­run­gen (z. B. Schieds­stel­len) zie­hen. In die­sem Rah­men wer­den auch Höchst­fris­ten für


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ei­ne teil­wei­se Nicht­aus­zah­lung des Ge­samt­vo­lu­mens gemäß Satz 3 der Pro­to­kollerklärung Nr. 1 fest­ge­legt; fer­ner wird ei­ne Ver­zin­sung des et­wai­gen ab dem Jahr 2008 nicht aus­ge­zahl­ten Ge­samt­vo­lu­mens geklärt.“


§ 38 Abs. 3 TVöD (VKA) lau­tet:

„Ei­ne ein­ver­nehm­li­che Dienst­ver­ein­ba­rung liegt nur oh­ne Ent­schei­dung der Ei­ni­gungs­stel­le vor.“

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ihm ste­he für das Jahr 2009 ein höhe­res Leis­tungs­ent­gelt zu. Dies er­ge­be die Aus­le­gung von Satz 4 der Pro­to­kollerklärung Nr. 1 zu § 18 Abs. 4 TVöD (VKA). Ab De­zem­ber 2009 sei auch der aus dem Vor­jahr ver­blie­be­ne Rest­be­trag des Ge­samt­vo­lu­mens mit min­des­tens 12 vH als Leis­tungs­ent­gelt aus­zuschütten, oh­ne dass die Be­triebs­par­tei­en die Ver­tei­lungs­grundsätze ge­re­gelt ha­ben müss­ten. Die Zah­lung des zwei­ten Teils in Höhe von 220,93 Eu­ro brut­to wer­de im Fall der Nicht­ei­ni­gung le­dig­lich um ein Jahr auf­ge­scho­ben. Je­den­falls müsse die Be­klag­te den im Jahr 2008 nicht aus­geschütte­ten Rest­be­trag des Ge­samt­vo­lu­mens nach Kopf­tei­len an die Beschäftig­ten aus­zah­len. Dar­aus ergäbe sich ein Be­trag von 219,79 Eu­ro brut­to.


Der Kläger hat be­an­tragt, 


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 220,93 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 1. Ja­nu­ar 2010 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die pau­scha­lier­te Son­der­zah­lung be­tra­ge in je­dem Jahr, in dem ei­ne be­trieb­li­che Ver­ein­ba­rung zum Leis­tungs­ent­gelt feh­le, nur 6 vH des dem ein­zel­nen Beschäftig­ten je­weils im Sep­tem­ber zu­ste­hen­den Ta­bel­len­ent­gelts. Die darüber hin­aus­ge­hen­den Beträge würden in das Ge­samt­vo­lu­men des nächs­ten Jah­res über­tra­gen und the­sau­ri­ert. Da­mit wer­de der ta­rif­ver­trag­lich nor­mier­te Zweck ver­folgt, auf die Be­triebs­par­tei­en ei­nen ent­spre­chen­den Ei­ni­gungs­druck aus­zuüben. Ta­rif­ver­trag­li­che In­ten­ti­on sei die Ver­ein­ba­rung von Leis­tungs­ent­gel­ten ge­we­sen. Die Aus­ge­stal­tung der Ziel­ver­ein­ba­run­gen und der Aus­zah-
 


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lungs­mo­da­litäten soll­te den Be­triebs­par­tei­en über­las­sen blei­ben. Würden man­gels ent­spre­chen­der Ver­ein­ba­run­gen vor Ort je­weils 12 vH aus­zu­zah­len sein, würde die­ser Zweck ver­fehlt.


Ar­beits­ge­richt und Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­ben die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sei­nen Kla­ge­an­trag wei­ter.


Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Der Kläger hat­te im Jahr 2009 kei­nen An­spruch auf Aus­zah­lung des im Jahr 2008 nicht aus­geschütte­ten Teils des Leis­tungs­ent­gelts nach § 18 TVöD (VKA).


I. Ein An­spruch auf Aus­zah­lung ei­nes höhe­ren Leis­tungs­ent­gelts er­gibt 11 sich nicht aus § 18 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4, Abs. 6 TVöD (VKA), da es an ei­ner be­trieb­li­chen Re­ge­lung iSd. Abs. 6 fehl­te. Die Ver­pflich­tung zur jähr­li­chen Aus­zah­lung der Leis­tungs­ent­gel­te nach § 18 Abs. 3 Satz 2 TVöD (VKA) steht un­ter dem Vor­be­halt der Exis­tenz ei­ner ent­spre­chen­den be­trieb­li­chen Ver­ein­ba­rung. Nur aus die­sem Grund be­durf­te es über­haupt der Re­ge­lun­gen der Pro­to­kollerklärung Nr. 1 zu Ab­satz 4 (PE Nr. 1).


II. Ein Aus­zah­lungs­an­spruch er­gibt sich nicht aus der PE Nr. 1. 


1. Die Pro­to­kollerklärung hat nor­ma­ti­ve Wir­kung, sie ist ma­te­ri­el­ler Be­stand­teil des Ta­rif­ver­trags (BAG 23. Sep­tem­ber 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 13, BA­GE 135, 318) und kann des­halb grundsätz­lich ei­nen An­spruch be­gründen.


2. Über das für die Jah­re 2008 und 2009 aus­ge­zahl­te un­dif­fe­ren­zier­te Leis­tungs­ent­gelt (vgl. zum Be­griff BAG 23. Sep­tem­ber 2010 - 6 AZR 338/09 - BA­GE 135, 318) in Höhe von je­weils 6 vH des Ta­bel­len­ent­gelts hin­aus hat­te der Kläger im Jahr 2009 oh­ne Vor­lie­gen ei­ner ent­spre­chen­den be­trieb­li­chen Re­ge­lung kei­nen An­spruch auf Aus­zah­lung ei­nes höhe­ren Leis­tungs­ent­gelts. Dies er­gibt ei­ne Aus­le­gung der PE Nr. 1.
 


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a) Be­reits der Wort­laut der Re­ge­lung, von dem bei der Ta­rif­aus­le­gung vor­ran­gig aus­zu­ge­hen ist (st. Rspr., zB BAG 14. Sep­tem­ber 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 15, NZA 2011, 1358), spricht ge­gen ei­nen höhe­ren An­spruch. Nach Satz 3 der PE Nr. 1 be­stand ein An­spruch auf Teil­aus­zah­lung in fest­ge­leg­ter Höhe im De­zem­ber 2008, wenn es an ei­ner be­trieb­li­chen Ver­ein­ba­rung fehl­te. Nach Satz 4 erhöht sich „das Leis­tungs­ent­gelt“ im Fol­ge­jahr um den Rest­be­trag des Ge­samt­vo­lu­mens. Satz 5 schreibt die­se Re­ge­lung für die Fol­ge­jah­re fort, so­weit kei­ne be­trieb­li­che Ei­ni­gung zu­stan­de kommt. Der Be­griff des Leis­tungs­ent­gelts wird in der ta­rif­li­chen Re­ge­lung ver­schie­den, kei­nes­falls aber als pau­scha­le Zah­lung an die Ar­beit­neh­mer ver­wen­det.


Hauptsächlich han­delt es sich - wie die Über­schrift zeigt - um ei­nen Ober­be­griff für ei­ne be­stimm­te neue Vergütungs­art. § 18 Abs. 2 Satz 2 TVöD (VKA) de­fi­niert die­se als „va­ria­ble und leis­tungs­ori­en­tier­te Be­zah­lung“. § 18 Abs. 4 Satz 1 TVöD (VKA) be­nennt wie­der­um mögli­che For­men ei­nes sol­chen Leis­tungs­ent­gelts (Leis­tungs­prämie, Er­folgs­prämie oder Leis­tungs­zu­la­ge), wo­bei ei­ne Ver­bin­dung ver­schie­de­ner For­men zulässig ist. Der An­spruch nach Satz 3 der PE Nr. 1 wird hin­ge­gen von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nicht als Leis­tungs­ent­gelt be­zeich­net. Es han­delt sich auch nicht um ei­ne Leis­tung nach der ta­rif­li­chen De­fi­ni­ti­on, son­dern um ei­ne Ausschüttung des er­wirt­schaf­te­ten Vo­lu­mens nach dem „Gießkan­nen­prin­zip“ (BAG 23. Sep­tem­ber 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 23, BA­GE 135, 318). Die­ses „un­dif­fe­ren­zier­te Leis­tungs­ent­gelt“ stellt le­dig­lich ein Sur­ro­gat für den feh­len­den ori­ginären Leis­tungs­ent­gelt­an­spruch dar, es ist nicht das Leis­tungs­ent­gelt selbst. Die Höhe des Sur­ro­gats ori­en­tiert sich nicht an dem gemäß § 18 Abs. 3 TVöD (VKA) zur Verfügung ste­hen­den Ge­samt­vo­lu­men für das Leis­tungs­ent­gelt, son­dern legt ei­ne Leis­tung in Abhängig­keit vom Ta­bel­len­ent­gelt des je­wei­li­gen Beschäftig­ten in Höhe ei­nes be­stimm­ten Pro­zent­sat­zes fest. Um Dop­pel­zah­lun­gen zu ver­mei­den, ist die Zah­lung aber aus dem Ge­samt­vo­lu­men zu leis­ten. Der nach die­ser Re­ge­lung nicht aus­geschütte­te Rest­be­trag wird auf das Fol­ge­jahr über­tra­gen. Wenn Satz 4 der PE Nr. 1 von Leis­tungs­ent­gelt spricht, kann vor die­sem Hin­ter­grund we­der das in­di­vi­du­el­le Leis­tungs­ent­gelt bei Vor­lie­gen ei­ner ent­spre­chen­den Ver­ein­ba­rung noch das un­dif­fe­ren­zier­te Leis­tungs­ent­gelt oh­ne Vor­lie­gen ei­ner
 


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sol­chen Ver­ein­ba­rung ge­meint sein. Viel­mehr wird der Be­griff in­so­weit als Ober­be­griff für das im Fol­ge­jahr zur Verfügung ste­hen­de Ge­samt­vo­lu­men ver­wen­det, wel­ches sich um den Rest­be­trag aus dem Vor­jahr erhöht.

b) Dies ent­spricht auch der Sys­te­ma­tik der ta­rif­li­chen Re­ge­lung. Im Jahr 2007 er­folg­te mit 12 vH ei­ne (fast) vol­le Ausschüttung des an­ge­sam­mel­ten Ge­samt­vo­lu­mens. Da­mit war für die­ses Jahr si­cher­ge­stellt, dass der für das Leis­tungs­ent­gelt zur Verfügung ste­hen­de Leis­tungs­topf auch dann aus­geschüttet wird, wenn die Be­triebs­par­tei­en ent­ge­gen der in Satz 1 und Satz 2 der PE Nr. 1 zum Aus­druck ge­brach­ten In­ten­ti­on die zur Einführung ei­ner leis­tungs­ori­en­tier­ten Be­zah­lung er­for­der­li­chen Dienst- bzw. Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen nicht recht­zei­tig ver­ein­bart hat­ten (vgl. BAG 23. Sep­tem­ber 2010 - 6 AZR 338/09 - Rn. 21, BA­GE 135, 318). Im Jahr 2008 (Satz 3 und Satz 4) und in den Fol­ge­jah­ren (Satz 5) steht dem­ge­genüber le­dig­lich et­wa die Hälf­te die­ses Vo­lu­mens zur un­dif­fe­ren­zier­ten und da­mit ge­ra­de nicht leis­tungs­abhängi­gen Ausschüttung zur Verfügung. Da­bei be­schränkt sich die ta­rif­li­che Re­ge­lung beim un­dif­fe­ren­zier­ten Leis­tungs­ent­gelt auf die Ausschüttung ei­nes be­stimm­ten Pro­zent­sat­zes vom in­di­vi­du­el­len Ta­bel­len­ent­gelt und schafft da­mit ei­ne ein­fa­che und kla­re Re­ge­lung für den ein­zel­nen Beschäftig­ten, so­lan­ge be­trieb­lich kei­ne Ver­tei­lungs­grundsätze ver­ein­bart sind. Kommt es hin­ge­gen zu ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung, er­folgt die Ausschüttung des nach § 18 Abs. 3 TVöD (VKA) iVm. der ent­spre­chen­den Pro­to­kollerklärung zu be­mes­sen­den Ge­samt­vo­lu­mens nach den be­trieb­lich ver­ein­bar­ten Kri­te­ri­en. Schon der Aus­gangs­punkt für die zu ver­tei­len­de Leis­tung ist da­mit nicht de­ckungs­gleich.


c) Die ge­fun­de­ne Aus­le­gung ent­spricht dem er­kenn­ba­ren Sinn und Zweck der PE Nr. 1. Aus dem Satz 1 und Satz 2 der PE Nr. 1 wird der Wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en deut­lich, das Leis­tungs­ent­gelt zeit­nah ein­zuführen und be­trieb­lich um­zu­set­zen. Da­bei be­stimmt § 18 TVöD (VKA) für die Dienst­stel­len oder Un­ter­neh­men we­der ein­heit­lich die ge­naue Art des Leis­tungs­ent­gelts noch die Ver­tei­lungs­grundsätze. Bei­des ist viel­mehr ei­ner Ver­ein­ba­rung der Be­triebs­par­tei­en vor­be­hal­ten. Dem­ent­spre­chend enthält Satz 2 der PE Nr. 1 die kla­re und ein­deu­ti­ge Auf­for­de­rung an die­se, sich vor dem 1. Ja­nu­ar 2007 zu ei­ni­gen.
 


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Le­dig­lich im ers­ten Jahr er­folgt im Fall der Nicht­ei­ni­gung ei­ne fast vollständi­ge Ausschüttung, in den Fol­ge­jah­ren le­dig­lich ei­ne et­wa hälf­ti­ge Ausschüttung des Ge­samt­vo­lu­mens. Dies dient er­sicht­lich dem Ziel, den Ei­ni­gungs­druck auf be­trieb­li­cher Ebe­ne zu erhöhen. Die­ses Ziel würde ver­fehlt, wenn le­dig­lich ei­ne ein­ma­li­ge Hal­bie­rung der Aus­zah­lung im Jahr 2008 er­folg­te, aber im Jahr 2009 und in den Fol­ge­jah­ren auch bei Nicht­ei­ni­gung 12 vH des je­wei­li­gen Ta­bel­len­ent­gelts un­dif­fe­ren­ziert und leis­tungs­un­abhängig ge­zahlt wer­den würde.

d) Be­son­ders deut­lich stützt die Ta­rif­ge­schich­te die­ses Er­geb­nis. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben mit der ursprüng­li­chen Fas­sung der Pro­to­kollerklärung Nr. 2 zu Ab­satz 4 des § 18 TVöD (VKA) deut­lich ge­macht, dass sie das Pro­blem der teil­wei­sen Nicht­aus­zah­lung bei Nicht­ei­ni­gung und da­mit der The­sau­rie­rung ge­se­hen ha­ben. Des­halb wur­de für die Ent­gelt­run­de 2008 die Ana­ly­se der Si­tua­ti­on und die mögli­che Fest­set­zung von Höchst­fris­ten für die teil­wei­se Nicht­aus­zah­lung des Ge­samt­vo­lu­mens ver­ab­re­det. Auch die Fra­ge ei­ner Ver­zin­sung soll­te geklärt wer­den. Die­se Pro­to­kollerklärung wäre wei­test­ge­hend überflüssig ge­we­sen, wenn es je­weils im Fol­ge­jahr be­reits nach der PE Nr. 1 zu ei­ner fast vollständi­gen Ausschüttung ge­kom­men wäre. Dass die Ta­rif­par­tei­en in der Ent­gelt­run­de 2008 ent­ge­gen ih­rer Ankündi­gung das Pro­blem nicht gelöst, son­dern mit dem 2. Ände­rungs-TV vom 31. März 2008 die PE Nr. 2 in ei­nen all­ge­mei­nen Pro­gramm­satz um­ge­wan­delt ha­ben, führt zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Ei­ne Ände­rung der PE Nr. 1 oder sons­ti­ger re­le­van­ter Tei­le des § 18 TVöD (VKA) ist nicht er­folgt.


e) Letzt­lich spricht für die Aus­le­gung des Se­nats auch die Prak­ti­ka­bi­lität in der An­wen­dung der Vor­schrift. So­lan­ge kei­ne dif­fe­ren­zier­te be­trieb­li­che Re­ge­lung ver­ein­bart wird, be­steht ein pau­scha­ler Sur­ro­gat­an­spruch, der aus dem in­di­vi­du­el­len Ta­bel­len­ent­gelt zu er­mit­teln ist, oh­ne dass das ins­ge­samt zur Verfügung ste­hen­de Vo­lu­men nach bis­her nicht be­stimm­ten Kri­te­ri­en ver­teilt wer­den müss­te.


f) Et­was an­de­res er­gibt sich - ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on - nicht aus der Re­ge­lung für Dienst­stel­len oder Un­ter­neh­men oh­ne Per­so­nal- oder Be­triebs­rat in der Pro­to­kollerklärung zu Ab­satz 6 des § 18 TVöD (VKA). Es
 


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kann da­hin­ste­hen, ob die­ser Pro­to­kollerklärung tatsächlich ent­nom­men wer­den kann, dass in Dienst­stel­len oder Un­ter­neh­men oh­ne Per­so­nal- oder Be­triebs­rat ei­ne vollständi­ge Ausschüttung des Ge­samt­vo­lu­mens durch den Dienst­stel­len­lei­ter/Ar­beit­ge­ber zu er­fol­gen hat. Selbst wenn die­se An­nah­me rich­tig wäre, kann nicht auf­grund der Re­ge­lung ei­nes Aus­nah­me­falls dar­auf ge­schlos­sen wer­den, dass dies im Fall der Exis­tenz von Mit­be­stim­mungs­or­ga­nen ent­ge­gen § 18 Abs. 6 Satz 1 TVöD (VKA) eben­so ge­hand­habt wer­den soll­te.


III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten sei­ner er­folg­lo­sen Re­vi­si­on zu tra­gen.


Mi­kosch 

W. Rein­fel­der 

Mest­werdt

Ziel­ke 

Ru­dolph

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