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Auf­he­bungs­ver­trag und ge­richt­li­cher Ver­gleich

Er­klärt der Ar­beit­ge­ber im Ver­gleich, Vor­wür­fe ge­gen den Ar­beit­neh­mer fal­len zu las­sen, kann er spä­ter nicht be­haup­ten, aus ver­hal­tens­be­ding­ten Grün­den ge­kün­digt zu ha­ben: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 13.02.2014, 5 Sa 280/13
Handschlag Playmobil Wer ei­nen Ver­trag schließt, ver­spricht, sich zu ver­tra­gen

30.04.2014. Ge­wäh­ren Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen An­sprü­che auf Son­der­zah­lun­gen, ent­fal­len die­se An­sprü­che manch­mal ge­mäß ent­spre­chen­den Aus­nah­me­klau­seln, wenn der Ar­beit­neh­mer aus ver­hal­tens­be­ding­ten Grün­den ge­kün­digt wird oder aus ver­hal­tens­be­ding­ten Grün­den ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ab­schließt.

Frag­lich ist, ob sich der Ar­beit­ge­ber auch dann noch auf ei­nen sol­chen An­spruchs­aus­schluss be­ru­fen kann, wenn der Ar­beit­neh­mer we­gen ei­ner ver­hal­tens­be­ding­ten Kün­di­gung Kün­di­gungs­schutz­kla­ge er­hebt und das Kla­ge­ver­fah­ren durch ei­nen Ver­gleich be­en­det wird, in dem der Ar­beit­ge­ber die Vor­wür­fe fal­len lässt, die er ur­sprüng­lich im Zu­sam­men­hang mit der Kün­di­gung er­ho­ben hat­te.

Ein sol­cher Ver­gleich ist ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag aus ver­hal­tens­be­ding­ten Grün­den nicht gleich­zu­set­zen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 13.02.2014, 5 Sa 280/13.

Wann wird ein Auf­he­bungs­ver­trag aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen ab­ge­schlos­sen?

Ar­beit­ge­ber tun sich verständ­li­cher­wei­se schwer da­mit, Gra­ti­fi­ka­tio­nen wie Weih­nachts­gel­der oder Ziel­ver­ein­ba­rungs­prämi­en an Ar­beit­neh­mer aus­zu­zah­len, die das Un­ter­neh­men demnächst ver­las­sen. Noch größer wird die Ab­nei­gung, wenn der an­spruchs­be­rech­tig­te Ar­beit­neh­mer aus­schei­det, weil er aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen gekündigt wur­de.

Be­trieb­li­che Re­ge­lun­gen, in de­nen die Vor­aus­set­zun­gen für sol­che Gra­ti­fi­ka­ti­ons­ansprüche fest­ge­legt sind, ent­hal­ten da­her manch­mal zu­guns­ten des Ar­beit­ge­bers an­spruchs­aus­sch­ließen­de Son­der­re­ge­lun­gen, de­nen zu­fol­ge kein An­spruch auf die Son­der­zah­lung be­steht, wenn der Ar­beit­neh­mer Pflicht­verstöße be­gan­gen hat und des­halb aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­det.

Kündigt der Ar­beit­ge­ber aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen und er­hebt der gekündig­te Ar­beit­neh­mer Kündi­gungs­schutz­kla­ge, muss der Ar­beit­ge­ber bzw. der Ar­beit­ge­ber­an­walt da­her auf­pas­sen, dass er sol­che Gra­ti­fi­ka­ti­ons­ansprüche beim Ab­schluss ei­nes Ver­gleichs nicht über­sieht.

Denn wenn ein Ver­gleich nach ei­ner ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung ver­ein­bart wird, ist dar­in prak­tisch im­mer ge­re­gelt, dass der Ar­beit­ge­ber die zunächst ge­gen den Ar­beit­neh­mer er­ho­be­nen Vorwürfe fal­lenlässt bzw. "nicht wei­ter auf­recht erhält". Oh­ne ei­ne sol­che Eh­ren­erklärung wird der gekündig­te Ar­beit­neh­mer ei­ner gütli­chen Ei­ni­gung nämlich nicht zu­stim­men.

Hat der Ar­beit­ge­ber aber ein­mal fei­er­lich im ge­richt­li­chen Ver­gleich erklärt, Vorwürfe nicht mehr auf­recht zu er­hal­ten, wird es eng für ihn, wenn er dem Ar­beit­neh­mer Son­der­zah­lun­gen mit dem Ar­gu­ment ver­wei­gert, dass das Ar­beits­verhält­nis aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen be­en­det wor­den sei.

Im Streit: Aus­le­gung ei­nes Pro­zess­ver­gleichs mit Eh­ren­erklärung zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers

Im Streit­fall war ei­ne langjährig beschäftig­te Ab­tei­lungs­lei­ter-As­sis­ten­tin frist­los gekündigt wor­den, weil sie an­geb­lich ei­nen Ar­beits­zeit­be­trug be­gan­gen ha­ben soll. Der Kündi­gungs­schutz­pro­zess en­de­te mit fol­gen­dem Ver­gleich:

  • "Zwi­schen den Par­tei­en be­steht Ei­nig­keit darüber, dass das zwi­schen ih­nen be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis auf­grund or­dent­li­cher, ar­beit­ge­ber­sei­ti­ger Kündi­gung vom 09.03.2012 un­ter Ein­hal­tung an­wend­ba­rer Kündi­gungs­fris­ten mit Ab­lauf des 31.10.2012 sein En­de fin­den wird.
  • Zwi­schen den Par­tei­en be­steht Ei­nig­keit darüber, dass die Kläge­rin ab so­fort frei­ge­stellt ist un­ter An­rech­nung noch be­ste­hen­den und ent­ste­hen­den Ur­laubs und noch be­ste­hen­den Ar­beits­zeit­gut­ha­bens aus dem Ar­beits­zeit­kon­to.
  • Zwi­schen den Par­tei­en be­steht Ei­nig­keit darüber, dass das Ar­beits­verhält­nis bis zum 30.06.2012 ver­trags­gemäß vollständig und ord­nungs­gemäß ab­ge­rech­net wird.
  • Die Be­klag­te erklärt, im Hin­blick auf die gütli­che Ei­ni­gung würden Vorwürfe ge­gen die Kläge­rin nicht er­ho­ben bzw. nicht auf­recht er­hal­ten.
  • Die Be­klag­te ver­pflich­tet sich, der Kläge­rin ein wohl­wol­len­des, qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis aus­zu­stel­len."

Nach Ab­schluss die­ses Ver­gleichs klag­te die Ar­beit­neh­me­rin in ei­nem wei­te­ren Pro­zess ei­ne va­ria­ble leis­tungs­abhängi­ge Prämie von 5.967,00 EUR brut­to für das Jahr 2011 ein, denn die Zah­lung die­ser Prämie hat­te der Ar­beit­ge­ber ver­wei­gert. In der Be­triebs­ver­ein­ba­rung zu die­ser Prämie hieß es:

"Ei­ne Aus­zah­lung entfällt ins­ge­samt, so­fern ei­nem Mit­ar­bei­ter vor dem 30.04. des Fol­ge­jah­res auf­grund ver­hal­tens­be­ding­ter Gründe gekündigt wur­de oder aus die­sen Gründen statt ei­ner Kündi­gung ein Auf­he­bungs­ver­trag ge­schlos­sen wur­de."

Das Ar­beits­ge­richt Mainz gab der Ar­beit­neh­me­rin Recht (Ur­teil vom 22.05.2013, 10 Ca 306/13).

LAG: Erklärt der Ar­beit­ge­ber im Ver­gleich, Vorwürfe ge­gen den Ar­beit­neh­mer fal­len zu las­sen, kann er später nicht be­haup­ten, ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen ver­ein­bart zu ha­ben

Auch in der Be­ru­fung vor dem LAG zog der Ar­beit­ge­ber den Kürze­ren und muss da­her die Prämie letzt­lich zah­len. Be­gründung des LAG:

Der Ver­gleich enthält aus­drück­lich die Re­ge­lung, dass der Ar­beit­ge­ber Vorwürfe ge­gen die Kläge­rin nicht er­hebt bzw. nicht auf­recht erhält. Die­se Erklärung ist nach An­sicht des LAG rechts­ver­bind­lich für bei­de Par­tei­en, so dass sich der Ar­beit­ge­ber dar­an fest­hal­ten las­sen muss. Aus wel­chen sub­jek­ti­ven Gründen er ursprüng­lich ein­mal die Kündi­gung erklärt hat­te, die dann Auslöser für den Kündi­gungs­schutz­pro­zess war, spielt im Nach­hin­ein kei­ne Rol­le mehr.

Auch mit dem Ar­gu­ment, der Ver­gleich sei doch ei­ne Art Auf­he­bungs­ver­trag aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen, kam der Ar­beit­ge­ber beim LAG nicht durch. Denn auch wenn man den hier strei­ti­gen ge­richt­li­chen Be­en­di­gungs­ver­gleich als Auf­he­bungs­ver­trag im Sin­ne der Prämi­en­re­ge­lung an­se­hen würde, hat­te der Ar­beit­ge­ber doch in ei­nem sol­chen "Auf­he­bungs­ver­trag" ei­ne Eh­ren­erklärung zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ab­ge­ge­ben. Da­mit wa­ren die zu­vor ge­gen die Ar­beit­neh­me­rin er­ho­be­nen Vorwürfe vom Tisch.

Fa­zit: Ver­ein­ba­ren Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer vor Ge­richt ei­nen Ver­gleich, um die Un­ge­wiss­heit über die Wirk­sam­keit ei­ner Kündi­gung durch ge­gen­sei­ti­ges Nach­ge­ben zu be­sei­ti­gen, ist zu ver­mu­ten, dass der Ver­gleich die ge­gen­sei­ti­gen In­ter­es­sen aus­ge­wo­gen berück­sich­tigt hat. Ob die im Ver­gleich ent­hal­te­nen Re­ge­lun­gen und Ver­pflich­tun­gen "an­ge­mes­sen" sind oder nicht, müssen die Par­tei­en selbst ent­schei­den, d.h. das ist ihr Ri­si­ko.

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Letzte Überarbeitung: 15. Juli 2020

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