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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 30.01.1991, 5 AZR 32/90

   
Schlagworte: Zeugnis, Insolvenzverwalter
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 5 AZR 32/90
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 30.01.1991
   
Leitsätze: Ein Arbeitnehmer kann auch für die Zeit vor Konkurseröffnung ein Zeugnis über Führung und Leistung vom Konkursverwalter verlangen, wenn dieser den Betrieb nach Konkurseröffnung weiterführt.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht München
Landesarbeitsgericht München
   

5 AZR 32/90
8 Sa 1096/88 München

Verkündet am

30. Ja­nu­ar 1991

Ci­o­bes,
Amts­in­spek­tor
als Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le 

Im Na­men des Vol­kes!

Ur­teil

In Sa­chen

pp.


hat der Fünf­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 30. Ja­nu­ar 1991 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter Prof. Dr. Tho­mas, die Rich­ter Dr. Geh­ring und
 

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Dr. Ol­de­rog so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Ku­kies und Arnt­zen für Recht er­kannt:


1. Auf die Re­vi­si­on des Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts München vom 21. Ju­ni 1989 - 8 Sa 1096/88 - auf­ge­ho­ben.

2. Der Rechts­streit wird zur an­der­wei­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung, auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on, an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!


Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob der Be­klag­te als Kon­kurs­ver­wal­ter ver­pflich­tet ist, dem Kläger ein Zeug­nis über sei­ne Tätig­keit bei der Ge­mein­schuld­ne­rin zu er­tei­len.


Der Kläger war im Ho­tel 0 in G nach sei­nen An­ga­ben be­reits ab 1. Ok­to­ber 1979 als Ober­kell­ner tätig. Am 12. Fe­bru­ar 1987 wur­de über das Vermögen der Ho­tel 0 Be­triebs GmbH das Kon­kurs­ver­fah­ren eröff­net und der Be­klag­te zum Kon­kurs­ver­wal­ter er­nannt. Der Kläger ar­bei­te­te über die Kon­kurseröff­nung hin­aus noch bis zum 24. März 1987 und schied an­sch­ließend nach Gewährung des Rest­ur­laubs zum 31. März 1987 aus dem Ar­beits­verhält­nis aus.

Im all­ge­mein­ver­bind­li­chen Man­tel­ta­rif­ver­trag für das Gaststätten- und Be­her­ber­gungs­ge­wer­be in Bay­ern vom 18. Fe­bru­ar 1986, all­ge­mein­ver­bind­lich seit dem 1. Ja­nu­ar 1986, ist für die Er­tei-

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lung ei­nes Zeug­nis­ses fol­gen­de Re­ge­lung ge­trof­fen:

"§ 4
Zeug­nis­se und Ar­beits­pa­pie­re

I. ...


II. Nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ist dem Ar­beit­neh­mer ein schrift­li­ches Zeug­nis über Art und Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses aus­zu­stel­len. Das Zeug­nis ist auf Ver­lan­gen auf Leis­tung und Führung im Dienst zu er­stre­cken. Auf Ver­lan­gen ist dem Ar­beit­neh­mer ein Zwi­schen­zeug­nis oder nach Kündi­gung ein vorläufi­ges Zeug­nis aus­zu­stel­len.


Darüber hin­aus be­stimmt § 23 des vor­ge­nann­ten Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges:


"I. Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis erlöschen - so­weit nicht zwin­gen­de ge­setz­li­che Be­stim­mun­gen da­ge­gen­ste­hen - mit dem Ab­lauf von drei Mo­na­ten nach Fällig­keit, wenn sie nicht in­ner­halb die­ser Frist gel­tend ge­macht wer­den. Für Ansprüche aus un­er­laub­ter Hand­lung gel­ten die ge­setz­li­chen Verjährungs­vor­schrif­ten.


II. Die Aus­schlußfris­ten gemäß Abs. I gel­ten nicht, wenn kei­ne or­dent­li­che Lohn­ab­rech­nung gemäß § 5 Abs. IV er­teilt wur­de.

Der Kläger hält den Be­klag­ten als Kon­kurs­ver­wal­ter für ver­pflich­tet, ihm über die ge­sam­te Tätig­keit, auch für die Zeit vor Kon­kurseröff­nung, ein Zeug­nis über Führung und Leis­tung aus­zu-

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stel­len. Er hat be­haup­tet, er ha­be dem Be­klag­ten ei­nen Zeug­nis­ent­wurf über­sandt, doch der Be­klag­te ha­be trotz mehr­fa­cher Auf­for­de­rung die Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses ab­ge­lehnt.

Der Kläger hat be­an­tragt,

den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, dem Kläger ein Zeug­nis für sei­ne Tätig­keit im Ho­tel 0 für die Zeit ab 1979 zu er­tei­len, wel­ches sich auch auf Führung und Leis­tung er­streckt.

Der Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und gel­tend ge­macht, er sei nicht ver­pflich­tet, dem Kläger ein Zeug­nis über sei­ne Tätig­keit bei der Ge­mein­schuld­ne­rin zu er­tei­len. Die­sen An­spruch müsse der Kläger ge­gen die Ge­mein­schuld­ne­rin rich­ten. Er ken­ne den Kläger aus der kur­zen Zeit sei­ner Wei­ter­beschäfti­gung nach Kon­kurseröff­nung nur flüch­tig und könne sei­ne Ar­beits­leis­tung nicht be­ur­tei­len.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung zurück­ge­wie­sen. Der Be­klag­te will mit der Re­vi­si­on wei­ter­hin die Ab­wei­sung der Kla­ge er­rei­chen.

Ent­schei­dungs­gründe:

Auf die Re­vi­si­on mußte das an­ge­foch­te­ne Ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che an die Vor­in­stanz zurück­ver­wie­sen wer­den; denn das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat nicht ge­prüft, ob der Kläger sei­nen An­spruch auf ein Zeug­nis in­ner­halb der Aus­schlußfrist des § 23 des

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all­ge­mein­ver­bind­li­chen Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges für das Gaststätten-und Be­her­ber­gungs­ge­wer­be in Bay­ern vom 18. Fe­bru­ar 1986 (MTV) gel­tend ge­macht hat. Da­zu be­darf es noch ergänzen­der tatsäch­li­cher Fest­stel­lun­gen.

I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist al­ler­dings zu Recht da­von aus­ge­gan­gen, daß der Be­klag­te als Kon­kurs­ver­wal­ter ver­pflich­tet ist, dem Kläger ein Zeug­nis über Führung und Leis­tung auch für die Zeit sei­ner Beschäfti­gung bei der Ge­mein­schuld­ne­rin vor der Kon­kurseröff­nung zu er­tei­len.

1. Zwar bleibt der Ge­mein­schuld­ner zur Zeug­nis­er­tei­lung ver­pflich­tet, wenn ein Ar­beit­neh­mer noch vor Kon­kurseröff­nung aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­den war und der Ar­beit­neh­mer auf Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses Kla­ge er­ho­ben hat­te. Dann muß er den Rechts­streit nach Kon­kurseröff­nung ge­gen den Ge­mein­schuld­ner fort­set­zen (BA­GE 19, 146, 152 = AP Nr. 2 zu § 275 ZPO).

Da­von un­ter­schei­det sich je­doch der Sach­ver­halt, über den in die­sem Rechts­streit zu be­fin­den ist, denn der Kläger ist nach Kon­kurseröff­nung (am 12. Fe­bru­ar 1987) noch bis zum 24. März 1987 wei­ter­beschäftigt wor­den und schied nach Gewährung des Rest­ur­laubs zum 31. März 1987 aus dem Ar­beits­verhält­nis aus. Bei ei­ner sol­chen Sach­la­ge wird al­ler­dings in der Li­te­ra­tur weit­ge­hend der Stand­punkt ver­tre­ten, der Kon­kurs­ver­wal­ter müsse dem Ar­beit­neh­mer ein Zeug­nis nur für den Zeit­raum sei­ner Wei­ter­beschäfti­gung nach Kon­kurseröff­nung aus­stel­len, da­ge­gen blei­be der Ge­mein­schuld­ner zur Zeug­nis­er­tei­lung für die Zeit da­vor ver­pflich­tet (vgl. u.a. Ja­e­ger/Henckel, Kon­kurs­ord­nung, 9. Aufl., § 22 Rz 43; Kuhn/

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Uh­len­bruck, Kon­kurs­ord­nung, 10. Aufl., § 22 Rz 27; Kil­ger, Kon­kurs­ord­nung, 15. Aufl., § 22 Anm. 4; Hess/Kropsho­fer, Kon­kurs­ord­nung, 2. Aufl., Anh. I Rz 584 und 585, S. 662; Gott­wald/ Hein­ze, In­sol­venz­rechts-Hand­buch, 1990, § 95 Rz 65; Heil­mann, Die Rechts­la­ge des Ar­beit­neh­mers bei In­sol­venz sei­nes Ar­beit­ge­bers, 1. Aufl., S. 100; Stau­din­ger/ Neu­mann•, BGB, 12. Aufl., § 630 Rz 5; Sch­leßmann, Das Ar­beits­zeug­nis, 10. Aufl., S. 17). In­so­weit be­zie­hen sich die vor­ge­nann­ten Kom­men­ta­re und das Schrift­tum weit­ge­hend auf ein Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg vom 8. Fe­bru­ar 1979 (- 4 Sa 116/78 - KTS 1979, 317), wo­nach der Kon­kurs­ver­wal­ter nur dann zur Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses ver­pflich­tet sei, wenn der Ar­beit­neh­mer nach Kon­kurseröff­nung tatsächlich wei­ter­ar­bei­te. Ein nur recht­li­cher Fort­be­stand über den Zeit­punkt der Kon­kurseröff­nung hin­aus genüge nicht. In die­sem Zu­sam­men­hang wird der Stand­punkt ver­tre­ten, daß der Ge­mein­schuld­ner auch dann zur Er­tei­lung des Zeug­nis­ses ver­pflich­tet blei­be, wenn der Ar­beit­neh­mer nur kur­ze Zeit nach Kon­kurseröff­nung im Be­trieb, den der Kon­kurs­ver­wal­ter fortführt, wei­ter­beschäftigt wer­de, weil ein Zeug­nis­an­spruch ei­ne an­dau­ern­de Beschäfti­gung im Sin­ne des § 630 BGB vor­aus­set­ze (Stau­din­ger/ Neu­mann, BGB, 12. Aufl., § 630 Rz 5).

2. Ent­ge­gen der vor­ste­hend wie­der­ge­ge­be­nen An­sicht hat der Kon­kurs­ver­wal­ter den Zeug­nis­an­spruch un­abhängig da­von zu erfüllen, wie lan­ge das Ar­beits­verhält­nis nach Eröff­nung des Kon­kurs­ver­fah­rens fort­geführt wird. Da­bei muß er nach Maßga­be des­sen, was ihm möglich ist, auch die Zeit des Ar­beits­verhält­nis­ses vor der Kon­kurseröff­nung berück­sich­ti­gen.

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a) Mit der Eröff­nung des Kon­kurs­ver­fah­rens hat der Kon­kurs­ver­wal­ter die Rech­te aus­zuüben und die Pflich­ten zu erfüllen, die sich aus der Ar­beit­ge­ber­stel­lung des Ge­mein­schuld­ners er­ge­ben; er tritt in­so­weit in die Rechts­stel­lung des Ge­mein­schuld­ners ein (BA­GE 26, 257, 261 = AP Nr. 1 zu § 113 Be­trVG 1972, zu 1 der Gründe; BA­GE 29, 114, 121 = AP Nr. 11 zu § 102 Be­trVG 1972, zu 6 der Gründe; BAG Ur­teil vom 19. Ok­to­ber 1977 - 5 AZR 359/76 - AP Nr. 3 zu § 22 KO; BAG Ur­teil vom 27. Ju­ni 1990 - 5 AZR 334/89 -, zur Veröffent­li­chung be­stimmt; eben­so u.a. Hein­ze, AuR 1976, 33, 35). Zu den Pflich­ten, die den Kon­kurs­ver­wal­ter aus dem Ar­beits­verhält­nis tref­fen, gehört die nach § 630 BGB vor­ge­schrie­be­ne Aus­stel­lung ei­nes Zeug­nis­ses, wenn das Ar­beits­verhält­nis nach Eröff­nung des Kon­kurs­ver­fah­rens während des­sen Dau­er en­det.


b) Die­se Ver­pflich­tung des Kon­kurs­ver­wal­ters be­steht un­abhängig da­von, wie lan­ge das Ar­beits­verhält­nis nach Kon­kurseröff­nung noch fort­ge­setzt wird. Es wird ein­ge­wandt, dem Kon­kurs­ver­wal­ter könne bei nur noch kurz­fris­ti­ger Beschäfti­gung ei­nes Ar­beit­neh­mers die not­wen­di­ge Sach­kun­de feh­len, um des­sen Leis­tun­gen zu be­ur­tei­len. Darüber hin­aus feh­le dem Kon­kurs­ver­wal­ter aber je­den­falls die not­wen­di­ge Kennt­nis, um für die Zeit vor der Kon­kurseröff­nung Führung und Leis­tung des Ar­beit­neh­mers für ein qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis be­wer­ten zu können. Bei­de Fall­ge­stal­tun­gen ge­ben je­doch kei­nen An­laß, den Zeug­nis­an­spruch ge­genüber dem Kon­kurs­ver­wal­ter ein­zu­schränken. Den dar­ge­leg­ten Schwie­rig­kei­ten sieht sich nämlich auch der Ar­beit­ge­ber ei­nes größeren Be­trie­bes ge­genüber, der den Ar­beit­neh­mer persönlich nicht kennt und sich auf die Be­ur­tei­lung durch des­sen Vor­ge­setz­te stützen muß (vgl. Stau­din­ger/

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Neu­mann, BGB, 12. Aufl., § 630 Rz 5). Auch der Kon­kurs­ver­wal­ter muß bei ent­spre­chen­den Größen­verhält­nis­sen des Be­trie­bes sich - eben­so wie der Ge­mein­schuld­ner - die für die Be­ur­tei­lung des Ar­beit­neh­mers er­for­der­li­chen An­ga­ben aus Per­so­nal­ak­ten oder durch Be­fra­gen der Vor­ge­setz­ten des Ar­beit­neh­mers be­schaf­fen. So­weit nach der Größe des Be­trie­bes der Be­triebs­in­ha­ber auf­grund ei­ge­nen un­mit­tel­ba­ren Ein­drucks das Zeug­nis aus­stel­len könn­te, kann und muß der Kon­kurs­ver­wal­ter für die Zeit vor Kon­kurseröff­nung ent­spre­chen­de Auskünf­te von dem Ge­mein­schuld­ner ein­ho­len, zu de­nen die­ser gemäß § 100 KO ver­pflich­tet ist. In die­sem Fal­le kann es, so­weit sich dies aus den übri­gen Da­ten des Zeug­nis­ses nicht oh­ne­hin er­gibt, für den Kon­kurs­ver­wal­ter er­for­der­lich wer­den, bei der Fas­sung des Zeug­nis­ses dar­auf hin­zu­wei­sen, daß er die Be­ur­tei­lung nicht aus ei­ge­ner Sach­kun­de ab­gibt, son­dern sie hin­sicht­lich des Zeit­raums vor Kon­kurseröff­nung auf den An­ga­ben des Ge­mein­schuld­ners be­ruht.

Ist nach dem vor­ste­hend Aus­geführ­ten nicht er­for­der­lich, den Kon­kurs­ver­wal­ter nur mit ei­nem ein­ge­schränk­ten Zeug­nis­an­spruch zu be­las­ten, so spricht ei­ne an­de­re Erwägung so­gar da­ge­gen, den Zeug­nis­an­spruch ent­spre­chend den vor­ste­hend an­geführ­ten Stim­men des Schrift­tums auf Ge­mein­schuld­ner und Kon­kurs­ver­wal­ter auf­zu­tei­len. Wenn da­nach ab­ge­grenzt wird, wie lan­ge der Ar­beit­neh­mer nach Kon­kurseröff­nung und mit wel­cher In­ten­sität er wei­ter­beschäftigt wird, so er­ge­ben sich un­erwünsch­te und ver­meid­ba­re Ab­gren­zungs­schwie­rig­kei­ten. Im In­ter­es­se ei­ner möglichst güns­ti­gen Ver­wer­tung von Be­trie­ben wer­den die­se ganz oder teil­wei­se über mehr oder we­ni­ger lan­ge Zeiträume von dem Kon­kurs­ver­wal­ter fort­geführt. Es kann sich dann er­ge­ben, daß je nach den Umständen das
 


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Verhält­nis der Beschäfti­gungs­dau­er vor und nach Kon­kurseröff­nung sich im­mer mehr an­gleicht und un­ter Umständen das Ar­beits­verhält­nis von Ar­beit­neh­mern während des Kon­kurs­ver­fah­rens länger be­stan­den hat als in der Zeit da­vor. Es las­sen sich kaum Kri­te­ri­en auf­zei­gen, bei de­ren Vor­lie­gen ein zunächst ge­gen Ge­mein­schuld­ner und Kon­kurs­ver­wal­ter ge­ge­be­ner. Zeug­nis­an­spruch sich in ei­nen sol­chen um­wan­delt, der al­lein noch ge­gen den Kon­kurs­ver­wal­ter be­steht. Die­se Un­si­cher­hei­ten müßten da­zu führen, daß für die Ar­beit­neh­mer, die bei Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses die mit der Be­en­di­gung zu­sam­menhängen­den Ansprüche ge­gen den Kon­kurs­ver­wal­ter ver­fol­gen müssen, stets Zwei­fels­fra­gen darüber be­ste­hen müßten, ge­gen wen Zeug­nis­ansprüche zu ver­fol­gen sind, wenn man sich nicht der hier ver­tre­te­nen An­sicht an­sch­ließt, daß ein ein­heit­li­cher An­spruch ge­gen den' Kon­kurs­ver­wal­ter ge­ge­ben ist.

c) Die hier ver­tre­te­ne An­sicht steht nicht mit der Auf­fas­sung in Wi­der­spruch, bei der Zeug­nis­er­tei­lung sei ei­ne Stell­ver­tre­tung nur in be­schränk­tem Um­fan­ge möglich und die Zeug­nis­er­tei­lung selbst sei ei­ne un­ver­tret­ba­re Hand­lung im Sin­ne des § 888 ZPO (BA­GE 51, 104, 111 = AP Nr. 2 zu § 48 TVAL II). Auf­grund der vor­ge­nann­ten Erwägun­gen entfällt der Zeug­nis­an­spruch nur dann, wenn der Ar­beit­ge­ber ver­stor­ben ist und der Er­be die für die Zeug­nis­er­tei­lung maßge­ben­den Tat­sa­chen nicht kennt und sie sich auch nicht durch Ein­ho­lung ent­spre­chen­der Auskünf­te ver­schaf­fen kann. Das kann auch für den Kon­kurs­ver­wal­ter zu­tref­fen, wenn er sich die für die Zeug­nis­er­tei­lung er­for­der­li­chen In­for­ma­tio­nen vom Ge­mein­schuld­ner nicht mehr be­schaf­fen kann. Von ei­nem ver­gleich­ba­ren Sach­ver­halt kann vor­lie­gend nicht aus­ge­gan­gen wer­den.
 


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II. Hier­nach kann zwar der Kläger vom Be­klag­ten als Kon­kurs­ver­wal­ter ein Zeug­nis auch über sei­ne Tätig­keit bei der Ge­mein­schuld­ne­rin ver­lan­gen, es ist je­doch im Streit­fall noch un­geklärt, ob der An­spruch des Klägers nicht nach § 23 Abs. I MTV er­lo­schen ist. Der Rechts­streit muß des­we­gen zur Klärung die­ser Fra­ge an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen wer­den.

1. Nach § 23 Abs. I MTV erlöschen al­le Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis mit Ab­lauf von drei Mo­na­ten nach Fällig­keit, wenn sie nicht frist­ge­recht gel­tend ge­macht wer­den. Da­zu gehört auch ein An­spruch auf Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses, denn er er­gibt sich aus dem Ar­beits­verhält­nis (vgl. BA­GE 42, 41 = AP Nr. 10 zu § 70 BAT).

2. Die Aus­schlußfrist des vor­ge­nann­ten all­ge­mein­ver­bind­li­chen Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges ist von Amts we­gen zu be­ach­ten (BA­GE 6, 170 = AP Nr. 10 zu § 611 BGB Lohn­an­spruch; BAG Ur­teil vom 15. März 1960 - 1 AZR 464/57 - AP Nr. 9 zu § 15 AZO). Es ist in die­sem Zu­sam­men­hang un­er­heb­lich, daß der Be­klag­te sich nicht aus­drück­lich auf die Ver­fall­frist be­ru­fen hat.

3. Der Kläger muß un­ter die­sen Umständen dar­le­gen, daß er sei­nen An­spruch frist­ge­recht gel­tend ge­macht hat (BA­GE 42, 41, 48 = AP Nr. 10 zu § 70 BAT, zu II 3 c der Gründe). Im Streit­fall hat der Kläger in der Kla­ge­schrift nur dar­auf hin­ge­wie­sen, er ha­be trotz mehr­fa­cher Auf­for­de­rung ein Zeug­nis nicht er­hal­ten. Die­sem Vor­trag ist nicht zu ent­neh­men, wann er den Be­klag­ten erst­ma­lig da­zu auf­ge­for­dert hat. Ins­be­son­de­re ist nicht er­sicht­lich, ob er da­mit die ta­rif­li­che Aus­schlußfrist ein­ge­hal­ten hat. Der An­spruch
 

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auf Zeug­nis­er­tei­lung ist spätes­tens mit En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses fällig ge­wor­den (BAG, aaO).

Trotz feh­len­der An­ga­ben des Klägers hier­zu, ist die Kla­ge nicht als un­schlüssig ab­zu­wei­sen. Dem Kläger war in den Vor­in­stan­zen kei­ne Ge­le­gen­heit ge­ge­ben wor­den, sich zu die­sem Ge­sichts­punkt zu äußern. Da­her kann ihm das recht­li­che Gehör da­zu nicht ver­wehrt wer­den (Art. 103 Abs. 1 GG).

Außer­dem ist noch un­geklärt, ob sich die Pflicht zur Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses auch auf die Zeit vor dem 27. Ja­nu­ar 1983 er­streckt. Der Be­klag­te hat da­zu vor­ge­tra­gen, die Ge­mein­schuld­ne­rin sei erst an die­sem Ta­ge ins Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen wor­den. Die da­zu er­for­der­li­chen tatsächli­chen Fest­stel­lun­gen muß das Lan­des­ar­beits­ge­richt eben­falls tref­fen.

Dr. Tho­mas 

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Arnt­zen

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