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LAG Ham­burg, Ur­teil vom 03.06.2010, 7 Sa 4/10

   
Schlagworte: Arbeitszeit, Bereitschaftsdienst, Nachtarbeit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Aktenzeichen: 7 Sa 4/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 03.06.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 26.11.2009, 2 Ca 308/08
   


Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg


Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes


Geschäfts­zei­chen:

7 Sa 4/10
2 Ca 308/08 ArbG Ham­burg 

In dem Rechts­streit

Verkündet am:
3. Ju­ni 2010

 


An­ge­stell­te
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le 




 


er­kennt das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg, 7. Kam­mer,
auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 3. Ju­ni 2010
durch die Vi­ze­präsi­den­tin des Lan­des­ar­beits­ge­richts Lo­ets als Vor­sit­zen­de
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn T.
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn Z.

für Recht:


Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 26. No­vem­ber 2009 – 2 Ca 308/08 – ab­geändert und die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

2

Die Kos­ten des Rechts­streits hat der Kläger zu tra­gen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

 

 

 

 

 


R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g


Ge­gen die­ses Ur­teil kann Re­vi­si­on bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt wer­den. Die Re­vi­si­on kann nur dar­auf gestützt wer­den, dass das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts auf der Ver­let­zung ei­ner Rechts­norm be­ruht.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss ent­hal­ten:
- die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird;
- die Erklärung, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wird.
Mit der Re­vi­si­ons­schrift soll ei­ne Aus­fer­ti­gung oder be­glau­big­te Ab­schrift des an­ge­foch­te­nen Ur­teils vor­ge­legt wer­den.

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Die Re­vi­si­on ist zu be­gründen. Die Re­vi­si­ons­be­gründung muss ent­hal­ten:
- die Erklärung, in­wie­weit das Ur­teil an­ge­foch­ten und des­sen Auf­he­bung be­an­tragt wird (Re­vi­si­ons­anträge),
- die An­ga­be der Re­vi­si­ons­gründe, und zwar,
a) die be­stimm­te Be­zeich­nung der Umstände, aus de­nen sich die Rechts­ver­let­zung er­gibt,
b) so­weit die Re­vi­si­on dar­auf gestützt wird, dass das Ge­setz in Be­zug auf das Ver­fah­ren ver­letzt sei, die Be­zeich­nung der Tat­sa­chen, die den Man­gel er­ge­ben.

Die Re­vi­si­on kann nur ein Rechts­an­walt oder ei­ne Rechts­anwältin, der bzw. die bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­sen ist, oder ei­ne Ge­werk­schaft, ei­ne Ver­ei­ni­gung von Ar­beit­ge­bern oder ein Zu­sam­men­schluss sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ein­le­gen und be­gründen. Dies gilt ent­spre­chend für ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

 

 


Die Frist für die Ein­le­gung der Re­vi­si­on (Not­frist) beträgt ei­nen Mo­nat, die Frist für die Be­gründung der Re­vi­si­on zwei Mo­na­te. Die Re­vi­si­ons­be­gründungs­frist kann auf An­trag ein­mal bis zu ei­nem wei­te­ren Mo­nat verlängert wer­den.

Die Re­vi­si­ons­frist und die Re­vi­si­ons­be­gründungs­frist be­gin­nen mit dem Ta­ge der von Amts we­gen er­folg­ten Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils des Lan­des­ar­beits­ge­richts, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

 

Hin­weis:

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1. Die An­schrift des Bun­des­ar­beits­ge­richts lau­tet:

Hu­go-Preuß-Platz 1 – 99084 Er­furt

2. Aus tech­ni­schen Gründen sind die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift und die sons­ti­gen wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren in sie­ben­fa­cher Aus­fer­ti­gung (und für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ei­ne Aus­fer­ti­gung mehr) bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­zu­rei­chen.

3. Zur Möglich­keit der Ein­le­gung der Re­vi­si­on mit­tels elek­tro­ni­schen Do­ku­ments wird auf die Ver­ord­nung vom 9. März 2006 (BGBl I, 519 ff) hin­ge­wie­sen.

 

 

 

 

T a t b e s t a n d:

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob dem Kläger ge­gen die Be­klag­te ein ab­zu­gel­ten­der Ta­rif­an­spruch auf Zu­satz­ur­laub für im Rah­men von Be­reit­schafts­diens­ten ge­leis­te­te Nacht­stun­den zu­steht.

Der Kläger ist bei der Be­klag­ten als Arzt tätig. Er wird in der von der Be­klag­ten be­trie­be­nen As­kle­pios Kli­nik Al­to­na beschäftigt. Der Kläger ist Mit­glied der Ge­werk­schaft Mar­bur­ger Bund. Die Be­klag­te ist Mit­glied des Kran­ken­haus-Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des e. V. (KAH).

Zwi­schen dem Mar­bur­ger Bund und dem KAH wur­de am 22. No­vem­ber 2006 der Ta­rif­ver­trag für Ärz­tin­nen und Ärz­te im KAH (TV-

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Ärz­te-KAH) ab­ge­schlos­sen. Der TV-Ärz­te-KAH trat am 01.01.2007 in Kraft (§ 39 TV-Ärz­te-KAH). Der TV-Ärz­te-KAH enthält u. a. fol­gen­de Re­ge­lun­gen:

㤠7
Son­der­for­men der Ar­beit

(1.) Wech­sel­schicht­ar­beit ist die Ar­beit nach ei­nem Schicht­plan, der ei­nen re­gelmäßigen Wech­sel der tägli­chen Ar­beits­zeit in Wech­sel­schich­ten vor­sieht, bei de­nen der Arzt durch­schnitt­lich längs­tens nach Ab­lauf ei­nes Mo­nats er­neut zu min­dest zwei Nacht­schich­ten her­an­ge­zo­gen wird. Wech­sel­schich­ten sind wech­seln­de Ar­beits­schich­ten, in de­nen un­un­ter­bro­chen bei Tag und Nacht, werk­tags, sonn­tags und fei­er­tags ge­ar­bei­tet wird. Nacht­schich­ten sind Ar­beits­schich­ten, die min­des­tens zwei St­un­den Nacht­ar­beit um­fas­sen.

(2.) Schicht­ar­beit ist die Ar­beit nach ei­nem Schicht­plan, der ei­nen re­gelmäßigen Wech­sel des Be­ginns der tägli­chen Ar­beits­zeit um min­des­tens zwei St­un­den in Zeit­ab­schnit­ten von längs­tens ei­nem Mo­nat vor­sieht, und die in­ner­halb ei­ner Zeit­span­ne von min­des­tens 13 St­un­den ge­leis­tet wird.
(3.) …
(4.) Die Ärz­te sind ver­pflich­tet, sich auf An­ord­nung des Ar­beit­ge­bers außer­halb der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit an ei­ner vom Ar­beit­ge­ber be­stimm­ten Stel­le auf­zu­hal­ten, um im Be­darfs­fall die Ar­beit auf­zu­neh­men (Be­reit­schafts­dienst). Der Ar­beit­ge­ber darf Be­reit­schafts­dienst nur an­ord­nen, wenn zu er­war­ten ist, dass zwar Ar­beit anfällt, er­fah­rungs­gemäß aber die Zeit oh­ne Ar­beits­leis­tung über­wiegt. Die ge­sam­te Zeit des Be­reit­schafts­diens­tes wird als Ar­beits­zeit ge­wer­tet. Wenn in die Ar­beits­zeit re­gelmäßig und in er­heb­li­chem Um­fang Be­reit­schafts­dienst fällt, kann im Rah­men des § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 Ar­beits­zeit­ge­setz die tägli­che Ar­beits­zeit im Sin­ne des Ar­beits­zeit­ge­set­zes ab­wei­chend von den §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 und 6 Abs. 2 Ar­beits­zeit­ge­setz über acht St­un­den hin­aus auf bis zu 16 St­un­den verlängert wer­den, wenn min­des­tens die acht St­un­den über­schrei­ten­de Zeit als Be­reit­schafts­dienst ab­ge­leis­tet wird. …

(5.) …
(6.) …

(7.) Nacht­ar­beit ist die Ar­beit zwi­schen 21:00 Uhr und 06:00 Uhr.

§ 8
Aus­gleich für Son­der­for­men der Ar­beit

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(1.) Ärz­te er­hal­ten ne­ben dem Ent­gelt für die tatsächli­che Ar­beits­leis­tung Zeit­zu­schläge. Die Zeit­zu­schläge be­tra­gen – auch bei Teil­zeit­beschäftig­ten – je St­un­de

a) …

b) für Nacht­ar­beit 1,28 €

c) …

§ 9
Aus­gleich für Ruf­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst

(1.) …

(2.) Für je­de St­un­de ge­leis­te­ten Be­reit­schafts­diens­tes wird ein Be­reit­schafts­dienstent­gelt gemäß An­la­ge B 2 ge­zahlt. Die Ar­beits­leis­tung in­ner­halb des Be­reit­schafts­diens­tes darf bis zu 49 % be­tra­gen. … Im Übri­gen wer­den Zeit­zu­schläge (§ 8) für die Zeit des Be­reit­schafts­diens­tes ein­sch­ließlich der ge­leis­te­ten Ar­beit nicht ge­zahlt. Das Be­reit­schafts­dienstent­gelt kann im Verhält­nis 1:1 in Frei­zeit ab­ge­gol­ten wer­den (Frei­zeit­aus­gleich). …

§ 27
Zu­satz­ur­laub
(1.) …

(6) Ärz­te er­hal­ten Zu­satz­ur­laub im Ka­len­der­jahr bei ei­ner Leis­tung im Ka­len­der­jahr von min­des­tens

150 Nacht­ar­beits­stun­den 1 Ar­beits­tag
300 Nacht­ar­beits­stun­den 2 Ar­beits­ta­ge
450 Nacht­ar­beits­stun­den 3 Ar­beits­ta­ge
600 Nacht­ar­beits­stun­den 4 Ar­beits­ta­ge.

Bei Teil­zeit­kräften ist die Zahl der in Satz 1 ge­for­der­ten Nacht­ar­beits­stun­den ent­spre­chend dem Verhält­nis der ver­ein­bar­ten durch­schnitt­li­chen re­gelmäßigen Ar­beits­zeit zur re­gelmäßigen Ar­beits­zeit von ent­spre­chen­den Voll­zeit­kräften zu kürzen. …

Pro­to­kollerklärung zu § 27 Abs. 6 :
Der An­spruch auf Zu­satz­ur­laub be­misst sich nach den ab­ge­leis­te­ten Nacht­ar­beits­stun­den und ent­steht im lau­fen­den Jahr, so­bald die Vor­aus­set­zung nach Abs 6 Satz 1 erfüllt sind.“

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Der Kläger hat im Jahr 2007 in 33 Diens­ten Nacht­stun­den zwi­schen 21:00 Uhr und 06:00 Uhr im Be­reit­schafts­dienst ab­ge­leis­tet. Der Kläger hat ab dem 1. Ju­ni 2007 sei­ne Ar­beits­zeit von 40 auf 32 St­un­den (Fak­tor 0,8) re­du­ziert. Un­ter Berück­sich­ti­gung der je­wei­li­gen Schichtlänge von neun St­un­den hat er mit­hin im Be­reit­schafts­dienst ins­ge­samt 297 St­un­den Nacht­stun­den ge­leis­tet.

Mit Schrei­ben vom 7. No­vem­ber 2007 (An­la­ge 2 zur Klag­schrift, Bl. 39 d. A.) hat der Kläger bei der Be­klag­ten an­ge­fragt, ob ein An­spruch auf Zu­satz­ur­laub für Nacht­ar­beits­stun­den im Rah­men von Be­reit­schafts­diens­ten be­steht. Mit Schrei­ben vom 3. Ja­nu­ar 2008 (An­la­ge 3 zur Klag­schrift, Bl. 41 d. A.) teil­te die Be­klag­te dem Kläger mit, dass Zeit­zu­schläge für Nacht­ar­beit gemäß § 9 TV-Ärz­te-KAH nicht ge­zahlt würden. Sie, die Be­klag­te, in­ter­pre­tie­re „ana­log“ § 27 Abs. 6 da­hin­ge­hend, dass Ärz­te nur dann Zu­satz­ur­laub er­hal­ten, wenn sie im Rah­men ih­rer re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit ent­spre­chen­de Nacht­ar­beits­stun­den ab­ge­leis­tet ha­ben.

Mit Schrei­ben vom 26. März 2008 (An­la­ge 4, Bl. 42 d. A.) trat der Kläger der Rechts­auf­fas­sung der Be­klag­ten ent­ge­gen. Mit Schrei­ben vom 14. Mai 2008 (An­la­ge 5 zur Klag­schrift spe­zi­fi­zier­te der Kläger sei­ne Ansprüche auf Son­der­ur­laub für Nacht­ar­beit im Be­reit­schafts­dienst und be­an­spruch­te ei­nen Son­der­ur­laub in Höhe von zwei Ta­gen. Mit Schrei­ben vom 11. Ju­ni 2008 (An­la­ge 6, Bl. 46 d. A.) lehn­te die Be­klag­te Zu­satz­ur­laub für die vom Kläger ge­leis­te­ten Be­reit­schafts­dienst­stun­den in der Nacht ab.

Mit der am 30. Ju­ni 2008 bei Ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat der Kläger sein Be­geh­ren wei­ter­ver­folgt.

Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ihm stünden gemäß § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH für die während der Nacht ge­leis­te­ten Be­reit­schafts­dienst­stun­den im Jahr 2007 zwei Ar­beits­ta­ge Zu­satz­ur­laub zu. Im Hin­blick auf sei­ne Teil­zeittätig­keit be­tra­ge die Zahl der in sei­nem Fall ge­for­der­ten Nacht­ar­beits­stun­den pro Son­der­ur­laubs­tag 132,5 St­un­den (150 St­un­den x [5/12 + 0,8 7/12]). § 7 Abs. 4 Satz 3 des Ta­rif­ver­tra­ges ha­be ei­ne ein­deu­ti­ge Re­ge­lung ge­trof­fen. Die ge­sam­te Zeit des Be­reit­schafts­diens­tes wer­de als Ar­beits­zeit ge­wer­tet. Nacht­ar­beit sei schlicht die Ar­beit zwi­schen 21:00 Uhr und 06:00 Uhr und zwar ge­ra­de nicht nur die dienst­planmäßige Ar­beits­zeit, son­dern

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je­de Ar­beit. Ar­beits­zeit sei mit­hin auch je­de Zeit sei­ner An­we­sen­heit während des Be­reit­schafts­diens­tes.

Der Kläger hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem Kläger für das Jahr 2007 zwei Ta­ge Zu­satz­ur­laub zu gewähren.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat ge­meint, der Kläger ha­be kei­nen An­spruch auf Gewährung von Son­der­ur­laub für Nacht­ar­beits­stun­den gemäß § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te KAH, so­weit die Nacht­ar­beits­stun­den im Rah­men von Be­reit­schafts­diens­ten er­bracht wur­den. Bei der An­wen­dung des § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te KAH sei­en nur die im Rah­men von Vol­l­ar­beit dienst­planmäßig bzw. be­triebsüblich ge­leis­te­ten Nacht­ar­beits­stun­den zu berück­sich­ti­gen. Dies er­ge­be die Aus­le­gung von § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH. So­wohl Wort­laut als auch Sinn und Zweck von § 27 Abs. 6 und § 7 Abs. 7 TV-Ärz­te stell­ten auf die Ar­beit an sich und da­mit auf die tatsächlich er­brach­te Ar­beits­leis­tung ab. Dem­ge­genüber han­de­le es sich bei Be­reit­schafts­dienst ge­ra­de nicht um Vol­l­ar­beit. Dem ste­he nicht ent­ge­gen, dass gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 TV-Ärz­te KAH die ge­sam­te Zeit des Be­reit­schafts­diens­tes als Ar­beits­zeit ge­wer­tet wer­de, denn die­se Re­ge­lung be­zie­he sich al­lein auf die ar­beits­schutz­recht­li­che und da­mit dem öffent­li­chen Recht zu­zu­ord­nen­de Sicht­wei­se und nicht auf et­wai­ge Vergütungs- oder Ur­laubs­ansprüche. Dem Um­stand, dass es sich bei Be­reit­schafts­dienst trotz der in § 7 Abs. 4 Satz 3 TV-Ärz­te-KAH ge­trof­fe­nen Wer­tung als Ar­beits­zeit qua­li­ta­tiv um ein Mi­nus zur Vol­l­ar­beit han­de­le, tra­ge der Ta­rif­ver­trag an ver­schie­de­nen Stel­len Rech­nung. Zum ei­nen wer­de dies durch die Re­ge­lung des § 9 Abs. 2 TV-Ärz­te-KAH deut­lich, zum an­de­ren spie­ge­le sich die Wer­tung in den zur ma­xi­ma­len Höchst­ar­beits­zeit der Ärz­te ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen wi­der.

Mit Ur­teil vom 29. Ja­nu­ar 2009 – 2 Ca 308/08 – hat das Ar­beits­ge­richt Ham­burg der Kla­ge statt­ge­ge­ben. We­gen der Be­gründung wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des

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erst­in­stanz­li­chen Ur­teils des Ar­beits­ge­richts vom 29. Ja­nu­ar 2009 (Sei­te 1 – 4, Bl. 62 - 65 d. A.) ver­wie­sen.

Auf die Rüge der Be­klag­ten we­gen Ver­let­zung des An­spruchs auf recht­li­ches Gehör hat das Ar­beits­ge­richt am 23. April 2009 be­schlos­sen, das Ver­fah­ren fort­zuführen. We­gen der Be­gründung wird auf die Gründe des Be­schlus­ses (Sei­te 2 – 3, Bl. 78 – 79 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Mit Ur­teil vom 26. No­vem­ber 2009 – 2 Ca 308/08 – hat das Ar­beits­ge­richt Ham­burg die Be­klag­te ver­ur­teilt, dem Kläger für das Jahr 2007 zwei Ta­ge Zu­satz­ur­laub zu gewähren. We­gen der Be­gründung wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils (Bl. 104 – 105 d. A.) ver­wie­sen.

Die Be­klag­te hat ge­gen das ih­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten am 15. De­zem­ber 2009 zu­ge­stell­te Ur­teil des Ar­beits­ge­richts am 13. Ja­nu­ar 2010 Be­ru­fung ein­ge­legt und ih­re Be­ru­fung am Mon­tag, den 15. Fe­bru­ar 2010 be­gründet.

Die Be­klag­te rügt, das Ar­beits­ge­richt ha­be sich mit der Fra­ge, ob das Verständ­nis des Be­griffs „Nacht­ar­beit“ bzw. „Nacht­ar­beits­stun­den“ im Sin­ne des Ta­rif­ver­trags auch die ta­rif­lich ge­re­gel­te Form des Be­reit­schafts­diens­tes um­fas­se, nicht hin­rei­chend aus­ein­an­der­ge­setzt. Der Be­griff der Nacht­ar­beits­stun­de sei zwar im Ta­rif­ver­trag nicht de­fi­niert. Da­ge­gen sei aber der Be­griff der Nacht­ar­beit in § 7 Abs. 7 TV-Ärz­te KAH de­fi­niert. Vor­aus­set­zung für das Vor­lie­gen von Nacht­ar­beit sei nach die­ser Re­ge­lung die „Ar­beit“ zwi­schen 21:00 Uhr und 06:00 Uhr. Dass Be­reit­schafts­dienst selbst nicht als Ar­beit an­zu­se­hen sei, er­ge­be sich wie­der­um aus der De­fi­ni­ti­on des Be­reit­schafts­diens­tes in § 7 Abs. 4 Satz 1 TV-Ärz­te-KAH. Hier wer­de deut­lich zwi­schen der Ab­leis­tung des Be­reit­schafts­diens­tes an sich und der Auf­nah­me von Ar­beit un­ter­schie­den. Glei­cher­maßen fol­ge aus § 9 Abs. 2 Satz 4 TV-Ärz­te, dass die bloße An­we­sen­heit nach dem Ta­rif­ver­trag nicht als Ar­beit an­ge­se­hen wer­de. Die Aus­le­gung des Ar­beits­ge­richts ne­gie­re die dif­fe­ren­zier­ten Re­ge­lun­gen des Ta­rif­ver­tra­ges zur Ar­beits­zeit, Son­der­for­men der Ar­beit und des Be­reit­schafts­diens­tes und stel­le sys­tem­wid­rig den Be­reit­schafts­dienst der Vol­l­ar­beit gleich.

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Selbst wenn ein et­wai­ger An­spruch des Klägers auf Zu­satz­ur­laub be­stan­den hätte, sei die­ser ver­fal­len. Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch ste­he dem Kläger nicht zu. Der Kläger ha­be von der Be­klag­ten im Ur­laubs­jahr 2007 nicht recht­zei­tig, aber er­folg­los die Frei­stel­lung ver­langt und die­se da­mit in Ver­zug ge­setzt.

Der Be­klag­ten sei die Be­ru­fung auf den Ver­fal­lein­wand auch nicht we­gen Treu­wid­rig­keit ver­wehrt. Es ge­be kei­nen Grund­satz, wo­nach ein Schuld­ner ver­pflich­tet wäre, den Gläubi­ger recht­zei­tig über die von ihm ver­tre­te­ne Rechts­auf­fas­sung zu un­ter­rich­ten.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Be­klag­ten im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird auf ih­re Be­ru­fungs­be­gründung vom 15. Fe­bru­ar 2010 (Bl. 124 f. d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 26. No­vem­ber 2009 (Geschäfts­zei­chen: 2 Ca 308/08) ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen;

hilfs­wei­se,
die Be­klag­te zu ver­pflich­ten, die vom Kläger in der Zeit zwi­schen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr ab­ge­leis­te­ten Be­reit­schafts­dienst­stun­den als Nacht­ar­beits­stun­den im Sin­ne des § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH zu be­wer­ten.

Der Kläger ver­tei­digt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts un­ter Be­zug­nah­me auf sei­nen erst­in­stanz­li­chen Vor­trag so­wie das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 5. Au­gust 2009 zum TV-Ärz­te-Hes­sen. Der Kläger meint, die hier

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in­ter­es­sie­ren­den Re­ge­lun­gen sei­en im TV-Ärz­te-Hes­sen und im TV-Ärz­te-KAH iden­tisch.

Es sei der Be­klag­ten auch ver­wehrt, ein­zu­wen­den, dass der An­spruch des Klägers auf Zu­satz­ur­laub ver­fal­len sei. Das Schrei­ben der Be­klag­ten vom 3. Ja­nu­ar 2008 stel­le ei­ne ernst­haf­te und endgülti­ge Erfüllungs­ver­wei­ge­rung dar. Der Kläger ha­be er­war­ten dürfen, dass auf sein Schrei­ben vom 7. No­vem­ber 2007 (An­la­ge 2 zur Kla­ge­schrift) ei­ne zeit­na­he Re­ak­ti­on er­fol­gen wer­de, ins­be­son­de­re des­halb, weil der Be­klag­ten der Lauf der Ver­falls­frist be­kannt war.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­trags des Klägers im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird auf die Be­ru­fungs­er­wi­de­rung vom 23. Fe­bru­ar 2010 (Bl. 134 f. d. A.) ver­wie­sen.

Ergänzend wird auf das erst­in­stanz­li­che Vor­brin­gen der Par­tei­en nebst An­la­gen so­wie auf die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten Be­zug ge­nom­men.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

I

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 26. No­vem­ber 2009 – 2 Ca 308/08 – ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG statt­haft. Sie ist zu­dem, da sie gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den ist, auch im Übri­gen zulässig.

II

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist auch be­gründet.

Das Ar­beits­ge­richt hat zu Un­recht der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die Kla­ge ist zwar so­wohl hin­sicht­lich des Haupt­an­tra­ges als auch hin­sicht­lich des im Be­ru­fungs­ver­fah­ren ge­stell­ten Hilfs­an­tra­ges zulässig. Sie ist je­doch un­be­gründet.

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1. Der Kläger hat kei­nen An­spruch ge­genüber der Be­klag­ten auf Gewährung von zwei Ta­gen Zu­satz­ur­laub für das Ka­len­der­jahr 2007 aus § 611 BGB i. V. m. dem Ar­beits­ver­trag und § 27 Abs. 6 Ta­rif­ver­trag für Ärz­tin­nen und Ärz­te im KAH (im Fol­gen­den: TV-Ärz­te-KAH).

Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob dem Kläger für das Jahr 2007 ein An­spruch auf Zu­satz­ur­laub zu­ge­stan­den hätte, denn ein et­wai­ger An­spruch wäre je­den­falls ver­fal­len. Auch ein An­spruch auf Scha­dens­er­satz be­steht nicht.

a) Gemäß § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH er­hal­ten Ärz­te Zu­satz­ur­laub im Ka­len­der­jahr bei ei­ner Leis­tung von Nacht­ar­beits­stun­den von min­des­tens 150 Nacht­ar­beits­stun­den. Nach der Pro­to­kollerklärung zu § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH be­misst sich der An­spruch auf Zu­satz­ur­laub „nach den ab­ge­leis­te­ten Nacht­ar­beits­stun­den und ent­steht im lau­fen­den Jahr …“. Hin­sicht­lich des Ver­falls bzw. der Über­trag­bar­keit von Ur­laubs­ansprüchen, ver­weist § 26 Abs. 2 TV-Ärz­te, der gemäß § 27 Abs. 6 Satz 4 i. V. m. § 27 Abs. 5 auch für Zu­satz­ur­laub für Nacht­ar­beits­stun­den gilt, auf das Bun­des­ur­laubs­ge­setz. Maßgeb­lich ist al­so § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG, wo­nach der Ur­laub im lau­fen­den Ka­len­der­jahr gewährt und ge­nom­men wer­den muss. Ei­ne Über­tra­gung auf das Fol­ge­jahr gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG kam hier nicht in Be­tracht, da dies – auch nach dem Vor­brin­gen des Klägers - we­der durch drin­gen­de be­trieb­li­che noch in der Per­son des Klägers lie­gen­de Gründe ge­recht­fer­tigt war. Da der Kläger den von ihm be­an­spruch­ten Zu­satz­ur­laub im Ur­laubs­jahr 2007 nicht ge­nom­men hat, ist die­ser ver­fal­len.

b) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts ist auch kein Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klägers ge­genüber der Be­klag­ten ent­stan­den.

Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kann der Ar­beit­neh­mer, wenn er den Ar­beit­ge­ber hin­sicht­lich des Ur­laubs­an­spruchs in Ver­zug ge­setzt hat, an­stel­le des ursprüng­li­chen Ur­laubs­an­spruchs als Scha­dens­er­satz Ur­laub (Er­satz­ur­laub) in glei­cher Höhe ver­lan­gen, wenn die Ur­laubs­gewährung während des Ver­zugs des Ar­beit­ge­bers durch Zeit­ab­lauf unmöglich wird (vgl. BAG, Urt. vom 23.6.1988 - 8 AZR 459/86 – EzA § 7 BUrlG Nr. 62; vom 14.1.1992 - 9 AZR 612/90 – n.v.; vom 24.9.1996 – 9 AZR

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364/95 – EzA § 7 BUrlG Nr. 102; vom 11.4.2006 – 9 AZR 523/05 – EzA § 7 BUrlG Nr.116). Da­zu ist er­for­der­lich, dass der Schuld­ner von dem Gläubi­ger ein­deu­tig und recht­zei­tig, aber er­folg­los ver­langt, die ge­schul­de­te Leis­tung zu er­brin­gen (§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, 280 Abs. 1, 283, 286 Abs. 1, 249 Satz 1 BGB). Vor­aus­set­zung für ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klägers wäre da­nach, dass er ein­deu­tig und recht­zei­tig von der Be­klag­ten die Frei­stel­lung im Ur­laubs­jahr 2007 für zwei Ar­beits­ta­ge ver­langt und da­mit die Be­klag­te ge­mahnt und in Ver­zug ge­setzt hätte. An ei­ner kon­kre­ten und recht­zei­ti­gen Auf­for­de­rung des Klägers, ihm für das Ka­len­der­jahr 2007 zwei Ta­ge Zu­satz­ur­laub zu gewähren, die die Be­klag­te in Ver­zug ge­setzt hätte, fehlt es im Streit­fall je­doch. Der Kläger bit­tet in sei­nem Schrei­ben vom 7. No­vem­ber 2007 (An­la­ge K 2) die Be­klag­te le­dig­lich um ei­ne schrift­li­che Be­gründung für ih­re Rechts­auf­fas­sung, dass kein An­spruch auf Zu­satz­ur­laub be­steht. Der Kläger legt dann in dem oben ge­nann­ten Schrei­ben sei­ne ab­wei­chen­de Rechts­auf­fas­sung dar. Er führt aber we­der aus, auf wie vie­le Ta­ge Zu­satz­ur­laub er An­spruch zu ha­ben meint, noch ver­langt er ei­ne Frei­stel­lung. Selbst in dem Schrei­ben vom 26. März 2008 (An­la­ge K 4) for­dert der Kläger die Be­klag­te nicht zur Gewährung des Zu­satz­ur­laubs auf. Wie­der­um bit­tet er um ei­ne Erläute­rung der Rechts­auf­fas­sung der Be­klag­ten. Da­mit wur­de die Be­klag­te auch bis zum Ab­lauf ei­nes et­wai­gen ge­setz­li­chen Über­tra­gungs­zeit­raums, al­so dem 31. März 2008, nicht in Ver­zug ge­setzt. Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch kommt da­her nicht in Be­tracht.

c) Die Be­ru­fung der Be­klag­ten auf den Ver­fall des Zu­satz­ur­laubs für das Ka­len­der­jahr 2007 ist auch nicht gemäß § 242 BGB treu­wid­rig.
Die Be­ru­fung des Ar­beit­ge­bers auf den Ver­fall von Ansprüchen verstößt nur dann ge­gen das Ge­bot von Treu und Glau­ben, wenn er durch po­si­ti­ves Tun oder durch pflicht­wid­ri­ges Un­ter­las­sen dem Ar­beit­neh­mer die Gel­tend­ma­chung des An­spruchs er­schwert oder unmöglich ge­macht hat oder den Ar­beit­neh­mer von der Ein­hal­tung der Frist ab­ge­hal­ten hat (BAG vom 05.06.2003, NZA 2004, 400; vom 18.11.2004, NZA 2005, 516). Glei­ches gilt, wenn der Ar­beit­ge­ber an ob­jek­ti­ven Maßstäben ge­mes­sen, den Ein­druck er­weckt hat, der Ar­beit­neh­mer könne dar­auf ver­trau­en, dass der An­spruch

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auch oh­ne Wah­rung der Frist erfüllt wer­de (BAG vom 08.08.2000, NZA 2000, 1236).

Gründe, die die Treu­wid­rig­keit ei­nes sol­chen Ein­wan­des be­le­gen, hat der Kläger nicht vor­ge­tra­gen. Er be­zieht sich dar­auf, die späte Be­ant­wor­tung sei­nes Schrei­bens vom 7. No­vem­ber 2007 durch die Be­klag­te am 3. Ja­nu­ar 2008 ha­be zum Ver­fall sei­ner Ansprüche geführt. Die Be­klag­te weist zu­tref­fend dar­auf hin, dass es kei­nen Grund­satz gibt, wo­nach ein Schuld­ner ver­pflich­tet wäre, den Gläubi­ger „recht­zei­tig“ über die von ihm ver­tre­te­ne Rechts­auf­fas­sung und de­ren Gründe zu un­ter­rich­ten. Ei­ne sol­che Pflicht zur Be­ant­wor­tung abs­trak­ter Rechts­fra­gen, aus de­nen sich, wie im Streit­fall, kein kon­kre­tes Be­geh­ren des Schuld­ners er­gibt, be­steht ge­ra­de nicht. Das Be­ru­fungs­ge­richt folgt der Auf­fas­sung der Be­klag­ten, dass an die An­nah­me ei­ner ernst­haf­ten und endgülti­gen Erfüllungs­ver­wei­ge­rung durch den Schuld­ner nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­ho­fes stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len sind (vgl. BGH, Ur­teil vom 21. De­zem­ber 2005, VIII ZR 49/05). Das Er­for­der­nis der Mah­nung/Frist­set­zung entfällt nur dann, wenn die Wei­ge­rung oh­ne je­den Zwei­fel als endgültig an­zu­se­hen ist und der Schuld­ner sich er­sicht­lich un­ter kei­nen Umständen von sei­nem ein­mal ge­fass­ten Ent­schluss ab­brin­gen las­sen würde (vgl. BGH vom 10. De­zem­ber 1975, VIII ZR 201/74). Das Ar­beits­ge­richt Ham­burg hat nicht dar­ge­legt, in wel­chem Ver­hal­ten der Be­klag­ten ei­ne ernst­haf­te und endgülti­ge Erfüllungs­ver­wei­ge­rung zu se­hen sein soll. Ins­be­son­de­re geht ei­ne sol­che aus dem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 3. Ja­nu­ar 2008 nicht her­vor. Das hat wohl auch der Kläger so ge­se­hen. Denn an­sons­ten hätte er kei­nen An­lass ge­habt, zu dem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 26. März 2008 (An­la­ge K 4) Stel­lung zu neh­men und die Be­klag­te er­neut le­dig­lich um ei­ne Erläute­rung ih­rer Po­si­ti­on zu bit­ten. Ei­ne kon­kre­te Gel­tend­ma­chung von Ur­laubs­ansprüchen enthält auch das Schrei­ben vom 26. März 2008 ge­ra­de nicht. Im Übri­gen weist die Be­klag­te zu­tref­fend dar­auf hin, dass der Kläger sei­ner­seits in knapp zwei Mo­na­ten kein ein­zi­ges Mal bei der Be­klag­ten nach ei­ner Be­ant­wor­tung sei­nes Schrei­bens vom 7. No­vem­ber 2007 nach­ge­fragt, die Gewährung ei­nes et­wai­gen Zu­satz­ur­laubs be­an­tragt oder die Be­klag­te dies­bezüglich ge­mahnt hat. Der Kläger hat sei­ner­seits für sei­ne Ant­wort vom 26. März 2008 (An­la­ge K

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5) auf das Schrei­ben der Be­klag­ten vom 3. Ja­nu­ar 2008 über 2,5 Mo­na­te ge­braucht und in der Zwi­schen­zeit wie­der­um die Be­klag­te nicht ge­mahnt.

2. a) Der in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung ge­stell­te Hilfs­an­trag des Klägers, die Be­klag­te zu ver­pflich­ten, die vom Kläger in der Zeit zwi­schen 21.00 Uhr und 06.00 Uhr ab­ge­leis­te­ten Be­reit­schafts­dienst­stun­den als Nacht­ar­beits­stun­den im Sin­ne des § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH zu be­wer­ten, ist als Leis­tungs­an­trag un­zulässig, da er in­so­weit nicht hin­rei­chend be­stimmt ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Grundsätz­lich ist ein Klag­an­trag hin­rei­chend be­stimmt, wenn er den er­ho­be­nen An­spruch kon­kret (be­zif­fert oder ge­genständ­lich) be­zeich­net, den Rah­men der ge­richt­li­chen Ent­schei­dungs­be­fug­nis (§ 308 ZPO) er­kenn­bar ab­grenzt, den In­halt und Um­fang der ma­te­ri­el­len Rechts­kraft der be­gehr­ten Ent­schei­dung (§ 322 ZPO) er­ken­nen lässt, das Ri­si­ko des Un­ter­lie­gens des Klägers nicht durch ver­meid­ba­re Un­ge­nau­ig­kei­ten auf den Be­klag­ten abwälzt und wenn er (als Leis­tungs­an­trag) die Zwangs­voll­stre­ckung aus dem be­an­trag­ten Ur­teil oh­ne ei­ne Fort­set­zung des Streits im Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren er­war­ten lässt (Zöller/Gre­ger, ZPO, 28. Aufl. § 253 Rn. 13). Aus dem Hilfs­an­trag er­gibt sich vor­lie­gend nicht, für wel­chen ge­nau­en Zeit­raum in der Ver­gan­gen­heit der Kläger die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten be­gehrt, von ihm in der Zeit zwi­schen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr ab­ge­leis­te­te Be­reit­schafts­dienst­stun­den als Nacht­ar­beits­stun­den im Sin­ne des § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH zu be­wer­ten.

Der ge­stell­te Hilfs­an­trag ist je­doch der Aus­le­gung (§ 133 BGB) als Fest­stel­lungs­an­trag zugäng­lich. Auch Pro­zess­hand­lun­gen sind aus­le­gungsfähig und -bedürf­tig (vgl. Baum­bach/Lau­ter­bach/Al­bers/Hart­mann, ZPO, 68. Aufl. 2010, § 253 Rn. 39). Maßgeb­lich ist da­bei der ob­jek­tiv dem Erklärungs­empfänger vernünf­ti­ger­wei­se er­kenn­ba­re Sinn (Zöller/Gre­ger a.a.O. vor § 128 Rn. 25).Der der Be­klag­ten ob­jek­tiv er­kenn­ba­re Sinn des ge­stell­ten Hilfs­an­tra­ges be­steht in dem In­ter­es­se des Klägers, die Be­wer­tung der von ihm in der Zeit von 21.00 Uhr und 6.00 Uhr ab­ge­leis­te­ten Be­reit­schafts­dienst­stun­den als Nacht­ar­beits­stun­den im Sin­ne des § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH ge­richt­lich fest­stel­len zu las­sen, um ei­ne endgülti­ge Bei­le­gung

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des Streits über die Aus­le­gung des auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en an­wend­ba­ren TV-Ärz­te KAH da­zu zu er­rei­chen.
Ein Fest­stel­lungs­an­trag, mit dem die Fest­stel­lung be­gehrt wird, dass die vom Kläger in der Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr ge­leis­te­ten Be­reit­schafts­dienst­stun­den durch die Be­klag­te als Nacht­ar­beits­stun­den im Sin­ne des § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH zu be­wer­ten ist, ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Kla­ge auf Fest­stel­lung des Be­ste­hens oder Nicht­be­ste­hens ei­nes Rechts­verhält­nis­ses er­ho­ben wer­den, wenn der Kläger ein recht­li­ches In­ter­es­se dar­an hat, dass das Rechts­verhält­nis durch rich­ter­li­che Ent­schei­dung als­bald fest­ge­stellt wer­de. Das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se ist dann ge­ge­ben, wenn durch die Ent­schei­dung über den Fest­stel­lungs­an­trag der Streit ins­ge­samt be­sei­tigt wird. Dies ist vor­lie­gend der Fall. Die Rechts­kraft der Ent­schei­dung schließt wei­te­re strit­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen zu dem vor­lie­gen­den Fra­gen­kom­plex aus.

b) Der Hilfs­an­trag des Klägers ist je­doch un­be­gründet.

Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf die Be­wer­tung von außer­halb der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit in der Zeit von 21.00 bis 6.00 ge­leis­te­te Be­reit­schafts­dienst­stun­den als Nacht­ar­beits­stun­den im Sin­ne des § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH.

Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en fin­det der Ta­rif­ver­trag TV-Ärz­te-KAH gemäß § 4 Abs. 1 TVG un­mit­tel­bar und zwin­gend An­wen­dung, da bei­de Par­tei­en ta­rif­ge­bun­den sind.

Nach § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH wird Zu­satz­ur­laub gewährt für die Leis­tung von Nacht­ar­beits­stun­den. Nach der Pro­to­kollerklärung zu § 27 Abs. 6 be­misst sich der An­spruch auf Zu­satz­ur­laub nach den ab­ge­leis­te­ten Nacht­ar­beits­stun­den und ent­steht im lau­fen­den Jahr, so­bald die Vor­aus­set­zun­gen nach Ab­satz 6 Satz 1 erfüllt sind.

Der Kläger hat in der Zeit von 21:00 Uhr bis 06:00 Uhr nicht nur im Ka­len­der­jahr 2007, son­dern auch in den Ka­len­der­jah­ren 2008 und 2009, wie

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zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig ist, Be­reit­schafts­diens­te ge­leis­tet. Er hat da­mit je­doch kei­ne Nacht­ar­beit im Sin­ne des § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH ge­leis­tet. Dies er­gibt die Aus­le­gung der Ta­rif­norm.

Die Aus­le­gung des nor­ma­ti­ven Teils ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges folgt nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG), der die Kam­mer folgt, den für die Aus­le­gung von Ge­set­zen gel­ten­den Re­ge­lun­gen. Da­nach ist zunächst vom Ta­rif­wort­laut aus­zu­ge­hen, wo­bei der maßgeb­li­che Sinn der Erklärung zu er­for­schen ist, oh­ne am Buch­sta­ben zu haf­ten. Bei ei­nem nicht ein­deu­ti­gen Ta­rif­wort­laut ist der wirk­li­che Wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit zu berück­sich­ti­gen, so­weit er in den ta­rif­li­chen Nor­men sei­nen Nie­der­schlag ge­fun­den hat. Ab­zu­stel­len ist stets auf den ta­rif­li­chen Ge­samt­zu­sam­men­hang, weil die­ser An­halts­punk­te für den wirk­li­chen Wil­len der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en lie­fert und nur so der Sinn und der Zweck der Ta­rif­norm zu­tref­fend er­mit­telt wer­den kann. Lässt die­ses zwei­fels­freie Aus­le­gungs­er­geb­nis­se nicht zu, können die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen oh­ne Bin­dung an ei­ner Rei­hen­fol­ge wei­te­re Kri­te­ri­en, wie die Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Ta­rif­ver­tra­ges, ge­ge­be­nen­falls auch die prak­ti­sche Ta­rifübung ergänzend hin­zu­zie­hen. Auch die Prak­ti­ka­bi­lität denk­ba­rer Aus­le­gungs­er­geb­nis­se ist zu berück­sich­ti­gen; Im Zwei­fel gebührt der­je­ni­gen Ta­rif­aus­le­gung der Vor­zug, die zu ei­ner vernünf­ti­gen, sach­ge­rech­ten, zweck­ori­en­tier­ten und prak­tisch brauch­ba­ren Re­ge­lung führt (vgl. nur: BAG vom 24.09.2008 – 10 AZR 140/08 – ju­ris; BAG vom 19.01.2000 – 4 AZR 814/98 – AP Nr. 73 zu § 1 TVG Ta­rif­verträge: Ein­zel­han­del).

Aus­ge­hend vom Ta­rif­wort­laut er­hal­ten Ärz­tin­nen und Ärz­te Zu­satz­ur­laub im Ka­len­der­jahr bei ei­ner Leis­tung im Ka­len­der­jahr von … Nacht­ar­beits­stun­den. Der Be­griff der „Nacht­ar­beits­stun­den“ ist im Ta­rif­ver­trag nicht de­fi­niert. De­fi­niert ist hin­ge­gen der Be­griff der „Nacht­ar­beit“, und zwar in § 7 Abs. 7 TV-Ärz­te:

„Nacht­ar­beit ist die Ar­beit zwi­schen 21:00 Uhr und 06:00 Uhr“.

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Da­mit ist dem Ta­rif­wort­laut nicht ein­deu­tig zu ent­neh­men, dass un­ter dem Be­griff „Nacht­ar­beits­stun­den“ in § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH nur die Ar­beits­stun­den zu er­fas­sen sind, die re­gelmäßig nach dem Dienst­plan bzw. be­triebsüblich er­bracht wer­den. Denk­bar ist ei­ne An­knüpfung an die Ar­beits­zeit im Sin­ne des Ar­beits­zeit­rechts oder an ei­ne tatsächli­che Ar­beits­leis­tung.

Die am Wort­laut und der Sys­te­ma­tik des Ta­rif­ver­tra­ges ori­en­tier­te Aus­le­gung spricht je­doch nach Auf­fas­sung der Kam­mer dafür, dass Zei­ten des Be­reit­schafts­diens­tes als sol­che ge­ra­de nicht als Nacht­ar­beit und da­mit auch nicht als Nacht­ar­beits­stun­den im Sin­ne des § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te an­zu­se­hen sind. Der TV-Ärz­te-KAH enthält dif­fe­ren­zier­te Re­ge­lun­gen zur Ar­beits­zeit, zu Son­der­for­men der Ar­beit und zum Be­reit­schafts­dienst. Nach dem ta­rif­li­chen Ge­samt­zu­sam­men­hang die­ser Nor­men ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Zu­satz­ur­laub nur für sol­che Nacht­zei­ten gewähren woll­ten, in de­nen die Ärz­tin bzw. der Arzt tatsächlich ge­ar­bei­tet hat. Nach der De­fi­ni­ti­on in § 7 Abs. 7 TV-Ärz­te ist Vor­aus­set­zung für das Vor­lie­gen von Nacht­ar­beit nämlich „die Ar­beit“. Dass der Be­reit­schafts­dienst selbst nicht als „Ar­beit“ im Sin­ne des TV an­zu­se­hen ist, er­gibt sich wie­der­um aus der De­fi­ni­ti­on des Be­reit­schafts­diens­tes in § 7 Abs. 4 Satz 1 TV-Ärz­te. Hier wird deut­lich zwi­schen der Ab­leis­tung des Be­reit­schafts­diens­tes an sich und der Auf­nah­me von Ar­beit un­ter­schie­den. Denn dort heißt es, dass sich der Ar­beit­neh­mer während des Be­reit­schafts­diens­tes an ei­ner vom Ar­beit­ge­ber be­stimm­ten Stel­le auf­zu­hal­ten hat, „um im Be­darfs­fall die Ar­beit auf­zu­neh­men“. Da­bei darf der Ar­beit­ge­ber Be­reit­schafts­dienst nur an­ord­nen, wenn zu er­war­ten ist, dass zwar Ar­beit anfällt, er­fah­rungs­gemäß aber die Zeit oh­ne Ar­beits­leis­tung über­wiegt (§ 7 Abs. 4 Satz 2 TV-Ärz­te). Glei­cher­maßen heißt es in § 9 Abs. 2 Satz 4 TV-Ärz­te, dass Zeit­zu­schläge „für die Zeit des Be­reit­schafts­diens­tes ein­sch­ließlich der ge­leis­te­ten Ar­beit“ nicht ge­zahlt wer­den. Die bloße An­we­sen­heit sieht der Ta­rif­ver­trag dem­nach nicht als Ar­beit an. Zwar ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in § 7 Abs. 4 Satz 3 ge­re­gelt: „ Die ge­sam­te Zeit des Be­reit­schafts­diens­tes wird als Ar­beits­zeit ge­wer­tet“. Die­se Be­stim­mung ent­spricht den eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben und den im Rah­men des zum 1.1.2004 in Kraft ge­tre­te­nen Ge­set­zes zu Re­for­men am

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Ar­beits­markt (BGBl. 2003, I S. 302, 305 F.) vor­ge­nom­me­nen Ände­run­gen des Ar­beits­zeit­ge­set­zes (u.a. § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Arb­ZG), wo­nach Be­reit­schafts­dienst ar­beits­zeit­recht­lich zur Ar­beits­zeit gehört. Dar­aus folgt je­doch noch nicht, dass da­mit die Leis­tung von Be­reit­schafts­diens­ten in der Nacht von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en im Rah­men ih­res Ta­rif­werks mit der Leis­tung von Nacht­ar­beit, al­so Ar­beit, die in die Nacht­zeit fällt, gleich ge­stellt wer­den soll­te. Es ist vor­lie­gend nicht zu klären, ob der Be­reit­schafts­dienst ar­beits­zeit­recht­lich Ar­beits­zeit ist, son­dern ob die Leis­tung von Be­reit­schafts­dienst in der Nacht gleich­zei­tig und in Gänze der Leis­tung von sol­chen Nacht­ar­beits­stun­den ent­spricht, die im Ge­gen­satz zu all­ge­mei­nen Ar­beits­zei­ten Zu­satz­ur­laub auslösen können. In­so­weit un­ter­schei­det der Ta­rif­ver­trag ein­deu­tig zwi­schen Zei­ten der Ar­beits­leis­tung und Ar­beits­zei­ten im Sin­ne des Ar­beits­zeit­rechts (u. a. in § 7 Abs. 4 Satz 1 TV-Ärz­te). Während die ge­sam­te Zeit des Be­reit­schafts­diens­tes nach § 7 Abs. 4 Satz 3 als Ar­beits­zeit im Sin­ne des Ar­beits­zeit­rechts gilt, darf während der Zeit des Be­reit­schafts­diens­tes er­fah­rungs­gemäß die Zeit mit Ar­beits­leis­tung nicht über­wie­gen (§ 7 Abs. 4 Satz 2 TV-Ärz­te).

Auch Zu­schläge als Aus­gleich für Son­der­for­men der Ar­beit, z. B. Nacht­ar­beit wer­den nur für tatsächli­che Ar­beits­leis­tung ge­zahlt (§ 8 Abs. 1 TV-Ärz­te-KAH). Ins­be­son­de­re in § 8 Abs. 1 TV-Ärz­te ver­knüpfen die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ein­deu­tig den Be­griff der Nacht­ar­beit mit der Not­wen­dig­keit ei­ner tatsächli­chen Ar­beits­leis­tung.

Die vom Ar­beits­ge­richt vor­ge­nom­me­ne Aus­le­gung berück­sich­tigt die ge­nann­ten Dif­fe­ren­zie­run­gen des Ta­rif­werks nicht und stellt Be­reit­schafts­dienst, un­ter Her­an­zie­hung ei­ner Ana­lo­gie zum Arb­ZG und § 7 Abs. 4 Satz 3 TV-Ärz­te-KAH, sys­tem­wid­rig der Vol­l­ar­beit gleich.

Darüber hin­aus er­gibt die an der Sys­te­ma­tik des Ta­rif­ver­tra­ges ori­en­tier­te Aus­le­gung, dass § 9 Abs. 2 TV-Ärz­te ab­sch­ließend den für Be­reit­schafts­diens­te vor­ge­se­he­nen Aus­gleich, und zwar durch Be­reit­schafts­dienstent­gelt bzw. Frei­zeit re­gelt. Denn an­ders als für den Zu­satz­ur­laub für (Wech­sel-) Schicht­ar­beit in § 27 Abs. 2 und 3 TV-Ärz­te wird

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in § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te nicht auf die je­wei­li­ge vergütungs­recht­li­che Aus­gleichs­vor­schrift Be­zug ge­nom­men. Der Zu­satz­ur­laub für (Wech­sel-)Schicht­ar­beit wird nämlich gewährt, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für die Zu­la­ge nach § 8 Abs. 5 oder 6 TV-Ärz­te vor­lie­gen, al­so zusätz­lich zu die­sen Zu­la­gen. In § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te hin­ge­gen fin­det sich kein Hin­weis auf die vergütungs­recht­li­che Aus­gleichs­vor­schrift des § 9 TV-Ärz­te. Das spricht ge­gen ei­nen zusätz­li­chen Aus­gleich durch Ur­laubs­ta­ge.

Die An­nah­me des Ar­beits­ge­richts, der Wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, die Nacht­ar­beit während des Be­reit­schafts­diens­tes zwar nicht zusätz­lich durch Zu­schläge (§ 9 Abs. 2 S. 4 TV-Ärz­te-KAH), je­doch durch die Gewährung von Zu­satz­ur­laubs­ansprüchen aus­glei­chen zu wol­len, er­ge­be sich dar­aus, dass sie ei­nen ent­ge­gen­ste­hen­den Wil­len in § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te nicht aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen ha­ben, ver­kennt, dass der un­ter­stell­te Par­tei­wil­le im Ta­rif­ver­trag an kei­ner Stel­le zu Ta­ge tritt und dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in § 9 Abs. 2 TV-Ärz­te, wie oben aus­geführt, sehr wohl ei­ne ei­ge­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung ge­trof­fen ha­ben.

Dass der Par­tei­wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nicht da­hin ging, ei­nen über ei­nen Aus­gleich durch Be­reit­schafts­dienstent­gelt bzw. Frei­zeit­aus­gleich (§ 9 Abs. 2) hin­aus­ge­hen­den wei­te­ren Aus­gleich durch Gewährung von Zu­satz­ur­laub zu schaf­fen, zeigt sich auch an­hand ei­ner Aus­le­gung der Aus­gleichs­vor­schrif­ten nach Sinn und Zweck. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben Be­reit­schafts­dienst of­fen­sicht­lich als we­ni­ger be­las­tend als die Vol­l­ar­beit an­ge­se­hen. Dies zeigt sich et­wa in § 7 Abs. 5 Satz 1 TV-Ärz­te, wo­nach ei­ne Verlänge­rung der tägli­chen Ar­beits­zeit über acht St­un­den hin­aus auch oh­ne Aus­gleich er­fol­gen kann, wenn in die Ar­beits­zeit re­gelmäßig und im er­heb­li­chen Um­fang Be­reit­schafts­dienst fällt. Hier­mit steht im Ein­klang, dass sie ne­ben dem in § 9 Abs. 2 ge­re­gel­ten Aus­gleich wei­te­ren Zu­satz­ur­laub für ent­behr­lich hiel­ten.

Auch aus der Ent­ste­hungs­ge­schich­te des TV-Ärz­te-KAH kann nicht ge­schluss­fol­gert wer­den, dass Be­reit­schafts­dienst während der Nacht­zeit Nacht­ar­beits­stun­den im Sin­ne des § 27 Abs. 6 TV-Ärz­te-KAH sind. Aus

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wel­chen Gründen die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en - an­ders als in der Vorgänger­re­ge­lung des § 48 Abs. 6 BAT ) oder dem zwi­schen der Ver­ei­ni­gung der Kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­verbände und der Ge­werk­schaft ver.di ge­schlos­se­nen Ände­rungs­ta­rif­ver­trag vom 1. Au­gust 2006 zu dem Ta­rif­ver­trag für den öffent­li­chen Dienst – BT-K – vom 13. Sep­tem­ber 2005 - nicht aus­drück­lich klar­ge­stellt ha­ben, dass nur die im Rah­nen der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit in der Zeit zwi­schen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr dienst­planmäßig bzw. be­triebsüblich ge­leis­te­ten Nacht­ar­beits­stun­den zu ei­nem Zu­satz­ur­laub führen, ist nicht er­kenn­bar. Dar­aus kann al­ler­dings nicht oh­ne nähe­re An­halts­punk­te im Ta­rif­werk der Schluss ge­zo­gen wer­den, dass ei­ne in­halt­li­che Ände­rung ge­wollt war. Wort­laut und Sys­te­ma­tik des TV-Ärz­te-KAH spre­chen, wie oben aus­geführt, ge­gen die­se Aus­le­gung. Näher­lie­gend scheint, wie die Be­klag­te ausführt, die An­nah­me zu sein, dass ei­ne sol­che klar­stel­len­de Re­ge­lung nicht ge­wollt war bzw. dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die Aus­le­gung den Ge­rich­ten über­las­sen woll­ten, weil man sich über die­sen Punkt nicht ei­ni­gen konn­te.

Nach al­lem hat­te die Be­ru­fung der Be­klag­ten Er­folg.

III

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

IV

Die Kam­mer hat die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen, da die Rechts­sa­che grundsätz­li­che Be­deu­tung hat (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

 

Lo­ets
zu­gleich für den durch Amts­ab­lauf
an der Un­ter­schrift ver­hin­der­ten
eh­ren­amt­li­chen Rich­ter T.

Z.

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