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LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 06.08.2009, 7 Sa 1674/08

   
Schlagworte: Bezugnahmeklausel, Gleichstellungsabrede, Tarifvertrag: Bezugnahme
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Aktenzeichen: 7 Sa 1674/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 06.08.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 7.10.2008, 10 Ca 130/08
   

Te­nor

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Han­no­ver vom 7. Ok­to­ber 2008, 10 Ca 130/08, ab­geändert:

Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

Der Kläger hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob auf das Ar­beits­verhält­nis die Ta­rif­verträge der D. AG oder die von der Be­klag­ten mit Wir­kung zum 1. Ju­li 2007 ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge An­wen­dung fin­den.

Der am 11. No­vem­ber 1960 ge­bo­re­ne Kläger, der nicht Mit­glied ei­ner Ge­werk­schaft ist, be­gründe­te mit Wir­kung zum 26, Au­gust 1980 ein Ar­beits­verhält­nis mit der DP. Der Ar­beits­ver­trag vom 03. Sep­tem­ber 1980 (Bl. 7 d. A.) enthält u. a. fol­gen­de Re­ge­lung:

Die Be­stim­mun­gen des Ta­rif­ver­tra­ges für die Ar­bei­ter der DP (TV Arb) und der sons­ti­gen Ta­rif­verträge für die Ar­bei­ter der DP gel­ten in ih­rer je­wei­li­gen Fas­sung als un­mit­tel­bar zwi­schen den Ver­trags­par­tei­en ver­ein­bart.

Die DP wur­de im Jahr 1990 durch die Post­re­form I in drei öffent­li­che Un­ter­neh­men auf­ge­teilt. Im Jah­re 1995 er­folg­te ei­ne Pri­va­ti­sie­rung die­ser Un­ter­neh­men. Das Ar­beits­verhält­nis des Klägers wur­de da­bei durch das Post­per­so­nal­rechts­ge­setz auf die D. AG über­ge­lei­tet.
5 § 21 Post­per­so­nal­rechts­ge­setz be­stimmt u. a.:

Die in dem frühe­ren Un­ter­neh­men der DP im Zeit­punkt der Ein­tra­gung in das Han­dels­re­gis­ter gel­ten­den Ta­rif­verträge für die An­ge­stell­ten, Ar­bei­ter und Aus­zu­bil­den­den gel­ten bis zum Ab­schluss neu­er Ta­rif­verträge wei­ter.

Mit Wir­kung zum 1. Ju­li 2001 wur­de der Ta­rif­ver­trag für die Ar­bei­ter der DP (TV Arb) auf­ge­ho­ben. Auf das Ar­beits­verhält­nis des Klägers wur­den in der Fol­ge­zeit die für die D. AG ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge ein­ver­nehm­lich an­ge­wandt.

Die D. AG gründe­te im Jahr 2007 drei T-Ser­vice-Ge­sell­schaf­ten als 100-pro­zen­ti­ge kon­zern­an­gehöri­ge

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Toch­ter­ge­sell­schaf­ten. Zum 25. Ju­ni 2007 wech­sel­ten ent­spre­chend ca. 30.000 Ar­beit­neh­mer so­wie ca. 24.400 Be­am­te zu die­sen Toch­ter­ge­sell­schaf­ten.

Die Be­klag­te über­nahm den Ser­vice­be­reich für den tech­ni­schen Kun­den­dienst und führ­te die Ar­beits­verhält­nis­se mit den in die­sem Be­reich beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern, dar­un­ter das des Klägers, fort. Der Kläger wi­der­sprach dem Be­triebsüber­gang nicht.

Die Be­klag­te schloss am 24. Ju­ni 2007 mit der Ge­werk­schaft ver.di Fir­men­ta­rif­verträge ab, die sie seit dem 1. Ju­li 2007 auf das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger an­wen­det. Die­se Ta­rif­verträge se­hen im Verhält­nis zu den Ta­rif­verträgen der D. AG u. a. ei­ne Erhöhung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 34 auf 38 St­un­den so­wie ei­ne zeit­lich ge­staf­fel­te Ab­sen­kung des Ent­gelts um 6,5 % vor. Die Lauf­zeit des Ver­zichts auf be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen wur­de bis De­zem­ber 2012 verlängert.

Das Ar­beits­ge­richt hat durch ein den Par­tei­en am 21. Ok­to­ber 2008 zu­ge­stell­tes Ur­teil vom 7. Ok­to­ber 2008, auf des­sen In­halt zur wei­te­ren Dar­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Sach- und Streit­stan­des und des­sen Würdi­gung durch das Ar­beits­ge­richt Be­zug ge­nom­men wird (Bl. 190 - 197 d.A.), fest­ge­stellt, dass auf das Ar­beits­verhält­nis des Klägers zur Be­klag­ten die Ta­rif­verträge der D. AG, Ta­rif­stand 24. Ju­ni 2007, an­zu­wen­den sind.

Hier­ge­gen rich­tet sich die am 7. No­vem­ber 2008 ein­ge­leg­te und nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 21. Ja­nu­ar 2009 am 20. Ja­nu­ar 2009 be­gründe­te Be­ru­fung der Be­klag­ten.

Die Be­klag­te ist der Auf­fas­sung, für die er­ho­be­ne Fest­stel­lungs­kla­ge feh­le es an dem er­for­der­li­chen Fest­stel­lungs­in­ter­es­se. Der Kläger hätte die ein­zel­nen Re­ge­lungs­kom­ple­xe, die auf sein Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­den soll­ten, kon­kret in sei­nem An­trag be­nen­nen müssen.

Im Übri­gen fänden auf das Ar­beits­verhält­nis nun­mehr die von ihr mit Wir­kung zum 1. Ju­li 2007 ab­ge­schlos­se­nen Fir­men­ta­rif­verträge An­wen­dung, die als zeit­lich und fach­lich spe­zi­el­le­re Fir­men­ta­rif­verträge die Ta­rif­verträge der D. AG ab­gelöst hätten.

Im Verhält­nis des TV Arb zu den Fir­men­ta­rif­verträgen der D. AG so­wie zu den Fir­men­ta­rif­verträgen der Be­klag­ten lie­ge ein Fall der Ta­rif­suk­zes­si­on vor. Mit der Pri­va­ti­sie­rung und Auf­glie­de­rung der DP in ei­genständi­ge Tei­le­ge­sell­schaf­ten sei der TV Arb durch funk­ti­ons­glei­che Fir­men­ta­rif­verträge der Nach­fol­ge­ge­sell­schaf­ten er­setzt wor­den. Die­ser ta­rif­ver­trag­li­che Zer­glie­de­rungs­pro­zess ha­be sich in struk­tu­rell glei­cher Wei­se durch die Auf­tei­lung der D. AG in klei­ne­re Kon­zern­ge­sell­schaf­ten fort­ge­setzt. Da­bei sei auf der Ge­werk­schafts­sei­te die­sel­be Ge­werk­schaft bzw. de­ren Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­ti­on als Ta­rif­ver­trags­par­tei auf­ge­tre­ten. Auf der Ar­beit­ge­ber­sei­te sei die ta­rif­ver­trag­li­che Kon­ti­nuität da­durch si­cher­ge­stellt, dass die Kon­zern­ge­sell­schaf­ten ta­rif­po­li­tisch und wirt­schaft­lich ein­heit­lich un­ter dem Dach des Ver­bun­des der D. T. bran­chen­be­zo­gen im Be­reich der Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on agier­ten.

Das­sel­be Er­geb­nis fol­ge zu­dem aus ei­ner Aus­le­gung der in dem Ar­beits­ver­trag ent­hal­te­nen Gleich­stel­lungs­ab­re­de.

Ziel der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en sei es ge­we­sen, die für das Un­ter­neh­men je­weils ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge in ih­rer je­wei­li­gen Fas­sung dy­na­misch auf das Ar­beits­verhält­nis an­zu­wen­den. Da­bei sei zu berück­sich­ti­gen, dass der im Ar­beits­ver­trag ge­nann­te Ta­rif­ver­trag für die Ar­bei­ter der DP ent­fal­len und durch die für die D. AG gel­ten­den Ta­rif­verträge er­setzt wor­den sei. Der ar­beits­ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me sei des­halb ei­ne über ih­ren Wort­laut hin­aus­ge­hen­de Be­deu­tung im Sin­ne ei­ner großen dy­na­mi­schen auf den Kon­zern der D. T. be­schränk­ten Be­zug­nah­me­klau­sel bei­zu­mes­sen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­tra­ges der Be­klag­ten im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird Be­zug ge­nom­men auf die Schriftsätze ih­rer Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 20. Ja­nu­ar 2009, 29. Ju­li 2009 und 4. Au­gust 2009 nebst der je­wei­li­gen An­la­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Han­no­ver vom 7. Ok­to­ber 2008 ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen,

hilfs­wei­se

1. fest­zu­stel­len, dass die wöchent­li­che Ar­beits­zeit des Klägers über den 1. Ju­li 2007 hin­aus wei­ter­hin 34 St­un­den beträgt gemäß den ta­rif­li­chen Be­stim­mun­gen der D. AG, Ta­rif­stand 24. Ju­ni 2007;

2. fest­zu­stel­len, dass ent­spre­chend den bis­he­ri­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen zwi­schen dem Kläger und der D. AG die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, dem Kläger ab dem 1. Ju­li 2007 ein mo­nat­li­ches Ent­gelt nach Lohn­grup­pe T6 GrST 4 nach dem Ent­gelt­ta­rif­ver­trag der D. AG, Stand Ju­ni 2007, in Höhe von 3.444,00 € brut­to so­wie ei­ner mo­nat­li­chen vermögens­wirk­sa­men Leis­tung in Höhe von 6,65 € zu zah­len;

3. fest­zu­stel­len, dass ent­spre­chend den bis­he­ri­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen zwi­schen dem Kläger und der D. AG der Sams­tag kein Re­gel­ar­beits­tag ist;

4. fest­zu­stel­len, dass ent­spre­chend den bis­he­ri­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen zwi­schen dem Kläger und der D. AG der Hei­lig­abend (24.12.) und Sil­ves­ter (31.12.) so­wie der Sams­tag vor Os­ter­sonn­tag und

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Pfingst­sonn­tag kei­ne re­gulären Ar­beits­ta­ge sind;

5. fest­zu­stel­len, dass ent­spre­chend den bis­he­ri­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen zwi­schen dem Kläger und der D. AG der Sams­tag und Sonn­tag zu­sam­menhängen­de re­guläre freie Ar­beits­ta­ge pro Wo­che sind;

6. fest­zu­stel­len, dass ent­spre­chend den bis­he­ri­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen zwi­schen dem Kläger und der D. AG der es kei­nen so ge­nann­ten op­ti­mier­ten Dienst­an­tritt gibt;

7. fest­zu­stel­len, dass der Kläger ent­spre­chend den bis­he­ri­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen zwi­schen dem Kläger und der D. AG gemäß § 26 MTV i.V.m. § 7 des Ta­rif­ver­tra­ges über Son­der­re­ge­lun­gen be­son­de­ren Kündi­gungs­schutz für älte­re Ar­beit­neh­mer bei der D. AG, Ta­rif­stand 24. Ju­ni 2007, be­sitzt.

Er ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil nach Maßga­be der Schriftsätze sei­ner Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 25. Fe­bru­ar 2009 und 31. Ju­li 2009 nebst An­la­gen.

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist statt­haft, sie ist form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den und da­mit ins­ge­samt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.

II.

Die Be­ru­fung ist auch be­gründet.

1. Ge­gen die Zulässig­keit der er­ho­be­nen Fest­stel­lungs­kla­ge be­ste­hen kei­ne durch­grei­fen­den Be­den­ken. Ins­be­son­de­re be­steht für sie das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se.

Ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge kann sich auf ein­zel­ne Be­zie­hun­gen oder Fol­gen aus ei­nem Rechts­verhält­nis, auf be­stimm­te Ansprüche oder Ver­pflich­tun­gen oder auf den Um­fang ei­ner Leis­tungs­pflicht be­schränken. Ge­gen­stand ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge kann nach der zu­tref­fen­den Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts auch die An­wend­bar­keit ei­nes be­stimm­ten Ta­rif­ver­tra­ges oder Ta­rif­wer­kes sein (BAG vom 22. Ja­nu­ar 2008, 4 AZR 184/07, AP Nr. 66 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag).

Das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 17. Ja­nu­ar 2001 (4 AZR 641/00, ZTR 2002, 377-378) steht nicht ent­ge­gen. Nach die­sem Ur­teil ist Vor­aus­set­zung für die Zulässig­keit ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge, dass der Fest­stel­lungs­an­trag ge­eig­net ist, den zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­den Streit zu be­en­den und die an­dern­falls er­for­der­li­chen Leis­tungs­kla­gen ent­behr­lich zu ma­chen. Dies ist vor­lie­gend der Fall. Da­bei ist es ent­ge­gen der von der Be­klag­ten ver­tre­te­nen Auf­fas­sung nicht er­for­der­lich, dass der Kläger im An­trag die Ta­rif­verträge kon­kret be­nennt, die auf sein Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­den sol­len. Denn nach dem ge­stell­ten An­trag sol­len sämt­li­che Ta­rif­verträge der D. AG mit dem Ta­rif­stand vom 24. Ju­ni 2007 auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en an­wend­bar sein. Da­mit wird hin­rei­chend klar, wel­che Ta­rif­verträge ge­meint sind.

2. Die Kla­ge ist je­doch nicht be­gründet.

Die er­ken­nen­de Kam­mer ist wie auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein (Ur­teil vom 13. Mai 2009, 6 Sa 390/08, Re­vi­si­on ein­ge­legt un­ter dem Ak­ten­zei­chen 4 AZR 501/09) und ent­ge­gen der von dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln ver­tre­te­nen Auf­fas­sung (Ur­tei­le vom 25. März 2009, 9 Sa 972/08, 9 Sa 1147/08 und 9 Sa 1148/08, Re­vi­si­on ein­ge­legt un­ter den Ak­ten­zei­chen 4 AZR 494/09 bis 496/09) zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass die Ta­rif­verträge der D. AG auf das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis kei­ne An­wen­dung mehr fin­den. Viel­mehr sind die von der Be­klag­ten ab­ge­schlos­se­nen Fir­men­ta­rif­verträge Ver­trags­in­halt ge­wor­den.

2.1. Dies er­gibt ei­ne ergänzen­de Aus­le­gung der in dem Ar­beits­ver­trag des Klägers vom 1. Ju­ni 1970 ent­hal­te­nen Be­zug­nah­me­klau­sel.

Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so aus­zu­le­gen, wie die Par­tei­en sie nach Treu und Glau­ben un­ter Berück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­sit­te ver­ste­hen muss­ten. Da­bei ist von dem Wort­laut aus­zu­ge­hen. Zur Er­mitt­lung des wirk­li­chen Wil­lens der Par­tei­en sind aber auch die außer­halb der Ver­ein­ba­rung lie­gen­den Umstände ein­zu­be­zie­hen, so­weit sie ei­nen Schluss auf den Sinn­ge­halt der Erklärung zu­las­sen. Dies gilt auch für dy­na­mi­sche Ver­wei­sungs­klau­seln (BAG vom 22. Ok­to­ber 2008, 4 AZR 784/07, AP Nr. 66 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag).

2.1.1. Die Be­zug­nah­me auf die Be­stim­mun­gen des Ta­rif­ver­tra­ges für die Ar­bei­ter der DP in dem Ar­beits­ver­trag des Klägers stellt, wo­von bei­de Par­tei­en zu­tref­fend aus­ge­hen, ei­ne so ge­nann­te Gleich­stel­lungs­ab­re­de im Sin­ne der frühe­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts dar, die für so ge­nann­te Altfälle wie den vor­lie­gen­den aus Gründen des Ver­trau­ens­schut­zes auch wei­ter­hin maßgeb­lich ist. Mit ihr sol­len die nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer mit den ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern gleich­ge­stellt wer­den. Die­se Aus­le­gung hat zur Fol­ge, dass die ver­trag­li­che An­bin­dung an die dy­na­mi­sche Ent­wick­lung der ta­rif­lich ge­re­gel­ten Ar­beits­be­din­gun­gen en­det, wenn sie ta­rif­recht­lich auch für ei­nen ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer en­det (BAG vom 22. Ok­to­ber 2008, aaO).

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Das Bun­des­ar­beits­ge­richt un­ter­schei­det zwi­schen ei­ner so ge­nann­ten klei­nen dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me­klau­sel, bei der sich die Dy­na­mik al­lein auf das zeit­li­che Mo­ment be­zieht, und der so ge­nann­ten großen dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me­klau­sel, die als Ta­rif­wech­sel­klau­sel auch be­trieb­lich bzw. fach­lich dy­na­misch wirkt, so dass der je­weils für den Be­trieb fach­lich bzw. be­trieb­lich maßgeb­li­che der Ta­rif­ver­trag gilt (BAG vom 29. Au­gust 2007, 4 AZR 767/06, AP Nr. 61 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag).

2.1.2. Die Par­tei­en ha­ben vor­lie­gend die Be­stim­mun­gen des Ta­rif­ver­trags für die Ar­bei­ter der DP in ih­rer je­wei­li­gen Fas­sung für an­wend­bar erklärt. Es han­delt sich des­halb zunächst um ei­ne klei­ne dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me­klau­sel, bei der die ge­nann­ten ta­rif­li­chen Be­stim­mun­gen in zeit­li­cher Hin­sicht dy­na­misch gel­ten soll­ten. Die Klau­sel er­fasst da­bei nach ih­rem Wort­laut al­le Ta­rif­verträge für die Ar­bei­ter der DP er­fasst.

2.1.3. Die Be­zug­nah­me auf ein be­stimm­tes Ta­rif­werk kann über ih­ren Wort­laut hin­aus dann als ei­ne große dy­na­mi­sche Ver­wei­sung im Sin­ne ei­ner Be­zug­nah­me auf den je­weils für den Be­trieb fach­lich bzw. be­trieb­lich gel­ten­den Ta­rif­ver­trag aus­ge­legt wer­den, wenn sich dies aus be­son­de­ren Umständen er­gibt (BAG vom 22. Ok­to­ber 2008, a.a.O.).

Der­ar­ti­ge be­son­de­re Umstände lie­gen hier vor.

Die Par­tei­en des Ar­beits­ver­tra­ges ha­ben die Gel­tung der Ta­rif­verträge für die Ar­bei­ter der DP ver­ein­bart vor dem Hin­ter­grund, dass ei­ne Beschäfti­gung im Öffent­li­chen Dienst er­fol­gen und die Vor­schrif­ten des öffent­li­chen Diens­tes an­ge­wen­det wer­den soll­ten. Nicht vor­aus­seh­bar war da­bei, dass die DP 20 Jah­re später pri­va­ti­siert wer­den würde. Ein Fest­hal­ten an dem der Wort­laut des Ar­beits­ver­tra­ges hätte zur Fol­ge, dass die Ar­beits­be­din­gun­gen auf dem zu­letzt gülti­gen Stand der Ta­rif­verträge für die Ar­bei­ter der DP ein­ge­fro­ren wären. Dies war von den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en mit Si­cher­heit nicht ge­wollt.

Zweck der ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me war die Ver­ein­ba­rung der­je­ni­gen Ar­beits­be­din­gun­gen, die bei der DP für die ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer kraft Ta­rif­ver­tra­ges (§ 3 Abs. 1 TVG) gel­ten. Die ver­trag­li­che Be­zug­nah­me­klau­sel ist da­her im We­ge der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung so zu ver­ste­hen, dass sie al­le Ta­rif­verträge in Be­zug nimmt, die funk­ti­ons­gleich an die Stel­le des aus­drück­lich an­geführ­ten Ta­rif­ver­tra­ges für die Ar­bei­ter der DP ge­tre­ten sind. Sie um­fasst da­her al­le Ta­rif­verträge, die den TV Arb funk­ti­ons­gleich er­set­zen. Die Par­tei­en des Ar­beits­ver­tra­ges woll­ten er­rei­chen, dass der Kläger an den ta­rif­li­chen Ent­wick­lun­gen an sei­nem kon­kre­ten Ar­beits­platz teil­nimmt, und zwar auch, wenn an die Stel­le der Behörde ein pri­vat­recht­li­cher Kon­zern tritt. Dies gilt je­den­falls so­lan­ge, wie es sich um Ta­rif­verträge han­delt, die als ei­ne Fort­ent­wick­lung des ursprüng­lich bei der DP ge­schaf­fe­nen Ta­rif­gefüges an­ge­se­hen wer­den können.

Um ei­ne sol­che Fort­ent­wick­lung han­delt es sich bei den von der Be­klag­ten ab­ge­schlos­se­nen neu­en Ta­rif­verträgen.

Bei der Be­klag­ten han­delt es sich um 100-pro­zen­ti­ge Toch­ter­ge­sell­schaft der D. AG. Das be­deu­tet, dass nach wie vor auf der Ar­beit­ge­ber­sei­te ei­ne Kon­zern­ge­sell­schaft Ta­rif­ver­trags­par­tei ist, während Ta­rif­part­ner wei­ter­hin die Ge­werk­schaft ver.di ist.

Ein Bran­chen­wech­sel ist zu­dem nicht ein­ge­tre­ten. Für den Kläger fin­den nach wie vor die Ta­rif­verträge der Bran­che Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on An­wen­dung. Dies un­ter­schei­det die vor­lie­gen­de Fall­kon­stel­la­ti­on von dem Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 22. Ok­to­ber 2008 (4 AZR 784/07, a.a.O.).

Zu­dem wäre das­sel­be Er­geb­nis er­zielt wor­den, wenn die D. AG be­reits vor dem er­folg­ten Be­triebsüber­gang für den Be­reich, in dem der Kläger tätig war, mit der Ge­werk­schaft ver.di Spar­ten­ta­rif­verträge ab­ge­schlos­sen hätte. Die­se wären dann auch nach Auf­fas­sung des Klägers In­halt des bei der D. AG be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses ge­wor­den und hätten mit­hin nach dem Be­triebsüber­gang wei­ter­ge­gol­ten. Dies zeigt, dass die er­folg­te Aus­glie­de­rung nicht ent­schei­dend ge­gen die Gel­tung der neu­en Ta­rif­verträge spre­chen kann.

2.1.4. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat im Übri­gen be­reits in ei­nem Ur­teil vom 4. Sep­tem­ber 1996 (4 AZR 135/95, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag) ent­schie­den, dass ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Ver­wei­sungs­klau­sel, die auf ei­nen kon­kret be­nann­ten Ta­rif­ver­trag Be­zug nimmt, bei ei­nem Ver­bands­wech­sel des Ar­beit­ge­bers in der Re­gel da­hin­ge­hend kor­ri­gie­rend aus­ge­legt wer­den muss, dass ei­ne Ver­wei­sung auf den je­weils für den Be­trieb gel­ten­den Ta­rif­ver­trag er­folgt, wenn die Ta­rif­verträge wie vor­lie­gend von der­sel­ben Ge­werk­schaft ab­ge­schlos­sen wor­den sind. Da­bei ist das Bun­des­ar­beits­ge­richt da­von aus­ge­gan­gen, dass es bei ent­spre­chen­der Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­ge­bers in sol­chen Fällen nicht dar­um geht, mit dem Ar­beit­neh­mer ein be­stimm­tes Ta­rif­werk auf Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses als an­wend­bar zu ver­ein­ba­ren, son­dern nur dar­um, ihn mit sol­chen Ar­beit­neh­mern gleich­zu­stel­len, die an die je­weils ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge kraft Mit­glied­schaft in der ta­rif­ver­trag­schließen­den Ge­werk­schaft nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG ge­bun­den sind.

2.1.5. Bestätigt wird die er­folg­te Aus­le­gung durch die tatsächli­che Hand­ha­bung der Par­tei­en bei dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers von der DP auf die D. AG. Un­strei­tig wur­den ab dem Jahr 2001 nur noch die Ta­rif­verträge der D. AG ein­ver­nehm­lich auf das Ar­beits­verhält­nis an­ge­wandt. Dies zeigt, dass die Par­tei­en die ar­beits­ver­trag­li­che Be­zug­nah­me­klau­sel so in­ter­pre­tiert ha­ben, dass die für die Ar­beit­ge­be­rin maßgeb­li­chen Ta­rif­verträge der­sel­ben Bran­che gel­ten sol­len, so­weit die­se funk­ti­ons­gleich an die Stel­le des aus­drück­lich an­geführ­ten Ta­rif­ver­tra­ges ge­tre­ten sind.

2.2. Der 6. Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist im Übri­gen in zwei Ent­schei­dun­gen aus den Jah­ren 2007 und 2008 hin­sicht­lich der im Streit ste­hen­den Klau­sel oh­ne nähe­re Be­gründung von ei­ner großen dy­na­mi­schen Ver­wei­sung aus­ge­gan­gen. So wird in dem Ur­teil vom 28. No­vem­ber 2007 (6 AZR 390/07, ZTR 2008, 445) für ei­ne gleich­lau­ten­de

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Klau­sel aus­geführt, der Ar­beits­ver­trag ver­wei­se da­mit dy­na­misch auf sämt­li­che ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge, die von der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin ab­ge­schlos­sen wor­den sind. In dem Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2008 (6 AZR 76/07, aaO) wur­de aus­geführt, dass die Be­zug­nah­me­klau­sel so zu ver­ste­hen ist, dass sie al­le für Ar­bei­ter ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge in ih­rer je­wei­li­gen Fas­sung in den Ver­trag ein­be­zie­hen soll­te. Wes­halb die im Streit ste­hen­de Be­zug­nah­me­klau­sel bei dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses auf die Be­klag­te an­ders zu ver­ste­hen sein soll als bei dem Wech­sel von der DP auf die D. AG, ist nicht er­sicht­lich.

III.

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten war das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger hat als un­ter­lie­gen­de Par­tei gemäß § 91 ZPO die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­ruht auf § 72 Abs. 2 Zif­fer 1 ArbGG.

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