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Diskriminierung männlicher Bewerber im Schuldienst?
21.06.2019. Vor mittlerweile zehn Jahren hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass die Betreiber eines Mädcheninternats gezielt nach Bewerberinnen suchen können, wenn die Stelle einer Erzieherin zu besetzen ist.
Denn Erzieherinnen müssen in einem Internat auch nachts auf dem Posten sein, d.h. sie müssen notfalls die Schlafsäle betreten und dort nach dem Rechten sehen (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 09/091 BAG bestätigt Ablehnung eines männlichen Bewerbers für Erzieherinnenstelle in Mädcheninternat).
In einem aktuellen Fall hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg noch einen draufgesetzt und entschieden, dass Schulträger gezielt nach weiblichen bzw. männlichen Sportlehrkräften suchen können, wenn sie Jungen durch Sportlehrer und Mädchen durch Sportlehrerinnen unterrichten lassen wollen: LAG Nürnberg, Urteil vom 20.11.2019, 7 Sa 95/18.
- Dürfen Schulen Lehrerstellen gezielt für männliche oder weibliche Lehrkräfte ausschreiben?
- Im Streit: Männlicher Sportlehrer bewirbt sich ohne Erfolg auf eine Stellenausschreibung, mit der nach einer „Fachlehrerin Sport“ gesucht wird
- LAG Nürnberg: Schulen dürfen gezielt weibliche Sportlehrkräfte für den Sportunterricht von Mädchen suchen
Dürfen Schulen Lehrerstellen gezielt für männliche oder weibliche Lehrkräfte ausschreiben?
Benachteiligungen im Berufsleben aus Gründen des Geschlechts sind gesetzlich verboten, insbesondere bei der Bewerbung um offene Stellen und bei der Stellenvergabe, vgl. § 1, § 2 Abs.1 Nr.1, § 3 Abs.1 und § 7 Abs.1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Im Allgemeinen müssen Arbeitgeber daher bei der Ausschreibung offener Stellen darauf achten, dass die Stellenausschreibung geschlechtsneutral formuliert ist, so dass sich nicht nur Männer oder nur Frauen von der Ausschreibung angesprochen fühlen (§ 11 AGG). Ein Verstoß gegen die Pflicht zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung ist daher in der Regel eine unzulässige Diskriminierung.
Wie bei jeder Regel gibt es auch hier Ausnahmen: Wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder wegen der Bedingungen ihrer Ausübung eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ ist, darf der Arbeitgeber gezielt nach Männern oder Frauen suchen (§ 8 Abs.1 AGG). Solche Ausnahmeberufe sind z.B. weibliche oder männliche Rollen an der Oper, am Theater oder im Film, Mitglieder eines Frauen- oder Männerteams im Profisport oder auch weibliche oder männliche Models in der Werbebranche.
Abgesehen von diesen - ziemlich klaren - Fällen besteht aber auch bei anderen Berufen nach der Rechtsprechung die Möglichkeit, Stellen gezielt für Männer oder Frauen auszuschreiben. Das ist z.B. der Fall
- bei Erzieherinnen in einem Mädcheninternat, wenn die per Stellenausschreibung gesuchte Erzieherin u.a. die Aufgabe hat, nachts in Schlafsälen die Aufsicht zu führen (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 09/091 BAG bestätigt Ablehnung eines männlichen Bewerbers für Erzieherinnenstelle in Mädcheninternat),
- bei einer Gemeinde-Gleichstellungsbeauftragten, deren Haupttätigkeit in der Beratung von Frauen in speziellen Problemlagen besteht (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/066 Stellenausschreibung nur für Frauen), oder
- bei Frauen als Autoverkäuferinnen, die ein bisher männergeprägtes Autohaus verstärken und die weibliche Kundschaft betreuen sollen (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 17/292 Frauenförderung durch Kölner Autohaus).
Dagegen war es nicht rechtens,
- dass ein mittelständisches Unternehmen über eine Anwaltskanzlei per Zeitungsannonce nach einem „Geschäftsführer“ sucht (wir berichteten Arbeitsrecht aktuell: 11/183 Geschäftsführer: Diskriminierung durch Stellenausschreibung), und
- dass die Berliner Zeitung „Die Tageszeitung“ (taz) vor einigen Jahren einmal Volontärstelle nur für Frauen mit Migrationshintergrund ausgeschrieben hat (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/214 Diskriminierung von Männern bei der Berliner taz).
In einer Grauzone bewegt sich der Sportunterricht an Schulen und in Vereinen, d.h. die Tätigkeit einer Lehrkraft bzw. eines Trainers/Coaches, der/die Schüler bzw. Sportler des jeweils eigenen Geschlechts betreuen soll.
Für die Möglichkeit, gezielt nach weiblichen bzw. männlichen Lehrkräften zu suchen je nachdem, ob es um die Betreuung von Mädchen oder Jungen geht, spricht die Respektierung des Schamgefühls der Schülerinnen und Schüler. Denn körperliche Berührungen lassen sich beim Sportunterricht kaum vermeiden, und die sind nun einmal unkomplizierter bei einer Betreuung durch eine gleichgeschlechtliche Lehrkraft.
Gegen die Möglichkeit einer geschlechtsspezifischen Einstellungspraxis spricht, dass der Sportunterricht damit in die Nähe des Verkaufs von Unterwäsche und Badebekleidung gerückt wird oder gar in die Nähe der Personenkontrolle an Sicherheitsschleusen. Sportlehrer und Sportlehrerinnen haben aber nicht die Aufgabe, ihre Schützlinge abzutasten oder an ihrer Bekleidung „herumzufummeln“, wie das für die Tätigkeit eines Personenkontrolleurs oder einer Bekleidungsverkäuferin typisch ist.
Im Streit: Männlicher Sportlehrer bewirbt sich ohne Erfolg auf eine Stellenausschreibung, mit der nach einer „Fachlehrerin Sport“ gesucht wird
Ein bayerischer Privatschulträger, der eine Schule mit den Klassenstufen 1 bis 13 betreibt, suchte 2017 gezielt nach einer „Fachlehrerin Sport (w)“.
Ein männlicher Sportlehrer bewarb sich um die Stelle, wurde abgelehnt und klagte auf Diskriminierungsentschädigung gemäß § 15 Abs.1 und 2 AGG.
Das Arbeitsgericht Nürnberg wies seine Klage ab (Urteil vom 01.02.2018, 16 Ca 3627/17), da es meinte, der Kläger könne nicht alle fachlichen Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle vorweisen.
LAG Nürnberg: Schulen dürfen gezielt weibliche Sportlehrkräfte für den Sportunterricht von Mädchen suchen
Auch in der Berufung vor dem LAG Nürnberg hatte der Kläger keinen Erfolg. Das LAG wies seine Berufung zurück.
Denn dass Sportlehrer und Schüler bzw. Sportlehrerinnen und Schülerinnen dem gleichen Geschlecht angehören, ist, so jedenfalls das LAG, eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ an den Beruf des Sportlehrers gemäß § 8 Abs.1 AGG. Von dem „passenden“ Geschlecht der Lehrkraft hängt damit nach Ansicht des Gerichts „die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit, also vor allem des Sportunterrichts“ ab (Urteil, S.6).
Zur Begründung verweist das Gericht darauf, dass der Sportunterricht durch eine besondere Körperlichkeit geprägt sei, und dass körperliche Kontakte zwischen Lehrkraft und Schülern unvermeidlich seien, insbesondere bei Hilfestellungen am Barren oder Reck, d.h. beim Geräteturnen.
Diese Hilfe durch den Sportlehrer beschränkt sich, so das LAG,
„nicht nur auf den Schulter-und Armbereich. Vielmehr erstreckt sie sich, z.B. beim Turnen am (Stufen)Reck oder (Stufen)Barren auch auf das Gesäß. Dies kann für beide Seiten - den Schüler wie den Lehrer - unangenehm sein. (Urteil, S.6 f.)“
Ergänzend führt das LAG aus, dass das Schamgefühl bei Mädchen in der Pubertät stärker werde,
„was einerseits dazu führt, dass körperliche Berührungen durch das andere Geschlecht schneller als unangemessen empfunden werden, andererseits solchen Berührungen eine Bedeutung zugemessen werden kann, die weder beabsichtigt ist noch objektiv über den Zweck der Hilfestellung hinausgeht“ (Urteil, S.7).
Kritisch ist anzumerken, dass das Gericht mit diesen Aussagen das Prinzip der Koedukation von Jungen und Mädchen im Rahmen des Sportunterrichts grundsätzlich infrage stellt. Dieses Prinzip wird allerdings nicht in allen Bundesländern in gleicher Weise umgesetzt, so insbesondere nicht in Bayern, wo gemäß dem staatlichen Lehrplan der sog. Basissportunterricht nach Geschlechtern getrennt durchgeführt werden soll.
Fazit: Das Gericht hat das „Umkleidekabinen-Argument“ ausdrücklich zurückgewiesen und ist bei seiner Entscheidung daher davon ausgegangen, dass Lehrkräfte im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht nur äußerst selten die Umkleideräume betreten müssen. Daher stellt das Gericht konsequenterweise ausschließlich auf die eigentliche berufliche Tätigkeit ab, d.h. auf die Durchführung des Sportunterrichts.
An dieser Stelle lautet die Kernaussage des LAG, dass Jungen nur von männlichen und Mädchen nur von weiblichen Sportlehrkräften unterrichtet werden können. Ob diese Aussage vor dem BAG Bestand haben wird, ist zweifelhaft. Konsequent weitergedacht dürfte es dann auch keine angestellten Frauenärzte oder Masseure geben, die weibliche Patienten bzw. Klienten betreuen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da das LAG die Revision zum BAG zugelassen hat, die der Lehrer inzwischen auch eingelegt hat (Aktenzeichen des BAG: 8 AZR 2/19).
Nähere Informationen zu dem Vorgang finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 20.11.2019, 7 Sa 95/18
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.05.2009, 8 AZR 536/08
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG in dieser Sache zugunsten des Lehrers entschieden. Das BAG-Urteil und eine kurze Bewertung finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.12.2019, 8 AZR 2/19
- Arbeitsrecht aktuell: 20/079 Auch männliche Lehrkräfte können Mädchen im Sport unterrichten
Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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