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07/12d Au­ßer­or­dent­li­che Kün­di­gung: Treu­wid­rig­keit der Be­ru­fung auf Zwei­wo­chen­frist (§ 626 Abs.2 BGB)

Die Zwei­wo­chen­frist für ei­ne au­ßer­dent­li­che Kün­di­gung ist auch zu be­ach­ten, wenn die Par­tei­en über ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ver­han­deln: Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 09.02.2007, 3 Sa 383/06
Sanduhr mit rotem Sand Für ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung gilt ei­ne Über­le­gungs­frist von zwei Wo­chen

24.05.2007. Will der Ar­beit­ge­ber ei­nen Ar­beits­ver­trag we­gen ei­nes Pflicht­ver­sto­ßes des Ar­beit­neh­mers au­ßer­or­dent­lich kün­di­gen, muss er sich be­ei­len.

Er hat näm­lich für sei­ne Kün­di­gung ge­mäß § 626 Abs.2 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) nur zwei Wo­chen Zeit, wo­bei die Frist in dem Zeit­punkt be­ginnt, in dem der Ar­beit­ge­ber "al­le Tat­sa­chen zu­sam­men hat", d.h. den Kün­di­gungs­sach­ver­halt aus­rei­chend er­mit­telt und den Ar­beit­neh­mer an­ge­hört hat.

Wäh­rend lau­fen­der Auf­klä­rungs­be­mü­hun­gen des Ar­beit­ge­bers läuft die Zwei­wo­chen­frist zwar nicht. Aber Ver­hand­lun­gen über ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag sind et­was an­de­res: Sie ha­ben mit der Auf­klä­rung nichts zu tun und hem­men die Zwei­wo­chen­frist da­her nicht.

Frag­lich kann höchs­tens sein, ob die Be­ru­fung ei­nes Ar­beit­neh­mers auf den Ab­lauf der Frist des § 626 Abs.2 BGB treu­wid­rig ist, wenn der Ar­beit­neh­mer ge­gen­über dem Ar­beit­ge­ber zu­vor wie­der­holt sei­ne Be­reit­schaft si­gna­li­siert hat, ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag schlie­ßen zu wol­len und der Ar­beit­ge­ber des­halb zu­nächst nicht bzw. spä­ter erst nach Ab­lauf der Zwei­wo­chen­frist kün­digt.

Nein, das ist nicht der Fall, so das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) in Frank­furt: Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 09.02.2007, 3 Sa 383/06.

Läuft die Zwei­wo­chen­frist für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung auch während lau­fen­der Ver­hand­lun­gen über ei­ne gütli­che Ei­ni­gung?

Gemäß § 626 Abs.2 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) ha­ben die Par­tei­en des Ar­beits­ver­trags zwei Wo­chen nach si­che­rer Kennt­nis der Kündi­gungs­gründe Zeit, um ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung zu erklären. Da­bei muss das Kündi­gungs­schrei­ben in­ner­halb der Frist dem Kündi­gungs­adres­sa­ten zu­ge­stellt wer­den.

Frag­lich ist, ob die Be­ru­fung ei­nes Ar­beit­neh­mers auf den Ab­lauf der Frist des § 626 Abs.2 BGB treu­wid­rig ist, wenn der Ar­beit­neh­mer ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber zu­vor wie­der­holt sei­ne Be­reit­schaft si­gna­li­siert hat, ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag schließen zu wol­len und der Ar­beit­ge­ber des­halb zunächst nicht bzw. später erst nach Ab­lauf der Zwei­wo­chen­frist kündigt.

Zu die­ser Fra­ge hat das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) in Frank­furt Stel­lung ge­nom­men.

Der Streit­fall: Ar­beit­neh­mer si­gna­li­siert mehr­fach die Be­reit­schaft zum Auf­he­bungs­ver­trag, un­ter­schreibt dann aber nicht, so dass die Zwei­wo­chen­frist abläuft

Die Par­tei­en strit­ten vor Ge­richt über die Wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung.

Der be­klag­te Ar­beit­ge­ber hat­te ge­genüber dem Ar­beit­neh­mer in ei­nem Schrei­ben vom 21.03.2003 den Vor­wurf er­ho­ben, er ha­be Drit­te be­lei­digt und eh­renrühri­ge Be­haup­tun­gen auf­ge­stellt. In ei­ner Anhörung am 01.04.2003 erklärte sich der Ar­beit­neh­mer mit ei­ner Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses durch ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ein­ver­stan­den.

Dies be­kräftig­te der Kläger noch­mals durch Schrei­ben sei­nes Be­vollmäch­tig­ten vom 02.04.2003 und vom 03.04.2003. Am 18.06.2003 stell­te der Be­klag­te dem Kläger ei­nen Ent­wurf des Auf­he­bungs­ver­tra­ges zur Un­ter­zeich­nung zu. Am 18.09.2003 erklärte der Kläger dann endgültig, dass er den Auf­he­bungs­ver­trag nicht un­ter­schrei­ben wer­de.

Mit Schrei­ben vom 18.09.2003 hörte der Ar­beit­ge­ber den bei ihm ge­bil­de­ten Per­so­nal­rat zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten außer­or­dent­li­chen, hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung an. Nach­dem der Per­so­nal­rat die­se Maßnah­me mit Schrei­ben vom 23.09.2003 ab­lehn­te, kündig­te der Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 29.09.2003 frist­los. Das Kündi­gungs­schrei­ben ging dem Kläger am 30.09.2003 zu.

Im Zu­sam­men­hang mit der frist­ge­recht er­ho­be­nen Kündi­gungs­schutz­kla­ge war der Ar­beit­neh­mer der Mei­nung, dass die Kündi­gung we­gen Nicht­ein­hal­tung der Zwei­wo­chen­frist des § 626 Abs. 2 BGB un­wirk­sam sei.

Der Ar­beit­ge­ber hin­ge­gen war der An­sicht, dass der Be­ru­fung des Klägers auf die Aus­schluss­frist des § 262 Abs. 2 BGB der Ein­wand des Rechts­miss­brauchs ent­ge­gen­ste­he. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts könne die Aus­schluss­frist so­lan­ge nicht als ab­ge­lau­fen be­han­delt wer­den, wie die Par­tei­en in zeit­lich fest be­grenz­ten Ver­hand­lun­gen nach ei­ner Möglich­keit such­ten, das Ar­beits­verhält­nis auf an­de­re Wei­se als durch ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung des Be­rech­tig­ten demnächst zu be­en­den.

Zu berück­sich­ti­gen sei auch, dass der Kläger den Be­klag­ten im gu­ten Glau­ben ge­las­sen ha­be, dass das Beschäfti­gungs­verhält­nis tatsächlich an­der­wei­tig be­en­det wer­de. Nur des­halb ha­be die­ser von der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung Ab­stand ge­nom­men. Die Kündi­gung sei in je­dem Fall in­ner­halb der Zwei­wo­chen­frist ab Kennt­nis der Tat­sa­che, dass ei­ne ein­ver­nehm­li­che Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ent­ge­gen der aus­drück­li­chen Zu­sa­gen des Klägers nicht er­fol­gen wird, er­folgt.

Hes­si­sches LAG: Die Be­ru­fung auf die Zwei­wo­chen­frist ist nicht treu­wid­rig, wenn Ar­beit­neh­mer zu­vor über ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ver­han­delt hat

Das Hes­si­sche LAG in Frank­furt hat ent­schie­den, dass die Be­ru­fung des Klägers auf den Ab­lauf der Frist des § 626 Abs.2 BGB auch dann nicht treu­wid­rig ist, wenn er ge­genüber dem Be­klag­ten wie­der­holt sei­ne Be­reit­schaft si­gna­li­siert hat, ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag schließen zu wol­len und der Be­klag­te des­halb zunächst nicht kündigt. Zur Be­gründung heißt es in dem Ur­teil:

Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündi­gung nur in­ner­halb von zwei Wo­chen er­fol­gen. Die Frist be­ginnt mit dem Zeit­punkt, in dem der Kündi­gungs­be­rech­tig­te von den für die Kündi­gung maßge­ben­den Tat­sa­chen Kennt­nis er­langt. Er­for­der­lich ist ei­ne si­che­re und möglichst vollständi­ge Kennt­nis der für die Kündi­gung maßge­ben­den Tat­sa­chen. Re­gelmäßig ist ei­ne Anhörung des Ar­beit­neh­mers er­for­der­lich, um ihm Ge­le­gen­heit zu ge­ben, die ge­gen ihn spre­chen­den Tat­sa­chen aus­zuräum­en oder ab­zu­mil­dern.

Nach­dem der Ar­beit­ge­ber am 17.03.2003 Kennt­nis von den Vorwürfen ge­gen den Kläger er­hielt, for­der­te er die­sen bin­nen Wo­chen­frist am 21.03.2003 zur Stel­lung­nah­me auf, die am 26.03.2003 ein­ging. Ei­ne wei­te­re Sach­aufklärung konn­te in dem Gespräch vom 01.04.2003 zwi­schen dem Land­rat und dem Kläger statt­fin­den.

Dann aber ha­ben nach dem 01.04.2003 kei­ne wei­te­ren Er­mitt­lun­gen sei­tens der Be­klag­ten statt­ge­fun­den. Die Zwei-Wo­chen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB be­gann da­her nach dem letz­ten Gespräch der Par­tei­en über den Sach­ver­halt am 01.04.2003 zu lau­fen und en­de­te am 15.04.2003. Die vom Be­klag­ten am 29.09.2003 aus­ge­spro­che­ne, dem Kläger am 30.09.2003 zu­ge­gan­ge­ne, außer­or­dent­li­che Kündi­gung ging da­her lan­ge nach Frist­ab­lauf zu.

Al­ler­dings kann sich ein Ar­beit­neh­mer aus­nahms­wei­se dann nicht auf § 626 Abs. 2 BGB be­ru­fen, wenn er sich da­mit in Wi­der­spruch zu sei­nem ei­ge­nen Ver­hal­ten set­zen und ge­gen Treu und Glau­ben ver­s­toßen würde (BAG, Ur­teil vom 27.02.1987, 7 AZR 632/85, zu II. der Gründe). Die­se Aus­nah­me gilt aber nur in ex­trem sel­te­nen Fällen. Die Frist­versäum­ung muss vom gekündig­ten Ar­beit­neh­mer in sei­nem In­ter­es­se ver­an­lasst und durch sein Ver­hal­ten ver­ur­sacht wor­den sein. Die­se Vor­aus­set­zun­gen wa­ren hier im Streit­fall nicht ge­ge­ben, so das LAG.

Ein rechts­miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers gab es hier nicht. Denn er hat den Ar­beit­ge­ber gar nicht um ei­ne Be­denk­zeit oder der­glei­chen ge­be­ten. Durch sei­ne am 01.04.2003 erklärte Be­reit­schaft zum Auflösungs­ver­trag hae er den Ar­beit­ge­ber nicht von der Ein­hal­tung der Zwei­wo­chen­frist ab­ge­hal­ten.

Dem Ar­beit­ge­ber war be­kannt, dass ein Auf­he­bungs­ver­trag die Schrift­form nach § 623 BGB vor­aus­setzt. Es lag da­her in sei­ner Ver­ant­wor­tung, während des Laufs der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ei­nen form­wirk­sa­men Auf­he­bungs­ver­tra­ges her­bei­zuführen. Hier­an hat ihn der Ar­beit­neh­mer nicht ge­hin­dert. Viel­mehr hat­te der Ar­beit­ge­ber es in der Hand, während des Frist­laufs dem Ar­beit­neh­mer ei­ne Frist zur Un­ter­zeich­nung des Auf­he­bungs­ver­tra­ges zu set­zen, um bei de­ren Nicht­be­ach­tung durch den Kläger noch wirk­sam frist­los kündi­gen zu können.

Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en en­de­te auch nicht durch ei­nen (münd­li­chen) Auflösungs­ver­trag vom 03.04.2003 zum 30.09.2003. In­so­weit fehlt es an der nach § 623 BGB er­for­der­li­chen Schrift­form.

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Letzte Überarbeitung: 20. Dezember 2017

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