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BAG, Ur­teil vom 23.09.2015, 5 AZR 767/13

   
Schlagworte: Arbeitszeitkonto, Arbeitszeitguthaben, Darlegungslast
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 5 AZR 767/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 23.09.2015
   
Leitsätze: Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit steht weder der Führung eines Arbeitszeitkontos entgegen noch schließt sie die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens aus.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Herford, Urteil vom 24.10.2012 - 2 Ca 380/12
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 2.7.2013 - 14 Sa 1706/12
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

5 AZR 767/13
14 Sa 1706/12
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Hamm

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
23. Sep­tem­ber 2015

UR­TEIL

Rad­t­ke, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Fünf­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 23. Sep­tem­ber 2015 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts Dr. Müller-Glöge, die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ar­beits­ge­richt We­ber und Dr. Volk so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Dom­brow­sky und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Zorn für Recht er­kannt:

 

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I. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 2. Ju­li 2013 - 14 Sa 1706/12 - un­ter Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on im Übri­gen teil­wei­se auf­ge­ho­ben und zur Klar­stel­lung wie folgt neu ge­fasst:

1. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Her­ford vom 24. Ok­to­ber 2012 - 2 Ca 380/12 - teil­wei­se ab­geändert.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 7.178,76 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit 1. Mai 2012 zu zah­len.

3. Im Übri­gen wird die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen.

II. Von den Kos­ten des Rechts­streits I. In­stanz ha­ben die Kläge­rin 64 % und die Be­klag­te 36 % zu tra­gen, von de­nen des Be­ru­fungs­ver­fah­rens und der Re­vi­si­on die Kläge­rin 61 % und die Be­klag­te 39 %.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Aus­zah­lung ei­nes Ar­beits­zeit­gut­ha­bens. 

Die Kläge­rin wur­de von der Be­klag­ten, die meh­re­re Tex­til­ein­zel­han­dels­geschäfte be­treibt, zum 1. Ju­ni 2007 als Büro­f­ach­kraft ein­ge­stellt. Sie er­le­dig­te Se­kre­ta­ri­ats- und As­sis­tenztätig­kei­ten für die Geschäftsführung und lei­te­te zu­letzt das so­ge­nann­te „Back Of­fice“. Ih­re Haupt­auf­ga­ben ver­rich­te­te sie im Vor­zim­mer der Geschäftsführung. Das Ar­beits­verhält­nis en­de­te auf­grund ei­ner von der Kläge­rin aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung am 31. März 2012.

Grund­la­ge des Ar­beits­verhält­nis­ses war zunächst ein schrift­li­cher, von der Be­klag­ten ge­stell­ter Ar­beits­ver­trag vom 28. April 2007 (im Fol­gen­den Ar­beits­ver­trag 2007), der un­ter an­de­rem fol­gen­de Re­ge­lun­gen ent­hielt:

 

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„§ 3 Vergütung

Die mo­nat­li­che Brut­to­vergütung beträgt 2.500 €. Die Vergütung wird je­weils am Letz­ten ei­nes Mo­nats fällig. Die Zah­lung er­folgt bar­geld­los auf das der Fir­ma be­nann­te Kon­to des Ar­beit­neh­mers.

...

§ 7 Ar­beits­zeit

Die Ar­beits­zeit ist fle­xi­bel und rich­tet sich nach der be­triebsübli­chen Zeit. Ver­ein­bart wer­den mo­nat­lich 163 St­un­den oh­ne die Berück­sich­ti­gung von Pau­sen. Mehr bzw. Min­der­stun­den wer­den über ein Zeit­kon­to ab­ge­rech­net. Bei Aus­tritt aus dem Un­ter­neh­men wird der Sal­do mit dem durch­schnitt­li­chen St­un­den­lohn ver­rech­net. Ar­beits­be­ginn und Ar­beits­en­de rich­ten sich nach der je­wei­li­gen Per­so­nal­ein­satz­pla­nung. Die Fir­ma ist be­rech­tigt, aus drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen ei­ne Ände­rung der Ar­beits­zeit­ein­tei­lung vor­zu­neh­men.
...

§ 12 Ta­rif­ver­trag

Ergänzend gel­ten die Re­ge­lun­gen des Ta­rif­ver­tra­ges für den Ein­zel­han­del in NRW in sei­ner je­weils gel­ten­den Fas­sung.

§ 13 Aus­schluss­klau­sel

Ansprüche aus dem An­stel­lungs­verhält­nis müssen in­ner-halb ei­nes Mo­nats nach Zu­gang der letz­ten Ge­halts­ab­rech­nung gel­tend ge­macht wer­den; an­de­ren­falls sind sie ver­wirkt.

§ 14 Ne­ben­ab­re­den

Ne­ben­ab­re­den und Ände­run­gen des Ver­tra­ges bedürfen zu ih­rer Rechtsgültig­keit der Schrift­form. Die­ses For­mer­for­der­nis kann we­der münd­lich noch still­schwei­gend auf-ge­ho­ben oder außer Kraft ge­setzt wer­den. Ei­ne et­wai­ge Ungültig­keit ein­zel­ner Ver­trags­be­stim­mun­gen berührt die Wirk­sam­keit der übri­gen Be­stim­mun­gen nicht.“

Am 22. Fe­bru­ar 2008 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en in ei­nem „Nach­trag zum un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag vom 28. April 2007“ un­ter Bei­be­hal­tung der übri­gen ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen ei­ne Ände­rung der Kündi­gungs­frist und ei­ne Erhöhung der Vergütung der Kläge­rin zum 1. März 2008 auf 2.750,00 Eu­ro brut­to und zum 1. Ja­nu­ar 2009 auf 3.000,00 Eu­ro brut­to.

 

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Mit For­mu­lar­ar­beits­ver­trag vom 13./27. No­vem­ber 2008 (im Fol­gen­den Ar­beits­ver­trag 2008), der gemäß § 1 Abs. 1 mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 2009 den Ar­beits­ver­trag vom 28. April 2007 so­wie den Nach­trag 1 vom 22. Fe­bru­ar 2008 er­setz­te, ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ua. bei gleich­blei­ben­der Vergütung in § 7 Abs. 1 ei­ne Verlänge­rung der mo­nat­li­chen Ar­beits­zeit auf 173 St­un­den. Im Übri­gen blieb § 7 un­verändert. Die §§ 12 bis 14 stim­men mit de­nen des Ar­beits­ver­trags 2007 übe­rein.

Im Man­tel­ta­rif­ver­trag für die Un­ter­neh­men des Ein­zel­han­dels in Nord­rhein-West­fa­len vom 25. Ju­li 2008 (im Fol­gen­den MTV), ab­ge­schlos­sen mit
Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 2007, ist ua. ge­re­gelt:

„§ 24 Ver­fall­klau­sel

(1) Die Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis ver­fal­len wie folgt:

a) 3 Mo­na­te nach Fällig­keit:

Ansprüche auf Ab­gel­tung der Über­stun­den;

b) spätes­tens 3 Mo­na­te nach En­de des Ur­laubs­jah­res bzw. Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses:

Ansprüche auf Ur­laub, Ur­laubs­ab­gel­tung und Son­der­zah­lun­gen;

c) 6 Mo­na­te nach Fällig­keit:

al­le übri­gen aus Ta­rif­ver­trag und Ar­beits­verhält­nis ent­stan­de­nen fi­nan­zi­el­len Ansprüche.

(2) Die Ansprüche ver­fal­len nicht, so­fern sie in­ner­halb der vor­ge­nann­ten Fris­ten schrift­lich gel­tend ge­macht wor­den sind.

(3) Vor­ste­hen­de Fris­ten gel­ten als Aus­schluss­fris­ten.

(4) Un­ter die Ver­fall­klau­sel fal­len nicht sol­che Ansprüche ei­nes Ar­beit­ge­bers oder ei­nes Ar­beit­neh­mers ge­gen ei­nen Ar­beit­neh­mer oder Ar­beit­ge­ber, die auf ei­ne straf­ba­re Hand­lung oder ei­ne un­er­laub­te Hand­lung gestützt wer­den. Für die­se Ansprüche gel­ten die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten.“

Die Be­stim­mung wur­de in der durch den Ergänzungs­ta­rif­ver­trag vom 29. Ju­ni 2011 geänder­ten Fas­sung des MTV bei­be­hal­ten.

 

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Die Be­klag­te händig­te der Kläge­rin für den Zeit­raum 1. Ju­ni 2007 bis 25. No­vem­ber 2008 mit „Be­richt Ar­beits­zeit Verkäufer“ über­schrie­be­ne Auf­stel­lun­gen aus, in de­nen Be­ginn und En­de ih­rer Ar­beits­zeit, die Ge­samt­stun­den, die Pau­sen so­wie die be­zahl­te Ar­beits­zeit aus­ge­wie­sen sind. Die Plus-Dif­fe­renz zwi­schen ge­leis­te­ten und vergüte­ten St­un­den be­lief sich da­nach auf 414 St­un­den. In der Fol­ge­zeit er­fass­te die Be­klag­te die Ar­beits­zeit der Kläge­rin nicht mehr und händig­te ihr kei­ne wei­te­ren Be­rich­te aus.

Die Kläge­rin führ­te ab dem 26. No­vem­ber 2008 ei­ne ei­ge­ne Ar­beits­zeit­auf­stel­lung. Dar­in hat sie für je­den Ar­beits­tag ih­re Re­gel­ar­beits­zeit, Be­ginn und En­de ih­rer Ar­beits­zeit und Pau­sen­zei­ten fest­ge­hal­ten so­wie Mehr- und Min­der­ar­beit fort­lau­fend sal­diert. Aus die­ser Auf­stel­lung er­ge­ben sich für den Zeit­raum 26. No­vem­ber 2008 bis 30. De­zem­ber 2011 ei­ne Plus-Dif­fe­renz von 643 St­un­den und 10 Mi­nu­ten so­wie - ergänzend zu den Be­rich­ten der Be­klag­ten - für den 30. und 31. Au­gust 2008 zusätz­lich 1,5 Gut­stun­den. Die Auf­stel­lung leg­te die Kläge­rin der Be­klag­ten nicht vor.

Mit Schrei­ben vom 24. Fe­bru­ar 2012 for­der­te die Kläge­rin die Be­klag­te un­ter Hin­weis auf § 7 Ar­beits­ver­trag auf, ihr ei­ne Ab­rech­nung des Ar­beits­zeit­kon­tos zu über­sen­den. Die Be­klag­te lehn­te dies mit Schrei­ben vom 28. Fe­bru­ar 2012 mit der Be­gründung ab, das Ar­beits­zeit­kon­to ste­he auf null. Ih­re Ab­leh­nung wie­der­hol­te sie auf ei­ne noch­ma­li­ge schrift­li­che Auf­for­de­rung vom 6. März 2012.

Mit ih­rer am 23. März 2012 ein­ge­reich­ten Kla­ge hat die Kläge­rin zu­letzt die Ab­gel­tung des von ihr für den Zeit­raum 1. Ju­ni 2007 bis 31. März 2012 be­haup­te­ten Zeit­gut­ha­bens ver­langt. Sie hat gel­tend ge­macht, der Geschäftsführer der Be­klag­ten ha­be sich am 26. Ja­nu­ar 2009, als er ihr das nicht vollständi­ge Ar­beits­zeit­kon­to für No­vem­ber 2008 über­ge­ben ha­be, ge­wei­gert ih­re Ar­beits­zeit­auf­stel­lun­gen ent­ge­gen zu neh­men und auch für die Zu­kunft die Führung ei­nes Ar­beits­zeit­kon­tos ab­ge­lehnt. Er ha­be die An­wei­sung er­teilt, ih­re Ar­beits­zei­ten nicht mehr zu er­fas­sen. Zu den in ih­ren Ar­beits­zeit­auf­stel­lun­gen ge­nann­ten Zei­ten ha­be sie im Be­trieb der Be­klag­ten ge­ar­bei­tet. Durch ih­re Tätig­keit im Vor­zim­mer des Geschäftsführers sei die­ser auch je­der­zeit über ih­re Ar-

 

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beits­zeit ori­en­tiert ge­we­sen. Sie ha­be Über­stun­den leis­ten müssen, weil sämt­li­che Geschäfts­anfälle auf Wei­sung des Geschäftsführers so­fort zu be­ar­bei­ten ge­we­sen sei­en.

Die Kläge­rin hat - so­weit in der Re­vi­si­ons­in­stanz noch von Be­deu­tung - sinn­gemäß be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 18.357,28 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro-zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit 1. Mai 2012 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat gel­tend ge­macht, das Ar­beits­zeit­kon­to ste­he auf null. Ein Ar­beits­zeit­kon­to sei nicht mehr zu führen ge­we­sen, weil die Par­tei­en be­reits kurz nach Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses Ver­trau­ens­ar­beits­zeit ver­ein­bart hätten. Über­stun­den sei­en von ihr nicht an­ge­ord­net, ge­bil­ligt oder ge­dul­det wor­den. Sie sei­en auch nicht zur Er­le­di­gung der Ar­beit not­wen­dig ge­we­sen. Et­wai­ge Ansprüche sei­en zu­dem ver­fal­len und verjährt.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge in dem noch anhängi­gen Um­fang statt­ge­ge­ben. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ih­ren Klag­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter.

Die Be­klag­te hat erst­mals mit der Re­vi­si­ons­be­gründung be­haup­tet, mit der Kläge­rin in ei­nem Nach­trag zum Ar­beits­ver­trag 2008 vom 18. Fe­bru­ar 2011 ei­ne auf die ta­rif­li­che Aus­schluss­frist ver­wei­sen­de Re­ge­lung ver­ein­bart zu ha­ben.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist zum Teil be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Be­ru­fung der Kläge­rin zu Un­recht in vol­lem Um­fang statt­ge­ge­ben. Die zulässi­ge Kla­ge ist nur zum Teil be­gründet. Die Kläge­rin hat gemäß

 

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§ 611 Abs. 1 BGB iVm. § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Ar­beits­ver­trag An­spruch auf Vergütung in Höhe von 7.178,76 Eu­ro brut­to nebst Ver­zugs­zin­sen in ge­setz­li­cher Höhe. Im Übri­gen ist die Kla­ge un­be­gründet.

I. Die Kla­ge ist zulässig, ins­be­son­de­re streit­ge­genständ­lich hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Streit­ge­gen­stand der Kla­ge ist die Ab­gel­tung ei­nes bei Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis be­haup­te­ten Zeit­gut­ha­bens. Zu des­sen Be­stim­mung genügt der Vor­trag der Kläge­rin, ei­ne fort­lau­fen­de Sal­die­rung von Mehr- und Min­der­stun­den sei ver­ein­bart wor­den so­wie die Be­zif­fe­rung des be­haup­te­ten Gut­ha­bens und des sich hier­aus er­ge­ben­den Ab­gel­tungs­be­trags (vgl. BAG 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu I der Gründe).

II. Die Kla­ge ist zum Teil be­gründet. Die Be­klag­te ist ver­pflich­tet, an die Kläge­rin zur Ab­gel­tung des bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­ste­hen­den Zeit­gut­ha­bens 7.178,76 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in ge­setz­li­cher Höhe zu zah­len.

1. Die Kläge­rin hat ein Zeit­gut­ha­ben von 414 St­un­den schlüssig dar­ge­legt. 

a) Ein Ar­beits­zeit­kon­to hält fest, in wel­chem zeit­li­chen Um­fang der Ar­beit­neh­mer sei­ne Haupt­leis­tungs­pflicht nach § 611 Abs. 1 BGB er­bracht hat oder auf­grund ei­nes Ent­gelt­fort­zah­lungs­tat­be­stands nicht er­brin­gen muss­te (vgl. BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 20, BA­GE 141, 88) und des­halb Vergütung be­an­spru­chen kann, bzw. in wel­chem Um­fang er noch Ar­beits­leis­tung für die ver­ein­bar­te Vergütung er­brin­gen muss. Be­gehrt der Ar­beit­neh­mer die Ab­gel­tung ei­nes Zeit­gut­ha­bens, macht er den Vergütungs­an­spruch für vor­ge­leis­te­te Ar­beit gel­tend (vgl. BAG 24. Sep­tem­ber 2003 - 10 AZR 640/02 - zu II 2 a der Gründe, BA­GE 108, 1; 28. Ju­li 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, BA­GE 135,197). Da die­ses Zeit­gut­ha­ben nur in an­de­rer Form den Vergütungs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers aus­drückt, genügt für die Schlüssig­keit ei­ner Kla­ge, die auf Aus­gleich des Gut­ha­bens auf ei­nem Ar­beits­zeit­kon­to ge­rich­tet ist, dass der Kläger die Ver­ein­ba­rung ei­nes Ar­beits­zeit­kon­tos und das Be­ste­hen ei­nes Gut­ha­bens zum ver­ein­bar­ten Aus­zah­lungs­zeit­punkt dar­legt (BAG

 

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13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu II 1 der Gründe; 28. Ju­li 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, aaO).

b) Die Kläge­rin hat mit den Re­ge­lun­gen in § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Ar­beits­ver­trag die Ver­ein­ba­rung der Führung ei­nes Ar­beits­zeit­kon­tos und der Ab­gel­tung ei­nes ggf. bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­ste­hen­den Gut­ha­bens schlüssig vor­ge­tra­gen. Mit Vor­la­ge der von der Be­klag­ten bis 25. No­vem­ber 2008 geführ­ten Be­rich­te und der Be­haup­tung, sie ha­be in der Fol­ge­zeit (je­den­falls) nicht we­ni­ger Ar­beits­stun­den ge­leis­tet als ge­schul­det, hat sie zu­dem ei­nen sich aus dem Ar­beits­zeit­kon­to bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu ih­ren Guns­ten er­ge­ben­den Sal­do von 414 St­un­den schlüssig dar­ge­legt. Die­ser ist nach § 7 Abs. 1 Satz 4 Ar­beits­ver­trag mit dem rech­ne­risch un­strei­ti­gen St­un­den­satz von 17,34 Eu­ro brut­to ab­zu­gel­ten.

2. Die Be­klag­te hat kei­ne Tat­sa­chen dar­ge­legt, die ge­eig­net wären, den sich aus dem Ar­beits­zeit­kon­to er­ge­ben­den, mit den der Kläge­rin aus­gehändig­ten Be­rich­ten „Ar­beits­zeit Verkäufer“ streit­los ge­stell­ten Sal­do zu ent­kräften.

a) Die re­gelmäßigen Bu­chun­gen auf dem Ar­beits­zeit­kon­to stel­len nicht rechts­geschäft­li­che Erklärun­gen, son­dern tatsächli­che Hand­lun­gen im Sin­ne so­ge­nann­ter Wis­sens­erklärun­gen dar. Der Ar­beit­neh­mer, der Kennt­nis von der Bu­chung erhält, kann nicht an­neh­men, es han­de­le sich um ei­ne auf Bestäti­gung oder gar Verände­rung der Rechts­la­ge ge­rich­te­te Wil­lens­erklärung im Sin­ne ei­nes de­kla­ra­to­ri­schen oder kon­sti­tu­ti­ven Schuld­an­er­kennt­nis­ses (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 26). Der Ar­beit­ge­ber stellt je­doch mit der vor­be­halt­lo­sen Aus­wei­sung von Gut­ha­ben­stun­den in ei­nem für den ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer geführ­ten Ar­beits­zeit­kon­to des­sen Sal­do streit­los (vgl. BAG 28. Ju­li 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BA­GE 135, 197). Er bringt da­mit re­gelmäßig zum Aus­druck, dass be­stimm­te Ar­beits­stun­den tatsächlich und mit sei­ner Bil­li­gung ge­leis­tet wur­den. Will der Ar­beit­ge­ber im Nach­hin­ein den sich aus dem Ar­beits­zeit­kon­to zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers er­ge­ben­den Sal­do er­heb­lich be­strei­ten, ob­liegt es ihm aus­ge­hend von ei­ner ge­stuf­ten Dar­le­gungs­last, im Ein­zel­nen dar­zu­le­gen, auf­grund wel­cher Umstände der aus­ge­wie­se­ne Sal­do un­zu­tref­fend sei oder sich bis zur ver­ein­bar­ten Sch­ließung des Ar­beits­zeit­kon-

 

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tos re­du­ziert ha­be. Erst dann hat der Ar­beit­neh­mer vor­zu­tra­gen, wann er Ar­beit ver­rich­tet oder ei­ner der Tat­bestände vor­ge­le­gen ha­be, der ei­ne Vergütungs­pflicht oh­ne Ar­beit re­gelt (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14 ff., BA­GE 141, 144 zur Dar­le­gungs- und Be­weis­last im Vergütungs­pro­zess). Trägt der Ar­beit­ge­ber hin­ge­gen nichts vor oder lässt er sich nicht sub­stan­ti­iert ein, gilt der im Ar­beits­zeit­kon­to vor­be­halt­los aus­ge­wie­se­ne Sal­do als zu­ge­stan­den.

b) Ein zu­guns­ten der Kläge­rin be­ste­hen­des Zeit­gut­ha­ben von 414 St­un­den gilt da­nach als zu­ge­stan­den.

aa) Der Vor­trag der Be­klag­ten be­schränkt sich auf die pau­scha­le Be­haup­tung, das Ar­beits­zeit­kon­to ha­be bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf null ge­stan­den. In wel­cher Hin­sicht die der Kläge­rin aus­gehändig­ten Auf­stel­lun­gen „Be­richt Ar­beits­zeit Verkäufer“ un­zu­tref­fend sein sol­len und zu wel­chen der dar­in an­ge­ge­be­nen Zei­ten die Kläge­rin nicht oder nicht auf ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge Ver­an­las­sung ge­ar­bei­tet ha­ben soll, hat die Be­klag­te nicht vor­ge­tra­gen. Sie hat auch nicht be­haup­tet, die Kläge­rin ha­be nach dem 25. No­vem­ber 2008 bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses we­ni­ger als ge­schul­det ge­ar­bei­tet, so dass sich das Gut­ha­ben re­du­ziert hätte.

bb) Un­be­acht­lich ist, dass die Be­rich­te ba­sie­rend auf Ar­beits­zeit­an­ga­ben der Kläge­rin er­stellt wur­den. Die Be­klag­te hat die An­ga­ben nicht nur wi­der­spruchs­los zur Kennt­nis ge­nom­men (vgl. hier­zu BAG 3. No­vem­ber 2004 - 5 AZR 648/03 - zu III 2 der Gründe; 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 c der Gründe), son­dern sich zu ei­gen ge­macht, in­dem sie nach den in der Re­vi­si­on nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts der Kläge­rin - ver­gleich­bar mit der Ab­zeich­nung von St­un­den durch den Ar­beit­ge­ber oder ei­nen ver­tre­tungs­be­rech­tig­ten Vor­ge­setz­ten (vgl. hier­zu BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 19) - die Be­rich­te „Ar­beits­zeit Verkäufer“ aushändig­te. Auch un­ter­las­se­ne Rück­stel­lun­gen für Ar­beits­zeit­gut­ha­ben der Kläge­rin in den Han­dels­bi­lan­zen der Jah­re 2008 bis 2011 - un­ter­stellt man zu­guns­ten der Be­klag­ten, die Kläge­rin sei für de­ren Er­mitt­lung ver­ant­wort­lich ge­we­sen - sind nicht ge­eig­net, das zu­vor streit­los ge­stell­te Gut­ha­ben in Fra­ge zu stel­len.

 

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3. Die Par­tei­en ha­ben den Ab­gel­tungs­an­spruch der Kläge­rin nicht rechts­geschäft­lich durch Er­lass zum Erlöschen ge­bracht.

a) Ein Er­lass­ver­trag (§ 397 Abs. 1 BGB) ist dann an­zu­neh­men, wenn die Par­tei­en vom Be­ste­hen ei­ner be­stimm­ten Schuld aus­ge­hen, die­se aber übe­rein­stim­mend als nicht mehr zu erfüllen be­trach­ten. Wenn fest­steht, dass ei­ne For­de­rung ent­stan­den ist, ver­bie­tet die­ser Um­stand im All­ge­mei­nen die An­nah­me, der Gläubi­ger ha­be sein Recht ein­fach wie­der auf­ge­ge­ben. An die Fest­stel­lung ei­nes Ver­zichts­wil­lens sind ho­he An­for­de­run­gen zu stel­len. Ein Er­lass liegt im Zwei­fel nicht vor (vgl. BAG 7. No­vem­ber 2007 - 5 AZR 880/06 - Rn. 17 ff., BA­GE 124, 349).

b) Es fehlt vor­lie­gend be­reits an ei­ner auf ei­nen Er­lass ge­rich­te­ten rechts­geschäft­li­chen Erklärung der Kläge­rin. Ei­ne sol­che kann nicht dar­in ge­se­hen wer­den, dass die Kläge­rin die un­ter­las­se­ne Fortführung des Ar­beits­zeit­kon­tos durch die Be­klag­te hin­ge­nom­men hat. Sons­ti­ge An­halts­punk­te, die die An­nah­me recht­fer­tig­ten, die Kläge­rin ha­be den Be­stand ih­rer Rech­te in ir­gend­ei­ner Wei­se verändern und da­bei auf Ansprüche ver­zich­ten wol­len, er­ge­ben sich we­der aus den un­strei­ti­gen noch den von der Be­klag­ten vor­ge­tra­ge­nen Umständen.

4. Die Par­tei­en ha­ben auch kei­ne von § 7 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Ar­beits­ver­trag ab­wei­chen­de Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen.

a) So­weit die Be­klag­te meint, ei­ne sol­che sei aus ei­ner mit der Kläge­rin ver­ein­bar­ten „Ver­trau­ens­ar­beits­zeit“ ab­zu­lei­ten, ist ihr Vor­trag nicht er­heb­lich. „Ver­trau­ens­ar­beits­zeit“ be­deu­tet nur, dass der Ar­beit­ge­ber auf die Fest­le­gung von Be­ginn und En­de der tägli­chen Ar­beits­zeit ver­zich­tet und dar­auf ver­traut, der be­tref­fen­de Ar­beit­neh­mer wer­de sei­ne Ar­beits­pflicht in zeit­li­cher Hin­sicht auch oh­ne Kon­trol­le erfüllen (vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 d cc (2) der Gründe, BA­GE 106, 111; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 34; 29. Au­gust 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 35). Die Ver­ein­ba­rung von Ver­trau­ens­ar­beits­zeit steht we­der der Führung ei­nes Ar­beits­zeit­kon­tos ent­ge­gen

 

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noch schließt sie die Ab­gel­tung ei­nes aus Mehr­ar­beit des Ar­beit­neh­mers re­sul­tie­ren­den Zeit­gut­ha­bens aus.

b) Dass zwi­schen der Kläge­rin und dem Geschäftsführer münd­lich ver­ein­bart wor­den sei, ein Ar­beits­zeit­kon­to wer­de nicht mehr geführt und ein be­ste­hen­des Zeit­gut­ha­ben nicht ab­ge­gol­ten, hat die Be­klag­te nicht sub­stan­ti­iert dar­ge­legt. Sie hat Zeit, Umstände und In­halt ei­nes nach ih­rem Be­haup­ten mit der Kläge­rin geführ­ten Gesprächs un­zu­rei­chend dar­ge­legt. Der feh­len­de Sach­vor­trag konn­te auch nicht durch ei­ne Ver­neh­mung des Geschäftsführers der Be­klag­ten er­setzt wer­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu Recht den Geschäftsführer der Be­klag­ten nicht nach § 448 ZPO als Par­tei ver­nom­men. Des­sen Ver­neh­mung hätte - un­be­scha­det der sons­ti­gen Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Par­tei­ver­neh­mung - ei­nen un­zulässi­gen Aus­for­schungs­be­weis dar­ge­stellt (vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 368/13 - Rn. 23), zu­mal ei­ne Präzi­sie­rung der An­ga­ben durch den Geschäftsführer anläss­lich sei­ner Anhörung gemäß § 141 ZPO im Be­ru­fungs­ter­min nicht er­folg­te.

5. Der An­spruch der Kläge­rin auf Ab­gel­tung von 414 St­un­den ist nicht ver­fal­len.

Die Be­klag­te hat im Ar­beits­zeit­kon­to der Kläge­rin zum 25. No­vem­ber 2008 414 Gut­ha­ben­stun­den vor­be­halt­los aus­ge­wie­sen. Da­mit war wie bei der vor­be­halt­lo­sen Aus­wei­sung ei­ner Vergütungs­for­de­rung in ei­ner Lohn­ab­rech­nung der Zweck der Gel­tend­ma­chung er­reicht. Schon aus die­sem Grund war die Kläge­rin we­der nach Maßga­be von § 13 Ar­beits­ver­trag noch nach § 24 MTV zur Gel­tend­ma­chung des streit­los ge­stell­ten Gut­ha­bens in­ner­halb ei­ner Aus­schluss­frist ge­hal­ten. Die Not­wen­dig­keit zur Gel­tend­ma­chung des auf dem Ar­beits­zeit­kon­to aus­ge­wie­se­nen Gut­ha­bens leb­te auch nicht wie­der auf, als sich die­ses nach § 7 Abs. 1 Satz 4 Ar­beits­ver­trag bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses in ei­nen Zah­lungs­an­spruch wan­del­te (vgl. BAG 28. Ju­li 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 20, BA­GE 135, 197).

6. Der Ab­gel­tungs­an­spruch ist we­der verjährt noch ver­wirkt.

 

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a) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 Ar­beits­ver­trag war der sich aus dem Ar­beits­zeit­kon­to er­ge­ben­de Sal­do „bei Aus­tritt aus dem Un­ter­neh­men“ mit dem durch­schnitt­li­chen St­un­den­lohn zu ver­rech­nen. Der Ab­gel­tungs­an­spruch ist da­nach bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, dh. mit Ab­lauf des 31. März 2012, ent­stan­den und fällig ge­wor­den. Die von der Be­klag­ten - ent­ge­gen den ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen - un­ter­las­se­ne Fortführung des Ar­beits­zeit­kon­tos führ­te nicht zu ei­ner frühe­ren Fällig­keit.

b) Die Kläge­rin hat die Kla­ge vor Ab­lauf der nach § 195 BGB für den Ab­gel­tungs­an­spruch als Vergütungs­an­spruch ein­zu­hal­ten­den re­gelmäßigen Verjährungs­frist von drei Jah­ren ein­ge­reicht. Das für ei­ne Ver­wir­kung er­for­der­li­che Zeit­mo­ment konn­te vor­lie­gend nicht aus­gelöst wer­den, denn die zunächst als Stu­fen­kla­ge ein­ge­reich­te Kla­ge wur­de der Be­klag­ten vor Fällig­keit des Ab­gel­tungs­an­spruchs zu­ge­stellt. Ei­ne Ver­wir­kung schei­det von vorn­her­ein aus, so­lan­ge das gel­tend ge­mach­te Recht noch nicht be­steht (vgl. BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 69 f.).

7. Der Zins­an­spruch er­gibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt konn­te der Kläge­rin an­trags­gemäß Zin­sen ab 1. Mai 2012 zu­spre­chen, oh­ne § 193 BGB außer Acht zu las­sen. Der 1. April 2012 war ein Sonn­tag. Die Leis­tung war nach § 193 BGB am 2. April 2012 zu be­wir­ken. Die Be­klag­te be­fand sich ab dem Fol­ge­tag im Ver­zug, oh­ne dass es ei­ner Mah­nung iSv. § 286 Abs. 1 BGB be­durft hätte. Für die Ab­gel­tung des Ar­beits­zeit­gut­ha­bens war zwar nicht iSv. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ei­ne Zeit nach dem Ka­len­der be­stimmt. Ei­ne Mah­nung war je­doch nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB ent­behr­lich. Die Kläge­rin for­der­te mit Schrei­ben vom 24. Fe­bru­ar 2012 und vom 5. März 2012 von der Be­klag­ten we­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­ter aus­drück­li­cher Be­zug­nah­me auf § 7 Ar­beits­ver­trag die „Ab­rech­nung“ des Ar­beits­zeit­kon­tos. Die Be­klag­te lehn­te dies mit Schrei­ben vom 28. Fe­bru­ar 2012 und vom 6. März 2012 ge­ne­rell mit der Be­gründung ab, das Ar­beits­zeit­kon­to ste­he auf null. Die Kläge­rin muss­te die Schrei­ben nicht nur be­zo­gen auf ei­ne den Ab­rech­nungs-, son­dern auch auf den sich aus § 7 Ar­beits-

 

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ver­trag er­ge­ben­den Ab­gel­tungs­an­spruch als ernst­haf­te und endgülti­ge Leis­tungs­ver­wei­ge­rung iSv. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB ver­ste­hen.

III. Im Übri­gen ist die Kla­ge un­be­gründet. Die Kläge­rin hat ein über 414 St­un­den hin­aus­ge­hen­des Zeit­gut­ha­ben bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht schlüssig dar­ge­legt. Das von der Kläge­rin be­haup­te­te wei­ter-ge­hen­de Zeit­gut­ha­ben soll nach ih­rem Vor­trag aus der Leis­tung vergütungs­pflich­ti­ger Über­stun­den re­sul­tie­ren. In­so­fern hat die Kläge­rin zwar die Leis­tung von Über­stun­den schlüssig dar­ge­legt, nicht aber ei­ne Pflicht der Be­klag­ten die­se zu vergüten.

1. Die Grundsätze der Dar­le­gungs­last, die gel­ten, wenn der Ar­beit­ge­ber in ei­nem von ihm geführ­ten Ar­beits­zeit­kon­to ein Zeit­gut­ha­ben vor­be­halt­los aus-ge­wie­sen hat, können nicht über­tra­gen wer­den, wenn sich der Ar­beit­neh­mer zur Be­gründung sei­nes An­spruchs auf selbst ge­fer­tig­te Ar­beits­zeit­auf­stel­lun­gen be­ruft, die sich der Ar­beit­ge­ber nicht zu ei­gen ge­macht hat. In die­sem Fall sind zunächst vom Ar­beit­neh­mer die den be­haup­te­ten Sal­do be­gründen­den Tat­sa­chen im Ein­zel­nen dar­zu­le­gen. Erst wenn dies ge­sche­hen ist, hat sich der Ar­beit­ge­ber hier­zu zu erklären. Dies gilt grundsätz­lich auch dann, wenn der Ar­beit­ge­ber die Führung ei­nes Ar­beits­zeit­kon­tos ver­trags­wid­rig un­ter­las­sen hat.

2. Die Kläge­rin stützt sich zur Dar­le­gung des wei­ter­ge­hen­den Zeit­gut­ha­bens nicht auf ein von der Be­klag­ten geführ­tes Ar­beits­zeit­kon­to, son­dern auf die von ihr selbst er­stell­ten, der Be­klag­ten erst im Lau­fe des vor­lie­gen­den Rechts­streits zur Kennt­nis ge­brach­ten Ar­beits­zeit­auf­stel­lun­gen.

a) Be­haup­tet der Ar­beit­neh­mer zur Be­gründung ei­nes (ab­zu­gel­ten­den) Ar­beits­zeit­gut­ha­bens, ge­leis­te­te Über­stun­den sei­en in ein ver­ein­bar­tes Ar­beits­zeit­kon­to ein­zu­stel­len, kann er sich, hat der Ar­beit­ge­ber die St­un­den und den sich un­ter ih­rer Berück­sich­ti­gung er­ge­ben­den Sal­do des Ar­beits­zeit­kon­tos nicht streit­los ge­stellt, nicht auf die Dar­le­gung der Über­stun­den­leis­tung be­schränken, son­dern hat als wei­te­re Vor­aus­set­zung für ei­ne Gut­schrift die ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge Ver­an­las­sung und Zu­rech­nung der be­haup­te­ten Über­stun­den dar­zu­le­gen.

 

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Wie im Über­stun­den­pro­zess hat er dar­zu­le­gen und - im Be­strei­tens­fall - zu be­wei­sen, dass er Ar­beit in ei­nem die Nor­mal­ar­beits­zeit über­stei­gen­den zeit­li­chen Um­fang ver­rich­tet hat und ge­leis­te­te Über­stun­den vom Ar­beit­ge­ber ver­an­lasst wur­den oder die­sem zu­min­dest zu­zu­rech­nen sind. Denn der Ar­beit­ge­ber muss sich Leis­tung und Vergütung von Über­stun­den nicht auf­drängen las­sen, und der Ar­beit­neh­mer kann nicht durch über­ob­li­ga­to­ri­sche Mehr­ar­beit sei­nen Vergütungs­an­spruch selbst be­stim­men (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 13).

Der ei­ne Zeit­gut­schrift für Über­stun­den be­an­spru­chen­de Ar­beit­neh­mer genügt des­halb sei­ner Dar­le­gungs­last nicht schon, wenn er vorträgt, an wel­chen Ta­gen er von wann bis wann Ar­beit ge­leis­tet oder sich auf Wei­sung des Ar­beit­ge­bers zur Ar­beit be­reit­ge­hal­ten hat. Er hat darüber hin­aus dar­zu­le­gen, dass Über­stun­den vom Ar­beit­ge­ber an­ge­ord­net, ge­bil­ligt, ge­dul­det oder je­den-falls zur Er­le­di­gung der ge­schul­de­ten Ar­beit not­wen­dig ge­we­sen sei­en (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe; 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31, BA­GE 141, 330; 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 16 ff.).

b) Die­sen An­for­de­run­gen genügt der Vor­trag der Kläge­rin nicht. Sie hat zwar dar­ge­legt, an wel­chen Ta­gen sie von wann bis wann Ar­beit ge­leis­tet ha­ben will, nicht aber, dass Ar­beit in ei­nem die Nor­mal­ar­beits­zeit über­stei­gen­den zeit­li­chen Um­fang an­ge­ord­net, ge­bil­ligt, ge­dul­det oder je­den­falls zur Er­le­di­gung der ge­schul­de­ten Ar­beit not­wen­dig ge­we­sen wäre.

aa) Auf ei­ne aus­drück­li­che An­ord­nung von Über­stun­den hat sich die Kläge­rin nicht be­ru­fen. Ei­ne kon­klu­den­te An­ord­nung von Über­stun­den hat sie nicht schlüssig dar­ge­legt. Die Kläge­rin hat le­dig­lich, oh­ne dies im Ein­zel­nen zu sub­stan­ti­ie­ren, be­haup­tet, die Über­stun­den sei­en auf­grund des Um­fangs der ihr über­tra­ge­nen Auf­ga­ben und auch des­halb an­ge­fal­len, weil auf Wei­sung des Geschäftsführers sämt­li­che Geschäfts­anfälle so­fort zu be­ar­bei­ten ge­we­sen sei­en. Die­ser pau­scha­le Vor­trag ist un­ge­eig­net, die Er­for­der­lich­keit der ein­zel­nen Ar­beits­stun­den dar­zu­le­gen. Aus dem Vor­trag der Kläge­rin er­gibt sich nicht, dass be­stimm­te an­ge­wie­se­ne Ar­bei­ten in­ner­halb der Nor­mal­ar­beits­zeit nicht zu leis­ten wa­ren (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31, BA­GE 141,

 

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330). Al­lein die An­we­sen­heit der Kläge­rin im Be­trieb be­gründet kei­ne Ver­mu­tung dafür, Über­stun­den sei­en zur Er­brin­gung der ge­schul­de­ten Ar­beit not­wen­dig ge­we­sen (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 17).

bb) Die Kläge­rin hat die Bil­li­gung ge­leis­te­ter Über­stun­den durch die Be­klag­te nicht dar­ge­legt. Auch nach dem Vor­trag der Kläge­rin hat die Be­klag­te erst im vor­lie­gen­den Rechts­streit Kennt­nis da­von er­langt hat, wel­che Über­stun­den­leis­tun­gen die Kläge­rin im Ein­zel­nen be­haup­tet.

cc) Eben­so we­nig er­gibt sich ei­ne Dul­dung von Über­stun­den aus dem Vor­brin­gen der Kläge­rin. Die Dul­dung von Über­stun­den be­deu­tet, dass der Ar­beit­ge­ber in Kennt­nis ei­ner Über­stun­den­leis­tung die­se hin­nimmt und kei­ne Vor­keh­run­gen trifft, die Leis­tung von Über­stun­den künf­tig zu un­ter­bin­den, er al­so nicht ge­gen die Leis­tung von Über­stun­den ein­schrei­tet, sie viel­mehr wei­ter­hin ent­ge­gen­nimmt (BAG 6. Mai 1981 - 5 AZR 73/79 - zu II 3 der Gründe). Da­zu muss der Ar­beit­neh­mer dar­le­gen, von wel­chen wann ge­leis­te­ten Über­stun­den der Ar­beit­ge­ber auf wel­che Wei­se wann Kennt­nis er­langt ha­ben soll und dass es im An­schluss dar­an zu ei­ner wei­te­ren Über­stun­den­leis­tung ge­kom­men ist. Erst wenn die­ses fest­steht, ist es Sa­che des Ar­beit­ge­bers dar­zu­le­gen, wel­che Maßnah­men er zur Un­ter­bin­dung der von ihm nicht ge­woll­ten Über­stun­den­leis­tung er­grif­fen hat (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 21).

Die Kläge­rin hat nicht durch sub­stan­ti­ier­ten Sach­vor­trag auf­ge­zeigt, wes­halb der Be­klag­ten die be­haup­te­ten Über­stun­den als über die Nor­mal­ar­beits­zeit hin­aus­ge­hend hätten be­kannt sein müssen. Aus ih­rer Tätig­keit im Vor­zim­mer der Geschäftsführung kann nicht ge­schlos­sen wer­den, der Geschäftsführer der Be­klag­ten sei, wie die Kläge­rin be­haup­tet, je­der­zeit über ih­re Ar­beits­zeit ori­en­tiert ge­we­sen. Die Kläge­rin hat nicht dar­ge­legt, dass der Geschäftsführer sich zu den von ihr als Über­stun­den auf­ge­lis­te­ten Zei­ten aus­nahms­los und oh­ne Un­ter­bre­chun­gen in sei­nem Büro auf­ge­hal­ten ha­be.

3. Dass die Be­klag­te die wei­te­re Führung des Ar­beits­zeit­kon­tos ver­trags­wid­rig un­ter­las­sen hat, recht­fer­tigt kei­ne ab­wei­chen­de Ver­tei­lung der Dar­le­gungs­last. Auch bei Fortführung des Ar­beits­zeit­kon­tos hätte es im Streit­fall zu-

 

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nächst der Kläge­rin ob­le­gen, zur Recht­fer­ti­gung ei­nes Gut­ha­bens, Tat­sa­chen vor­zu­tra­gen, die ge­eig­net sind, ei­nen An­spruch auf Ein­stel­lung be­haup­te­ter Über­stun­den in das Ar­beits­zeit­kon­to zu be­gründen. Sie hätte auch in die­sem Fall nicht nur die Leis­tung von Über­stun­den, son­dern zusätz­lich schlüssig dar-le­gen müssen, dass die­se von der Be­klag­ten ver­an­lasst wur­den oder ihr zu­zu­rech­nen sei­en.

IV. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. 

Müller-Glöge 

We­ber 

Volk

Dom­brow­sky 

Zorn

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