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Min­dest­aus­bil­dungs-Ver­gü­tung von 515,00 EUR ab 2020

Bun­des­ein­heit­li­cher Min­dest­lohn für Aus­zu­bil­den­de wird ab 2020 ein­ge­führt: Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung und Stär­kung der be­ruf­li­chen Bil­dung

27.07.2019. Mit­te Mai 2019 wur­de be­kannt, dass Bil­dungs­mi­nis­te­rin Kar­lic­zek die Ein­füh­rung ei­ner bun­des­weit ver­bind­li­chen Un­ter­gren­ze für die Ver­gü­tung von Aus­zu­bil­den­den auf den Weg ge­bracht hat.

Mitt­ler­wei­le liegt ein of­fi­zi­el­ler Ge­setz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung vor, der auch schon - am 27.06.2019 - im Bun­des­tag de­bat­tiert wur­de.

Die Ein­füh­rung des neu­en ge­setz­li­chen „Min­dest­lohns“ für Aus­zu­bil­den­de ist für An­fang 2020 ge­plant: Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung und Stär­kung der be­ruf­li­chen Bil­dung, Ge­setz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung, vom 11.06.2019, BT Drucks.19/10815.

Sor­ge um die At­trak­ti­vität der dua­len be­ruf­li­chen Bil­dung

Ha­ben sich in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten die meis­ten jun­gen Men­schen da­zu ent­schlos­sen, ei­ne Be­rufs­aus­bil­dung zu ab­sol­vie­ren, so hat sich das Verhält­nis von Lehr­lin­gen und Stu­den­ten mitt­ler­wei­le um­ge­kehrt: Heut­zu­ta­ge sind Hoch­schu­len of­fen­sicht­lich at­trak­ti­ver als die dua­le Be­rufs­aus­bil­dung, d.h. die Aus­zu­bil­den­den sind heu­te in der Min­der­zahl.

Die­ses Verhält­nis verschärft das Pro­blem des Nach­wuchs­man­gels, mit dem Pri­vat­wirt­schaft und öffent­li­cher Dienst in­fol­ge des de­mo­gra­phi­schen Wan­dels oh­ne­hin zu kämp­fen ha­ben, im Be­reich der ge­werb­li­chen bzw. hand­werk­li­chen Be­rufs­grup­pen. Fehlt es dort heu­te schon an qua­li­fi­zier­ten Fach­kräften, so wird sich die­ser Fach­kräfte­man­gel künf­tig noch deut­li­cher be­merk­bar ma­chen.

Um die­sen Trend et­was ent­ge­gen­zu­set­zen, möch­te die Bun­des­re­gie­rung die Wett­be­werbsfähig­keit und At­trak­ti­vität der dua­len Be­rufs­aus­bil­dung stärken. Ein Schritt auf die­sem Weg ist die Einführung ei­ner „aus­ba­lan­cier­ten und unbüro­kra­ti­schen“ (Ge­setz­ent­wurf, S.1) Min­dest­vergütung für Aus­zu­bil­den­de. Sie ist künf­tig, ab An­fang 2020, in § 17 Be­rufs­bil­dungs­ge­setz (BBG) fest­ge­schrie­ben.

Der bis­he­ri­ge § 17 BBiG

In sei­ner ak­tu­el­len Fas­sung enthält das BBiG zum The­ma Vergütung nur fol­gen­de all­ge­mei­ne Vor­ga­be (§ 17 Abs.1 BBiG):

„(1) Aus­bil­den­de ha­ben Aus­zu­bil­den­den ei­ne an­ge­mes­se­ne Vergütung zu gewähren. Sie ist nach dem Le­bens­al­ter der Aus­zu­bil­den­den so zu be­mes­sen, dass sie mit fort­schrei­ten­der Be­rufs­aus­bil­dung, min­des­tens jähr­lich, an­steigt.“

Was un­ter ei­ner „an­ge­mes­se­nen Vergütung“ zu ver­ste­hen ist, ist der­zeit ge­setz­lich nicht fest­ge­legt. Die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) ori­en­tiert sich an den für die je­wei­li­ge Bran­che ein­schlägi­gen Ta­rif­verträgen, die ne­ben Löhnen und Gehältern tra­di­tio­nell auch die mo­nat­li­chen Min­destsätze für die Be­zah­lung der Azu­bis ent­hal­ten.

Un­ter­schrei­tet ein Aus­bil­dungs­be­trieb, auch wenn er nicht ta­rif­ge­bun­den ist, die­se ta­rif­lich fest­ge­leg­ten Mo­nats-Aus­bil­dungs­vergütun­gen um mehr als 20 Pro­zent, hat der Aus­zu­bil­den­de ei­nen An­spruch auf Zah­lung der Dif­fe­renz zwi­schen der ihm gewähr­ten und der ta­rif­li­chen Aus­bil­dungs­vergütung (BAG, Ur­teil vom 16.05.2017, 9 AZR 377/16).

Der neue § 17 Abs.2 BBiG

Im Un­ter­schied zu der bis­he­ri­gen Re­ge­lung gilt künf­tig ei­ne bun­des­ein­heit­li­che Min­dest­vergütung für Aus­zu­bil­den­de (§ 17 Abs.2 BBiG - neue Fas­sung).

Um die von der Neu­re­ge­lung be­trof­fe­nen Aus­bil­dungs­be­trie­be nicht zu über­for­dern, ist ei­ne vierjähri­ge Einführungs­pha­se in den Jah­ren von 2020 bis 2023 vor­ge­se­hen. Da­nach ent­wi­ckelt sich die mo­nat­li­che Min­dest­aus­bil­dungs­vergütung im ers­ten Aus­bil­dungs­jahr wie folgt:

  • 2020: 515,00 EUR
  • 2021: 550,00 EUR
  • 2022: 585,00 EUR
  • 2023: 620,00 EUR

Für die Zeit ab 2024 ist ei­ne lau­fen­de wei­te­re An­he­bung - je­weils zum 01. Ja­nu­ar - vor­ge­se­hen, die der pro­zen­tua­len Erhöhung al­ler Aus­bil­dungs­vergütun­gen der Vor­jah­re ent­spricht.

Auch die Vergütungs­stei­ge­rung von Lehr­jahr zu Lehr­jahr, die be­reits jetzt in Ta­rif­verträgen und übli­cher­wei­se auch in Aus­bil­dungs­verträgen vor­ge­se­hen ist, ist künf­tig ge­setz­lich ex­akt fest­ge­legt. Da­nach muss die Aus­bil­dungs­vergütung im zwei­ten, drit­ten und vier­ten Lehr­jahr wie folgt ge­genüber der o.g. Aus­bil­dungs­vergütung im ers­ten Lehr­jahr an­ge­ho­ben wer­den:

  • Zwei­tes Lehr­jahr: An­he­bung der Aus­bil­dungs­vergütung um 18 Pro­zent
  • Drit­tes Lehr­jahr: An­he­bung der Aus­bil­dungs­vergütung um 35 Pro­zent
  • Vier­tes Lehr­jahr: An­he­bung der Aus­bil­dungs­vergütung um 40 Pro­zent

Ab­wei­chun­gen von der Min­dest­aus­bil­dungs­vergütung auf der Grund­la­ge von Ta­rif­verträgen

Um ei­nen An­reiz für Aus­bil­dungs­be­trie­be zu schaf­fen, sich durch Ver­bands­mit­glied­schaft (oder ei­nen Fir­men­ta­rif­ver­trag) der recht­li­chen Ta­rif­bin­dung zu un­ter­wer­fen, sieht die ge­setz­li­che Neu­re­ge­lung die Möglich­keit vor, die o.g. Min­destlöhne für Aus­zu­bil­den­de zu un­ter­schrei­ten, wenn dies in Ta­rif­verträgen so ge­re­gelt ist. Vor­aus­set­zung ist dafür al­ler­dings, dass der Aus­bil­dungs­be­trieb ta­rif­ge­bun­den ist im Sin­ne von § 3 Abs.1 Ta­rif­ver­trags­ge­setz (TVG). § 17 Abs.3 Satz 1 BBiG (neue Fas­sung) lau­tet wie folgt:

„An­ge­mes­sen ist auch ei­ne für den Aus­bil­den­den nach § 3 Ab­satz 1 des Ta­rif­ver­trags­ge­set­zes gel­ten­de ta­rif­ver­trag­li­che Vergütungs­re­ge­lung, durch die die in Ab­satz 2 ge­nann­te je­wei­li­ge Min­dest­vergütung un­ter­schrit­ten wird.“

An die­ser Stel­le weicht die ge­setz­li­che Neu­re­ge­lung von der Kon­zep­ti­on des Min­dest­loh­nes nach dem Min­dest­l­ohn­ge­setz (Mi­LoG) ab. Denn der Min­dest­lohn gilt als zwin­gen­de Lohn­un­ter­gren­ze auch dann, wenn Ta­rif­verträge ihn un­ter­schrei­ten (§ 3 Abs.1 Mi­LoG). Zwar be­stand auch in den ers­ten Jah­ren nach Einführung des Mi­LoG (bis 2017) die Möglich­keit, in ei­ni­gen Bran­chen per Ta­rif­ver­trag vom ge­setz­li­chen Min­dest­lohn ab­zu­wei­chen. Im Un­ter­schied da­zu ist die Ab­wei­chungsmöglich­keit gemäß § 17 Abs.3 Satz 1 BBiG (neue Fas­sung) aber als Dau­er­re­ge­lung ge­plant.

Auch in ei­nem an­de­ren Punkt un­ter­schei­det sich die Neu­fas­sung von § 17 BBiG von dem ge­setz­li­chen Min­dest­lohn nach dem Mi­LoG. Denn das Mi­LoG enthält kei­ne Re­ge­lun­gen für die Löhne und Gehälter ober­halb der ge­setz­li­chen Lohn­un­ter­gren­ze von der­zeit (2019) 9,19 EUR brut­to pro St­un­de.

Das ist beim künf­ti­gen Azu­bi-Min­dest­lohn nach dem BBiG (neue Fas­sung) nicht so: Auch wenn Aus­bil­dungs­be­trie­be die ge­setz­li­che Un­ter­gren­ze für Aus­bil­dungs­vergütun­gen ein­hal­ten, kann das im­mer noch zu we­nig sein, nämlich dann, wenn die Aus­bil­dungs­vergütung um mehr als 20 Pro­zent un­ter­halb ei­ner ta­rif­li­chen Min­dest­aus­bil­dungs­vergütung liegt. Da­zu heißt es in § 17 Abs.4 BBiG (neue Fas­sung):

„Die An­ge­mes­sen­heit der ver­ein­bar­ten Vergütung ist auch dann, wenn sie die Min­dest­vergütung nach Ab­satz 2 nicht un­ter­schrei­tet, in der Re­gel aus­ge­schlos­sen, wenn sie die Höhe der in ei­nem Ta­rif­ver­trag ge­re­gel­ten Vergütung, in des­sen Gel­tungs­be­reich das Aus­bil­dungs­verhält­nis fällt, an den der Aus­bil­den­de aber nicht ge­bun­den ist, um mehr als 20 Pro­zent un­ter­schrei­tet.“

Fa­zit: Un­ter­schied­li­cher An­pas­sungs­be­darf

Ähn­lich wie bei der Einführung des deutsch­land­wei­ten Min­dest­lohns An­fang 2015 müssen auch bei der Einführung der Min­dest­aus­bil­dungs­vergütung An­fang 2020 eher klei­ne­re (Hand­werks-)Be­trie­be mit ei­nem Lohn­kos­ten­an­stieg rech­nen als größere Un­ter­neh­men, die be­reits jetzt schon über­ge­setz­li­che (ta­rif­li­che) Aus­bil­dungs­vergütun­gen zah­len. Stärker be­trof­fen sind vor­aus­sicht­lich auch, wie schon bei der Einführung des Min­dest­lohns, ost­deut­sche Be­trie­be.

Ob die von der Bun­des­re­gie­rung aus­ge­ge­be­nen bil­dungs­po­li­ti­schen Zie­le er­reicht wer­den, bleibt ab­zu­war­ten. Am ehes­ten dürf­te sich der Azu­bi-Min­dest­lohn po­si­tiv auf die Ab­bre­cher-Quo­ten aus­wir­ken, d.h zu ei­ner Ver­rin­ge­rung bei­tra­gen. Denn Aus­bil­dun­gen wer­den dort be­son­ders oft auf­ge­ge­ben, wo die Aus­bil­dungs­vergütun­gen am ge­rings­ten sind.

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Letzte Überarbeitung: 28. September 2021

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