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Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 07.04.2009, 13 Sa 1166/08

   
Schlagworte: Kündigung: Fristlos, Private Telefonate
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 13 Sa 1166/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 07.04.2009
   
Leitsätze: Droht ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in einer Nutzungsvereinbarung Mobiltelefon den Widerruf der Erlaubnis "gelegentlicher" privater Nutzung für den Fall der "mißbräuchlichen Ausweitung der Nutzung" an, so ist eine statt dessen ausgesprochenen Kündigung jedenfalls ohne vorherige Abmahnung unwirksam.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Darmstadt, Urteil vom 05.03.2008, 5 Ca 371/07
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hes­sen
Urt. v. 07.04.2009, Az.: 13 Sa 1166/08

 

Te­nor:

Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Darm­stadt vom 05. März 2008 – 5 Ca 371/07 – ab­geändert.

Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 16. Au­gust 2007 we­der außer­or­dent­li­che noch un­ter Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist be­en­det wor­den ist.

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger als Kaufmänni­schen An­ge­stell­ten zu den bis­he­ri­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Wirk­sam­keit ei­ner von der Be­klag­ten am 16. Au­gust 2007 aus­ge­spro­che­nen außer­or­dent­li­chen, hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung zum 29. Fe­bru­ar 2008.

Der am XX.XX.19XX ge­bo­re­ne Kläger ist ver­hei­ra­tet und hat zwei Kin­der. Er ist bei der Be­klag­ten seit 01. De­zem­ber 1987, zu­letzt als kaufmänni­scher An­ge­stell­ter, zu ei­nem Brut­to­quar­tals­be­zug vom 13.610,00 € beschäftigt.

Bei der Be­klag­ten sind re­gelmäßig mehr als 10 Ar­beit­neh­mer tätig.

Un­ter dem 30. Mai 2005 un­ter­zeich­ne­te der Kläger ei­ne „Nut­zungs­erklärung Mo­bil­te­le­fon“ (Bl. 31 d. A.) in der es heißt:

„Mir wur­de aus dienst­li­chen Gründen ein Mo­bil­te­le­fon über­las­sen. Hier­mit erkläre ich, dass ich die ge­le­gent­li­che Nut­zung des Mo­bil­te­le­fons zu pri­va­ten Zwe­cken im Rah­men der Kon­zern­be­triebs­ver­ein­ba­rung „Ver­ein­ba­rung zur Nut­zung der

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be­trieb­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­en“ vom 1. Ju­li 2004 be­an­tra­ge.

Ich bin da­mit ein­ver­stan­den, dass die Gebühr in Höhe von € 10,00 im Rah­men mei­ner mo­nat­li­chen Ent­gel­tab­rech­nung ein­be­hal­ten wird. Mir ist be­kannt, dass die Er­laub­nis der pri­va­ten Nut­zung bei ei­ner miss­bräuch­li­chen Aus­wei­tung der Nut­zung je­der­zeit durch das Un­ter­neh­men wi­der­ru­fen wer­den kann.“

Am 07. Au­gust 2007 wur­de der Kläger um 8.00 Uhr zu ei­nem Per­so­nal­gespräch ge­be­ten. Dem Kläger wur­de die von der Be­klag­ten vor­ge­leg­te An­la­ge B 3 (Bl. 29 d. A.) mit den ab­so­lu­ten Rech­nungs­beträgen für das Mo­bil­te­le­fon, d. h. so­wohl für dienst­li­che als auch pri­va­te Gespräche, vor­ge­legt. Ihm wur­de vor­ge­hal­ten, dass die Ein­zel­ver­bin­dungs­nach­wei­se für den Mo­nat Mai und Ju­ni 2007 für sein Dienst­han­dy zum weit­aus über­wie­gen­den Teil nur ei­ne in kei­nem be­ruf­li­chen Zu­sam­men­hang ste­hen­de Num­mer auf­wie­sen, nämlich A. Auch wur­de ihm vor­ge­hal­ten, dass die Gespräche mehr­fach zwi­schen 20 und 40 Mi­nu­ten und ein­mal mehr als ei­ne St­un­de auf­wie­sen. Die Ein­las­sun­gen des Klägers hier­zu sind zwi­schen den Par­tei­en strei­tig.

In ei­nem wei­te­ren Gespräch vom 07. Au­gust 2007 mit dem Kläger hat die­ser sich un­strei­tig an­ge­bo­ten, die Beträge für die pri­va­te Nut­zung zurück­zu­zah­len.

Mit Schrei­ben vom 16. Au­gust 2007 (Bl. 3 d. A.) kündig­te die Be­klag­te das be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis frist­los, hilfs­wei­se frist­gemäß zum 29. Fe­bru­ar 2008 we­gen übermäßiger pri­va­ter Nut­zung des Dienst­han­dys.

Hier­ge­gen hat sich der Kläger mit der am 23. Au­gust 2007 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen und der Be­klag­ten un­ter dem 07. Sep­tem­ber 2007 zu­ge­stell­ten Kündi­gungs­schutz­kla­ge ge­wandt.

Der Kläger hat die Kündi­gung für grund­los und so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ge­hal­ten.Darüber hin­aus hat er be­zwei­felt, dass der Be­triebs­rat vor Aus­spruch der Kündi­gung ord­nungs­gemäß an­gehört wor­den sei. Er, der Kläger, sei nach­gerück­tes Er­satz­mit­glied des Be­triebs­rats.

Der Kläger hat be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung, hilfs­wei­se or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 16. Au­gust 2007 auf­gelöst wor­den ist,

2. für den Fall des Ob­sie­gens die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihn als kaufmänni­schen An­ge­stell­ten zu den bis­he­ri­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat be­haup­tet, am 26. Ju­li 2007 ha­be sich der Lei­ter Si­te-IT B Per­so­nal­lei­ter der Be­klag­ten C ge­mel­det und die­sem vor­ge­tra­gen, dass die Dienst­han­dy- Rech­nun­gen des Klägers im Ver­gleich zu den an­de­ren Kol­le­gen von der ab­so­lu­ten Höhe her außer­gewöhn­lich sei­en. Ihm sei­en die ho­hen Beträge im Rah­men ei­ner Rou­ti­neüber­prüfung der Rech­nungs­beträge für die Dienst­han­dys sei­nes Be­reichs auf­ge­fal­len. Die Aus­wer­tung, so hat die Be­klag­te be­haup­tet, ha­be er­ge­ben, dass ei­ne be­stimm­te Te­le­fon­num­mer, die der Kläger in den Mo­na­te Mai und Ju­ni 2007 gewählt ha­be, zu 83 % die­se Kos­ten ver­ur­sacht ha­be. Es han­de­le sich um die oben ge­nann­te „pri­va­te“ Te­le­fon­num­mer A. Ein Kon­troll­an­ruf dort hat un­strei­tig er­ge­ben, dass es sich um ei­ne Teil­neh­me­rin aus D han­delt.

In dem zwei­ten Gespräch vom 7. Au­gust 2007 ha­be der Kläger, so hat die Be­klag­te wei­ter be­haup­tet, erklärt, dass es nicht in sei­ner Ab­sicht ge­le­gen ha­be, für solch ho­he Beträge pri­vat zu

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te­le­fo­nie­ren. Er ha­be nicht böswil­lig oder mut­wil­lig ge­han­delt.

Der vom Kläger ver­ur­sach­te Scha­den lie­fe für die Mo­na­te Sep­tem­ber 2006 bis Ju­ni 2007 auf ca. 2.900,00 € hin­aus. Auf­grund ei­nes Großkun­den­ra­bat­tes ermäßige sich die­ser Be­trag um 32 %, so dass der der Be­klag­ten in Rech­nung ge­stell­te Be­trag 1.872,00 € be­tra­ge.

Durch Ur­teil vom 05. März 2008 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen, im We­sent­li­chen mir der Be­gründung, die um­fang­rei­chen pri­va­ten Te­le­fo­na­te des Klägers über das Dienst­han­dy auf Kos­ten der Be­klag­ten recht­fer­tig­ten die frist­lo­se Kündi­gung, für die er­ho­be­nen Te­le­fon­da­ten be­ste­he kein Be­weis­ver­wer­tungs­ver­bot. Der Be­triebs­rat sei ord­nungs­gemäß be­tei­ligt ge­we­sen. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf den Tat­be­stand und die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ver­wie­sen (Bl. 101 - Bl. 112 d. A.).

Ge­gen die­ses dem Kläger am 30. Ju­ni 2008 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die­ser mit ei­nem am 23. Ju­li 2008 beim er­ken­nen­den Ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach recht­zei­tig be­an­trag­ter Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis 31. Ok­to­ber 2008 mit ei­nem am 01. Ok­to­ber 2008 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Der Kläger wie­der­holt und ver­tieft sein erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen. Nach wie vor hält er die Kündi­gung un­ter Berück­sich­ti­gung sei­ner Beschäfti­gungs­dau­er und sei­nes Le­bens­al­ters bei der ge­bo­te­nen Ge­samt­abwägung al­ler Umstände für un­wirk­sam. Der Kläger ist wei­ter der Auf­fas­sung, bei der Er­mitt­lung der ihn be­tref­fen­den Te­le­fon­da­ten ha­be die Be­klag­te ge­gen das Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats ver­s­toßen wie auch ge­gen die Vor­schrif­ten des Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­set­zes. Hier­aus, so meint der Kläger, er­ge­be sich ein Be­weis­ver­wer­tungs­ver­bot für die von der Be­klag­ten zur Be­gründung der Kündi­gung ins Feld geführ­ten pri­va­ten Te­le­fon­da­ten.

Der Kläger be­an­tragt,

1. das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Darms­stadt vom 05. März 2008 - 5 Ca 371/07 - ab­zuändern und fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die außer­or­dent­li­che, hilfs­wei­se or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 16. Au­gust 2007 nicht auf­gelöst wor­den ist,

2. für den Fall des Ob­sie­gens die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihn als kaufmänni­schen An­ge­stell­ten zu den bis­he­ri­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil und un­ter­mau­ert ih­re An­sicht zur Be­rech­ti­gung der Kündi­gung mit wei­te­ren recht­li­chen Erwägun­gen. Im Übri­gen, so be­haup­tet die Be­klag­te wei­ter, ha­be der Kläger den Miss­brauch sei­nes Dienst­han­dys vor­ge­richt­lich so­gar ein­ge­stan­den.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en im zwei­ten Rechts­zug wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie auf die Nie­der­schrift der Be­ru­fungs­ver­hand­lung vom 07. April 2009 Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die gemäß den §§ 8 Abs. 2 ArbGG; 511 ZPO an sich statt­haf­te Be­ru­fung be­geg­net hin­sicht­lich des Wer­tes des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des (§ 64 Abs. 2 lit. c ArbGG) kei­nen Be­den­ken. Sie ist nach Maßga­be der im Tat­be­stand mit­ge­teil­ten Da­ten form- und frist­ge­recht ein­ge­legt so­wie recht­zei­tig und ord­nungs­gemäß be­gründet wor­den (§§ 66 Abs. 1 ArbGG; 517, 519, 520 ZPO) und da­mit ins­ge­samt zulässig.

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In der Sa­che ist die Be­ru­fung er­folg­reich. Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Un­recht ab­ge­wie­sen.

Der Kläger hat nach recht­zei­ti­ger Kla­ge­er­he­bung im Sin­ne des zwei­fels­frei an­wend­ba­ren Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes (§§ 1 Abs. 1; 23 Abs. 1; 4 KSchG) An­spruch auf die be­gehr­te Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der von der Be­klag­ten aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung vom 16. Au­gust 2007.

Die­ser Kündi­gung steht ein wich­ti­ger Grund, der das Ar­beits­verhält­nis frist­los be­en­den könn­te, nicht zur Sei­te. Nach dem Ge­setz (§ 626 Abs. 1 BGB) kann ein Ar­beits­verhält­nis von je­dem Ver­trags­teil aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf­grund de­rer dem Kündi­gen­den un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­falls und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann.

Die Prüfung die­ses wich­ti­gen Grun­des er­folgt nach all­ge­mei­ner Auf­fas­sung in zwei Stu­fen: zunächst ist zu prüfen, ob ein be­stimm­ter Sach­ver­halt an sich ge­eig­net ist, ei­nen wich­ti­gen Grund ab­zu­ge­ben, so­dann muss un­ter­sucht wer­den ob die Abwägung der kon­kret berühr­ten In­ter­es­sen die Kündi­gung recht­fer­tigt. Not­wen­dig ist da­bei ei­ne um­fas­sen­de Güter- und In­ter­es­sen­abwägung. Es sind die In­ter­es­sen des Kündi­gen­den an ei­ner Auflösung und das In­ter­es­se des Kündi­gungs­empfängers an der Auf­recht­er­hal­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­genüber­zu­stel­len. Von Be­deu­tung sind zum Bei­spielt Art und Schwe­re der Ver­feh­lung, die Be­harr­lich­keit des pflicht­wid­ri­gen Ver­hal­tens, der Grad des Ver­schul­dens, die Fol­gen der Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses und die Größe des Be­triebs, ins­be­son­de­re we­gen der be­trieb­li­chen und wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen des Fehl­ver­hal­tens. Auch kommt dem so­zia­len Be­sitz­stand des Ar­beit­neh­mers ein ho­her Stel­len­wert zu (vgl. da­zu im Ein­zel­nen grund­le­gend BAG vom 17. Mai 1984 AP Nr. 14 zu § 626 BGB Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lun­gen; BAG vom 14. Sep­tem­ber 1994, AP Nr. 24 zu § 626 BGB Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lun­gen; ErfK/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2008, § 626 BGB Randz. 15 f. und 42 f.).

Hier wird man der Be­kla­gen und mit ihr dem Ar­beits­ge­richt zu­ge­ste­hen müssen, das um­fang­rei­che, un­er­laub­te und heim­lich geführ­te pri­va­te Te­le­fo­na­te auf Kos­ten des Ar­beit­ge­bers durch­aus ge­eig­net sind, auch oh­ne Ab­mah­nung ei­nen wich­ti­gen Grund für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung ab­zu­ge­ben (BAG vom 04. März 2004 - 2 AZR 147/03 - NJW 2004, 2612; BAG vom 05. De­zem­ber 2002 - 2 AZR 478/01 - DB 2003, 1685). Der be­tref­fen­de Ar­beit­neh­mer be­geht ei­nen kla­ren Ver­s­toß ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Ne­ben­pflich­ten und fügt 13 Sa 1166/08 sei­nem Ar­beit­ge­ber in der Re­gel auch ei­nen merk­li­chen fi­nan­zi­el­len Scha­den zu.

Die so­dann ge­bo­te­ne Abwägung der kon­kret berühr­ten In­ter­es­sen lässt je­doch im vor­lie­gen­den Fall Ge­sichts­punk­te zum Tra­gen kom­men, die letzt­lich ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung ent­ge­gen­ste­hen.

So ist zunächst zu be­ach­ten, dass der zum Zeit­punkt der Kündi­gung 48-jähri­ge Kläger Va­ter von 2 Kin­dern ist und seit mehr als 20 Jah­ren bei der Be­klag­ten beschäftigt ist und sich bis­her nie et­was hat zu schul­den kom­men las­sen. Ei­ne Kündi­gung würde ihn mit un­verhält­nismäßiger Härte tref­fen. Hin­zu kommt, dass der Kläger so­fort Reue ge­zeigt und sich be­reit erklärt hat, den an­ge­rich­te­ten fi­nan­zi­el­len Scha­den zu be­glei­chen. Ei­ne Wie­der­ho­lungs­ge­fahr ist nach den er­kenn­ba­ren Umständen aus­ge­schlos­sen. Es sind auch sonst kei­ne an­de­ren be­trieb­li­chen In­ter­es­sen berührt wor­den, et­wa im Verhält­nis zu Kun­den oder durch in­ner­be­trieb­li­che Ver­wer­fun­gen.

Sch­ließlich muss sich die Be­klag­te auch den Text ih­res selbst for­mu­lier­ten Schrei­bens vom 30. Mai 2005 ent­ge­gen­hal­ten, dass der Kläger als „Nut­zungs­erklärung Mo­bil­te­le­fon“ un­ter­zeich­net hat. Dort ist da­von die Re­de, dass dem Kläger die „ge­le­gent­li­che Nut­zung des Mo­bil­te­le­fons zu pri­va­ten Zwe­cken …“ ge­stat­tet ist. Dafür wur­de dem Kläger pau­schal ein Mo­nats­be­trag vom 10,00 € ein­be­hal­ten. Mit die­sem Recht zur „ge­le­gent­li­chen Nut­zung“ des Dienst­han­dys hat die Be­klag­te die pri­va­te Nut­zung grundsätz­lich ge­stat­tet und über die For­mu­lie­rung der „ge­le­gent­li­chen Nut­zung“

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so­wie der Ab­gel­tungs­pau­scha­le von 10,00 € pro Mo­nat für die pri­va­te Nut­zung höchst un­ge­naue Gren­zen ge­zo­gen. Nie­mand kann ge­nau be­schrei­ben, was ei­ne „ge­le­gent­li­che“ Nut­zung ist und ob die dafür ein­be­hal­te­nen 10,00 € tatsächlich dem Um­fang der Nut­zung ent­spre­chen oder nur ein „Sym­bol­be­trag“ sein sol­len. Die Be­klag­te hat im Ter­min selbst zu­ge­stan­den, dass Über­schrei­tun­gen der 10,00 Eu­ro-Gren­ze selbst um das Dop­pel­te in der Re­gel hin­ge­nom­men würden. Dies be­deu­tet zwar nicht, dass die ex­tre­me pri­va­te Nut­zung des Dienst­han­dys durch den Kläger von der Nut­zungs­erklärung vom 30. Mai 2005 ge­deckt wäre, macht aber deut­lich, dass die Be­klag­te selbst im Rah­men ei­ner ge­wis­sen Schwan­kungs­brei­te durch­aus großzügig sein woll­te.

Dies un­ter­schei­det den vor­lie­gen­den Fall auch von dem Fall, den das Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz am 28. Ju­ni 2007 (- 4 Sa 91/07 -, zit. nach ju­ris) zu ent­schei­den hat­te. Im dor­ti­gen Fall war das Te­le­fo­nie­ren am Ar­beits­platz grundsätz­lich nur zu dienst­li­chen Zwe­cken ge­stat­tet. In ei­ner Dienst­an­wei­sung hat sich der dor­ti­ge Ar­beit­ge­ber bei Verstößen recht­li­che Maßnah­men bis hin zur Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses vor­be­hal­ten. Deut­lich an­ders lag der Fall auch bei dem Ur­teil des Hess. Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 25. No­vem­ber 2004 (- 5 Sa 1299/04 -), wo der be­reits gekündig­te Ar­beit­neh­mer zu­vor schon aus­drück­lich auf die zu ho­hen Kos­ten für pri­va­te Te­le­fo­na­te in der Frei­stel­lungs­pha­se hin­ge­wie­sen wor­den war.

Von ent­schei­den­der Be­deu­tung für die ge­bo­te­ne Ge­samt­abwägung al­ler Umstände ist der letz­te Satz der „Nut­zungs­erklärung Mo­bil­te­le­fon“ vom 30. Mai 2005. Dort hat der Kläger erklärt, ihm sei be­kannt, dass die Er­laub­nis der pri­va­ten Nut­zung bei ei­ner miss­bräuch­li­chen Aus­wei­tung der Nut­zung je­der­zeit durch das Un­ter­neh­men wi­der­ru­fen wer­den kann. Da­mit wird deut­lich, wie die Be­klag­te selbst die Über­schrei­tung der Gren­zen zur er­laub­ten „ge­le­gent­li­chen Pri­vat­nut­zung“ des Dienst­han­dys be­wer­tet. Sie will dem Ar­beit­neh­mer im Miss­brauchs­fall die pri­va­te Nut­zung gänz­lich un­ter­sa­gen. Die Be­klag­te selbst will al­so dem Ver­s­toß ge­gen die „Nut­zungs­erklärung Mo­bil­te­le­fon“ kei­ne Be­deu­tung für den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses bei­mes­sen, son­dern meint, ihn durch den Ent­zug jeg­li­cher pri­va­ter Nut­zung aus­rei­chend sank­tio­nie­ren zu können. Hier­von durf­te auch der Kläger als Un­ter­zeich­ner die­ser Erklärung aus­ge­hen. Mit der vor­lie­gen­den Kündi­gung hat sich die Be­klag­te in Wi­der­spruch zu ih­rem bis­he­ri­gen Ver­hal­ten ge­setzt und den Kläger über­ra­schend mit ei­ner Kündi­gung kon­fron­tiert, die er nach Maßga­be der un­ter­zeich­ne­ten „Nut­zungs­erklärung Mo­bil­te­le­fon“ nicht er­war­ten muss­te.

Auch in der vom Ar­beits­ge­richt zi­tier­ten Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 04. März 2004 (- 2 AZR 147/03 -, a. a. O.), kam zu dem um­fang­rei­chen un­er­laub­ten, heim­lich geführ­ten Pri­vat­te­le­fo­na­ten noch der Ge­sichts­punkt hin­zu, dass der dor­ti­ge Ar­beit­neh­mer durch die Te­le­fo­na­te über den Dienstap­pa­rat ei­nes Ar­beits­kol­le­gen den Ver­dacht auf die­sen len­ken woll­te. Ein sol­cher Ge­sichts­punkt verschärft den Schuld­vor­wurf eben­so wie das Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers in dem Fall, den das LAG Hamm am 28. No­vem­ber 2008 (- 10 Sa 1921/07 - zit. nach ju­ris) zu ent­schei­den hat­te. Das Dienst­han­dy des dor­ti­gen Ar­beit­neh­mers war mit ei­ner so­ge­nann­ten Twin­Bill-Kar­te aus­ge­stat­tet, die die Er­stel­lung zwei­er un­ter­schied­li­cher Rech­nun­gen (be­ruf­lich und pri­vat) möglich macht. Der dor­ti­ge Kläger hat­te um­fang­rei­che pri­va­te Te­le­fo­na­te geführt, oh­ne dies bei der Nut­zung des Mo­bil­te­le­fons des Ar­beit­ge­bers durch Vor­wahl ei­ner be­stimm­ten Code­num­mer deut­lich zu ma­chen. Sol­che Ge­sichts­punk­te, die das Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers in ei­nem gänz­lich an­de­ren Licht er­schei­nen las­sen, feh­len hier voll­ends. Im Ge­gen­teil hat die Be­klag­te mit ih­rer Ver­ein­ba­rung vom 30. Mai 2005 deut­lich ge­macht, dass sie bei miss­bräuch­li­cher pri­va­ter Nut­zung des dienst­li­chen Mo­bil­te­le­fons „nur“ mit ei­nem gänz­li­chen Ver­bot pri­va­ter Te­le­fo­na­te re­agie­ren wer­de.

Die außer­or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten er­scheint des­halb bei Berück­sich­ti­gung all die­ser Ge­sichts­punk­te un­an­ge­mes­sen und da­mit un­wirk­sam.

Nichts an­de­res gilt für die hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­ne or­dent­li­che Kündi­gung. Sie ist so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt. Ins­be­son­de­re steht ihr ein ver­hal­tens­be­ding­ter Kündi­gungs­grund (§ 1 Abs. 2 KSchG) nicht zur Sei­te.

Auch die or­dent­li­che Kündi­gung un­ter­liegt dem ul­ti­ma-ra­tio Ge­bot. Die­ser kon­kre­ti­siert sich spe­zi­ell im Be­reich der ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung durch das Ge­bot der Ab­mah­nung. Mit die­ser soll vor

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ei­ner Kündi­gung bei Ver­trags­verstößen dem Ar­beits­ver­trags­part­ner deut­lich ge­macht wer­den, dass die an­de­re Sei­te das frag­li­che Ver­hal­ten als Ver­s­toß ge­gen die ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen an­sieht und dem Be­tref­fen­den die Möglich­keit ge­ge­ben wer­den soll, sein Ver­hal­ten zu ändern, um dem Ri­si­ko, gekündigt zu wer­den, zu ent­ge­hen.

Die Ge­sichts­punk­te, die zur Un­wirk­sam­keit der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung geführt ha­ben, sind es auch, die hier zei­gen, dass die Be­klag­te dem Kläger vor Aus­spruch ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung hätte ei­ne Ab­mah­nung zu­kom­men las­sen müssen, be­vor sie den frag­li­chen Sach­ver­halt als Kündi­gungs­grund ver­wen­det. Die Kam­mer hat kei­nen Zwei­fel dar­an, dass der Kläger mit dem Er­halt ei­ner ent­spre­chen­den Ab­mah­nung pri­va­te Te­le­fo­na­te über das Dienst­han­dy so­fort un­ter­las­sen hätte.

Auch ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung ist hier des­halb nicht ge­recht­fer­tigt.

Die Be­klag­te hat als Un­ter­le­ge­ne die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Ei­ne ge­setz­lich be­gründe­te Ver­an­las­sung zur Zu­las­sung der Re­vi­si­on (§ 72 Abs. 2 ArbGG) ist nicht er­sicht­lich.

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