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Frauenförderung durch Kölner Autohaus
21.11.2017. Bei Stellenanzeigen müssen Arbeitgeber aufpassen, dass sie keine Formulierungen verwenden, die bestimmte Bewerbergruppen entmutigen könnten, sich zu bewerben. Denn das wäre in den meisten Fällen eine verbotene Diskriminierung, z.B. wegen des Alters, wegen einer Behinderung oder wegen des Geschlechts.
Ein klassisches Fettnäpfchen ist die Suche nach einem "Ingenieur", denn die alleinige Verwendung der männlichen Berufsbezeichnung grenzt potentielle weibliche Bewerber aus.
Es gehört daher schon etwas Selbstbewusstsein dazu, als Arbeitgeber in einer öffentlichen Stellenanzeige ausdrücklich nur nach Frauen zu suchen, noch dazu unter dem reißerischen Slogan "Frauen an die Macht!". Trotzdem kann eine solche Anzeige rechtens sein, wie ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln zeigt: LAG Köln, Urteil vom 18.05.2017, 7 Sa 913/16.
- Ist die gezielte Suche nach weiblichen Verkäufern für weibliche Kundschaft rechtens oder eine unzulässige Diskriminierung männlicher Bewerber?
- Im Streit: Kölner Autohaus sucht eine "selbstbewusste, engagierte und erfolgshungrige Verkäuferin"
- LAG Köln: Die gezielte Suche nach Frauen als Autoverkäuferinnen durch ein männergeprägtes Autohaus kann durch § 8 AGG gerechtfertigt sein
Ist die gezielte Suche nach weiblichen Verkäufern für weibliche Kundschaft rechtens oder eine unzulässige Diskriminierung männlicher Bewerber?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierungen im Arbeitsleben, insbesondere Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, vgl. §§ 1 und 2 AGG. Deshalb sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, Stellenausschreibungen geschlechtsneutral zu formulieren (§ 11 AGG). Und selbstverständlich dürfen sie Bewerber und Bewerberinnen im Allgemeinen nicht wegen ihres Geschlechts auswählen oder ablehnen (§ 3 Abs.1 in Verb. mit § 2 Abs.1 Nr.1 AGG).
Es gibt allerdings Ausnahmen von dem Verbot der geschlechtsbedingten Benachteiligung beim Zugang zur Beschäftigung. Es ist nämlich erlaubt, gezielt nach Männern oder nach Frauen für bestimmte Stellen zu suchen, wenn das Geschlecht für die Stelle eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ ist (§ 8 Abs.1 AGG). Paradebeispiel ist die Besetzung einer männlichen bzw. weiblichen Theater- oder Filmrolle. § 8 Abs.1 AGG lautet:
"Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist."
Fraglich ist, in welchen Fällen sich Arbeitgeber auf diese Vorschrift berufen können, wenn sie den Wünschen ihrer Kunden oder Geschäftspartner nachkommen wollen und daher z.B. männliche Kunden durch männliche Berater und/oder weibliche Kunden durch weibliche Verkäufer bedienen lassen wollen. Eine solche Berufung auf Kundenwünsche („customer preferences“) ist mit der Gefahr verbunden, dass sich geschlechtsbezogene Rollenverteilungen verfestigen. § 8 Abs.1 AGG ist daher eng auszulegen, d.h. so, dass der Anwendungsbereich dieser Ausnahmevorschrift auf wenige Fälle begrenzt ist.
Die Arbeitsgerichte haben Arbeitgebern in solchen Fällen die Berufung auf § 8 Abs.1 AGG bisher nur zugestanden, wenn die Tätigkeit auf einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer(in) und Kunde/in beruht und/oder das Schamgefühl der Kunden bzw. Kundinnen geschützt werden muss.
Daher durfte ein Mädcheninternat gezielt nach Erzieherinnen suchen, da die Erzieherinnen auch nachts in den Schlaf- und Waschräumen für die Beaufsichtigung sorgen mussten (BAG, Urteil vom 28.05.2009, 8 AZR 536/08, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 09/091: Bundesarbeitsgericht bestätigt Ablehnung eines männlichen Bewerbers für Erzieherinnenstelle in Mädcheninternat). Aus ähnlichen Gründen konnte eine Gemeinde eine Stelle als Gleichstellungsbeauftragte nur für Frauen ausschreiben, da die Gleichstellungsbeauftragte u.a. Opfern von Frauendiskriminierung helfen sollte und Maßnahmen zu frauen- und mädchenspezifischen Themen ins Leben rufen sollte (BAG, Urteil vom 18.03.2010, 8 AZR 77/09, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/066 Stellenausschreibung nur für Frauen).
Aber gilt § 8 Abs.1 AGG auch in Fällen, in denen der Arbeitgeber beschließt, den Frauenanteil in bestimmten Belegschaftsgruppen zu erhöhen, um auf diese Weise seine teilweise weibliche Kundschaft besser bedienen zu können? Möglicherweise ist die gezielte Suche nach weiblichen Bewerbern dann nur auf der Grundlage von § 5 AGG möglich, doch setzt eine Frauenförderung auf der Grundlage dieser Vorschrift nach der Rechtsprechung voraus, dass männliche Bewerber nicht generell bzw. von vornherein ausgeschlossen werden.
Im Streit: Kölner Autohaus sucht eine "selbstbewusste, engagierte und erfolgshungrige Verkäuferin"
In dem Kölner Streitfall ging es um einen abgelehnten männlichen Stellenbewerber, der ein Autohaus auf Diskriminierungsentschädigung gemäß § 15 Abs.2 AGG verklagt hatte. Auslöser des Streits war eine Stellenanzeige, die das Autohaus Anfang 2015 unter der Überschrift „Frauen an die Macht!“ geschaltet hatte. Im Text des Anzeige hieß es:
„Zur weiteren Verstärkung unseres Verkaufsteams suchen wir eine selbstbewusste, engagierte und erfolgshungrige Verkäuferin. Wenn Sie Spaß daran haben Automobile zu verkaufen und Menschen überzeugen zu können, dass wir und Sie die richtigen Partner für unsere Kunden sind, dann bewerben Sie sich bei uns. Automobilerfahrung ist Voraussetzung für diese Position.“
Der Bewerber verfügte zwar als gelernter Automobilkaufmann im Prinzip über die geforderten fachlichen Voraussetzungen, hatte aber nicht das passende Geschlecht und erhielt eine Absage.
Vor Gericht verteidigte der Arbeitgeber seine nicht geschlechtsneutrale Stellenanzeige damit, dass er sie als Frauenfördermaßnahme mit dem Betriebsrat abgestimmt habe. Außerdem seien 25 bis 30 Prozent der autokaufenden Kundschaft Frauen, die allerdings bisher nur durch männliche Verkäufer bedient würden, denn bisher seien alle Verkaufskräfte Männer. Da sich Kunden schon mehrfach nach einer Verkäuferin erkundigt hätten, habe man beschlossen, künftig auch Verkäuferinnen einzusetzen.
Das Arbeitsgericht Köln hielt dem Autohaus § 8 Abs.1 AGG zugute und wies die Klage ab (Urteil vom 10.02.2016, 9 Ca 4843/15).
LAG Köln: Die gezielte Suche nach Frauen als Autoverkäuferinnen durch ein männergeprägtes Autohaus kann durch § 8 AGG gerechtfertigt sein
Auch das LAG Köln gab dem Arbeitgeber recht. Zur Begründung heißt es:
Der Arbeitgeber verfolgte mit der Annonce den Zweck, so das LAG, seinen Kunden künftig auch weibliches Verkaufsberatungspersonal zur Verfügung stellen zu können. Daher
"bedingt das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle, dass das weibliche Geschlecht eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die zu erwartende Tätigkeit darstellt; denn im Zeitpunkt der Stellenanzeige und auch in der Zeit zuvor beschäftigte die Beklagte ausschließlich männliches Verkaufs- und Servicepersonal und keine einzige Frau in diesem Tätigkeitsbereich."
Außerdem seien Autokäufe Vertrauenssache, und weibliche Kunden würden Verkäuferinnen eher vertrauen als männlichen Verkäufern. Auf den Anteil weiblicher Kunden kam es dabei nach Ansicht des LAG nicht entscheidend an.
Kritisch ist anzumerken, dass das LAG Köln dem Arbeitgeber mit dieser Entscheidung zugesteht, durch seine eigenen unternehmerischen Entscheidungen Vorgaben für die Geschlechterverhältnisse in der Belegschaft bzw. in bestimmten Belegschaftsgruppen festzulegen, wobei diese subjektiven Arbeitgebervorgaben dann wiederum eine "eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung" im Sinne von § 8 Abs.1 AGG sein sollen. Damit wird § 8 Abs.1 AGG von einer eng begrenzten Ausnahmevorschrift zu einem Gummiparagraphen. Denn nach dem Gesetzeswortlaut kommt es nicht auf die Zielvorgaben des Arbeitgebers bezüglich der von ihm angestrebten Geschlechterverhältnisse im Betrieb an, sondern auf die objektive "Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung".
Fazit: Das hier vom Autohaus verfolgte Ziel ist legitim und auch rechtlich in Ordnung, doch müssen sich Arbeitgeber bei solchen gezielten Frauenfördermaßnahmen auf § 5 AGG stützen. Das wiederum setzt nach der Rechtsprechung den Hinweis voraus, dass sich auch männliche Bewerber bewerben können, dass allerdings Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt berücksichtigt werden.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 18.05.2017, 7 Sa 913/16
- Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 18.05.2017, 7 Sa 913/16 (Pressemitteilung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.03.2010, 8 AZR 77/09(Gleichstellungsbeauftragte)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.05.2009, 8 AZR 536/08 (männlicher Erzieher im Mädchenpensionat)
- Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 10.02.2016, 9 Ca 4843/15
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Anwendungsbereich des gesetzlichen Schutzes
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Erlaubte Benachteiligungen
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Letzte Überarbeitung: 4. Januar 2021
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