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LAG Köln, Ur­teil vom 10.01.2013, 7 Sa 766/12

   
Schlagworte: Arbeitszeitverringerung, Teilzeit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 7 Sa 766/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 10.01.2013
   
Leitsätze:

1) Ein Rechtsstreit, in dem der Arbeitnehmer beantragt, den Arbeitgeber zu verurteilen, einer Verringerung der Arbeitszeit auf der Grundlage des § 8 TzBfG zuzustimmen, erledigt sich in der Hauptsache, wenn die Parteien währenddessen einen neuen, unbefristeten und nicht auflösend bedingten Arbeitsvertrag abschließen, welcher – neben weiteren nicht streitgegenständlichen Vertragsänderungen – den Arbeitszeitwünschen des Arbeitnehmers in vollem Umfang Rechnung trägt.

2) Zu den Anforderungen an „betriebliche Gründe“ im Sinne von § 8 Abs. 4 TzBfG, die dem familiär bedingten Teilzeitbegehren eines Maschinenführers im Mehr-Schicht-Betrieb entgegengesetzt werden sollen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 18.07.20012, 2 Ca 645/12
   

Te­nor:

Es wird fest­ge­stellt, dass der Rechts­streit in der Haupt­sa­che er­le­digt ist.

Die Kos­ten des Rechts­streits wer­den der Be­klag­ten und Be­ru­fungskläge­rin auf­er­legt.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en ha­ben ursprüng­lich um ei­ne For­de­rung des Klägers ge­strit­ten, nach Ab­schluss sei­ner El­tern­zeit das ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Voll­zeit­ar­beits­verhält­nis auf der Grund­la­ge des § 8 Tz­B­fG in ein sol­ches mit ei­ner Ar­beits­zeit­ver­pflich­tung von 20 Wo­chen­stun­den um­zu­wan­deln, wo­bei die dann vierstündi­ge tägli­che Ar­beits­zeit in der Frühschicht zwi­schen 09:00 Uhr und 14:00 Uhr lie­gen soll­te. In der Be­ru­fungs­in­stanz strei­ten die Par­tei­en in ers­ter Li­nie dar­um, ob sich der Rechts­streit durch Ab­schluss ei­nes neu­en Ar­beits­ver­tra­ges vom 22.08./01.09.2012 im Rechts­sin­ne er­le­digt hat.

We­gen des Sach- und Streit­stan­des in ers­ter In­stanz, we­gen der erst­in­stanz­lich zur Ent­schei­dung ge­stell­ten Sach­anträge und we­gen der Gründe, die die zwei­te Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Bonn da­zu be­wo­gen ha­ben, der Kla­ge auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung mit der gewünsch­ten Ver­tei­lung der Wo­chen­ar­beits­zeit in vol­lem Um­fan­ge statt­zu­ge­ben, wird auf Tat­be­stand und Ent­schei­dungs­gründe des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Bonn vom 18.07.2012 Be­zug ge­nom­men.

Das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil wur­de der Be­klag­ten am 03.08.2012 zu­ge­stellt. Die Be­klag­te hat hier­ge­gen am 09.08.2012 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Frist bis zum 05.11.2012 am 05.11.2012 be­gründet.

Die Be­klag­te ver­tritt wei­ter­hin die Auf­fas­sung, dass sie dem Wunsch des Klägers auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung aus­rei­chen­de be­trieb­li­che Ab­leh­nungs­gründe ent­ge­gen­ge­setzt ha­be. Dies ha­be das Ar­beits­ge­richt Bonn ver­kannt. So ste­he der Teil­zeit­wunsch des Klägers schon ge­ne­rell dem bei ihr in Voll­zeit prak­ti­zier­ten Schicht­be­trieb ent­ge­gen, da er zu ei­nem nicht zu­mut­ba­ren Auf­wand führe. Nur für den Kläger müss­ten zusätz­li­che Schichtüberg­a­ben ein­geführt wer­den, was zu ei­nem zeit­li­chen Ver­zug bei der Pro­duk­ti­on und da­mit zu wirt­schaft­li­chen Nach­tei­len führe.

Wei­ter ar­gu­men­tiert die Be­klag­te, da der Kläger ei­ne Ver­tei­lung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit auf die Zei­ten von Mon­tag bis Frei­tag zwi­schen 09:00 Uhr und 14:00 Uhr be­an­tragt ha­be, müsse für ihn ei­ne tägli­che Pau­se von ei­ner St­un­de an­ge­setzt wer­den, während sonst ei­ne Pau­se von 30 Mi­nu­ten pro Schicht be­triebsüblich sei. Auch dies führe zu un­zu­mut­ba­rem Or­ga­ni­sa­ti­ons­auf­wand.

Es sei auch nicht möglich, den Kläger der Tag­schicht im La­ger­be­reich zu­zu­ord­nen. Dies müsse zum ei­nen dar­an schei­tern, dass mit dem Kläger ar­beits­ver­trag­lich aus­drück­lich ei­ne Tätig­keit als Ma­schi­nenführer ver­ein­bart sei. Zum an­de­ren sei es aber auch nicht möglich, im Ge­gen­zug zu ei­nem Ein­satz des Klägers im La­ger ei­nen im La­ger beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter auf die Po­si­ti­on ei­nes Ma­schi­nenführers um­zu­set­zen, wie der Kläger sie in­ne­ha­be. Im La­ger würden nur an­ge­lern­te Kräfte beschäftigt, die nicht in der La­ge sei­en, die Ma­schi­nenführ­ertätig­keit aus­zuüben oder die­se in zu­mut­ba­rer Zeit zu er­ler­nen. Dies gel­te ins­be­son­de­re des­halb, weil die tech­ni­schen An­for­de­run­gen an die Ma­schi­nenführ­ertätig­keit in den letz­ten 1 1/2 Jah­ren er­heb­lich ge­stie­gen sei­en und selbst die be­reits als Ma­schi­nenführer beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter wie z. B. der Kläger um­fang­rei­che be­triebs­in­ter­ne Fort­bil­dungs­maßnah­men durch­lau­fen müss­ten. Bei dem für den Kläger ein­ge­setz­ten El­tern­zeit­ver­tre­ter ha­be es sich zwar auch nur um ei­nen an­ge­lern­ten Mit­ar­bei­ter ge­han­delt. Die­ser ha­be aber auf Grund sei­ner Aus­bil­dung als Kraft­fahr­zeug­me­cha­tro­ni­ker genügend tech­ni­sches Verständ­nis mit­ge­bracht, um die Ma­schi­nenführ­ertätig­keit bewälti­gen zu können.

Ein frei­er Ar­beits­platz im La­ger sei eben­falls nicht vor­han­den.

Der Ein­satz des Klägers als teil­zeit­beschäftig­ter Ma­schi­nenführer im Schicht­be­trieb führe zu ei­nem un­zu­mut­ba­ren Or­ga­ni­sa­ti­ons­auf­wand auch dann, wenn die tägli­che Ar­beits­zeit des Klägers von 10:00 Uhr bis 14:00 Uhr fest­ge­legt wer­de. Das ge­sam­te Kon­zept der Schicht­pla­nung müss­te we­gen des Wun­sches ei­nes ein­zel­nen Mit­ar­bei­ters auf­ge­ho­ben wer­den. An­de­re Mit­ar­bei­ter müss­ten häufi­ger die Schich­ten wech­seln, was bei die­sen zu Un­mut führe. Auch die Re­ge­lung ei­ner Ur­laubs­ver­tre­tung wäre un­zu­mut­bar er­schwert. Hin­zu kom­me, dass das Be­geh­ren des Klägers sehr wohl auch des­halb Aus­wir­kun­gen auf Or­ga­ni­sa­ti­on und Ar­beits­ab­lauf ha­ben könne, da die von ihm gewünsch­te Ge­stal­tung sei­ner Ar­beits­zeit als Vor­bild für an­de­re Mit­ar­bei­ter die­nen könn­te.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bonn vom 18.07.2012, Ak­ten­zei­chen 2 Ca 645/12 EU, 11 ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­te

erklärt in ers­ter Li­nie den Rechts­streit in der Haupt­sa­che für er­le­digt;

für den Fall, dass kei­ne Er­le­di­gung des Rechts­streits ein­ge­tre­ten sei, be­an­tragt er,

die Be­ru­fung ge­gen Ge­gen­sei­te zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­te ver­weist dar­auf, dass die Par­tei­en– un­strei­tig – auf Ver­an­las­sung der Be­klag­ten un­ter dem 22.08./01.09.2012 ei­nen un­be­fris­te­ten neu­en Ar­beits­ver­trag ab­ge­schlos­sen ha­ben, wel­cher sei­nem Wunsch nach Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung Rech­nung tra­ge und ei­ne Ar­beits­zeit ar­beitstäglich in der Frühschicht von 10:00 Uhr bis 14:00 Uhr vor­se­he. Aus­drück­lich heiße es un­ter Zif­fer 2 die­ses Ver­tra­ges, dass er „al­le zwi­schen Ih­nen und uns ge­schlos­se­nen frühe­ren Ar­beits­verträge er­setzt“. Zu­dem ent­hal­te der Ar­beits­ver­trag vom 22.08./01.09.2012 ge­genüber dem ursprüng­li­chen Ar­beits­ver­trag noch wei­te­re Ände­run­gen, die mit dem Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Rechts­streits nichts zu tun hätten, so z. B. zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses bei Ren­ten­be­zug, zu Ver­trags­stra­fen, zur Ur­laubs­gewährung bei un­terjähri­gem Aus­schei­den und zu den Ge­heim­hal­tungs­pflich­ten des Klägers.

Aus sei­ner Sicht sei da­her sei­nem im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren ver­folg­ten Rechts­schutz­be­geh­ren durch den Ab­schluss des neu­en Ar­beits­ver­tra­ges genüge ge­tan und ha­be sich der Rechts­streit des­halb in der Haupt­sa­che er­le­digt.

Im Übri­gen ver­tei­digt der Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­te das erst­in­stanz­li­che ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil. Der Kläger führt aus, seit Ab­schluss des neu­en Ar­beits­ver­tra­ges wer­de er mit an­de­ren Mit­ar­bei­tern zu­sam­men bei der Re­kla­ma­ti­ons­be­ar­bei­tung ein­ge­setzt. An­sons­ten ar­bei­te er an ei­ner lau­fen­den Ma­schi­ne mit oder fah­re ei­ne ste­hen­de Ma­schi­ne an. Die Ein­wei­sung in die je­weils an­fal­len­den Ar­bei­ten pro Schicht daue­re, wie früher auch, nur we­ni­ge Se­kun­den. Ei­ne Pau­se müsse bei ei­ner Vier-St­un­den-Schicht über­haupt nicht ge­macht wer­den. Die Ur­laubs- und Krank­heits­ver­tre­tung sei auch schon in der Ver­gan­gen­heit im­mer so ge­re­gelt wor­den, dass die Mit­ar­bei­ter des ei­ge­nen Teams den Aus­fall des Kol­le­gen kom­pen­sier­ten. Wenn aber schon der Aus­fall von Voll­zeit­mit­ar­bei­tern nicht zu Wech­seln von Mit­ar­bei­tern in­ner­halb des Schicht­sys­tems führen müsse, sei dies in An­be­tracht ei­ner Teil­zeittätig­keit erst recht nicht der Fall.

Der Kläger bestätigt, dass die Be­klag­te der­zeit ein um­fang­rei­ches, auf Jah­re hin­aus an­ge­leg­tes in­ner­be­trieb­li­ches Qua­li­fi­zie­rungs­pro­gramm für

Ma­schi­nenführer durchführe. Die Schu­lun­gen würden da­bei während der Tag­schich­ten durch­geführt und es wer­de je­weils ein Mit­ar­bei­ter für ei­ne St­un­de für sei­ne Trai­nings­ein­hei­ten aus der Pro­duk­ti­on her­aus­ge­nom­men. Da­durch entstünden ständi­ge Ver­tre­tungs­auf­ga­ben, mit de­nen er, der Kläger, be­reits auf meh­re­re Jah­re hin­aus ent­spre­chend sei­nem Teil­zeit­wunsch beschäftigt wer­den könn­te.

Sch­ließlich meint der Kläger, ihm könne auch nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den, dass sein Ar­beits­zeit­wunsch un­ter Umständen ent­spre­chen­de
Be­gehr­lich­kei­ten bei an­de­ren Mit­ar­bei­tern we­cken könn­te. Ab­ge­se­hen da­von, dass bis­her kein an­de­rer Mit­ar­bei­ter ei­nen Teil­zeit­wunsch geäußert ha­be und dies auch eher als Aus­nah­me­fall an­zu­se­hen sei, kom­me es für die Be­ur­tei­lung sei­nes Ar­beits­zeit­be­geh­rens nicht dar­auf an, ob ge­ge­be­nen­falls nur ei­ne be­grenz­te An­zahl von Teil­zeit­ar­beitsplätzen zu­mut­bar vor­ge­hal­ten wer­den könn­te.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin schließt sich der Er­le­di­gungs­erklärung des Klägers und Be­ru­fungs­be­klag­ten aus­drück­lich nicht an.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin meint, der Rechts­streit ha­be sich in der Haupt­sa­che durch Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges vom 22.08./01.09.2012 nicht er­le­digt. Die­ser Ar­beits­ver­trag sei viel­mehr le­dig­lich als un­mit­tel­ba­re Fol­ge des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils an­zu­se­hen, wel­ches noch ei­ner kon­kre­ti­sie­ren­den Um­set­zung be­durft ha­be. Da sie, die Be­klag­te, mit Schrift­satz vom 07.08.2012 Be­ru­fung ein­ge­legt, mit Schrift­satz vom 28.09.2012 um Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist ge­be­ten und die Be­ru­fungs­be­gründung am 05.11.2012 schließlich auch ein­ge­reicht ha­be, sei für den Kläger er­sicht­lich ge­we­sen, dass der Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges nur als er­for­der­li­che Maßnah­me zur Ver­mei­dung der Zwangs­voll­stre­ckung er­folgt sei und kei­ne dau­er­haf­te Neu­re­ge­lung hätte be­inhal­ten sol­len.

Auf den vollständi­gen Text des Ar­beits­ver­tra­ges vom 22.08.2012/01.09.2012 (An­la­ge K 6, Bl. 159 ff. d. A.) wird ergänzend Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

I. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bonn vom 18.07.2012 ist zulässig. Die Be­ru­fung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statt­haft. Sie wur­de auch in­ner­halb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vor­ge­schrie­be­nen Fris­ten ein­ge­legt und be­gründet.

II. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten konn­te je­doch kei­nen Er­folg ha­ben. Der Rechts­streit der Par­tei­en um den Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rungs­wunsch des Klägers ist durch Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges vom 22.08./01.09.2012 in der Haupt­sa­che er­le­digt. Der Kläger hat ei­ne ent­spre­chen­de Er­le­di­gungs­erklärung ab­ge­ge­ben und die­se in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Be­ru­fungs­ge­richt noch­mals aus­drück­lich wie­der­holt. Nach­dem die Be­klag­te der Er­le­di­gungs­erklärung aus­drück­lich ent­ge­gen­ge­tre­ten ist, ist der Er­le­di­gungs­erklärung zu­gleich der kon­klu­den­te An­trag des Klägers auf Fest­stel­lung zu ent­neh­men, dass der Rechts­streit in der Haupt­sa­che er­le­digt ist.

1. Mit Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges vom 22.08./01.09.2012 ha­ben die Par­tei­en dem Wunsch des Klägers auf Ver­rin­ge­rung sei­ner Ar­beits­zeit bei be­stimm­ter Ver­tei­lung der Ar­beits­stun­den auf die Ar­beits­ta­ge der Frühschicht un­ein­ge­schränkt und dau­er­haft Rech­nung ge­tra­gen. Das hier­auf ge­rich­te­te Kla­ge­be­geh­ren ist erfüllt. Das Rechts­schutz­bedürf­nis für die Fort­set­zung des Rechts­streits ist da­mit auf Sei­ten des Klägers ent­fal­len. Hätte der Kläger den Rechts­streit nicht für er­le­digt erklärt, hätte die Kla­ge nun­mehr auf Grund des nicht mehr fort­be­ste­hen­den Rechts­schutz­bedürf­nis­ses als un­zulässig ab­ge­wie­sen wer­den müssen.

2. Da­ge­gen kann die Be­klag­te nicht da­mit gehört wer­den, dass der Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges vom 22.08./01.09.2012 nur der Ab­wehr ei­ner Zwangs­voll­stre­ckung aus dem Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bonn vom 18.07.2012 ha­be die­nen sol­len.

a. Ei­ne sol­che In­ter­pre­ta­ti­on des Ar­beits­ver­tra­ges vom 22.08./01.09.2012 kommt schon des­halb nicht in Be­tracht, weil das erst­in­stanz­li­che Ur­teil vom 18.07.2012 kei­ner­lei voll­streck­ba­ren und schon gar nicht ei­nen vorläufig voll­streck­ba­ren In­halt auf­weist und so­mit ei­ne Zwangs­voll­stre­ckung des Klägers aus die­sem Ur­teil gar nicht dro­hen konn­te. Das auf § 8 Tz­B­fG gestütz­te Kla­ge­be­geh­ren des Klägers ist auf Zu­stim­mung der Be­klag­ten zu ei­ner Ar­beits­ver­tragsände­rung und da­mit auf Ab­ga­be ei­ner Wil­lens­erklärung ge­rich­tet. Der Voll­zug ei­nes sol­chen Ur­teils rich­tet sich nach§ 894 Satz 1 ZPO. Dies be­deu­tet, dass mit Ein­tritt der Rechts­kraft des Ur­teils die strei­ti­ge Wil­lens­erklärung als ab­ge­ge­ben fin­giert wird. Darüber­hin­aus­ge­hen­de Fol­ge­run­gen sind aus ei­nem sol­chen Ur­teil nicht ab­zu­lei­ten. Ins­be­son­de­re hätte der Kläger auf der Grund­la­ge die­ses Ur­teils auch nicht im We­ge der Zwangs­voll­stre­ckung ei­ne vorläufi­ge Beschäfti­gung zu den geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen er­zwin­gen können.

b. Nun er­scheint es zwar grundsätz­lich an­er­ken­nens­wert, wenn die Be­klag­te ge­willt war, den Kläger, dem Er­geb­nis des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils fol­gend, schon vor Ein­tritt der Rechts­kraft die­ses Ur­teils sei­nem Kla­ge­be­geh­ren ent­spre­chend zu be­han­deln. Wenn die Be­klag­te sich da­bei aber ih­re Rech­te aus ei­ner et­wai­gen späte­ren Abände­rung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils hätte vor­be­hal­ten wol­len, hätte sie mit dem Kläger ei­ne ent­spre­chen­de, für die Dau­er des Rechts­streits be­fris­te­te oder durch die et­wai­ge Auf­he­bung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils auflösend be­ding­te Re­ge­lung tref­fen können und müssen.

c. Dies ist je­doch ge­ra­de nicht ge­sche­hen.

aa. Die Par­tei­en ha­ben ge­ra­de nicht ei­ne auf den Streit­ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Rechts­streits be­schränk­te Re­ge­lung der Ar­beits­zeit ge­trof­fen, son­dern ei­nen kom­plett neu­en Ar­beits­ver­trag ab­ge­schlos­sen und ihr Ar­beits­verhält­nis da­mit ins­ge­samt auf ei­ne vollständig neue Grund­la­ge ge­stellt.

bb. Der Ar­beits­ver­trag vom 22.08./01.09.2012 enthält auch we­der ei­ne Be­fris­tung noch ei­ne auflösen­de Be­din­gung. Der ge­sam­te Wort­laut des
mehr­sei­ti­gen Ar­beits­ver­tra­ges enthält nicht ein­mal an­deu­tungs­wei­se ei­ne Aus­sa­ge, die dafür spre­chen könn­te, dass der Ar­beits­ver­trag nur vorüber­ge­hend gültig sein soll­te. Die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges be­darf aber eben­so wie die Ver­ein­ba­rung ei­ner auflösen­den Be­din­gung gemäß §§ 14 Abs. 4, 21 Tz­B­fG der Schrift­form. Hier­an fehlt es je­doch.

cc. Im Ge­gen­teil: In­dem die Par­tei­en in Zif­fer 2 des Ar­beits­ver­tra­ges aus­drück­lich be­stimmt ha­ben, dass der Ver­trag vom 22.08./01.09.2012 „al­le zwi­schen Ih­nen und uns ge­schlos­se­nen frühe­ren Ar­beits­verträge er­setzt“, ha­ben sie aus­drück­lich ver­deut­licht, dass sie ihr ge­sam­tes Ar­beits­verhält­nis auf ei­ne vollständig neue Grund­la­ge stel­len woll­ten. Auch die in Zif­fer 2 des Ar­beits­ver­tra­ges wei­ter ent­hal­te­ne An­rech­nungs­klau­sel über die seit dem 01.07.2006 zurück­ge­leg­ten Vor­dienst­zei­ten wäre bei ei­ner Ver­ein­ba­rung über ei­ne zeit­lich be­fris­te­te bzw. auflösend be­ding­te Ände­rung der Ar­beits­zeit­re­ge­lung gänz­lich überflüssig ge­we­sen. Fer­ner ha­ben die Par­tei­en sich auch nicht auf ei­ne Abände­rung der Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen be­schränkt, son­dern di­ver­se an­de­re Punk­te ih­rer bis da­hin be­ste­hen­den ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen ab­geändert, die zum Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Rechts­streits in kei­nem Be­zug ste­hen.

d. Aus al­le­dem folgt zwin­gend, dass sich die ar­beits­ver­trag­li­chen Rech­te und Pflich­ten der Par­tei­en aus ih­rem Ar­beits­verhält­nis seit Ab­schluss des Ver­tra­ges vom 22.08./01.09.2012 nun­mehr bis auf wei­te­res un­be­fris­tet und aus­sch­ließlich nach die­sen Ver­trags­re­geln rich­tet. Da die­ser Ver­trag die vom Kläger gewünsch­te Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung und die da­zu­gehöri­ge Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit auf die ein­zel­nen Wo­chen­ta­ge enthält, ist dem Kla­ge­be­geh­ren des Klägers genüge ge­tan.

3. Die Fest­stel­lung der Er­le­di­gung des Rechts­streits, ver­bun­den mit der für die Be­klag­te nach­tei­li­gen Kos­ten­fol­ge aus § 91 Abs. 1 ZPO, setzt des­wei­te­ren vor­aus, dass die Kla­ge im Zeit­punkt des er­le­di­gen­den Er­eig­nis­ses, al­so dem Ab­schlus­ses des Ar­beits­ver­tra­ges vom 22.08./01.09.2012, auch zulässig und be­gründet war. Auch dies ist der Fall.

a. Die zwei­te Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Bonn hat in ih­rem Ur­teil vom 18.07.2012 die strei­ti­gen Stand­punk­te der Par­tei­en um­fas­send und an­ge­mes­sen gewürdigt. Es hat die ein­schlägi­ge Recht­spre­chung, ins­be­son­de­re auch die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung des BAG, sorgfältig und sach­ge­recht aus­ge­wer­tet und ist da­bei mit über­zeu­gen­der Be­gründung zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass dem Kla­ge­be­geh­ren statt­zu­ge­ben sei. Zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen macht sich das Be­ru­fungs­ge­richt die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts zu Ei­gen.

b. Kon­zen­triert zu­sam­men­ge­fasst be­gründet das Ar­beits­ge­richt sei­ne Ent­schei­dung letzt­lich da­mit, dass das Ar­beits­zeit­be­geh­ren des Klägers der Be­klag­ten zwar ge­wis­se or­ga­ni­sa­to­ri­sche An­stren­gun­gen ab­ver­langt, dass die­se aber kei­ne für die Be­klag­te nicht mehr zu­mut­ba­re In­ten­sität er­rei­chen. Die Ausführun­gen der Be­klag­ten in der Be­ru­fungs­in­stanz, die im We­sent­li­chen in ei­ner Wie­der­ho­lung der erst­in­stanz­lich be­reits vor­ge­brach­ten Ar­gu­men­ta­ti­on be­ste­hen, ver­mag die­se Einschätzung nicht in Fra­ge zu stel­len.

aa. So führt die Teil­zeit­beschäfti­gung des Klägers nicht zu un­zu­mut­ba­ren zusätz­li­chen Schicht­ein­wei­sungs­zei­ten. Die Schicht­ein­wei­sung be­steht dar­in, dass der Schichtführer dem ein­zel­nen Mit­ar­bei­ter bei Schicht­be­ginn je­weils kon­kret und ak­tu­ell mit­teilt, was er in der fol­gen­den Schicht zu tun hat. Ei­ne sol­che Ein­wei­sung muss­te dem Kläger auch im Rah­men sei­ner Voll­zeit­beschäfti­gung er­teilt wer­den, nur zu ei­nem an­de­ren Zeit­punkt. Zu­dem hat der Kläger nach­voll­zieh­bar und letzt­lich un­wi­der­spro­chen aus­geführt, dass die ent­spre­chen­de Ein­wei­sung nur we­ni­ge Se­kun­den Dau­er in An­spruch nimmt. Die Be­haup­tung der Be­klag­ten, dass durch ei­ne sol­che Ein­wei­sung des Klägers während der für die an­de­ren Ma­schi­nenführer be­reits lau­fen­den Schicht die Ge­fahr ei­nes Pro­duk­ti­ons­still­stan­des her­vor­ge­ru­fen wer­de, ent­behrt jeg­li­cher Sub­stan­ti­ie­rung.

bb. Die Ausführun­gen der Be­klag­ten zu der mit der Ar­beits­zeit­re­du­zie­rung an­geb­lich ver­bun­de­nen Pau­sen­pro­ble­ma­tik lie­gen er­sicht­lich ne­ben der Sa­che. Auch die im Te­nor des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils ge­nann­te tägli­che Ar­beits­zeit­span­ne „zwi­schen 09:00 Uhr und 14:00 Uhr“ ließ bei verständi­ger Aus­le­gung schon oh­ne wei­te­res ei­nen tägli­chen Ein­satz des Klägers von 10:00 Uhr bis 14:00 Uhr zu. Bei ei­ner Schicht­dau­er von nur vier St­un­den schreibt das Ar­beits­zeit­ge­setz be­kannt­lich kei­ne zwin­gen­de Ar­beits­pau­se vor.

cc. Auf die Ausführun­gen der Be­klag­ten da­zu, dass es ihr nicht möglich sei, den Kläger in der so­ge­nann­ten Ta­ges­schicht im La­ger ein­zu­set­zen, kommt es schon des­halb nicht mehr an, weil die Par­tei­en mit Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges vom 22.08./01.09.2012 of­fen­bar ei­nen Weg ge­fun­den ha­ben, den Kläger auch teil­zeit­beschäftigt als Ma­schi­nenführer zu beschäfti­gen.

dd. Eben­so er­scheint es un­er­heb­lich, ob im La­ger Mit­ar­bei­ter beschäftigt wer­den, die persönlich in der La­ge wären, den Kläger im Schicht­be­trieb der Ma­schi­nenführer zu er­set­zen oder das dort durch den Kläger frei­ge­mach­te Ar­beits­zeit­kon­tin­gent im Um­fang ei­nes hal­ben Ar­beits­plat­zes aus­zufüllen. Die­se Fra­ge braucht nicht wei­ter ver­tieft zu wer­den. An­zu­mer­ken bleibt aber, dass die Be­klag­te nicht erklärt, war­um der eben­falls nicht ein­schlägig aus­ge­bil­de­te Mit­ar­bei­ter, der den Kläger während sei­ner El­tern­zeit er­folg­reich ver­tre­ten hat, dies nicht auch im Teil­zeit­um­fang wei­ter ver­wirk­li­chen könn­te.

ee. Sch­ließlich ver­mag das Be­ru­fungs­ge­richt auch nicht nach­zu­voll­zie­hen, war­um die Ur­laubs- und/oder Krank­heits­ver­tre­tung des Klägers im Rah­men ei­ner Voll­zeittätig­keit oh­ne wei­te­res bewältigt wer­den konn­te, dies aber bei ei­ner Teil­zeittätig­keit nicht mehr der Fall sein soll.

c. Bei al­le­dem ver­kennt das Be­ru­fungs­ge­richt wie schon das Ar­beits­ge­richt kei­nes­wegs, dass die vom Kläger gewünsch­te Ar­beits­zeitände­rung auf Sei­ten der Be­klag­ten ge­wis­se or­ga­ni­sa­to­ri­sche An­stren­gun­gen er­for­dert und dass da­bei auch die un­mit­tel­bar mit dem Kläger zu­sam­men ar­bei­ten­den Kol­le­gen ge­hal­ten sind, sich an die da­durch für sie er­ge­ben­den Neue­run­gen zu gewöhnen. Auch wenn im Aus­gangs­punkt außer Fra­ge steht, dass der Be­klag­ten grundsätz­lich die Or­ga­ni­sa­ti­ons­ho­heit für ih­ren Be­trieb zu­kommt, ist bei des­sen Ausübung die ge­setz­ge­be­ri­sche In­ten­ti­on des § 8 Tz­B­fG zu be­ach­ten. Aus ob­jek­ti­ver Sicht ist nicht er­kenn­bar, dass die von der Be­klag­ten vor­zu­neh­men­den Um­stel­lun­gen für die­se selbst und die mit be­trof­fe­nen Kol­le­gen des Klägers ein un­zu­mut­ba­res Maß an­neh­men.

d. Aus der Sicht des Be­ru­fungs­ge­richts bleibt ab­sch­ließend noch Fol­gen­des hin­zu­zufügen:

aa. Das Ar­beits­ge­richt hat in Übe­rein­stim­mung mit der herr­schen­den Mei­nung an­geführt, dass es für die Be­ur­tei­lung der Vor­aus­set­zun­gen des § 8 Tz­B­fG nicht auf die Gründe an­kommt, die den Mit­ar­bei­ter da­zu ver­an­las­sen, sei­nen Wunsch nach Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung vor­zu­brin­gen.

bb. Das Be­ru­fungs­ge­richt ist dem­ge­genüber der Auf­fas­sung, dass bei der Be­stim­mung des Maßes der An­stren­gun­gen, die ei­nem Ar­beit­ge­ber noch zu­mut­bar sind, um ei­nen Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rungs­wunsch rea­li­sie­ren zu können, die Gründe, die den Ar­beit­neh­mer zu sei­nem Wunsch ver­an­lasst ha­ben, nicht völlig außer Be­tracht blei­ben können.

cc. Im vor­lie­gen­den Fall geht es bei dem Wunsch des Klägers nach Ver­rin­ge­rung und Neu­ver­tei­lung sei­ner Ar­beits­zeit er­sicht­lich um die Pro­ble­ma­tik der Ver­ein­bar­keit von Fa­mi­lie und Er­werbstätig­keit. Die­se Ver­ein­bar­keit zu fördern, ent­spricht ei­ner drin­gen­den ge­samt­ge­sell­schaft­li­chen Ziel­set­zung, der auch § 8 Tz­B­fG Rech­nung tra­gen will. Das in­di­vi­du­el­le An­lie­gen des Klägers ist so­mit als Aus­fluss ei­ner ak­tu­ell drängen­den Pro­ble­ma­tik in der Ar­beits­welt ins­ge­samt an­zu­se­hen. Die­se Pro­ble­ma­tik zu bewälti­gen liegt nicht nur in ei­nem sub­jek­tiv –in­di­vi­du­el­len In­ter­es­se ei­nes Ein­zel­nen, son­dern auch im In­ter­es­se der All­ge­mein­heit. Vor die­sem Hin­ter­grund vor­ge­brach­te Wünsche nach An­pas­sung der Ar­beits­zeit recht­fer­ti­gen zur Über­zeu­gung des Be­ru­fungs­ge­richts des­halb auch erhöhte An­for­de­run­gen an den Maßstab der Un­zu­mut­bar­keit.

4. Dem­nach konn­te die Be­ru­fung der Be­klag­ten kei­nen Er­folg ha­ben. Es war viel­mehr fest­zu­stel­len, dass der Rechts­streit auf Grund des Ab­schlus­ses des Ar­beits­ver­tra­ges vom 22.08./01.09.2012 er­le­digt ist.

III. Die Kos­ten­fol­ge er­gibt sich aus §§ 91, 97 ZPO.

Ein ge­setz­li­cher Grund für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on ist bei der Be­ur­tei­lung des vor­lie­gen­den Ein­zel­falls nicht ge­ge­ben.

RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

We­gen der Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de wird auf § 72a ArbGG ver­wie­sen.

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