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Schadensersatz bei geschlechtsbezogener Diskriminierung
26.05.2016. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) sind aufgrund verschiedener EU-Richtlinien dazu verpflichtet, effektive Maßnahmen zum Schutz gegen geschlechtsbezogene Diskriminierungen zu ergreifen.
Dazu gehört ein wirksamer Ausgleich oder Ersatz von Schäden, die Diskriminierungsopfer erlitten haben. Nationale Schadensersatzregelungen und deren Umsetzung durch die Gerichte der Mitgliedsstaaten müssen abschreckend und zugleich angemessen sein.
Das beinhaltet allerdings nicht unbedingt einen Strafschadensersatz nach amerikanischem Vorbild, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem aktuellen Urteil klargestellt hat: EuGH, Urteil vom 17.12.2015, C-407/14 (Camacho).
- Schreibt das Europarecht einen Strafschadensersatz als Reaktion auf geschlechtsbezogene Diskriminierungen vor?
- Der spanische Vorlagefall: Security-Mitarbeiterin wird nach knapp zweijähriger Tätigkeit unter diskriminierenden Umständen entlassen
- EuGH: Keine Pflicht zur Einführung eines Strafschadensersatzes bei geschlechtsbezogenen Diskriminierungen
Schreibt das Europarecht einen Strafschadensersatz als Reaktion auf geschlechtsbezogene Diskriminierungen vor?
Nach deutschem Recht muss ein Richter bei der Ermittlung des Schadens, den eine geschädigte Person auf der Grundlage einer Schadensersatzvorschrift verlangen kann, wie ein Buchhalter verfahren: Alle in Geld messbaren Vermögensnachteile, die sich infolge des schädigenden Ereignisses ergeben haben, sind auszugleichen, davon sind Vermögensvorteile oder ersparte Aufwendungen abzuziehen usw.
Im Ergebnis sollte der Geschädigte durch den Schadensersatzanspruch so stehen, als hätte es das schädigende Ereignis nie gegeben. Daher schreibt § 249 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor:
"Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre."
Ergänzend dazu kann der Geschädigte in manchen Fällen für immaterielle Nachteile eine "angemessene" Geldentschädigung verlangen, denn schließlich sind nicht alle Einbußen auf Heller und Pfennig zu beziffern. Das gilt insbesondere in Diskriminierungsfällen: Wer aufgrund des "falschen" Geschlechts oder der "falschen" Hautfarbe eine Stelle nicht bekommen hat, hat dadurch nicht nur einen Vermögensachteil in Form entgangener Gehaltszahlungen erlitten, sondern ist in seinem Persönlichkeitsrecht bzw. in seiner Würde verletzt worden. Daher bestimmt § 15 Abs.2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG):
"Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre."
Auch wenn die "angemessene" Geldentschädigung den buchhaltungsmäßig-penibel ermittelten Schadensersatz ergänzt, mit einem Strafschadensersatz nach amerikanischem Vorbild hat sie nichts tun. Denn wie hoch eine "angemessene" Entschädigung im Sinne von § 15 Abs.2 AGG sein sollte, beurteilt sich allein nach den Umständen des Einzelfalls.
Wer sich zum Beispiel für eine für eine Tätigkeit bewirbt, die mit 2.000,00 EUR brutto vergütet wird, und die Stelle aufgrund einer diskriminierenden Entscheidung des Arbeitgebers nicht bekommt, kann gemäß § 15 Abs.2 AGG je nach Lage des Falles eine Entschädigung von zwei, drei oder auch einmal von vier Monatsgehältern verlangen, d.h. die Entschädigung bewegt sich in einem Rahmen von etwa 4.000,00 bis 8.000,00 EUR. Eine Forderung von 1 Million EUR würde dagegen den rechtlichen Rahmen sprengen.
Solche Entschädigungssummen könnte man nur damit begründen, dass sie eine abschreckende Wirkung auf andere mögliche Übeltäter hätten, d.h. sie hätten den Charakter einer öffentlichkeitswirksamen Bestrafung. Diesem Ansatz folgen US-amerikanische Gerichte, die manchmal extrem hohe "punitive damages" verhängen.
Möglicherweise muss sich auch das europäische Anti-Diskriminierungsrecht in diese Richtung bewegen, zumindest beim Schutz vor geschlechtsbezogene Diskriminierung. Denn die Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen enthält in ihrem Art.18 folgende Regelung zum Thema "Schadenersatz oder Entschädigung":
"Die Mitgliedstaaten treffen im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnungen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der einer Person durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts entstandene Schaden - je nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten - tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, wobei dies auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen muss."
Da hier von einer "abschreckenden" Art und Weise der Schadensersatzbemessung die Rede ist, fragt sich, ob der vollständige Ausgleich eines Diskriminierungsschadens (zuzüglich einer Entschädigungskomponente) ausreichend ist.
Der spanische Vorlagefall: Security-Mitarbeiterin wird nach knapp zweijähriger Tätigkeit unter diskriminierenden Umständen entlassen
In dem spanischen Streitfall hatte eine Sicherheitsfirma eine knapp zwei Jahre bei ihr beschäftigte Mitarbeiterin, Frau Camacho, im April 2014 entlassen. Nach erfolgloser Durchführung eines Gütetermins bei der Schiedsstelle reichte Frau Camacho Kündigungsschutzklage ein. Ihrer Ansicht nach war die Kündigung diskriminierend, weshalb sie 6.000,00 EUR Schadensersatz verlangte.
Das mit dem Fall befasste Juzgado de lo Social n°1 de Córdoba (Gericht für Sozial- und Arbeitssachen Nr.1 von Córdoba) setzte den Fall aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob Art.18 der Richtlinie 2006/54/EG die Gerichte der EU-Mitgliedsstaaten verpflichte, in Fällen einer geschlechtsbezogenen Diskriminierung einen Strafschadensersatz zu verhängen.
Nach Ansicht des spanischen Gerichts beruhte die Kündigung nämlich auf einer geschlechtsbezogenen Diskriminierung (warum, wird nicht gesagt), doch wären die dadurch verursachten Schäden Frau Camachos mit 3.000,00 EUR vollständig ausgeglichen (warum, wird nicht gesagt). Ein Schadensersatz von 6.000,00 EUR käme nur als Strafschadensersatz in Betracht. Eine solche Art von Schadensersatz sieht das spanische Recht aber nicht vor.
EuGH: Keine Pflicht zur Einführung eines Strafschadensersatzes bei geschlechtsbezogenen Diskriminierungen
Der EuGH stellte klar, dass die Formulierungen in Art.18 der Richtlinie 2006/54/EG nicht in dem Sinne zu verstehen sind, dass den Mitgliedsstaaten hiermit eine bestimmte Form des Schadensersatzes vorgeschrieben würde.
Zur Begründung bezieht sich der Gerichtshof auf die Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi und auf seine bisherige, teilweise schon über 30 Jahre alte Rechtsprechung, die auch Art.18 der Richtlinie 2006/54/EG zugrunde liegt. In dieser Rechtsprechung hatte der EuGH immer betont, dass die Mitgliedsstaaten weitgehend frei sind in der Wahl der Mittel, die sie zur Abwehr von Diskriminierungen einsetzen, solange diese Mittel nur ausreichend wirksam sind.
Dementsprechend sieht Art.18 der Richtlinie 2006/54/EG vor, dass ein Diskriminierungsschaden "ausgeglichen oder ersetzt" werden muss, d.h. die finanzielle Kompensation in Form eines Schadensersatzes ist nur eine Möglichkeit neben einem "Ausgleich", der bei einer diskriminierenden Entlassung zum Beispiel auch in einer Wiedereinstellung liegen könnte.
Daher verpflichtet Art.18 der Richtlinie 2006/54/EG, so der EuGH im Ergebnis, die Mitgliedsstaaten nicht zur Einführung eines Strafschadensersatzes. Vielmehr genügt es, wenn die Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten für einen vollständigen Schadensausgleich sorgen.
Fazit: Mit einem "abschreckenden" Schadensersatz im Sinne von Art.18 der Richtlinie 2006/54/EG sind keine Millionenzahlungen nach dem Vorbild des US-amerikanischen Rechts gemeint. Die Richtlinie 2006/54/EG verpflichtet die EU-Staaten "nur", dafür zu sorgen, dass Opfer einer geschlechtsbezogenen Diskriminierung einen vollständigen Ausgleich ihrer materiellen und immateriellen Einbußen erhalten. Ein solcher vollständiger bzw. nicht nur symbolischer Ausgleich ist aus Sicht der Richtlinie bereits hinreichend "abschreckend".
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.12.2015, C-407/14 (Camacho)
- Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH Paolo Mengozzi, vom 03.09.2015, Rs. C-407/14 (Camacho)
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Letzte Überarbeitung: 13. November 2020
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