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ARBEITSRECHT AKTUELL // 16/221

Ein­sicht in die Per­so­nal­ak­te

Ar­beit­neh­mer kön­nen nicht ver­lan­gen, dass bei der Ein­sicht in ih­re Per­so­nal­ak­te ein An­walt da­bei ist: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 12.07.2016, 9 AZR 791/14
Akten

13.07.2016. Das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) gibt Ar­beit­neh­mern das Recht, in ih­re vom Ar­beit­ge­ber ge­führ­ten Per­so­nal­ak­ten Ein­sicht zu neh­men.

Da­bei kön­nen sich Ar­beit­neh­mer durch Mit­glie­der des Be­triebs­rats un­ter­stüt­zen las­sen, d.h. sie kön­nen ein Be­triebs­rats­mit­glied hin­zu­zie­hen.

Aber kann man auch mit ei­nem Rechts­an­walt zur Per­so­nal­ab­tei­lung ge­hen und mit ihm zu­sam­men die Per­so­nal­ak­te durch­se­hen? Nein, so das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­ner Ent­schei­dung vom gest­ri­gen Tag: BAG, Ur­teil vom 12.07.2016, 9 AZR 791/14 (Pres­se­mel­dung des BAG).

Ein­sicht in die Per­so­nal­ak­te - al­lein, mit ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied oder mit ei­nem An­walt?

Gemäß 83 Abs.1 Sätze 1 und 2 Be­trVG ha­ben Ar­beit­neh­mer das Recht, in die über sie geführ­ten Per­so­nal­ak­ten Ein­sicht zu neh­men und sich da­bei von ei­nem Mit­glied des Be­triebs­rats un­terstützen zu las­sen. Ob­wohl hier nichts da­von steht, dass auch an­de­re vom Ar­beit­neh­mer ein­ge­schal­te­te Per­so­nen wie z.B. Ge­werk­schafts­se­kretäre oder Anwälte in Per­so­nal­ak­ten Ein­sicht neh­men können, schließt die­se Vor­schrift ein sol­ches Ein­sichts­recht nicht von vorn­her­ein aus.

Denn da­zu müss­te § 83 Abs.1 Be­trVG ei­ne "ab­sch­ließen­de" Re­ge­lung des Rechts auf Ein­sicht in die Per­so­nal­ak­te sein, der an­de­re ge­setz­li­che Grund­la­gen für ein sol­ches Recht von vorn­her­ein aus­sch­ließt. Das ist aber un­wahr­schein­lich, al­lein schon des­halb, weil sich seit Er­lass die­ser Vor­schrift in den 70er Jah­ren recht­lich viel verändert hat, vor al­lem auf dem Ge­biet des Da­ten­schut­zes.

Vor die­sem Hin­ter­grund stellt sich die Fra­ge, ob sich Ar­beit­neh­mer bei der Ein­sicht in ih­re Per­so­nal­ak­te durch ei­nen An­walt un­terstützen las­sen können, d.h. ob ein sol­cher An­spruch mögli­cher­wei­se aus an­de­ren ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten als § 83 Abs.1 Be­trVG her­zu­lei­ten ist.

Im Streit: La­ger­ar­bei­ter wird er­mahnt und möch­te mit sei­ner Anwältin Ein­sicht in sei­ne Per­so­nal­ak­te neh­men

Nach­dem ein La­ger­ar­bei­ter im März 2013 ei­ne Er­mah­nung be­kom­men hat­te, ver­lang­te mit an­walt­li­chem Schrei­ben Ein­sicht in sei­ne Per­so­nal­ak­te. Ge­nau­er ge­sagt ver­lang­te die von ihm be­auf­trag­te Anwältin, dass ihr - der Anwältin - Ein­sicht in die Ak­te gewährt wer­den möge. Der Ar­beit­ge­ber lehn­te das un­ter Be­ru­fung auf den Da­ten­schutz ab.

Mit ei­nem wei­te­ren Schrei­ben ver­lang­te die Anwältin so­dann, dass sie zu­sam­men mit dem Ar­beit­neh­mer Ein­sicht in des­sen Ak­te neh­men könn­te. Der Ar­beit­ge­ber stell­te sich wie­der quer, bot dem Ar­beit­neh­mer aber an, die Per­so­nal­ak­te aus­zugs­wei­se zu ko­pie­ren. Außer­dem könne er ja ein Be­triebs­rats­mit­glied hin­zu­zie­hen.

Der La­ger­ar­bei­ter ver­klag­te dar­auf­hin sei­nen Ar­beit­ge­ber mit dem Ziel, ihm zu­sam­men mit sei­ner Anwältin Ein­sicht in die Per­so­nal­ak­te zu gewähren. Das Ar­beits­ge­richt Würz­burg wies die Kla­ge ab (Ur­teil vom 14.01.2014, 10 Ca 719/13). Kurz dar­auf wech­sel­te der Ar­beit­ge­ber in­fol­ge ei­nes Be­triebsüber­gangs, wor­auf­hin der La­ger­ar­bei­ter auch den neu­en Ar­beit­ge­ber ver­klag­te, mitt­ler­wei­le vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nürn­berg. Auch das LAG ent­schied pro Ar­beit­ge­ber (Ur­teil vom 10.10.2014, 8 Sa 138/14).

Be­gründung des LAG: Das Recht zur Ein­sicht in die Per­so­nal­ak­te ist ein "höchst­persönli­ches" Recht, das in § 83 Abs.1 Be­trVG ab­sch­ließend ge­re­gelt ist. Und da die­se Vor­schrift dem Ar­beit­neh­mer nur das Recht zur Bei­zie­hung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds gewährt, be­steht kein An­spruch auf Hin­zu­zie­hung ei­nes An­walts. Dar­auf­hin leg­te der La­ger­ar­bei­ter Re­vi­si­on zum BAG ein.

BAG: Ar­beit­neh­mer ha­ben kei­nen An­spruch dar­auf, dass bei der Ein­sicht in ih­re Per­so­nal­ak­te ein An­walt an­we­send ist

Auch in Er­furt hat­te der La­ge­rist kei­nen Er­folg. Das BAG wies sei­ne Re­vi­si­on zurück. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG heißt es zur Be­gründung:

Ar­beit­neh­mer ha­ben zwar ei­nen ge­setz­li­chen An­spruch dar­auf, in die über sie geführ­ten Per­so­nal­ak­ten Ein­sicht zu neh­men, und sie können da­bei auch ein Mit­glied des Be­triebs­rats hin­zu­zu­zie­hen. Das steht in § 83 Abs.1 Be­trVG. Hier steht aber nichts darüber, dass Ar­beit­neh­mer auch ei­nen Rechts­an­walt bei der Ein­sicht in ih­re Per­so­nal­ak­te da­bei ha­ben dürfen. Aus die­ser Vor­schrift folgt ein sol­cher An­spruch je­den­falls nicht, so die Er­fur­ter Rich­ter.

Denk­bar ist al­ler­dings, dass ein An­spruch auf Hin­zu­zie­hung ei­nes An­walts aus § 241 Abs.2 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) und/oder aus dem Grund­recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung folgt, d.h. aus Art.2 Abs.1 Grund­ge­setz (GG) in Ver­bin­dung mit Art.1 Abs.1 GG. An die­ser Stel­le weicht das BAG von der Ar­gu­men­ta­ti­on des LAG ab, das § 83 Abs.1 Be­trVG als ab­sch­ließen­de Re­ge­lung an­sieht.

Ob ein sol­cher An­spruch über­haupt bzw. grundsätz­lich be­steht, lässt die Pres­se­mel­dung al­ler­dings of­fen. Denn je­den­falls im vor­lie­gen­den Fall konn­te sich der Kläger dar­auf nicht be­ru­fen, da ihm der Ar­beit­ge­ber ge­stat­tet hat­te, Ko­pi­en von den Schriftstücken in sei­ner Per­so­nal­ak­ten an­zu­fer­ti­gen. Er­laubt der Ar­beit­ge­ber aber Ko­pi­en, ist ein aus­rei­chen­der "Trans­pa­renz­schutz" gewähr­leis­tet, so das BAG.

Fa­zit: Braucht ein Ar­beit­neh­mer Hil­fe beim Durch­se­hen sei­ner Per­so­nal­ak­te, kann er ein Be­triebs­rats­mit­glied hin­zu­zie­hen. Er kann da­ge­gen nicht ver­lan­gen, dass (auch) ein An­walt an­we­send ist. Ein sol­ches Recht zur Hin­zu­zie­hung ei­nes An­walts be­steht je­den­falls dann nicht, wenn der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer er­laubt hat, die Per­so­nal­ak­te aus­zugs­wei­se zu ko­pie­ren, denn dann kann der Ar­beit­neh­mer sei­nem An­walt ja die Ko­pi­en vor­le­gen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­grün­de ver­öf­fent­licht. Das voll­stän­dig be­grün­de­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 7. Juni 2020

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