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BAG, Be­schluss vom 23.08.2011, 10 AZB 51/10

   
Schlagworte: Geschäftsführer
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZB 51/10
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 23.08.2011
   
Leitsätze: Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG findet keine Anwendung auf einen Arbeitsvertrag, der eine Geschäftsführerbestellung nicht vorsieht, auch wenn der Arbeitnehmer später aufgrund einer formlosen Abrede zum Geschäftsführer bestellt wird. Macht der Arbeitnehmer nach Beendigung der Stellung als Geschäftsführer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend, ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben. Das gilt auch für Ansprüche aus der Zeit als Geschäftsführer.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt, Beschluss vom 20.07.2010, 10 Ca 3957/10
Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 11.10.2010, 17 Ta 312/10
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

10 AZB 51/10

17 Ta 312/10 Hes­si­sches

Lan­des­ar­beits­ge­richt

BESCHLUSS

In Sa­chen

Kläger, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

1.

2.

pp.

Be­klag­te zu 1., Be­schwer­de­geg­ne­rin zu 1. und Rechts­be­schwer­de­geg­ne­rin zu 1.,

Be­klag­te zu 2., Be­schwer­de­geg­ne­rin zu 2. und Rechts­be­schwer­de­geg­ne­rin zu 2.,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts am 23. Au­gust 2011 be­schlos­sen:


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1. Auf die Rechts­be­schwer­de des Klägers wer­den die Be­schlüsse des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 11. Ok­to­ber 2010 - 17 Ta 312/10 - und des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 20. Ju­li 2010 - 10 Ca 3957/10 - auf­ge­ho­ben.

2. Der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ist ge­ge­ben.

Gründe

I. Die Par­tei­en strei­ten über Rest­vergütung, ei­ne Ab­fin­dung, Ge­winn­be­tei-

li­gung, die Er­stel­lung ei­ner Ar­beits­be­schei­ni­gung, die Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses so­wie über die Ab­rech­nung des Ver­trags­verhält­nis­ses und vor­ab über die Zulässig­keit des Rechts­wegs.

Die Be­klag­ten sind Un­ter­neh­men ei­ner Un­ter­neh­mens­grup­pe der Soft-

wa­re­bran­che. Die Be­klag­te zu 1. ist die al­lei­ni­ge Ge­sell­schaf­te­rin der Be­klag­ten zu 2. Sie ist fer­ner al­lei­ni­ge Ge­sell­schaf­te­rin der m GmbH, über de­ren Vermögen am 22. Ja­nu­ar 2009 das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net wur­de. Mehr­heits­ge­sell­schaf­te­rin der Be­klag­ten zu 1. ist die m SA mit Sitz in Zug/Schweiz.

Der Kläger war auf der Grund­la­ge ei­nes in eng­li­scher Spra­che ab­ge-

fass­ten Ar­beits­ver­trags vom 29. Ok­to­ber 2007 für die Un­ter­neh­mens­grup­pe tätig. Der Kläger er­hielt für die Jah­re 2007 und 2008 (bis 31. Mai 2008) Lohn­steu­er­be­schei­ni­gun­gen von der m GmbH, da­nach von der Be­klag­ten zu 2.

Am 5. Ju­ni 2008 be­stell­te die Be­klag­te zu 2. den Kläger zum Geschäfts-

führer. Ei­ne Ein­tra­gung in das Han­dels­re­gis­ter er­folg­te am 14. Au­gust 2008. Am 7. Ju­li 2009 wur­de er außer­dem zum Geschäftsführer der Be­klag­ten zu 1. be­stellt und im Han­dels­re­gis­ter am 31. Au­gust 2009 ein­ge­tra­gen.

Mit Schrei­ben vom 4. De­zem­ber 2009 teil­ten die bei­den Be­klag­ten dem

Kläger sei­ne Ab­be­ru­fung als Geschäftsführer der Un­ter­neh­men mit. Gleich­zei­tig kündig­ten sie mit Schrei­ben vom 4. De­zem­ber 2009 das An­stel­lungs­verhält­nis des Klägers vor­sorg­lich frist­los, hilfs­wei­se or­dent­lich. Die Ab­be­ru­fung als


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Geschäftsführer bei­der Un­ter­neh­men wur­de am 16. De­zem­ber 2009 in das Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen.

Mit sei­ner am 8. Ju­ni 2010 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­reich­ten Kla­ge hat

der Kläger von den bei­den Be­klag­ten die Zah­lung rest­li­cher Vergütung für den Zeit­raum vom 15. No­vem­ber 2007 bis zum 4. De­zem­ber 2009 in Höhe von 124.336,98 Eu­ro net­to, die Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung gemäß dem schrift­li­chen Ver­trag vom 29. Ok­to­ber 2007, ei­ne Ab­rech­nung bis zum Ver­trags­en­de und die Fest­stel­lung ei­nes An­spruchs auf Ge­winn­be­tei­li­gung in Höhe von 1/3 von fünf Pro­zent des EBIT­DA-Be­trags der Be­klag­ten zu 1. so­wie ei­ne Ar­beits­be­schei­ni­gung und ein Zeug­nis von der Be­klag­ten zu 1. be­gehrt. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten sei ge­ge­ben, Es lägen Strei­tig­kei­ten aus ei­nem Ar­beits­verhält­nis iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG vor. Sei­ne ge­sell­schafts­recht­li­che Stel­lung als Geschäftsführer der Be­klag­ten ste­he dem nicht ent­ge­gen. Sein Ar­beits­verhält­nis sei zu kei­ner Zeit auf­ge­ho­ben wor­den. Bei der Be­stel­lung zum Geschäftsführer bei­der Be­klag­ten sei der be­ste­hen­de Ar­beits­ver­trag nicht geändert wor­den. An sei­ner persönli­chen Abhängig­keit von den Wei­sun­gen des „fak­ti­schen Geschäftsführers“ der Mehr­heits­ge­sell­schaf­te­rin der Be­klag­ten zu 1. ha­be sich nichts geändert. Je­den­falls für die Ansprüche, die er für die Zeit bis zum 5. Ju­ni 2008 und nach sei­ner Ab­be­ru­fung als Geschäftsführer gel­tend ma­che, sei der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­ge­ben.

Der Kläger hat be­an­tragt,

1. die Be­klag­ten zu 1. und 2. als Ge­samt­schuld­ner zu ver­ur­tei­len, an ihn ei­nen Net­to­be­trag in Höhe von 124.336,98 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 4. De­zem­ber 2009 zu zah­len,

2. die Be­klag­ten zu 1. und 2. als Ge­samt­schuld­ner zu ver­ur­tei­len, an ihn ei­nen Brut­to­be­trag in Höhe von 36.000,00 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 4. De­zem­ber 2009 zu zah­len,

3. fest­zu­stel­len, dass er für die Jah­re 2008 und 2009 An­spruch auf ei­ne Ge­winn­be­tei­li­gung in Höhe von 1/3 von fünf Pro­zent des EBIT­DA-Be­trags der Be-


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klag­ten zu 1. hat,

4. die Be­klag­ten zu 1. und 2. als Ge­samt­schuld­ner zu ver­ur­tei­len, sein Ar­beits­verhält­nis bis zu des­sen Be­en­di­gung ord­nungs­gemäß ab­zu­rech­nen,

5. die Be­klag­te zu 1. zu ver­ur­tei­len, ihm ei­ne Ar­beits­be­schei­ni­gung zu er­stel­len und

6. die Be­klag­te zu 1. zu ver­ur­tei­len, ihm ein wohl­wol­len­des Zeug­nis mit ins­ge­samt „gu­te“ Be­ur­tei­lung zu er­tei­len.

Die Be­klag­ten hal­ten den Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa-

chen für nicht ge­ge­ben. Sie ha­ben die An­sicht ver­tre­ten, der als Geschäftsführer bei­der Un­ter­neh­men tätig ge­wor­de­ne Kläger sei nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kein Ar­beit­neh­mer.

Das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main hat den Rechts­weg zu den Ar-

beits­ge­rich­ten für un­zulässig erklärt und den Rechts­streit an das Land­ge­richt München I (Kam­mer für Han­dels­sa­chen) ver­wie­sen. Die so­for­ti­ge Be­schwer­de des Klägers hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­be­schwer­de hält der Kläger an dem ein­ge­schla­ge­nen Rechts­weg fest.

II. Die Rechts­be­schwer­de hat Er­folg. Die Vor­in­stan­zen ha­ben zu Un­recht

die Zulässig­keit des Rechts­we­ges zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ver­neint. Der Kläger macht Ansprüche aus ei­nem - nicht auf­ge­ho­be­nen - Ar­beits­verhält­nis nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG gel­tend. Sei­ne zeit­wei­se er­folg­te Be­stel­lung zum Geschäftsführer der Be­klag­ten ändert dar­an nichts.

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen

aus­sch­ließlich zuständig für bürger­li­che Rechts­strei­tig­kei­ten zwi­schen Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­ge­bern aus dem Ar­beits­verhält­nis, über das Be­ste­hen oder Nicht­be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses so­wie über Ar­beits­pa­pie­re. Wer Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des Ar­beits­ge­richts­ge­set­zes ist, be­stimmt § 5 ArbGG.

a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gel­ten in Be­trie­ben ei­ner ju­ris­ti­schen

Per­son oder ei­ner Per­so­nen­ge­samt­heit Per­so­nen nicht als Ar­beit­neh­mer, die


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kraft Ge­set­zes, Sat­zung oder Ge­sell­schafts­ver­trag al­lein oder als Mit­glie­der des Ver­tre­tungs­or­gans zur Ver­tre­tung der ju­ris­ti­schen Per­son oder der Per­so­nen­ge­samt­heit be­ru­fen sind. Für ei­nen Rechts­streit zwi­schen dem Ver­tre­tungs­or­gan und der ju­ris­ti­schen Per­son sind nach die­ser ge­setz­li­chen Fik­ti­on die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen nicht be­ru­fen. Die Fik­ti­on der Norm gilt auch für das der Or­gan­stel­lung zu­grun­de lie­gen­de Rechts­verhält­nis. Sie greift un­abhängig da­von ein, ob das der Or­gan­stel­lung zu­grun­de lie­gen­de Rechts­verhält­nis ma­te­ri­ell-recht­lich als frei­es Dienst­verhält­nis oder als Ar­beits­verhält­nis aus­ge­stal­tet ist. Auch wenn ein An­stel­lungs­verhält­nis zwi­schen der ju­ris­ti­schen Per­son und dem Mit­glied des Ver­tre­tungs­or­gans we­gen des­sen star­ker in­ter­ner Wei­sungs­abhängig­keit als ein Ar­beits­verhält­nis zu qua­li­fi­zie­ren ist und des­halb ma­te­ri­el­les Ar­beits­recht zur An­wen­dung kommt, sind zur Ent­schei­dung ei­nes Rechts­streits aus die­ser Rechts­be­zie­hung die or­dent­li­chen Ge­rich­te be­ru­fen (BAG 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 - Rn. 11, NZA 2011, 874; 3. Fe­bru­ar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43; 20. Au­gust 2003 - 5 AZB 79/02 - zu B I 2 bis 4 der Gründe, BA­GE 107, 165; 23. Au­gust 2001 - 5 AZB 9/01 - zu II 1 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 54 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 36; 6. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 b der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 33). An der Un­zuständig­keit der Ar­beits­ge­rich­te ändert es nichts, dass zwi­schen den Pro­zess­par­tei­en strei­tig ist, wie das An­stel­lungs­verhält­nis zu qua­li­fi­zie­ren ist (BAG 6. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 b der Gründe, aaO). § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift so­gar ein, wenn ob­jek­tiv fest­steht, dass das An­stel­lungs­verhält­nis ein Ar­beits­verhält­nis ist. Die Fik­ti­on des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG soll si­cher­stel­len, dass die Mit­glie­der der Ver­tre­tungs­or­ga­ne mit der ju­ris­ti­schen Per­son selbst dann kei­nen Rechts­streit im „Ar­beit­ge­ber­la­ger“ vor dem Ar­beits­ge­richt führen, wenn die der Or­gan­stel­lung zu­grun­de lie­gen­de Be­zie­hung als Ar­beits­verhält­nis zu qua­li­fi­zie­ren ist (BAG 20. Au­gust 2003 - 5 AZB 79/02 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer gel­tend macht, er sei we­gen sei­ner ein­ge­schränk­ten Kom­pe­tenz in Wirk­lich­keit Ar­beit­neh­mer ge­we­sen (BAG 14. Ju­ni 2006 - 5 AZR 592/05 - Rn. 16, BA­GE 118, 278; 6. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 bB I 2 der Gründe, aaO; Schwab/Weth/Kliemt


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ArbGG 3. Aufl. § 5 Rn. 271). Für Ansprüche des Klägers, die während der Zeit als Geschäftsführer ent­stan­den sind, sind des­halb die or­dent­li­chen Ge­rich­te oh­ne Wei­te­res im­mer dann zuständig, wenn sie noch während der Geschäftsführ­er­be­stel­lung ge­richt­lich gel­tend ge­macht wer­den (vgl. BAG 20. Mai 1998 - 5 AZB 3/98 - zu II 1 der Gründe, NZA 1998, 1247). Nur so kann dem Zweck der ge­setz­li­chen Fik­ti­on des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ent­spro­chen und ein Ar­beits­ge­richts­pro­zess im „Ar­beit­ge­ber­la­ger“ ver­mie­den wer­den.

b) Et­was an­de­res kann sich je­doch dann er­ge­ben, wenn dem Rechts­streit

zwi­schen dem Mit­glied des Ver­tre­tungs­or­gans und der ju­ris­ti­schen Per­son nicht

das der Or­gan­stel­lung zu­grun­de lie­gen­de Rechts­verhält­nis, son­dern ei­ne

wei­te­re Rechts­be­zie­hung zu­grun­de liegt. In die­sem Fall greift die Fik­ti­on des

§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ein (BAG 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 -

Rn. 11,NZA 2011, 874; 3. Fe­bru­ar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, AP ArbGG

1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43;10. Ju­ni 2006 - 5 AZR 592/05 -

Rn. 16, BA­GE 118, 278, aaO; 20. Au­gust 2003 - 5 AZB 79/02 - zu B I 2 der

Gründe, BA­GE 107, 165; 23. Au­gust 2001 - 5 AZB 9/01 - zu II 1 der Gründe, AP

ArbGG 1979 § 5 Nr. 54 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 36; 11. Mai 1999 - 5 AZB

22/98 - zu II 3 c der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 = EzA ArbGG 1979 § 5

Nr. 33). Dies ist bei­spiels­wei­se der Fall, wenn der Or­gan­ver­tre­ter Rech­te mit

der Be­gründung gel­tend macht, nach der Ab­be­ru­fung als Geschäftsführer ha­be

sich das nicht gekündig­te An­stel­lungs­verhält­nis – wie­der - in ein Ar­beits­verhält-

nis um­ge­wan­delt (BAG 6. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 c der Gründe, aaO).

c) Ei­ne Zuständig­keit der Ar­beit­ge­rich­te kann fer­ner dann ge­ge­ben sein,
wenn der Kläger Ansprüche aus ei­nem auch während der Zeit als Geschäfts­führer nicht auf­ge­ho­be­nen Ar­beits­verhält­nis nach Ab­be­ru­fung als Or­gan­mit­glied gel­tend macht. Zwar liegt der Be­ru­fung ei­nes Ar­beit­neh­mers zum Geschäftsfüh­rer ei­ner GmbH ei­ne ver­trag­li­che Ab­re­de zu­grun­de, die re­gelmäßig als ein Geschäftsführer-Dienst­ver­trag zu qua­li­fi­zie­ren ist und mit der das Ar­beits­ver­hält­nis grundsätz­lich auf­ge­ho­ben wird (vgl. bspw. BAG 3. Fe­bru­ar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43; 5. Ju­ni 2008 - 2 AZR 754/06 - Rn. 23, AP BGB § 626 Nr. 211; 19. Ju­li 2007


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- 6 AZR 774/06 - Rn. 10, BA­GE 123, 294). Zwin­gend ist dies aber nicht. Zum ei­nen kann die Be­stel­lung zum Geschäftsführer ei­ner GmbH auch auf ei­nem Ar­beits­ver­trag be­ru­hen. Zum an­de­ren bleibt der Ar­beits­ver­trag be­ste­hen, wenn der Ar­beit­neh­mer auf­grund ei­ner form­lo­sen Ab­re­de zum Geschäftsführer der GmbH be­stellt wird, da ei­ne wirk­sa­me Auf­he­bung des frühe­ren Ar­beits­verhält­nis­ses die Ein­hal­tung der Schrift­form des § 623 BGB vor­aus­setzt (vgl. BAG 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 - Rn. 12, NZA 2011, 874; 3. Fe­bru­ar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, aaO). Ansprüche aus die­sem Ar­beits­ver­trag können dann nach Ab­be­ru­fung aus der Or­gan­schaft und da­mit nach dem Weg­fall der an­wend­ba­ren Fik­ti­on des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen gel­tend ge­macht wer­den. Dies gilt auch für die während der Zeit der Geschäftsführ­er­be­stel­lung auf die­ser ar­beits­ver­trag­li­chen Ba­sis ent­stan­de­nen Ansprüche.

2. In An­wen­dung die­ser Grundsätze ist die Be­schwer­de des Klägers

be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben für die gel­tend ge­mach­ten Ansprüche den Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen zu Un­recht ver­neint.

a) Der Kläger war als Geschäftsführer der be­klag­ten Ge­sell­schaf­ten mit
be­schränk­ter Haf­tung nach § 35 Abs. 1 Gmb­HG de­ren ge­setz­li­cher Ver­tre­ter und galt des­halb während der Zeit als be­stell­ter Geschäftsführer der Be­klag­ten nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des ArbGG (vgl. BAG 14. Ju­ni 2006 - 5 AZR 592/05 - zu II 2 a der Gründe, BA­GE 118, 278). Während die­ser Zeit konn­te er nicht vor den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­gen die Be­klag­ten kla­gen.

b) Nach sei­ner Ab­be­ru­fung als Geschäftsführer der Be­klag­ten er­fasst die
ge­setz­li­che Fik­ti­on des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG den Streit­fall und die vom Kläger gel­tend ge­mach­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Ansprüche nicht mehr. Zwar ist da­von aus­zu­ge­hen, dass sich die Par­tei­en vor der Be­stel­lung des Klägers zum Geschäftsführer der Be­klag­ten hierüber verständigt ha­ben. Al­ler­dings ist nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts der Ar­beits­ver­trag des Klägers hier­bei nicht form­wirk­sam auf­ge­ho­ben wor­den, son­dern be­stand viel­mehr


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wei­ter fort. Da­mit ba­sie­ren sämt­li­che Ansprüche auf ei­ner ein­heit­li­chen, un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Grund­la­ge. Dies gilt so­wohl für die For­de­run­gen, die vor und nach sei­ner Be­stel­lung als Geschäftsführer ent­stan­den sein könn­ten, als auch für je­ne, die er während sei­ner Tätig­keit als Geschäftsführer er­wor­ben hat.

Mi­kosch W. Rein­fel­der Ey­lert

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