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ArbG Würzburg, Urteil vom 14.01.2014, 10 Ca 719/13
Schlagworte: | Abmahnung, Betriebsrat, Personalakte | |
Gericht: | Arbeitsgericht Würzburg | |
Aktenzeichen: | 10 Ca 719/13 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 14.01.2014 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
10 Ca 719/13
Verkündet am: 14.01.2014
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Arbeitsgericht Würzburg
Im Namen des Volkes
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
A.
A-Straße, A-Stadt
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwälte B. B-Straße, B-Stadt
gegen
Firma C.
C-Straße, C-Stadt
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte/r:
D.
D-Straße, D-Stadt
hat die 10. Kammer des Arbeitsgerichts Würzburg auf Grund der mündlichen Verhandlung
vom 14. Januar 2014 durch den Richter am Arbeitsgericht und die ehrenamtlichen Richter und
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für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert beträgt 3.250,00 €
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte Arbeitgerberin dem Kläger Einsicht in sei-nen Personalakt mit oder ohne seine anwaltliche Vertreterin gewähren muss.
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Der Kläger ist seit 1998 bei der Beklagten als Lagerist mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.250,00 € tätig.
Am 21.03.13 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Ermahnung.
Bezug nehmend auf die Ermahnung beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 05.04.2013 bei der Beklagten Einsicht in dessen Personalakte (auf die als Anlage K 2 zur Klageschrift vom 16.05.2013 eingereichte Kopie, Blatt 4 der Akte, wird Bezug genommen). Die Beklagte meldete sich daraufhin bei der anwaltlichen Vertreterin des Klägers und erklärte, dass eine Einsicht durch die anwaltliche Vertreterin aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sei. Mit Schreiben vom 06.05.2013 beantragte die anwaltliche Vertreterin des Klägers nochmals, „mir mit und für meinen Mandaten A. Einsicht in die Personalakte zu geben" (Blatt 5 der Akte). Mit Email vom 13.05.2013 teilte die Beklagte der anwaltlichen Vertreterin des Klägers Folgendes mit:
„Die Einsichtnahme in die Personalakte ist ein höchstpersönliches Recht des Arbeitnehmers, welches grundsätzlich nur er selbst und nicht dessen Bevollmächtige ausüben können.
Dem zufolge bleiben wir bei dem Ihnen dargelegten Vorgehen: Herr A. kann sich seine Akte ansehen, sich (auszugsweise) Kopien machen und dabei auch gern. BetrVG ein Betriebsratsmitglied hinzuziehen. Die Hinzuziehung Dritter — als auch einer bevollmächtigen Rechtsanwältin — lehnen wir ab" (Blatt 6 d.A.).
Der Kläger ist der Auffassung,
er habe einen Anspruch auf Einsicht in seine Personalakte in Anwesenheit seiner anwaltlichen Vertreterin. Sein Recht auf Einsicht in seine Personalakte könne er auch einem Bevollmächtigten übertragen.
§ 83 BetrVG schließe die Einsicht durch einen Bevollmächtigten nicht aus. Abgesehen davon, sei kein Grund ersichtlich. Der beauftragte Rechtsanwalt sei zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Personalakte soll Dritten nicht zugänglich sein. Der beauftragte Rechtsanwalt sei jedoch nicht Dritter, sondern Berater des Arbeitnehmers. Dieser könne frei bestimmen, wer Einsicht in seine persönlichen Daten haben dürfe.
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Dagegen sei ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers nicht ersichtlich. Dem gegenüber habe der Arbeitnehmer ein schutzwürdiges Interesse. Ihm fehlten die Rechtskenntnisse, um zu erkennen, welche Daten der Arbeitgebet speichern dürfe und welche nicht. Zudem stehe dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Fertigung von Kopien zu, die er dann seinem anwaltlichen Vertreter übergeben könne. Insofern sei es eine unnötig Förmelei, die Zuziehung des Rechtsanwalts zu verhindern. Darüber hinaus werde aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers davon ausgegangen, dass der Umfang der Personalakte erheblich sei, sodass die Anfertigung von Kopien sämtlicher Unterlagen unzumutbar sei.
Die Einsicht in die Personalakte unter Hinzuziehung der anwaltlichen Vertreterin diene der Wahrung der berechtigten Interessen des Klägers.
Der Kläger stellt folgenden Antrag:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger mit seiner anwaltlichen Vertreterin Einsicht in die Personalakte des Klägers zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung,
der Kläger habe keinen Anspruch auf Einsicht in seine Personalakte in Anwesenheit seiner anwaltlichen Vertreterin.
Ein derartiger Anspruch folge insbesondere nicht aus § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Diese Vorschrift begründe lediglich ein vom Arbeitnehmer selbst auszuübendes Einsichtsrecht. Der Anspruch auf Akteneinsicht sei ein höchstpersönlicher Anspruch und könne daher nur
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vom Arbeitnehmer selbst ausgeübt werden.
Eine Ausnahme dergestalt, dass der Klägers aus gesundheitlichen, körperlichen oder geistigen Gründen nicht in der Lage sei, sich selbst über den Inhalt der Personalakte zu informieren und deren Inhalt zu verstehen, liege nicht vor.
Der Kläger habe aus § 83 Abs 1 Satz 1 BetrVG lediglich einen Anspruch auf persönliche Einsichtnahme in seine Personalakte ohne Anwesenheit seiner anwaltlichen Vertretrein. Dieses Recht habe er bislang nicht vorgenommen. Einem Klageantrag auf Einsichtnahme in seine Personalakte ohne Anwesenheit seiner anwaltlichen Vertreterin (als ein etwaiges Minus zum Antrag auf Einsichtnahme in seine Personalakte in Anwesenheit seiner anwaltlichen Vertreterin) fehle das Rechtsschutzbedürfnis.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
A
Die Klage ist zulässig.
Das angerufene Arbeitsgericht Würzburg ist sowohl örtlich (§§ 46 Abs. 2 ArbG, 12, 17, 29 ZPO) als auch vom Rechtsweg her (§ 2 Abs. 1 Ziffer 3 a ArbG) zuständig.
Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend im Urteilsverfahren (§ 2 Abs. 5 ArbGG).
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B
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Einsicht in seine Personalakte in Anwesenheit seiner anwaltlichen Vertreterin nicht zu.
Die Frage, ob ein Arbeitnehmer einen Anspruch darauf hat, sich bei Einsichtnahme in seine Personalakte von einem Rechtsanwalt begleiten zu lassen, wird in Rechtssprechung und Literatur durch aus kontrovers gesehen.
1. Nach einer Auffassung kann der Arbeitnehmer einen Dritten, z.B. einen Rechtsanwalt damit beauftragen, für ihn die Personalakte einzusehen (Düwell, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 3. Auflage 2010, § 83 Rdnr. 12; ErfK/Kania, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Auflage 2014, § 83 BetrVG Rdnr. 4; DKK/Buschmann, Däubler/Kittner/Klebe, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz 12. Auflage, § 83 Rdnr. 16; Fitting/Engels, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 26. Auflage, §§ 83, Rdnr. 12; Müller, Die Personalakte in der Arbeitsrechtspraxis DB 2013, 2604, 2607, Küttner/Reinecke, Personalhandbuch 2014, 21. Auflage, Nr. 333 Personalakte, Rdnr. 16).
2. Nach der Gegenmeinung ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, einem Bevollmächtigen des Arbeitnehmers im Rahmen der Akteneinsicht Zutritt zum Betrieb zu gewähren (ArbG München vom 07.03.1979 — 24 Ca 434/79, DB 1979, 2284; Richardi/Thüsing, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 13. Auflage Rdnr. 27; GK/Franzen, Gemeinschaftskommentar zum Bebtriebverfassungsgesetz, 9 Auflage, § 83 BetrVG Rdnr. 6; Golar/Hümmerich, BB 1974, 1167; Pramann, DB 1983, 1922). Einschränkend wird von Thüsing (Richardi Thüsing a.a.O.) vertreten, dass mit Rücksicht auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers der Arbeitnehmer in Fällen unverschuldeter Verhinderung verlangen könne, dass ein Dritter für ihn das Einsichtsrecht wahrnehme, sofern eine sofortige Einsichtnamen erforderlich sei. Auch Fran-
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zen (GK/Franzen a.a.O.) schränkt seine Ablehnung eines Teilnahmerechts des Rechtsanwaltes dahin ein, dass der Arbeitnehmer aus besonderen Gründen — z.B. bei Verhinderung, Krankheit oder bei Ausscheiden aus dem Betrieb vor Ablauf der Kündigungsfrist — eine andere Person mit der Wahrnehmung seines Rechtes beauftragen könne. Erhebliche Bedeutung gewinne eine ausnahmsweise zulässige Bevollmächtigung eines Dritten auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer geistigen Behinderung oder einer anderen geistigen Schwäche nicht in der Lage sei, sich selbst über den Inhalt der Personalakte zu informieren und diesen Inhalt zu verstehen. Soweit eine Bevollmächtigung zulässig sei, könne der Arbeitnehmer jede beliebige Person bevollmächtigen, sofern nicht im Ausnahmenfall überwiegende Interessen des Arbeitgebers der Bevollmächtigung einer bestimmten Person entgegen stünden (GK/Franzen a.a.O., § 83 Rdnr. 26 a. E.).
II.
Das erkennende Gericht ist vorliegend der Auffassung, dass einem Arbeitnehmer im Grundsatz ein Recht auf Anwesenheit und Teilnahme seines Anwaltes bei der Akteneinsicht im Grundsatz nicht zusteht und dass der Kläger auch das ausnahmsweise Vorliegen eines dahingehenden Anspruches nicht aufgezeigt hat.
1.) Der streitgegenständliche Anspruch des Klägers auf Teilnahme seiner Rechtsanwältin bei der Akteneinsicht ist bereits aus dem Grund ausgeschlossen, weil die einzig für die Akteneinsicht in Frage kommende Anspruchsgrundlage des § 83 BetrVG hinsichtlich der Teilnahme Dritter nur die Hinzuziehung eines Mitglieds des Betriebsrates vorsieht.
Das Akteneinsichtsrecht eines Arbeitnehmers findet seine ausschließliche und abschließende Anspruchsgrundlage in § 83 BetrVG. Diese Norm hat ausschließlich individualrechtlichen Charakter. Sie gilt auch in Betrieben, die keine Betriebsrat haben oder nicht einmal betriebsratsfähig sind (Fitting/Engels a.a.O., § 83 Rdnr. 1; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 83 Rdnr. 2; DKK/Buschmann a.a.O., § 83 Rdnr 1).
Über das in § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG geregelte Aktenseinsichtsrechts des Arbeitnehmers hinaus sieht die Norm in Abs 1 Satz 2 voraus, dass der Arbeitnehmer hier-
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zu ein Mitglied des Betriebsrates hinzuziehen könne. Dies ist der einzige Fall, für den das Gesetz die Hinzuziehung Dritter zulässt. Die Hinzuziehung weiterer — ggf. betriebsexterner — Dritter ist nicht vorgesehen.
2.) Das von dem Kläger behauptete Recht auf Teilnahme seiner Rechtsanwältin zur Akteneinsicht lässt sich auch nicht auf eine analoge Anwendung des § 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG stützen. Analogie ist die Übertragung der für einen oder mehrere bestimmte Tatbestände im Gesetz vorgesehenen Regel auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand. Die Analogie überscheitet die Grenzen des möglichen Wortsinnes, die für die eigentliche Auslegung eine Schranke darstellt. Die Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält (Palandt/Heinrichs, Kommentar zu BGB, 72. Auflage, Einleitung vor § 1, Rdnr. 48 mit vielen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).
Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sind vorliegend nicht gegeben. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer nur dort Einsicht gewähren, wo die Personalakten sich befinden; wenn der Arbeitnehmer einen Dritten mit der Akteneinsicht beauftragen oder zu mindestens mit einer Anwesenheit bei der Einsichtnahme durch den Arbeitnehmer betrauen könnte, müsste der Arbeitgeber dem Bevollmächtigten des Arbeitnehmers Zutritt zum Betrieb bzw. zum Standort der Personalakten gewähren. Ein derartiger Eingriff in das Hausrecht des Arbeitgebers bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, insbesonde¬re wenn es um eine Zutrittsrecht betriebsfremder Externer geht, wie dies beispiels¬weise in den Bestimmung des Betriebsverfassungsgesetzes zum Zutrittsrecht einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft der Fall ist (§§ 2 Abs. 2, 46 BetrVG).
Der Gesetzgeber hat in § 83 Abs. 1 Satz 2 nur ein Hinzuziehungsrecht bezüglich von Mitgliedern des Betriebsrates, mithin von Betriebsangehörigen zugelassen. B-triebsratsmitglieder haben nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) sowohl das Wohl der Arbeitnehmer als auch das Wohl des Betriebs zu berücksichtigen. Eine Eröffnung eines Anwesenheitsrechtes zugunsten Betriebsexterner, wie beauftragter Rechtsanwälte, die nur den Interessen ihres Mandanten und nicht auch dem Wohl des Betriebes verpflichtet sind, ist daher nicht auf eine analoge Anwendung es § 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zu stützen.
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3. Vielmehr ergibt sich der Ausschluss eines Anwesenheitsrechtes von Anwälten bei der Akteneinsicht aus einem Umkehrschluss aus § 83 Abs. 1 Satz 2. BetrVG. Der Umkehrschluss ist das Gegenstück zur Analogie. Er besagt: weil das Gesetz die Rechtsfolge an einen bestimmten Tatbestand geknüpft hat, gilt diese für andere Tatbestände auch dann nicht, wenn diese ähnlich liegen. Der Umkehrschluss greift ein, wenn nach dem Gesetzeszweck anzunehmen ist, dass die vorgesehene Rechtsfolge auf ähnliche Fälle nicht übertragen werden soll (vergleiche hierzu Palandt/Heinrichs, a.a.O., Einleitung vor § 1 Rdnr. 50). Vor dem Hintergrund der Beeinträchtigungen der geschützten Rechtssphäre des Arbeitgebers, insbesondere des¬sen Hausrechtes, die mit einem Teilnahmerecht von außerhalb des betroffenen Arbeitsverhältnisses stehenden Personen verbunden ist, ist der gesetzgeberische Wil¬le erkennbar, dass nur die vom Gesetz ausdrücklich zugelassenen, außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehenden — Persnen — zur Akteneinsicht beigezogen werden können. Der
Gesetzgeber hat dieses Hinzuziehungsrecht auf Betriebsratsmitglieder beschränkt. Andere — noch dazu betriebsexterne — Personen sind mangels ausdrücklicher Zulassung hiervon ausgenommen.
4. Der Kläger kann einen Anspruch auf Hinzuziehung seiner Rechtsanwältin auch nicht auf andere Anspruchsgrundlagen stützen.
§ 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat als sogenanntes lex specialis Vorrang vor etwaigen sonstigen, allgemeinen Anspruchsgrundlagen wie beispielsweise der arbeitgeberischen Fürsorgepflicht.5. Ein Anspruch auf Anwaltsbeiziehung ist auch nicht wegen Vorliegens besonderer Einzelfallumstände ausnahmsweise gegeben.
6.
Selbst wenn mit Thüsing (Richardi/Thüsing, a.a.O.) und Franzen (GK/Franzen a.a.O.) davon auszugehen wäre, dass das Akteneinsichtsrecht durch § 242 BGB sowie durch die arbeitgeberische Treue — Führsorge — Pflicht des Arbeitgebers da-hin modifiziert würde, dass der Arbeitnehmer aus besonderen Gründen — z.B. bei Verhinderung wegen Krankheit oder nach Ausscheiden aus dem Betreib vor Ablauf der Kündigungfrist — eine andere Person mit der Wahrnehmung seines Rechtes beauftragen kann, hätte der Kläger vorliegend das Gegebensein derartiger Aus-
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nahmetatbestände nicht aufzuzeigen vermocht. Soweit die Klagepartei insbesondere in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, es sei nicht gesichert, dass der Kläger allein ohne seine Anwältin das Vorliegen unzulässiger Eintragungen er¬kennen könne, vermag dieser Umstand für sich alleine ohne Hinzukommen weiterer besonderer Umstände ein derartiges ausnahmebegründendes beonderes Interes¬ses nicht aufzuzeigen. Anderenfalls wäre der aufgezeigte gesetzgeberische Aus¬schluss andere externer Personen als von Betriebsratsmitgliedern allein schon we¬gen des bloßen, jedweder konkreter Anhaltspunkte entbehrenden Verdachts unzu¬lässiger Eintragungen konturenlos und im Ergebnis ausgehöhlt.
7. Auch der Einwand des Klägers, vor dem Hintergrund seines Rechtes zur Fertigung von Abschriften und auszugsweisen Kopien laufe die Nichtzulassung anwaltlicher Begleitung auf eine inhaltsleere, bloße Formelei hinaus, vermag nicht zu überzeugen.
Die geschützte Sphäre des Arbeitgebers, insbesondere dessen Hausrecht, verlangt selbst dann eine unterschiedliche Behandlung, wenn die nachträgliche - sozusagen außer Haus erfolgende — Einsichtnahme des Anwaltes oftmals auf die selbe Kontrollmöglichkeit hinausläuft, wie eine unmittelbare Anwesenheit des Rechtsanwalts bei der Akteneinsichtnahme vor Ort. Vielmehr schränkt dieser Gesichtspunkt die Erforderlichkeit einer unmittelbaren Anwesenheit des Anwalts vor Ort im Ergebnis eher ein.8. Eine andere rechtliche Beurteilung ist auch nicht in Anbetracht des Umstandes veranlasst, dass in Rechtsprechung und Literatur eine Auffassung im Vordringen ist, wonach einem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Verdachtskündigung auf sein Verlangen Gelegenheit gegeben werden muss, im Rahmen seiner Anhörung zu den Vorwürfen entweder einen Anwalt hinzuziehen oder sich über einen Anwalt schrift¬lich äußern zu können (so LAG Berlin — Brandenburg vom 06.11.2009 — 6 Sa 1121/99, zitiert nach Juris; ArbG Berlin vom 18.05.2012 — 28 Ca 3881/12, zitiert nach Juris; Lange/Vogel, Verdachtskündigung: Teilnahmerecht des Rates an der Anhörung, DB 2010, 1066; Kunold, Anhörung des Mitarbeiters vor Ausspruch einer Verdachtskündigung, NZA — RR 2012, 399; Eylert/Friedrichs, Die Anhörung des Arbeitnehmers zur Verdachtskündigung, DB 2007, 2203; Dzida, Die Einladung
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zur Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung, NZA 2013, 412). Das SAG hat im Urteil vom 13.03.2008 in einem obiter dictum ausgeführt, dass man wohl „dem Arbeitnehmer die Zuziehung eins Rechtsanwaltes für die Anhörung zuzugestehen" habe (BAG vom 13.03.2008 — 2 AZR 961/06 — zitiert nach Juris).
Diese Tendenz in Rechtsprechung und Literatur ist jedoch den Besonderheiten der Verdachtskündigung und der Wirksamkeitsvoraussetzung der vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers geschuldet. Danach muss der Arbeitgeber alle ihm zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternehmen und insbesondere den verdächtigten Arbeitnehmer anhören, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vergleiche hierzu KR/Fischermeier, Gemeinschaftskommentar zum KSchG, 10 Auflage, § 626, Rdnr. 214 ff mit vielen Hinweisen auf Rechtssprechung und Literatur). Die Heranziehung eines Rechtsanwaltes mit der Folge seiner Anwesenheit vor Ort im Betrieb ist dem Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer von ihm beabsichtigten, auf den bloßen Verdacht einer schwerwiegenden Vertragspflichtsverletzung gestützten Kündigung eher zuzumuten als in dem Fall einer bloßen Ausübung des Akteneinsichtsrechtes durch den Arbeitnehmer.
9.) Die Zulässigkeit des Ausschlusses des Rechtes des Klägers zur Mitnahme seiner
Anwältin zur Personalakteneinsicht ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt „Chancen- und Waffengleichheit" in Frage zu stellen.Zwar ist eine Auffassung im Vordringen, wonach die Teilnahem eines Anwalts auf Arbeitnehmerseite an Personalgesprächen nach §§ 81 und 82 BetrVG zulässig sei, wenn der Arbeitgeber selbst betriebsfremde Dritte zum Gespräch hinzuziehe (LAG Hamm vom 23.05.2001 — 14 Sa 497/01; MüllerlDeeg, Die Teilnahme des Anwalts am Personalgespräch, ArbR Aktuell 2010, 344; Urban, Rechtliche Aspekte von Personalgesprächen, ArbR Aktuell 2011, 87; Kandaouroff/Rose, Personalgespräch: Darf der Arbeitnehmer dritte Personen mitbringen?, DB 2008, 1210; Hartmann, Personalgespräche — Grenzen der Beteiligung Dritter, DB 2013, 1416).
Unbeschadet der Frage nach dem Zutreffen dieser Auffassung vermag sie vorliegend schon aus dem Grund nicht ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen, weil der
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Kläger eine derartige Heranziehung Externer zu der Personalakteneinsicht durch den Beklagen nicht vorgetragen hat.
Nach alledem steht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, dass dem Kläger das beanspruchte Recht auf Teilnahme seiner Rechtsanwältin bei der Akteneinsicht nicht zusteht.
Die Klage war daher abzuweisen.
I. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2, 91 ZPO.
II. Der Streitwert bemisst sich in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes.
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Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann der Kläger Berufung einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes € 600,00 übersteigt.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat ab Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
Landesarbeitsgericht Nürnberg
Roonstraße 20
90429 Nürnberg
eingelegt werden.
Die Berufung muss innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich begründet werden.
Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift müssen jeweils von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie können auch von dem Bevollmächtigten einer Gewerkschaft, eines Arbeitgeberverbandes oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände unterzeichnet werden, wenn sie für ein Mitglied eines solchen Verbandes oder Zusammenschlusses oder für den Verband oder den Zusammenschluss selbst eingelegt wird.
Mitglieder der genannten Verbände können sich auch durch den Bevollmächtigten eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen.
Richter am Arbeitsgericht
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Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
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Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |