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Versetzung eines Betriebsratsmitglieds
28.04.2014. Mitglieder des Betriebsrats sind vor Kündigungen stärker geschützt als "normale" Arbeitnehmer, und dieser besondere Kündigungsschutz ist sinngemäß auch bei Versetzungen anzuwenden.
Denn wenn der Arbeitgeber ein Betriebsratsmitglied versetzen möchte und die Versetzung zu einem Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen würde, muss der Betriebsrat der geplanten Versetzung gemäß § 103 Abs.3 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vorab zustimmen.
In einer aktuellen Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg den Anwendungsbereich dieser Vorschrift beschränkt und die Meinung vertreten, dass der Arbeitgeber an § 103 Abs.3 Satz 1 BetrVG nicht gebunden ist, wenn er den Betriebsrat infolge einer ordentlichen Änderungskündigung an einen anderen Ort versetzen möchte.
Dann soll der Betriebsrat nur das Recht zur Zustimmungsverweigerung gemäß § 99 BetrVG haben, d.h. die Rechte, die er auch bei Versetzungen "normaler" Arbeitnehmer hat: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 31.01.2014, 8 TaBVGa 1/14.
- Wann braucht der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung eines Betriebsratsmitglieds?
- Der Streitfall: Nürnberger Betriebsratsmitglied erhält eine Änderungskündigung, nimmt unter Vorbehalt an und soll daher in eine andere Stadt versetzt werden
- LAG Nürnberg: Der Arbeitgeber braucht die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung eines Betriebsratsmitglieds nicht, wenn mit der Versetzung eine ordentliche Änderungskündigung vollzogen wird
Wann braucht der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung eines Betriebsratsmitglieds?
Normalerweise können Betriebsratsmitglieder nur außerordentlich, d.h. aus wichtigem Grunde gemäß § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) gekündigt werden (§ 15 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz - KSchG), und auch das nur, nachdem der Betriebsrat einer solchen Kündigung vorab zugestimmt hat (§ 103 Abs.1 BetrVG).
Ausnahmsweise ist aber auch die ordentliche betriebsbedingte Kündigung eines Betriebsratsmitglieds zulässig, nämlich bei einer Betriebsstilllegung oder bei der Schließung einer Betriebsabteilung (§ 15 Abs.4 und Abs.5 KSchG). Dann braucht der Arbeitgeber auch nicht die Vorab-Zustimmung des Betriebsrats, sondern muss ihn nur vor Ausspruch der Kündigung anhören, wie er das bei der Kündigung anderer Arbeitnehmer gemäß § 102 BetrVG auch tun muss.
Dieser Schutz von Betriebsratsmitgliedern vor Kündigungen wird ergänzt durch einen besonderen Schutz gegenüber Versetzungen. Damit soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber missliebige Betriebsräte in eine andere Stadt bzw. in einen weit entfernten Betrieb versetzt, so dass die versetzten Betriebsräte ihr Amt verlieren. Hierzu heißt es in § 103 Abs.3 BetrVG:
"Die Versetzung der in Absatz 1 genannten Personen, die zu einem Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen würde, bedarf der Zustimmung des Betriebsrats; dies gilt nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist. Absatz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung zu der Versetzung ersetzen kann, wenn diese auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen notwendig ist."
Diese 2001 ins das Gesetz aufgenommene Vorschrift ist dem Schutz von Betriebsratsmitgliedern vor außerordentlichen Kündigungen nachgebildet, denn in beiden Fällen (außerordentliche Kündigung und Versetzung) braucht der Arbeitgeber die Vorab-Zustimmung des Betriebsrats und muss diese vom Arbeitsgericht ersetzen lassen, wenn sie vom Betriebsrat verweigert wird.
Im Gesetz nicht eindeutig geregelt ist die Frage, ob § 103 Abs.3 BetrVG auch anzuwenden ist, wenn der Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied eine ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung ausgesprochen hat, z.B. wegen der Schließung einer Betriebsabteilung, und wenn der Gekündigte das Angebot einer arbeitsvertraglich vereinbarten Versetzung an einen anderen Ort unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen und Änderungsschutzklage erhoben hat.
In einem solchen Fall muss sich das Betriebsratsmitglied bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über seine Änderungsschutzklage erst einmal nach der vorläufig vereinbarten Vertragsänderung richten, d.h. den Ortswechsel mitmachen. Könnte der Betriebsrat dann auf sein gesetzliches Zustimmungsverweigerungsrecht pochen, könnte er den Vollzug einer ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung eines seiner Mitglieder stärker beeinflussen als den einer ordentlichen betriebsbedingten Beendigungskündigung. Denn bei einer ordentlichen betriebsbedingten Beendigungskündigung muss der Betriebsrat wie erwähnt nur angehört werden, d.h. seine Vorab-Zustimmung ist nicht erforderlich.
Der Streitfall: Nürnberger Betriebsratsmitglied erhält eine Änderungskündigung, nimmt unter Vorbehalt an und soll daher in eine andere Stadt versetzt werden
Im Streitfall hatte der Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied eine ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung ausgesprochen, wobei er sich auf die Schließung der Betriebsabteilung berief, in der das gekündigte Betriebsratsmitglied eingesetzt war (§ 15 Abs.5 KSchG).
Dem Änderungsangebot zufolge hätte der Gekündigte nicht mehr in Nürnberg, sondern in einer weit entfernten Stadt bzw. in einem anderen Betrieb weiterarbeiten sollen, denn dorthin war die Betriebsabteilung verlagert worden. Vorsichtshalber nahm der Gekündigte das Änderungsangebot unter Vorbehalt an und erhob Änderungsschutzklage.
Wie üblich in solchen Fällen musste sich das gekündigte Betriebsratsmitglied auf eine lange Prozessdauer einstellen. In der Zwischenzeit wurden sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat aktiv und stritten über die Zulässigkeit der Versetzung von Nürnberg weg.
Denn auch ein Änderungsvertrag auf der Grundlage einer Änderungskündigung ist eine "Versetzung" im Sinne von § 95 Abs.3 BetrVG und bedarf daher der Zustimmung des Betriebsrats. Fraglich ist dabei, ob sich das Zustimmungserfordernis nach § 99 BetrVG richtet wie bei einer gewöhnlichen Versetzung (und daher eher schwach ist) oder aber nach § 103 Abs.3 BetrVG (was dem Betriebsrat eine stärkere Position gibt).
Der Arbeitgeber war der Meinung, nur die Zustimmung des Betriebsrats auf der Grundlage von § 99 BetrVG zu benötigen. Nachdem der Betriebsrat eine Zustimmung auf dieser Rechtsgrundlage verweigerte, erklärte der Arbeitgeber vorläufige Durchführung der Versetzung (§ 100 BetrVG), woraufhin der Betriebsrat bestritt, dass die vorläufige Durchführung der Versetzung erforderlich sei. Hier musste im nächsten Schritt der Arbeitgeber vor das Arbeitsgericht ziehen, was er Ende November 2013 auch tat, und zwar mit den Anträgen gemäß § 100 Abs.2 Satz 2 BetrVG (gerichtliche Feststellung der Erforderlichkeit der vorläufigen Versetzung, gerichtliche Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung).
Zugleich reichte der Betriebsrat seinerseits einen Eilantrag ein und wollte dem Arbeitgeber die Durchführung der Versetzung untersagen lassen, wobei er sich auf § 103 Abs.3 BetrVG berief. Mit diesem Antrag hatte er vor dem Arbeitsgericht Nürnberg keinen Erfolg (Beschluss vom 09.12.2013, 7 BVGa 13/13).
Denn, so das Arbeitsgericht: Unter § 103 Abs.3 BetrVG fallen nur Versetzungen, die der Arbeitgeber auf der Grundlage seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechtes einseitig anordnen kann, nicht aber Versetzungen auf der Grundlage einer Vertragsänderung.
LAG Nürnberg: Der Arbeitgeber braucht die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung eines Betriebsratsmitglieds nicht, wenn mit der Versetzung eine ordentliche Änderungskündigung vollzogen wird
Auch das LAG Nürnberg entschied gegen den Betriebsrat, wobei es ebenfalls meinte, § 103 Abs.3 BetrVG gelte nicht für arbeitsvertraglich vereinbarte Versetzungen.
Zur Begründung verweist das LAG auf die Gesetzesmaterialien, denen es die Absicht des Gesetzgebers entnimmt, Betriebsratsmitglieder (nur) vor einseitigen Weisungen des Arbeitgebers zu schützen. Solche Weisungen sind, so das LAG, etwas anderes als eine Vertragsänderungen auf der Grundlage einer ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung, die der Arbeitgeber unter Berufung auf § 15 Abs.5 KSchG (Schließung einer Betriebsabteilung) ausspricht. Dagegen soll § 103 Abs.3 BetrVG dem Betriebsrat kein Recht an die Hand geben, so das LAG.
Diese Argumentation ist nicht überzeugend. Denn der Begriff "Versetzung" im Sinne des BetrVG (§ 95 Abs.3 BetrVG) erfasst nach allgemeiner Meinung auch einvernehmliche Änderungen des Arbeitsortes. Daher ist auch die Einschränkung in § 103 Abs.3 Satz 2 BetrVG, wonach das Zustimmungserfordernis nicht gilt, "wenn der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist", im Sinne der Rechtsprechung zu § 95 Abs.3 BetrVG zu verstehen. Nach dieser Rechtsprechung liegt eine Versetzung nur dann nicht vor, wenn der Wechsel von Arbeitsort oder -umständen auf dem freien Wunsch bzw. dem Betreiben des Arbeitnehmers beruht.
Für die vom LAG vorgenommene Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 103 Abs.3 Satz 1 BetrVG ("teleologische Reduktion") sind keine ausreichenden Gründe vorhanden. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass Betriebsratsmitglieder auch dann den Schutz des § 103 Abs.3 Satz 1 BetrVG brauchen, wenn die Versetzung nicht auf einer Arbeitgeberweisung beruht. Hier war das Betriebsratsmitglied erst aufgrund des Drucks einer Änderungskündigung (!) dazu bereit, für die (lange) Dauer eines Kündigungsschutzverfahrens in einer anderen Stadt zu arbeiten und damit sein Amt als Betriebsrat zu verlieren.
Die sachliche Berechtigung der Durchführung dieser vorläufigen Vertragsänderung hätte das LAG auf der Grundlage von § 103 Abs.3 Satz 1 und Abs.2 BetrVG inhaltlich überprüfen müssen, d.h. es hätte die beiderseitigen Interessen des Betriebsrats und des Arbeitgebers gegeneinander abwägen müssen. Statt dessen hat sich das Gericht dieser gesetzlich vorgeschriebenen Interessenbewertung entzogen und § 103 Abs.3 Satz 1 BetrVG für unanwendbar erklärt.
Fazit: Entgegen der Ansicht des LAG Nürnberg, die in der Kommentarliteratur keine klare Stütze findet, müssen Arbeitgeber § 103 Abs.3 Satz 1 BetrVG beachten, wenn sie ein Mitglied des Betriebsrats infolge einer ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung an einen anderen Ort versetzen möchten. Da andere Arbeits- und Landesarbeitsgerichte ohne weiteres abweichend von dem hier besprochenen Beschluss des LAG Nürnberg entscheiden können, sollten sich Betriebsräte und Betriebsratsmitglieder von der hier besprochenen Entscheidung nicht davon abhalten lassen, in vergleichbaren Fällen vor Gericht zu ziehen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 31.01.2014, 8 TaBVGa 1/14
- Handbuch Arbeitsrecht: Anhörung des Betriebsrats
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat - Kündigungsschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsmitglied
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsmitglied - Versetzung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Änderungskündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
- Handbuch Arbeitsrecht: Versetzung
- Handbuch Arbeitsrecht: Weisungsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 17/241 Unbillige Weisungen sind unverbindlich
- Arbeitsrecht aktuell: 17/160 Arbeitsverweigerung wegen unzumutbarer Weisung?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/398 Versetzung und Arbeitsverweigerung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/157 Versetzung mit Ortswechsel per Eilverfahren stoppen?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/064 Versetzung an einen anderen Arbeitsort
- Arbeitsrecht aktuell: 13/212 Ermessen des Arbeitgebers bei Versetzungen
Letzte Überarbeitung: 20. September 2017
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