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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 23.03.2012, 6 Sa 40/12

   
Schlagworte: Gehaltsanpassung, AGB-Kontrolle, Arbeitsvertrag
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 6 Sa 40/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 23.03.2012
   
Leitsätze: Eine Vertragsklausel, wonach die Vergütung regelmäßig nach Ablauf von drei Jahren zu überprüfen und ggf. zu erhöhen ist, eröffnet nicht bloß einen ergebnisoffenen Verhandlungsanspruch, sondern begründet einen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine entsprechende Leistungsbestimmung.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Potsdam, Urteil vom 19.10.2011, 6 Ca 964/11
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 23. März 2102

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

6 Sa 40/12

6 Ca 964/11
Ar­beits­ge­richt Pots­dam

S., RHS
als Ur­kunds­be­am­tin der
Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

 

In dem Rechts­streit

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Kam­mer 6,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 23.03.2012
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt C. als Vor­sit­zen­den
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter A. und St.

für Recht er­kannt:

1. Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pots­dam vom 19.10.2011 – 6 Ca 964/11 – da­hin geändert, dass die Be­klag­te ver­ur­teilt wird, an den Kläger 16.156,88 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über Ba­sis­zins­satz seit dem 18.05.2011 zu zah­len.

2. Das Jah­res­ge­halt des Klägers beträgt 117.925,00 € brut­to.

3. Die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung wird zurück­ge­wie­sen.

4. Die Kos­ten des Rechts­streits ha­ben der Kläger zu 41,93 % und die Be­klag­te zu 58,07 % zu tra­gen.

5. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand

Der Kläger steht auf­grund ei­nes Dienst­ver­trags vom 30.04.1993 (DV) als Chef­arzt der Kli­nik für Uro­lo­gie in den Diens­ten der Be­klag­ten bzw. ih­rer Rechts­vorgänge­rin.

In § 1 Abs. 2 DV war die Gel­tung des BAT-O in der je­weils gülti­gen Fas­sung ver­ein­bart. Nach § 8 Abs. 1 und 8 DV soll­te der Kläger ein Ein­kom­men in Höhe des 1,3-fa­chen Be­trags der Bezüge nach der je­weils höchs­ten ta­rif­li­chen Vergütungs­grup­pe für an­ge­stell­te Ärz­te er­hal­ten. Da­ne­ben wur­de ihm das Li­qui­da­ti­ons­recht für ge­son­dert be­rech­ne­te wahlärzt­li­che Leis­tun­gen ein­geräumt.

Un­ter dem 03./04.08.2004 tra­fen die Par­tei­en ei­ne „Ver­ein­ba­rung“, wo­nach der Kläger ab 01.01.2004 ein Jah­res­ge­halt in Höhe von 105 T€ brut­to er­hal­ten soll­te, zahl­bar in zwölf glei­chen Mo­nats­ra­ten. In Nr. 2 war ge­re­gelt:

„Die Vergütung gemäß 1. ist re­gelmäßig nach Ab­lauf von drei Jah­ren zu über­prüfen und ggf. zu erhöhen. Bei der Über­prüfung hat die Ein­kom­mens­si­tua­ti­on der Ärz­te im Kli­ni­kum be­son­de­res Ge­wicht, die nach Maßga­be der ta­rif­li­chen Re­ge­lung vergütet wer­den. Fer­ner ist die Ein­kom­mens­si­tua­ti­on der Grup­pe der Chefärz­te des Kli­ni­kums zu berück­sich­ti­gen, so­weit die­se durch Pri­vat­li­qui­da­ti­ons­ein­nah­men und sons­ti­ge Ein­nah­men für Ne­bentätig­kei­ten ge­prägt ist.“

Im Jahr 2008 leis­te­te die Be­klag­te dem Kläger laut ih­rem Schrei­ben vom 23.07.2008 (Ab­lich­tung Bl. 66 GA) ei­ne ein­ma­li­ge Zah­lung in Höhe von 25 T€ brut­to in An­er­ken­nung sei­ner „be­son­de­ren Leis­tun­gen … im Zu­sam­men­hang mit dem Trans­for­ma­ti­ons­pro­gramm“.
Mit Schrei­ben vom 18.01.2010 (Ab­lich­tung Bl. 67 GA) brach­te der Kläger un­ter Hin­weis auf die Ver­ein­ba­rung vom 03./04.08.2004 vor, dass jetzt schon die zwei­te Über­prüfung und ggf. Erhöhung sei­ner Vergütung fällig sei, die 2007 nicht statt­ge­fun­den hätten. In ei­nem wei­te­ren Schrei­ben vom 03.09.2010 (Ab­lich­tung Bl. 68-70 GA) führ­te der Kläger aus, dass ei­ne sich aus ei­ner Über­prüfung er­ge­ben­de An­pas­sung sei­ner Bezüge für die Zeit ab 01.01.2009 durch die Prämi­en­zah­lung in 2008 nicht als aus­ge­gli­chen an­ge­se­hen wer­den könne.

Nach meh­re­ren frucht­lo­sen Gesprächen mit dem Geschäftsführer der Be­klag­ten über ei­ne Ände­rung der Vergütungs­re­ge­lung hat der Kläger mit sei­ner am 17.05.2011 zu­ge­stell­ten Kla­ge un­ter Hin­weis auf ei­ne Sta­tis­tik der Be­klag­ten über die „Ta­rif­stei­ge­rung 2006 bis 2010“ (Ab­lich­tung Bl. 26 GA) Zah­lung rest­li­cher Vergütung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.03.2011 in Höhe von 34.581,75 € brut­to und Fest­stel­lung ei­nes Jah­res­ge­halts von 124.845,00 € brut­to, hilfs­wei­se im We­ge der Stu­fen­kla­ge Ge­halts­erhöhung und Zah­lung auf der Grund­la­ge ei­ner zu er­tei­len­den Aus­kunft be­gehrt.

 

- 4 -

Das Ar­beits­ge­richt Pots­dam hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, Nr. 2 der Ver­ein­ba­rung vom 03./04.08.2004 re­ge­le nur ei­ne re­gel-mäßige Über­prüfungs­pflicht, nicht da­ge­gen ei­nen An­spruch auf Erhöhung der Vergütung, wie sich be­reits aus dem ein­schränken­den Zu­satz „ggf.“ er­ge­be. Außer­dem er­ge­be sich dies dar­aus, dass nicht ge­re­gelt sei, in wel­chem Verhält­nis die Ein­kom­mens­ent­wick­lung der ta­rif­lich beschäftig­ten Ärz­te und der Chefärz­te mit Pri­vat­li­qui­da­ti­on bei der Erhöhung des Jah­res­ge­halts des Klägers hätten berück­sich­tigt wer­den sol­len. Der Kläger ha­be auch kei­nen Scha­den­er­satz­an­spruch, weil die Par­tei­en außer­ge­richt­lich ver­sucht hätten, ei­ne Erhöhung der Vergütung zu ver­han­deln. Man­gels An­spruchs­grund­la­ge für ei­nen Zah­lungs­an­spruch sei auch der hilfs­wei­se gel­tend ge­mach­te Aus­kunfts­an­spruch ab­zu­wei­sen.

Ge­gen die­ses ihm am 09.12.2011 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die am 06.01.2012 ein­ge­leg­te und am 08.02.2012 be­gründe­te Be­ru­fung des Klägers. Er meint, „ggf. zu erhöhen“ be­deu­te, dass ei­ne Erhöhung sei­nes Jah­res­ge­halts zu er­fol­gen ha­be, wenn die Über­prüfung zu­vor ei­ne Erhöhung des Ein­kom­mens der Ver­gleichs­grup­pen er­ge­ben ha­be. Da die Be­klag­te ihm kei­ne Aus­kunft über die Ein­kom­mens­ent­wick­lung ge­ge­ben ha­be und die Ein­kom­mens­si­tua­ti­on der Chefärz­te le­dig­lich „zu berück­sich­ti­gen“ sei, könne er sich für sei­ne For­de­rung auf die ta­rif­li­chen Stei­ge­run­gen der ärzt­li­chen Gehälter bei der Be­klag­ten stützen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­klag­te un­ter Ände­rung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils

1. zu ver­ur­tei­len, an ihn 34.581,75 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz ab Rechtshängig­keit zu zah­len,
2. fest­zu­stel­len, dass sein Jah­res­ge­halt 124.845,00 € brut­to be­tra­ge,

hilfs­wei­se

2a) die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm Aus­kunft über die ta­rif­li­che Vergütung der Ärz­te im Kli­ni­kum seit dem 01.01.2004 so­wie über die Ein­kom­mens­si­tua­ti­on der Chefärz­te seit dem 01.01.2004 zu er­tei­len, so­weit die­se durch Pri­vat­li­qui­da­ti­ons­ein­nah­men und sons­ti­ge Ein­nah­men für Ne­bentätig­kei­ten ge­prägt sei­en,

und kündigt an, nach er­teil­ter Aus­kunft zu be­an­tra­gen,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len,

2b) die Rich­tig­keit der Aus­kunft zu Num­mer 2a) an Ei­des statt zu ver­si­chern,

2c) sein Grund­ge­halt gemäß der Ver­ein­ba­rung vom 03./04.08.2004 nach Maßga­be der un­ter Num­mer 2a) er­tei­len Auskünf­te in glei­cher Wei­se zu erhöhen,

2d) an ihn den sich aus Kla­ge­an­trag 2a) seit dem 01.01.2009 er­ge­ben­den Ge­samt­be­trag nebst Zin­sen hier­aus in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz ab Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt, 

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

 

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Sie hält die Be­ru­fung be­reits we­gen un­zu­rei­chen­der Be­gründung für un­zulässig. In der Sa­che ver­tei­digt sie das an­ge­foch­te­ne Ur­teil und stellt in Ab­re­de, dass Sinn und Zweck der Ver­ein­ba­rung vom 03./04.08.2004 ge­we­sen sei, ei­ne Re­ge­lung zur An­pas­sung des Grund-ge­halts des Klägers an die all­ge­mei­ne Ge­halts­ent­wick­lung in ih­rem Kli­ni­kum zu schaf­fen. Da­zu ha­be an­ge­sichts der ge­ra­de­zu un­be­grenz­ten Möglich­kei­ten zur Er­zie­lung von Ein­nah­men aus der Pri­vat­li­qui­da­ti­on und sons­ti­gen Ne­bentätig­kei­ten kei­ner­lei An­lass be­stan­den. Hin­sicht­lich der ta­rif­li­chen Ent­wick­lung ar­gu­men­tie­re der Kläger mit un­zu­tref­fen­den Zah­len. Je­den­falls könne ei­ne Ein­hal­tung der ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist für 2009 und 2010 nicht fest­ge­stellt wer­den.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und die in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­wech­sel­ten Schriftsätze Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

1. Die frist­gemäß ein­ge­leg­te und be­gründe­te Be­ru­fung des Klägers ent­sprach auch in­halt­lich den An­for­de­run­gen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG. Der Kläger hat sich nicht nur mit den Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts zum Wort­laut der Ver­ein­ba­rung vom 03./04.08.2004 aus­ein­an­der­ge­setzt, son­dern auch mit des­sen An­sicht, dar­aus er­ge­be sich auch des­halb kei­ne An­spruchs­grund­la­ge für ei­ne re­gelmäßige Ge­halts­erhöhung, weil nicht ge­re­gelt sei, in wel­chem Verhält­nis die Ein­kom­mens­ent­wick­lung der ta­rif­lich beschäftig­ten Ärz­te und der Chefärz­te mit Pri­vat­li­qui­da­ti­on hätten berück­sich­tigt wer­den sol­len. Hier­zu hat der Kläger un­ter Hin­weis auf die gewähl­te For­mu­lie­rung vor­ge­bracht, es könne da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass ihm zu­min­dest ein An­spruch in Höhe der ta­rif­li­chen Stei­ge­rung des ärzt­li­chen Per­so­nals zu­ste­he. Dies genügte, weil der Rechts­mitt­elführer re­gelmäßig nicht mehr an Be­gründung auf­zu­wen­den braucht, als das Ge­richt in der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung (BAG, Ur­teil vom 16.03.2004 - 9 AZR 323/03 - BA­GE 110, 45 = AP Tz­B­fG § 8 Nr. 10 zu A II 1 d. Gr.) und es auch nicht auf die Schlüssig­keit ei­ner Be­ru­fungs­be­gründung an­kommt (BGH, Ur­teil vom 04.10.1999 - II ZR 361/98 - NJW 1999, 3784 zu II 1 d. Gr.).

2. Die Be­ru­fung ist teil­wei­se be­gründet.

2.1 Un­be­gründet ist die Kla­ge und da­mit auch die Be­ru­fung, so­weit der Kläger rest­li­che Vergütung für 2009 ver­langt. In­so­weit wäre ein An­spruch je­den­falls we­gen Versäum­ung der sechs­mo­na­ti­gen Aus­schluss­frist des § 70 Abs. 1 BAT-O oder des § 32 Abs. 1 TV Ärz­te/EvB er­lo­schen.

 

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2.1.1 In § 1 Abs. 2 DV war die An­wen­dung des BAT-O ver­ein­bart wor­den. Da der BAT-O gemäß sei­nem § 3 lit. h nicht für An­ge­stell­te galt, die ei­ne über die höchs­te Vergütungs­grup­pe hin­aus­ge­hen­de Vergütung er­hiel­ten, wie dies beim Kläger gemäß § 8 Abs. 1 und 8 DV der Fall war, han­del­te es sich um kei­ne sog. Gleich­stel­lungs­ab­re­de, son­dern um ei­ne zeit­dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me auf die­ses Ta­rif­werk. Ob die­se ei­ner ergänzen­den Aus­le­gung hin­sicht­lich des in­zwi­schen für die Be­klag­te gel­ten­den TV Ärz­te/EvB zu un­ter­zie­hen war, ob­wohl der TV Ärz­te/EvB nicht all­ge­mein an die Stel­le des BAT-O ge­tre­ten ist (da­zu BAG, Ur­teil vom 19.05.2010 – 4 AZR 796/88 – BA­GE 134, 283 = AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 76 R 21 ff), son­dern nur für das Un­ter­neh­men der Be­klag­ten und er nach sei­nem § 1 Abs. 2 nicht für Chefärz­te gilt, wenn de­ren Ar­beits­be­din­gun­gen wie beim Kläger ein­zel­ver­trag­lich ver­ein­bart wor­den sind, konn­te da­hin­ste­hen. § 32 Abs. 1 TV Ärz­te/EvB enthält ei­ne § 70 Abs. 1 BAT-O in­halts­glei­che Re­ge­lung.

2.1.2 Nach § 70 Abs. 1 BAT-O ver­fie­len Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis, wenn sie nicht in­ner­halb ei­ner Aus­schluss­frist von sechs Mo­na­ten nach Fällig­keit vom An­ge­stell­ten oder vom Ar­beit­ge­ber schrift­lich gel­tend ge­macht wur­den, so­weit ta­rif­ver­trag­lich nichts an­de­res be­stimmt war. Ei­ne sol­che schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fand sich erst­mals im Schrei­ben des Klägers vom 03.09.2010, wo die­ser auf Sei­te 2 un­ter Punkt 3 aus­geführt hat, dass durch die Prämi­en­zah­lung im Jahr 2008 ei­ne An­pas­sung sei­ner Bezüge für die Zeit ab 01.01.2009 nicht als aus­ge­gli­chen an­ge­se­hen wer­den könne. Da­ge­gen hat­te er in sei­nem Schrei­ben vom 18.01.2010 le­dig­lich vor­ge­bracht, dass jetzt, da 2007 we­der ei­ne Über­prüfung noch ei­ne Erhöhung statt­ge­fun­den hätten, schon die zwei­te Über­prüfung und ggf. Erhöhung fällig sei­en. Dass er da­mit auch noch für 2009 auf der Grund­la­ge ei­ner nachträgli­chen Über­prüfung für die Zeit ab 2007 ei­nen Vergütungs­an­spruch gel­tend ma­chen woll­te, ließ sich dar­aus vom Empfänger­ho­ri­zont aus gemäß § 133 BGB nicht ent­neh­men.

2.1.3 Ent­ge­gen der An­sicht des Klägers ist die Be­klag­te nicht ana­log § 162 Abs. 2 BGB we­gen Ver­s­toßes ge­gen Treu und Glau­ben ge­hin­dert, sich auf ei­ne Versäum­ung der Aus­schluss­frist zu be­ru­fen. Dass die Be­klag­te ei­ne Über­prüfung un­ter­las­sen und auf die Gesprächs­bemühun­gen des Klägers nicht in sei­nem Sin­ne ein­ge­gan­gen ist, son­dern ei­ne Ver­tragsände­rung vor­ge­schla­gen hat, genügte dafür nicht. An­ders hätte es sich ver­hal­ten, wenn die Be­klag­te den Kläger et­wa durch ei­ne Zu­si­che­rung oder sons­ti­ge Erklärun­gen von ei­ner recht­zei­ti­gen schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung ab­ge­hal­ten hätte (vgl. BAG, Ur­teil vom 13.12.2007 – 6 AZR 222/07 – BA­GE 125, 216 = AP BGB § 242 Un­zulässi­ge Rechts-ausübung - Ver­wir­kung Nr. 53 R 31).

2.2 Das Jah­res­ge­halt des Klägers beträgt der­zeit 117.925,00 € brut­to, was er als Teil sei­nes Rechts­verhält­nis­ses zur Be­klag­ten gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zum Ge­gen­stand ei­ner sog.

 

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Zwi­schen­fest­stel­lungs­kla­ge hat ma­chen können. Sein da­hin­ge­hen­der An­spruch er­gibt sich aus Nr. 2 der Ver­ein­ba­rung vom 03./04.08.2004.

2.2.1 In­dem die Par­tei­en für die Zeit ab 01.01.2004 ver­ein­bart ha­ben, dass die Vergütung des Klägers re­gelmäßig nach Ab­lauf von drei Jah­ren zu über­prüfen und ggf. zu erhöhen ist, ha­ben sie ei­ne ent­spre­chen­de Ver­pflich­tung der Be­klag­ten be­gründet. Sie ha­ben ge­ra­de nicht bloß ih­re Ab­sicht be­kun­det, im Ab­stand von drei Jah­ren über ei­ne Vergütungs­an­pas­sung zu ver­han­deln.

2.2.1.1 Die Ver­wen­dung des Ad­verbs „ge­ge­be­nen­falls“ in ab­gekürz­ter Schreib­wei­se war gemäß § 157 BGB nach Treu und Glau­ben nicht als Einräum­ung ei­ner oh­ne­hin be­ste­hen­den Möglich­keit zu ver­ste­hen, son­dern auf­grund der Ver­knüpfung mit der vor­an­ge­gan­ge­nen Über­prüfungs­pflicht der Be­klag­ten als Be­zug­nah­me auf de­ren Er­geb­nis. Die­sem Verständ­nis stand nicht ent­ge­gen, dass im fol­gen­den Satz kei­ne fes­te Re­la­ti­on zwi­schen der Ein­kom­mens­si­tua­ti­on der Ärz­te mit ta­rif­li­cher Vergütung und der Ein­kom­mens­si­tua­ti­on der Chefärz­te als Be­zugs­größen für die Über­prüfung her­ge­stellt wur­de. Dies war für ei­ne Ein­gren­zung des bil­li­gen Er­mes­sens, das von der Be­klag­ten bei ih­rer Leis­tungs­be­stim­mung gemäß § 315 Abs. 1 BGB im Zwei­fel zu wah­ren ist, nicht er­for­der­lich, wie durch ei­nen Blick auf § 16 Abs. 1 Be­trAVG bestätigt wird, wor­auf im Ver­hand­lungs­ter­min hin­ge­wie­sen wor­den ist. Da­nach hat der Ar­beit­ge­ber al­le drei Jah­re ei­ne An­pas­sung der lau­fen­den Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung zu prüfen und hierüber nach bil­li­gem Er­mes­sen zu ent­schei­den, wo­bei ins­be­son­de­re die Be­lan­ge des Ver­sor­gungs­empfängers und sei­ne wirt­schaft­li­che La­ge zu berück­sich­ti­gen sind. Während der Ge­setz­ge­ber hier von jeg­li­cher Ge­wich­tung der zu berück­sich­ti­gen­den Umstände ab­ge­se­hen hat, ha­ben die Par­tei­en im vor­lie­gen­den Fall der Ein­kom­mens­si­tua­ti­on der Ärz­te mit ta­rif­li­cher Vergütung so­gar be­son­de­res Ge­wicht ge­genüber der da­ne­ben bloß zu berück­sich­ti­gen­den Ein­kom­mens­si­tua­ti­on der Chefärz­te bei­ge­mes­sen.

2.2.1.2 Für ei­nen An­spruch des Klägers auf Erhöhung sei­ner Vergütung sprach auch, dass er bis­lang nach § 8 Abs. 1 und 8 DV An­spruch auf ei­ne lau­fen­de An­pas­sung sei­ner Vergütung auf den 1,3-fa­chen Be­trag der je­weils höchs­ten ta­rif­li­chen Vergütungs­grup­pe hat­te. Zwar war sein Jah­res­ge­halt in Nr. 1 der Ver­ein­ba­rung vom 03./04.08.2004 auf 105 T€ brut­to erhöht wor­den. Dafür hat­te die Be­klag­te je­doch ei­ne Ab­kop­pe­lung von der jähr­li­chen Erhöhung des höchs­ten Ta­rif­ge­halts und ei­ne Re­la­ti­vie­rung durch die Berück­sich­ti­gung der Ein­kom­mens­ent­wick­lung der Chefärz­te er­reicht.

2.2.1.3 Et­wa ver­blei­ben­de Zwei­fel müss­ten je­den­falls gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Las­ten der Be­klag­ten als Ver­wen­de­rin der von ihr nach dem äußeren Er­schei­nungs­bild und ih­rer ei­ge­nen Ein­las­sung für ei­ne Viel­zahl von Fällen vor­for­mu­lier­ten „Ver­ein­ba­rung“ ge­hen.

 

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2.2.2 Da die Be­klag­te trotz wie­der­hol­ter Auf­for­de­rung des Klägers ei­ne Leis­tungs-be­stim­mung nicht vor­ge­nom­men hat, war die Leis­tung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 Ts. 1 BGB durch Ur­teil zu be­stim­men.

2.2.2.1 Aus­zu­ge­hen war von der Ein­kom­mens­si­tua­ti­on der Ärz­te im Kli­ni­kum der Be­klag­ten mit ei­ner ta­rif­lich ge­re­gel­ten Vergütung. De­ren Ein­kom­men ist aus­weis­lich der vom Kläger be­reits erst­in­stanz­lich zur Ak­te ge­reich­ten Gra­fik „Ta­rif­stei­ge­rung 2006 bis 2010“ in den Jah­ren 2005 bis 2009 von 100 auf 112,31 % ge­stie­gen. Wes­halb die­se Zah­len nicht zu­tref­fen sol­len, hat die Be­klag­te nicht erläutert, ob­wohl der Kläger un­wi­der­spro­chen dar­auf hin­ge­wie­sen hat, dass ihm die zur Ak­te ge­reich­te Gra­fik durch den Lei­ter für Con­trol­ling als Teil ei­nes Ar­beits­pa­piers über­mit­telt wor­den sei.

2.2.2.2 Da sich der Kläger auf die Stei­ge­rungs­fak­to­ren ab 2005 be­schränkt hat, konn­te ei­ne et­wai­ge Stei­ge­rung in 2004 außer Be­tracht blei­ben.

2.2.2.3 Des­glei­chen konn­te die Ein­kom­mens­si­tua­ti­on der Chefärz­te we­der in der ei­nen noch in der an­de­ren Rich­tung Berück­sich­ti­gung fin­den. Während sich der Kläger da­mit be­gnügt hat, zu­min­dest an der Ein­kom­mens­ent­wick­lung der Ärz­te mit ta­rif­li­cher Vergütung zu par­ti­zi­pie­ren, hat die Be­klag­te kei­ne An­ga­ben ge­macht, die An­lass zu ei­ner ge­rin­ge­ren An­he­bung der Vergütung des Klägers hätten ge­ben können. Nach ih­rer vom Kläger bestätig­ten Dar­stel­lung sind des­sen Ge­samt­einkünf­te von 2006 bis 2010, von der Ein­mal­zah­lung in 2008 ab­ge­se­hen, na­he­zu un­verändert bei rund 170 T€ ge­blie­ben, in­dem sie le­dig­lich um 1,46 % ge­stie­gen sind. So­weit die Be­klag­te zunächst ge­meint hat, dies auf ei­ne ständig ab­neh­men­de Leis­tungsfähig­keit des Klägers zurückführen zu können, und sie dem Kläger so­dann im Ver­hand­lungs­ter­min pau­schal vor­ge­wor­fen hat, im Ge­gen­satz zu an­de­ren Chefärz­ten die Möglich­keit zur Stei­ge­rung sei­ner Einkünf­te aus Pri­vat­li­qui­da­ti­on zu versäum­en, ist der Kläger dem mit dem Hin­weis ent­ge­gen­ge­tre­ten, auf ei­nen Teil sei­ner Pri­vat­li­qui­da­ti­on ver­zich­tet zu ha­ben, um ei­nen neu­en Ober­arzt mit ei­ner neu­en Ope­ra­ti­ons­tech­nik ge­win­nen zu können. Un­er­gie­big wa­ren auch die pau­scha­len schrift-sätz­li­chen bzw. im Ver­hand­lungs­ter­min auf­ge­stell­ten Be­haup­tun­gen der Be­klag­ten, die Vergütung des Klägers ha­be sich 2009 im Me­di­an be­wegt und das jähr­li­che Ge­samt­ein­kom­men der ca. 20 Chefärz­te ha­be durch­schnitt­lich 250 T€ be­tra­gen. Ne­ben der Sa­che lag schließlich ih­re An­sicht, ein An­pas­sungs­an­spruch könne sich über­haupt erst nach An­rech­nung der Einkünf­te des Klägers aus sei­ner Pri­vat­li­qui­da­ti­on er­ge­ben.

2.2.2.4 Ob­wohl der Kläger für die Zeit vor 2010 die ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­frist versäumt hat, war die Ein­kom­mens­ent­wick­lung seit 2005 zu berück­sich­ti­gen. Dass es zum Ver­fall ei­nes An­spruchs auf Zah­lung ei­nes höhe­ren Jah­res­ge­halts ge­kom­men ist, hin­der­te nicht, das er­reich­te höhe­re Vergütungs­ni­veau zur Grund­la­ge für ei­ne wei­te­re Erhöhung zu

 

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ma­chen. Wenn der Ar­beit­ge­ber kei­ne aus­drück­li­che An­pas­sungs­ent­schei­dung ge­trof­fen hat, gilt die Ab­leh­nung ei­ner sol­chen An­pas­sung erst mit Ab­lauf des fol­gen­den An­pas­sungs­zeit­raums als ab­ge­ge­ben, mit der Fol­ge, dass das Ver­lan­gen nach ei­ner nachträgli­chen An­pas­sung auf­grund Ver­wir­kung gemäß § 242 BGB erst mit Ab­lauf des übernächs­ten An­pas­sungs­ter­mins aus­ge­schlos­sen ist, so­fern es nicht bis da­hin er­ho­ben wur­de (zur in­so­weit ver­gleich­ba­ren An­pas­sungs­prüfung bei Be­triebs­ren­ten BAG, Ur­teil vom 25.04.2006 – 3 AZR 372/05 – AP Be­trAVG § 16 Nr. 60 zu II 1 a d. Gr.). In die­sem Sin­ne übernächs­ter An­pas­sungs­ter­min wird vor­lie­gend erst der 01.01.2013 sein.

2.2.2.5 Fehl ging al­ler­dings auch die Vor­stel­lung des Klägers, er ha­be An­spruch auf ei­ne jähr­li­che Ge­halts­erhöhung um 15,9 bzw. 18,9 % be­reits ab 01.01.2010 bzw. 01.01.2011. Dass die Be­klag­te ih­rer Ver­pflich­tung nicht nach­ge­kom­men ist, ei­ne An­pas­sungs­prüfung und ei­ne dar­aus re­sul­tie­ren­de An­pas­sung zum 01.01.2007 und 01.01.2010 vor­zu­neh­men, berühr­te den ver­ein­bar­ten Drei-Jah­res-Zeit­raum nicht. Auch wa­ren die An­pas­sun­gen erst ab dem je­wei­li­gen Fol­ge­jahr und nicht be­reits im je­weils drit­ten Jahr zu voll­zie­hen.

2.2.3 Aus­ge­hend von ei­nem Jah­res­ein­kom­men in Höhe von 105 T€ er­gab sich für den Kläger ab 01.01.2010 ein An­spruch auf Zah­lung von (105.000 x 112,31 % =) 117.925,00 € brut­to.

2.3 Für die Zeit von Ja­nu­ar 2010 bis März 2011 er­rech­ne­te sich ein Zah­lungs­be­trag von (105.000 x 12,31 % x 5/4 =) 16.156,88 € brut­to. In­so­weit hat der Kläger mit sei­nem Schrei­ben vom 18.01.2010 die ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­frist auch für sei­ne erst später fällig wer­den­den Teil­ansprüche ge­wahrt, weil es sich da­bei um den­sel­ben Sach­ver­halt han­del­te (§ 70 Abs. 2 BAT-O bzw. § 32 Abs. 1 Satz 2 TV Ärz­te/EvB).

2.4 Die Zins­for­de­rung be­ruht auf §§ 187 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1, 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.

3. Der Hilfs­an­trag des Klägers ist nicht zur Ent­schei­dung an­ge­fal­len. Zwar ist sei­nem Haupt­an­trag nicht vollständig statt­ge­ge­ben wor­den. Die Rechtshängig­keit sei­ner hilfs­wei­se er­ho­be­nen Stu­fen­kla­ge stand je­doch er­kenn­bar un­ter der auflösen­den Be­din­gung, dass er mit sei­nen be­zif­fer­ten Anträgen gar nicht durch­dringt. Da­von nicht er­fasst war der Fall der teil­wei­sen Ab­wei­sung we­gen Versäum­ung der ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist und falsch gewähl­ter An­pas­sungs­ter­mi­ne, was auch zur teil­wei­sen Ab­wei­sung ei­ner un­be­dingt er­ho­be­nen Stu­fen­kla­ge hätte führen müssen.

4. Ne­ben­ent­schei­dun­gen

4.1 Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO. Für die Be­rech­nung der Quo­ten war von ei­nem Streit­wert gemäß §§ 3 Ts. 1, 5 Ts. 1, 9 Satz 1 ZPO

 

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in Höhe von (19.845,00 x 3,5 x 80% =)

55.566,00 Fest­stel­lungs­an­trag
34.581,75 Zah­lungs­an­trag
90.147,75 € aus­zu­ge­hen.

Ob­siegt hat der Kläger in Höhe von (12.925 x 3,5 x 80% =)

36.190,00 Fest­stel­lungs­an­trag
16.156,88 Zah­lungs­an­trag
52.346,88 €.

Dar­aus er­rech­ne­te sich für die Be­klag­te ei­ne Quo­te von (52.346,88/90.147,75 =) 58,07%.

4.2 Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Zu­las­sung der Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG wa­ren nicht erfüllt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Ge­gen die­ses Ur­teil ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

 

C.

A.

B. St.

 

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