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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/169

Pri­va­te Te­le­fo­na­te: Kei­ne frist­lo­se Kün­di­gung

Frist­lo­se Kün­di­gung bei pri­va­ten Te­le­fo­na­ten mit dem Dienst­han­dy?: Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 07.04.2009, 13 Sa 1166/08
Rechte Hand mit roter Karte Vor­sicht bei der pri­va­ten Nut­zung des Dienst­te­le­fons

17.09.2009. Die miss­bräuch­li­che Nut­zung des Dienst­han­dys für pri­va­te Te­le­fo­na­te kann zu ei­ner frist­lo­se Kün­di­gung füh­ren.

Es fragt sich je­doch, ob dies auch dann gilt, wenn der Ar­beit­ge­ber pri­va­te Te­le­fo­na­te ge­ne­rell ge­stat­tet und nicht hin­rei­chend deut­lich macht, wann ei­ne miss­bräuch­li­che Nut­zung vor­liegt.

Das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) hat­te die­se Fra­ge un­längst zu be­ant­wor­ten, Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 07.04.2009, 13 Sa 1166/08.

Pri­va­te Aus­nut­zung be­trieb­li­cher Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel: Ab­mah­nungs­er­for­der­nis oder Kündi­gungs­grund?

In den letz­ten Jah­ren häufen sich Strei­tig­kei­ten über die Fol­gen der un­er­laub­ten und/oder übermäßigen Pri­vat­nut­zung be­trieb­li­cher Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel. In vie­len Fällen fehlt al­ler­dings ei­ne kla­re, vom Ar­beit­ge­ber ge­zo­ge­ne Gren­ze zwi­schen er­laub­ten und ver­bo­te­nen Nut­zun­gen. Wenn dann der Ar­beit­ge­ber erfährt, dass ein Mit­ar­bei­ter in „völlig über­zo­ge­ner“ Wei­se pri­vat te­le­fo­niert oder ge­surft oder ge­mailt hat, wer­den häufig dras­ti­sche Kon­se­quen­zen ge­zo­gen, d.h. es wird nicht et­wa nur ei­ne Ab­mah­nung (ge­schwei­ge denn ei­ne bloße An­wei­sung) aus­ge­spro­chen, son­dern so­gleich ei­ne frist­lo­se Kündi­gung we­gen Be­trugs und/oder des drin­gen­den Ver­dachts ei­nes Be­trugs erklärt. Zur Be­gründung wird je nach den Umständen auf ho­he Ver­bin­dungs­kos­ten, auf die Heim­lich­keit des vom Ar­beit­neh­mer an den Tag ge­leg­ten Vor­ge­hens oder auf auch auf die Vor­ent­hal­tung von Ar­beits­zeit (Ar­beits­zeit­be­trug) ver­wie­sen.

Für den in die­ser Wei­se „be­straf­ten“ Ar­beit­neh­mer ist der Gang zum Ar­beits­ge­richt bzw. die Kündi­gungs­schutz­kla­ge in al­ler Re­gel un­aus­weich­lich, al­lein schon we­gen des mit ei­ner sol­chen Kündi­gung ver­bun­de­nen An­se­hens­ver­lus­tes und we­gen der von der Ar­beits­agen­tur verhäng­ten Sperr­zeit. Dann hat der Ar­beit­ge­ber gemäß § 626 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) den vom Ar­beit­neh­mer be­gan­ge­nen (er­heb­li­chen) Pflicht­ver­s­toß zu be­le­gen und außer­dem das Ge­richt da­von zu über­zeu­gen, dass das Be­en­di­gungs­in­ter­es­se un­ter Abwägung al­ler Umstände schwe­rer wiegt als das In­ter­es­se des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers an der Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses.

Bei­de Vor­aus­set­zun­gen ei­ner wirk­sa­men außer­or­dent­li­chen Kündi­gung sind oft zwei­fel­haft. Liegt be­reits in ei­nem „übermäßigen“ pri­va­ten Mai­len, Sur­fen oder Te­le­fo­nie­ren ein so er­heb­li­cher Ver­s­toß des Ar­beit­neh­mers ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten, dass ei­ne frist­lo­se Kündi­gung ernst­haft in Be­tracht ge­zo­gen wer­den kann? Wie ist der Um­stand zu be­wer­ten, dass der Ar­beit­ge­ber kei­ne kla­ren Ver­hal­tens­re­geln auf­ge­stellt hat? Und wenn ein er­heb­li­cher Pflicht­ver­s­toß des Ar­beit­neh­mers vor­liegt: Muss nicht die Abwägung des Be­en­di­gungs­in­ter­es­ses ge­gen das Fort­be­stands­in­ter­es­se zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers aus­ge­hen, wenn sein Ver­hal­ten bzw. sein Pflicht­ver­s­toß in ei­ner Grau­zo­ne liegt, die der Ar­beit­ge­ber mit­ver­ur­sacht hat?

Zu die­sen Pro­ble­men hat­te sich das Hes­si­sche LAG in ei­nem kürz­lich ent­schie­de­nen Fall aus­ein­an­der­zu­set­zen (Ur­teil vom 07.04.2009, 13 Sa 1166/08).

Der Fall: 2.000 EUR Ver­bin­dungs­kos­ten durch pri­va­te Nut­zung des Dienst­te­le­fons

Der Ar­beit­neh­mer und Kläger war zum Zeit­punkt der Kündi­gung 48 Jah­re alt. Er war Va­ter zwei­er Kin­der und seit mehr als 20 Jah­ren bei dem Ar­beit­ge­ber als kaufmänni­scher An­ge­stell­ter beschäftigt. In ei­ner 2005 un­ter­zeich­ne­ten „Nut­zungs­erklärung Mo­bil­te­le­fon“ heißt es aus­zugs­wei­se:

„Mir wur­de aus dienst­li­chen Gründen ein Mo­bil­te­le­fon über­las­sen. Hier­mit erkläre ich, dass ich die ge­le­gent­li­che Nut­zung des Mo­bil­te­le­fons zu pri­va­ten Zwe­cken [...] be­an­tra­ge. Ich bin da­mit ein­ver­stan­den, dass die Gebühr in Höhe von Eu­ro 10,00 im Rah­men mei­ner mo­nat­li­chen Ent­gel­tab­rech­nung ein­be­hal­ten wird. Mir ist be­kannt, dass die Er­laub­nis der pri­va­ten Nut­zung bei ei­ner miss­bräuch­li­chen Aus­wei­tung der Nut­zung je­der­zeit durch das Un­ter­neh­men wi­der­ru­fen wer­den kann.“

Im Au­gust 2007 kon­fron­tier­te der Ar­beit­ge­ber den Kläger mit Ein­zel­ver­bin­dungs­nach­wei­sen, die ei­ne sehr um­fang­rei­che pri­va­te Nut­zung des Dienst­han­dys be­leg­ten. Dem­ent­spre­chend ho­he Ver­bin­dungs­kos­ten wa­ren an­ge­fal­len - im­mer­hin knapp 2.000 Eu­ro für die Zeit von Sep­tem­ber 2006 bis Ju­ni 2007. Der Ar­beit­neh­mer bot auf die­sen Vor­halt so­fort an, dem Ar­beit­ge­ber die­se Ver­bin­dungs­kos­ten zu er­stat­ten. Dar­auf­hin erklärte der Ar­beit­ge­ber in­ner­halb der Zwei­wo­chen­frist des § 626 Abs.2 BGB die frist­lo­se Kündi­gung we­gen übermäßiger pri­va­ter Te­le­fo­na­te mit dem Dienst­han­dy. Hilfs­wei­se für den Fall der Un­wirk­sam­keit der frist­lo­sen Kündi­gung wur­de die frist­ge­rech­te ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung erklärt.

Ge­gen die Kündi­gung er­hob der Ar­beit­neh­mer Kündi­gungs­schutz­kla­ge. Das in ers­ter In­stanz mit dem Fall be­fass­te Ar­beits­ge­richt Darm­stadt wies die Kla­ge ab (Ur­teil vom 05.03.2008, 5 Ca 371/07). Dar­auf­hin leg­te der Ar­beit­neh­mer Be­ru­fung zum Hes­si­schen LAG ein.

Hes­si­sches LAG: Ar­beit­ge­ber muss kla­re Gren­zen zie­hen

Das Hes­si­sche LAG hob das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Darm­stadt auf und ent­schied zu­guns­ten des Klägers, dass die strei­ti­gen Kündi­gun­gen un­wirk­sam sind.

In der Ur­teils­be­gründung stellt das LAG al­ler­dings ei­nen ob­jek­ti­ven Pflicht­ver­s­toß des Klägers fest, d.h. es teilt den Vor­wurf des Ar­beit­ge­bers, der Kläger ha­be dem Ar­beit­ge­ber durch sei­ne an­geb­lich miss­bräuch­li­che Ver­wen­dung des Dienst­han­dys ei­nen an sich für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung aus­rei­chen­den Grund im Sin­ne von § 626 BGB ge­ge­ben. Dass das Ur­teil im Er­geb­nis doch zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers aus­ging, lag dar­an, dass der zwei­te Schritt der recht­li­chen Über­prüfung der Kündi­gung, die In­ter­es­sen­abwägung, zu­guns­ten des Klägers aus­ging. Das LAG be­wer­te­te nämlich das Fort­set­zungs­in­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers ge­genüber dem Be­en­di­gungs­in­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers als vor­ran­gig.

Aus­schlag­ge­bend für die­se In­ter­es­sen­abwägung wa­ren das fort­ge­schrit­te­ne Al­ter des Klägers, sei­ne ge­genüber zwei Kin­dern be­ste­hen­den Un­ter­halts­pflich­ten so­wie die lan­ge Zeit ei­ner be­an­stan­dungs­frei­en Tätig­keit für den Ar­beit­ge­ber. Darüber hin­aus hat­te er sich in dem Per­so­nal­gespräch re­umütig ge­zeigt, in­dem er erklärte, den Scha­den aus­zu­glei­chen zu wol­len. Da­her mein­te das LAG, die Ge­fahr ei­ner Wie­der­ho­lung könn­te man aus­sch­ließen. Sch­ließlich wa­ren kei­ne an­de­ren In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers durch das Ver­hal­ten des Klägers be­ein­träch­tigt, d.h. das An­se­hen des Ar­beit­ge­bers (et­wa im Verhält­nis zu Kun­den) war nicht in Mit­lei­den­schaft ge­zo­gen wor­den.

We­sent­lich für das vom LAG ge­fun­de­ne Er­geb­nis war die vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­ar­bei­te­te und vom Ar­beit­neh­mer un­ter­schrie­be­ne „Nut­zungs­erklärung“. Aus die­ser folg­te, dass der Ar­beit­ge­ber der pri­va­ten Nut­zung des Dienst­han­dys kei­ne kla­re Gren­zen ge­zo­gen hat­te. Und vor al­lem wird als Sank­ti­on im Fal­le ei­nes übermäßigen pri­va­ten Te­le­fo­nie­rens le­dig­lich der Wi­der­ruf der Nut­zungs­er­laub­nis an­ge­droht. Vor die­sem Hin­ter­grund muss­te der Ar­beit­neh­mer mit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung für den Fall der übermäßigen Pri­vat­nut­zung nicht rech­nen.

Die Ent­schei­dung des LAG ist im Er­geb­nis rich­tig, kann aber in der Be­gründung nicht recht über­zeu­gen. Es bleibt nämlich un­klar, war­um der Kläger mit der „über­zo­ge­nen“ Pri­vat­nut­zung des Te­le­fons ei­gent­lich ge­gen sei­ne Rechts­pflich­ten ver­s­toßen ha­ben soll. Hier fehlt z.B. ei­ne klar Fest­stel­lung des Ge­richts, dass der Ar­beit­neh­mer über­haupt wuss­te, dass er durch sein Te­le­fo­nie­ren zusätz­li­che - er­heb­li­che - Ver­bin­dungs­kos­ten er­zeug­te. Vor die­sem Hin­ter­grund ist die Re­de von ei­nem „Scha­den“, den der Ar­beit­neh­mer an­ge­rich­tet ha­ben soll, fragwürdig. Auf der Grund­la­ge der vom LAG ge­ge­be­nen Be­gründung ist an­zu­neh­men, dass das Ge­richt an­ders ent­schie­den hätte, wäre der Kläger we­ni­ger lang beschäftigt und hätte er auf die Vorwürfe des Ar­beit­ge­bers an­ders re­agiert. Das wäre aber wohl kaum rich­tig.

Im Er­geb­nis und in der Be­gründung rich­tig ist aber je­den­falls, dass es dem Ar­beit­ge­ber ob­liegt, kla­re Re­geln für die Pri­vat­nut­zung auf­zu­stel­len. Er­laubt der Ar­beit­ge­ber Pri­vat­te­le­fo­na­te im All­ge­mei­nen und setzt er da­bei kei­ne Gren­ze, fällt es schwer, dem Ar­beit­neh­mer ei­ne Grenzüber­schrei­tung zum Vor­wurf zu ma­chen. Da­her soll­te der Ar­beit­ge­ber zeit­li­che und/oder fi­nan­zi­el­le Gren­zen set­zen oder sich von vorn­her­ein bei der Te­le­fon­ge­sell­schaft zwei Rech­nun­gen er­stel­len las­sen, nämlich ei­ne für das be­ruf­li­che und ei­ne an­de­re für das pri­va­te Te­le­fo­nie­ren des Ar­beit­neh­mers, was heu­te oh­ne wei­te­res mit Hil­fe ei­ner „Twin­Bill“-Kar­te möglich ist. Macht der Ar­beit­ge­ber von die­sen recht­li­chen und tech­ni­schen Möglich­kei­ten kei­nen Ge­brauch, soll­ten die Un­klar­hei­ten bei der Fra­ge, wo die Gren­ze zwi­schen er­laub­ter und ver­bo­te­ner Pri­vat­nut­zung liegt, nicht dem Ar­beit­neh­mer zur Last fal­len.

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Letzte Überarbeitung: 18. Dezember 2017

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