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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/015

Kein Haus­ver­bot für Be­triebs­rä­te

In der Re­gel Recht auf un­ein­ge­schränk­ten Zu­tritt: Lan­des­ar­beits­ge­richt Mün­chen, Be­schluss vom 18.11.2009, 11 TaBV­Ga 16/09
Sitzung des Betriebsrats, Betriebsratsversammlung

22.01.2010. Mit­glie­der des Be­triebs­rats ha­ben auf­grund ih­res Am­tes das Recht, den Be­trieb des Ar­beit­ge­bers je­der­zeit, je­den­falls aber wäh­rend der üb­li­chen Ar­beits­zei­ten zu be­tre­ten.

Oh­ne ein sol­ches Zu­tritts­recht ist ei­ne Wahr­neh­mung der Be­triebs­rats­auf­ga­ben nicht mög­lich, da Be­triebs­rä­te für ih­re Ar­beits­kol­le­gen er­reich­bar sein müs­sen und da sie - bei Be­darf auch kurz­fris­tig - zu ei­ner Be­triebs­rats­sit­zung zu­sam­men­kom­men müs­sen.

Da­her kann der Ar­beit­ge­ber auch dann, wenn das Ar­beits­ver­hält­nis ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds dem­nächst en­det, nur in sel­te­nen Aus­nah­me­fäl­len ein Haus­ver­bot ver­hän­gen. Zu der Fra­ge, wann ein sol­cher Aus­nah­me­fall vor­liegt, hat sich das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Mün­chen vor kur­zem ge­äu­ßert: LAG Mün­chen, Be­schluss vom 18.11.2009, 11 TaBV­Ga 16/09.

Haus­ver­bot und Be­triebs­ratstätig­keit

Es ist das Recht des Ar­beit­ge­bers, darüber zu ent­schei­den, wer den Be­trieb oder das Be­triebs­gelände be­tre­ten darf und wer nicht, d.h. er hat das so ge­nann­te Haus­recht. Dies be­inhal­tet auch, dass der Ar­beit­ge­ber ge­gen Per­so­nen, de­nen er den Zu­tritt ver­weh­ren will, ein Haus­ver­bot aus­spricht. Dies kommt häufig dann vor, wenn Ar­beit­neh­mern ver­hal­tens­be­dingt we­gen ei­nes gra­vie­ren­den Fehl­ver­hal­tens oder Ver­trau­ens­ver­s­toßes gekündigt wird, ins­be­son­de­re bei straf­recht­li­chen Vorwürfen. Bei ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung wird der Be­trof­fe­nen dann gleich­zei­tig frei­ge­stellt.

Ein der­ar­ti­ges Haus­ver­bot ist ernst zu neh­men. Denn ein Ver­s­toß hier­ge­gen ist als Haus­frie­dens­bruch gemäß § 123 Abs.1 Satz 1 Straf­ge­setz­buch (StGB) straf­bar.

Al­ler­dings be­deu­tet der Aus­spruch ei­nes Haus­ver­bo­tes durch den Ar­beit­ge­ber nicht, dass ei­ne sol­che Maßnah­me auch rechtmäßig oder gar un­an­greif­bar wäre. Spe­zi­ell aus be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Pflich­ten können sich Ein­schränkun­gen er­ge­ben. So ist an­er­kannt, dass aus dem Be­hin­de­rungs­ver­bot des § 78 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) ein all­ge­mei­nes Zu­tritts­recht für Be­triebs­rats­mit­glie­der folgt (Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 21.09.1989, 1 ABR 32/89).

Ob­wohl Be­triebs­rats­mit­glie­dern un­be­strit­ten ein Zu­tritts­recht zu­steht, stellt sich die Fra­ge, ob der Ar­beit­ge­ber das Zu­tritts­recht des Be­triebs­rats­mit­glieds über­wa­chen darf, in­dem er ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied nur dann Zu­tritt gewährt, wenn die­ses dar­legt, dass es tatsächlich Be­triebs­ratstätig­kei­ten ausüben will. Mögli­cher­wei­se kann der Ar­beit­ge­ber ein sol­ches Recht je­den­falls dann in An­spruch neh­men, wenn er ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied gekündigt und es bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist von der Ar­beit frei­ge­stellt hat. Mit die­ser Fra­ge be­fasst sich ei­ne Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) München (Be­schluss vom 18.11.2009, 11 TaBV­Ga 16/09).

Der Fall des Lan­des­ar­beits­ge­richts München: Zu­tritt für gekündig­tes und frei­ge­stell­tes Be­triebs­rats­mit­glied nur nach Nach­weis von Be­triebs­ratstätig­keit

Ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied wur­de im März 2009 zu En­de Sep­tem­ber 2009 gekündigt. Der Be­trof­fe­ne wur­de frei­ge­stellt und ein Haus­ver­bot ge­gen ihn aus­ge­spro­chen. Das Haus­ver­bot soll­te al­ler­dings dann nicht gel­ten, wenn der Be­trof­fe­ne Zu­tritt zum Be­trieb für die Ausübung von er­for­der­li­cher Be­triebs­ratstätig­keit benötig­te. Hierfür soll­te der Be­trof­fe­ne vor­her schrift­lich stich­punkt­ar­tig die be­ab­sich­tig­te Be­triebs­ratstätig­keit dar­stel­len.

Der gekündig­te Ar­beit­neh­mer streng­te dar­auf­hin ei­nen Kündi­gungs­schutz­pro­zess an, in dem er sich mit dem Ar­beit­ge­ber auf ei­ne be­triebs­be­ding­te Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses erst am 31.12.2009 ei­nig­te. Gleich­zei­tig be­an­trag­te er in ei­nem Eil­ver­fah­ren, ihm un­ein­ge­schränk­ten Zu­tritt zum Be­triebs­gelände zu gewähren.

Das Ar­beits­ge­richt München gab in dem Eil­ver­fah­ren dem Be­triebs­rats­mit­glied in ers­ter In­stanz recht (Be­schluss vom 16.07.2009, 32 BV­Ga 30/09). Das Haus­ver­bot ver­stieß nämlich nach Auf­fas­sung des Ge­richts ge­gen das Be­hin­de­rungs­ver­bot des § 78 Satz 1 Be­trVG. Ein Haus­ver­bot ge­gen Be­triebs­rats­mit­glie­der darf nur bei gra­vie­ren­den Pflicht­ver­let­zun­gen aus­ge­spro­chen wer­den und in die­sem Fall die Er­for­der­lich­keit des be­gehr­ten Zu­tritts für die Ausübung von Be­triebs­ratstätig­kei­ten kon­trol­liert wer­den, so das Ar­beits­ge­richt. In al­len an­de­ren Fällen folgt aus dem Be­hin­de­rungs­ver­bot für Be­triebsräte auch das Ver­bot, ei­nen Nach­weis von Be­triebs­rats­mit­glie­dern zu ver­lan­gen, dass sie Be­triebs­ratstätig­kei­ten nach­ge­hen wol­len.

Lan­des­ar­beits­ge­richt München: Be­triebs­rats­mit­glied muss un­ein­ge­schränk­ten Zu­tritt ha­ben

Das LAG München ent­schied ge­nau­so wie das Ar­beits­ge­richt und gab dem Be­triebs­rats­mit­glied recht. Dem Gekündig­ten wur­de al­so un­ein­ge­schränk­ter Zu­tritt zum Be­triebs­gelände und Be­trieb gewährt.

Zu ei­ner un­gestörten Amts­ausübung des Be­triebs­rats gehört auch ein un­ein­ge­schränk­tes Zu­tritts­recht zum Be­triebs­gelände, stellt das LAG klar. Die Tätig­keit des Be­triebs­ra­tes kann schließlich zu je­der Zeit er­for­der­lich wer­den, al­so müssen Be­triebs­rats­mit­glie­der auch je­der­zeit den Be­trieb be­tre­ten können. Die­ses Zu­tritts­recht steht je­dem Be­triebs­rats­mit­glied zu, un­abhängig von ei­ner even­tu­el­len Frei­stel­lung oder dem Kündi­gungs­sta­tus.

Zu Recht hält das LAG da­bei ei­ne in­halt­li­che Kon­trol­le der Tätig­keit für un­zulässig. Auch Be­triebs­rats­mit­glie­der, die we­der gekündigt noch frei­ge­stellt sind, müssen schließlich die ge­plan­te Be­triebs­ratstätig­keit nicht dar­le­gen, son­dern sich nur vom Ar­beits­platz ab- und wie­der an­mel­den, so das LAG.

Denn der Ar­beit­ge­ber soll le­dig­lich darüber be­scheid wis­sen, wann ein Be­triebs­rats­mit­glied an sei­nem Ar­beits­platz nicht an­we­send ist und nicht kon­trol­lie­ren können, was das vorüber­ge­hend ar­beits­ab­we­sen­de Be­triebs­rats­mit­glied kraft sei­nes Am­tes macht. Ei­ne sol­che In­halts­kon­trol­le ver­stieße ge­gen das Be­hin­de­rungs­ver­bot. Erst Recht gilt das dann für den Fall, dass das Be­triebs­rats­mit­glied frei­ge­stellt wor­den ist, so das LAG. Et­was an­de­res hält das LAG nur bei sehr schwer­wie­gen­den Störun­gen des Ver­trau­ens­verhält­nis­ses, et­wa Straf­ta­ten des Be­triebs­rats­mit­glieds, für denk­bar. Dies war aber vor­lie­gend nicht der Fall.

Fa­zit: In der Re­gel können Be­triebs­rats­mit­glie­der den un­ein­ge­schränk­te Zu­tritt zum Be­trieb ver­lan­gen. Das gilt auch zu­guns­ten von gekündig­ten Be­triebs­rats­mit­glie­dern, und auch dann, wenn der Ar­beit­ge­ber sie bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist frei­ge­stellt hat.

Nur wenn schwer­wie­gen­de Vorwürfe ge­gen ein Be­triebs­rats­mit­glied im Raum ste­hen, kann der Ar­beit­ge­ber den Zu­tritt zum Be­trieb auf die Ausübung von Be­triebs­ratstätig­kei­ten be­schränken und even­tu­ell so­gar kon­trol­lie­ren, ob das Be­triebs­rats­mit­glied während der An­we­sen­heit im Be­trieb tatsächlich nur Be­triebs­ratstätig­kei­ten ausübt. Ein um­fas­sen­des Haus­ver­bot ge­genüber Mit­glie­dern des Be­triebs­rats ist darüber hin­aus nur in ex­tre­men Aus­nah­mefällen zulässig.

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Letzte Überarbeitung: 19. Januar 2017

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