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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 05.07.2016, 8 AZR 943/13

   
Schlagworte: Betriebsübergang, Widerspruchsrecht
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 943/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 05.07.2016
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Gera, Urteil vom 18.09.2012, 2 Ca 216/12
Thüringer Landesarbeitsgericht, Urteil vom 05.09.2013, 6 Sa 361/12
   

Im Na­men des Vol­kes!

UR­TEIL

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 11. De­zem­ber 2014 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Hauck, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Brein­lin­ger, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Win­ter so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Mall­mann und Kandler für Recht er­kannt:

 

-2-

1. Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 5. Sep­tem­ber 2013 - 6 Sa 361/12 - auf­ge­ho­ben.

2. Die Sa­che wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung - auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on - an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Fra­ge, ob zwi­schen ih­nen nach zwei Be­triebsübergängen, zu de­nen der Kläger - je­weils im Nach­hin­ein - dem Über­gang sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses wi­der­spro­chen hat, ein Ar­beits­verhält­nis be­steht.

Der Kläger ist seit 1992 bei der Be­klag­ten, ei­nem bun­des­weit täti­gen Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­neh­men, und ih­ren Rechts­vorgänge­rin­nen beschäftigt. Bei der Be­klag­ten ar­bei­te­te er zu­letzt im Call­cen­ter G.

Der Beschäfti­gungs­be­trieb des Klägers ging am 1. Sep­tem­ber 2007 von der Be­klag­ten auf die „V GmbH“ (V) über. Darüber war der Kläger durch ein Un­ter­rich­tungs­schrei­ben der V vom 26. Ju­li 2007 in­for­miert wor­den. Der Kläger hat die­sem Über­gang sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zunächst nicht wi­der­spro­chen und ar­bei­te­te nach dem Be­triebsüber­gang für die V.

Am 1. De­zem­ber 2008 er­folg­te ein wei­te­rer Be­triebsüber­gang, von der V auf die T G GmbH (T). Mit Schrei­ben vom 25. Ok­to­ber 2008 wur­de der Kläger darüber un­ter­rich­tet. Der Kläger hat auch die­sem Über­gang sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zunächst nicht wi­der­spro­chen. Er ar­bei­te­te fort­hin für die T. Ei­nen von der T an­ge­bo­te­nen neu­en Ar­beits­ver­trag zu schlech­te­ren Ar­beits­be­din­gun­gen un­ter­schrieb der Kläger nicht.

 

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Der Kläger wi­der­sprach mit Schrei­ben vom 3. März 2010 dem Über­gang sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses von der V auf die T. Dies­bezüglich er­hob er im April 2010 Kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt B ge­gen die V, ua. mit dem An­trag fest­zu­stel­len, dass zwi­schen den Par­tei­en ein Ar­beits­verhält­nis be­steht. Das Ver­fah­ren ruh­te zeit­wei­se. Im Au­gust 2013 erklärte der Kläger die Kla­gerück­nah­me, der die V je­doch nicht zu­stimm­te. Nach Hin­weis des Se­nats zur Vor­greif­lich­keit des Ver­fah­rens zum Wi­der­spruch ge­gen den Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses von der V auf die T hat der Kläger erklärt, er ha­be das Ver­fah­ren vor dem Ar­beits­ge­richt B wie­der auf­ge­nom­men.

Mit Ur­teil vom 26. Mai 2011 (- 8 AZR 18/10 -) ent­schied der Se­nat zu ei­nem wort­glei­chen Un­ter­rich­tungs­schrei­ben der V, eben­falls vom 26. Ju­li 2007, aber ein an­de­res Ar­beits­verhält­nis be­tref­fend, dass die Un­ter­rich­tung feh­ler­haft war. Mit Schrei­ben an die Be­klag­te vom 24. Ok­to­ber 2011 wi­der­sprach der Kläger dem Über­gang sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses von der Be­klag­ten auf die V.

Die T kündig­te das Ar­beits­verhält­nis im No­vem­ber 2011 we­gen Be­triebs­still­le­gung zum 30. Ju­ni 2012. Die vom Kläger da­ge­gen er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge wur­de rechts­kräftig ab­ge­wie­sen.

Mit sei­ner dies­bezüglich er­ho­be­nen Kla­ge hat der Kläger die Auf­fas­sung ver­tre­ten, we­gen der feh­ler­haf­ten Un­ter­rich­tung vom 26. Ju­li 2007 über den ers­ten Be­triebsüber­gang von der Be­klag­ten auf die V ha­be die Wi­der­spruchs­frist nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu lau­fen be­gon­nen. Sein Wi­der­spruch vom 24. Ok­to­ber 2011 sei recht­zei­tig er­folgt.

Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt fest­zu­stel­len, dass zwi­schen den Par­tei­en über den 1. Sep­tem­ber 2007 hin­aus ein Ar­beits­verhält­nis be­steht.

Ih­ren An­trag auf Kla­ge­ab­wei­sung hat die Be­klag­te vor al­lem da­mit be­gründet, das Wi­der­spruchs­recht des Klägers sei ver­wirkt.

 

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Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat­te vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Er­folg, das die Kla­ge ab­ge­wie­sen hat. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sein Kla­ge­ziel wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on des Klägers ist be­gründet. Ob der Kläger ge­gen den Über­gang sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses von der Be­klag­ten auf die V ei­nen wirk­sa­men Wi­der­spruch noch ein­le­gen konn­te, kann noch nicht ent­schie­den wer­den. Dies hängt zunächst von der bis­her nicht geklärten Fra­ge ab, ob die Be­klag­te beim Wi­der­spruch vom 24. Ok­to­ber 2011 „bis­he­ri­ger“ Ar­beit­ge­ber iSv. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB war oder nur ein „frühe­rer“ Ar­beit­ge­ber, dem ge­genüber kei­ne Wi­der­spruchsmöglich­keit (mehr) vor­ge­se­hen ist.

A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sei­ne kla­ge­ab­wei­sen­de Ent­schei­dung im We­sent­li­chen wie folgt be­gründet: Das Recht zum Wi­der­spruch sei zum Zeit­punkt sei­ner Ausübung ver­wirkt ge­we­sen. Nach - wie hier - vier Jah­ren und fast drei Mo­na­ten sei das Zeit­mo­ment erfüllt. Auch das Um­stands­mo­ment sei erfüllt, denn der Kläger ha­be mit ver­schie­de­nen ge­gen die V und die T er­ho­be­nen Fest­stel­lungs­kla­gen über sein Ar­beits­verhält­nis dis­po­niert. Das Wis­sen über die­se Kla­gen sei der Be­klag­ten zu­zu­rech­nen.

B. Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts hält der re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung nicht stand. Ob die zulässi­ge Kla­ge be­gründet ist, kann noch nicht ent­schie­den wer­den.

I. Die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­ge­be­ne Be­gründung recht­fer­tigt nicht den Schluss, dass das Wi­der­spruchs­recht ge­gen den Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses am 1. Sep­tem­ber 2007 im Zeit­punkt sei­ner Ausübung am 24. Ok­to­ber 2011 ver­wirkt war.

 

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1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat das Um­stands­mo­ment als erfüllt an­ge­se­hen, weil der Kläger ge­gen die V vor dem Ar­beits­ge­richt B und ge­gen die T vor dem Ar­beits­ge­richt G Fest­stel­lungs­kla­gen mit dem Ziel der An­wen­dung der Ta­rif­verträge der Be­klag­ten in sei­nem Ar­beits­verhält­nis - je­den­falls was die V be­trifft mit „Stand 31. Au­gust 2007“ - er­ho­ben hat.

2. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts hat der Kläger durch die­se Kla­gen nicht über sein Ar­beits­verhält­nis dis­po­niert.

a) Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO ge­won­ne­ne tatrich­ter­li­che Über­zeu­gung ist nur be­schränkt re­vi­si­bel. Sie kann re­vi­si­ons­recht­lich nur dar­auf über­prüft wer­den, ob sich das Lan­des­ar­beits­ge­richt ent­spre­chend die­sem ge­setz­li­chen Ge­bot mit dem Pro­zess­stoff um­fas­send und wi­der­spruchs­frei aus­ein­an­der­ge­setzt hat, die Würdi­gung al­so vollständig und recht­lich möglich ist und nicht ge­gen Denk­ge­set­ze und Er­fah­rungssätze verstößt (vgl. ua. BAG 26. Ju­ni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 42 mwN; 27. März 2014 - 6 AZR 989/12 - Rn. 37 mwN). Dies gilt auch für die Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob ein Recht ver­wirkt ist (näher BAG 15. März 2012 - 8 AZR 700/10 - Rn. 32 mwN; 24. Fe­bru­ar 2011 - 8 AZR 699/09 - Rn. 27 mwN; 17. Ja­nu­ar 2007 - 7 AZR 23/06 - Rn. 28 mwN).

b) Die­sem Prüfungs­maßstab hält das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht stand.

aa) Es stellt grundsätz­lich kei­ne Dis­po­si­ti­on über das Ar­beits­verhält­nis dar, wenn ei­ne Kla­ge auf Fest­stel­lung be­stimm­ter be­ste­hen­der Ar­beits­be­din­gun­gen er­ho­ben wird, oh­ne dass der recht­li­che Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses verändert wird. Dar­in liegt kein Erklärungs­wert im Sin­ne ei­nes Um­stands­mo­ments. Dies gilt je­den­falls dann, wenn es - wie im vor­lie­gen­den Zu­sam­men­hang - of­fen­kun­dig um die Si­che­rung bis­he­ri­ger Ver­trags­be­din­gun­gen im Ar­beits­verhält­nis geht, nämlich um die Fra­ge, wel­che ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen auf­grund ar­beits­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me auf das be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis an­zu­wen­den sind (vgl. zu die­ser An­wen­dungs­fra­ge ua. BAG 14. De­zem­ber 2011 - 4 AZR 179/10 -). So­lan­ge nicht klar - ggf. ge­richt­lich fest­ge­stellt - ist, wer nach ei­nem Wi­der­spruch/meh­re­ren Wi­dersprüchen tatsächlich der Ar­beit­ge­ber ist, ist

 

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es nur fol­ge­rich­tig, wenn ei­ne sol­che Fest­stel­lungs­kla­ge nicht nur ge­gen ei­nen der frag­li­chen Ar­beit­ge­ber ge­rich­tet wird.

bb) Aus dem vom Lan­des­ar­beits­ge­richt her­an­ge­zo­ge­nen Se­nats­ur­teil vom 15. März 2012 (- 8 AZR 700/10 - Rn. 37 f.) er­gibt sich nichts an­de­res. Die­ses be­han­delt ei­ne be­son­de­re Si­tua­ti­on und nicht ver­gleich­ba­re Ge­samt­umstände. Dort er­gab sich - an­ders als hier -, dass der Kläger die Verände­rung des recht­li­chen Be­stan­des sei­nes Ar­beits­ver­trags zwi­schen­zeit­lich an­ge­nom­men hat­te und zu­dem in die Würdi­gung der Ge­samt­umstände die Zu­sam­men­schau mit dem Vor­lie­gen ei­nes be­son­ders ge­wich­ti­gen Zeit­mo­ments ein­floss.

cc) Dass der Kläger zwar die bei­den Be­triebs­er­wer­ber auf An­wen­dung der Ta­rif­verträge der Be­klag­ten in An­spruch ge­nom­men hat, je­doch nicht - oder erst spät und mit an­de­rem Kla­ge­in­halt - die Be­klag­te, ist fol­ge­rich­tig. Sch­ließlich ging es bei den Fest­stel­lungs­kla­gen um Ar­beits­be­din­gun­gen aus der Zeit bei der Be­klag­ten, die der Kläger mit dem an­ge­streb­ten Wei­ter­be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten als grundsätz­lich ge­si­chert an­se­hen durf­te.

dd) Dem Zu­satz „Stand 31. Au­gust 2007“ der Kla­ge ge­gen die V kommt kei­ne Be­deu­tung zu. Dar­in kommt ei­ne Be­gren­zung zum Aus­druck, die un­ter Umständen wie hier re­gelmäßig mit der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zur Ver­trags­aus­le­gung bei ei­ner Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag in sog. Alt­verträgen aus der Zeit vor dem 1. Ja­nu­ar 2002 (vgl. da­zu BAG 11. De­zem­ber 2013 - 4 AZR 473/12 - Rn. 19 mwN) zu­sam­menhängt.

ee) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts kann im Rah­men der Prüfung von Ver­wir­kung ei­ne Zu­rech­nung von Wis­sen zwar die Wi­der­spruchs­adres­sa­ten iSv. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB be­tref­fen (da­zu BAG 24. Fe­bru­ar 2011 - 8 AZR 699/09 - Rn. 31 f.), je­doch nicht ei­ne „frühe­re“ Ar­beit­ge­be­rin.

II. Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts stellt sich nicht aus an­de­ren Gründen als rich­tig dar (§ 561 ZPO). Es liegt man­gels Ent­schei­dungs­rei­fe auch kein Fall von § 563 Abs. 3 ZPO vor. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil ist des­halb

 

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auf­zu­he­ben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sa­che ist zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

1. Das Wi­der­spruchs­recht bezüglich des Über­gangs des Ar­beits­verhält­nis­ses bei Be­triebsüber­gang ist zwar in der Richt­li­nie 2001/23/EG des Ra­tes vom 12. März 2001 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über die Wah­rung von Ansprüchen der Ar­beit­neh­mer beim Über­gang von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­tei­len (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16) nicht aus­drück­lich ge­re­gelt, je­doch in der Recht­spre­chung des EuGH an­er­kannt (ua. EuGH 16. De­zem­ber 1992 - C-132/91, C-138/91 und C-139/91 - [Katsi­kas ua.] Rn. 30 ff. mwN, Slg. 1992, I-6577). Der In­halt je­nes Rechts ist uni­ons­recht­lich nicht aus­ge­stal­tet; die Rechts­fol­gen ei­nes Wi­der­spruchs für das Ar­beits­verhält­nis rich­ten sich nach na­tio­na­lem Recht (ua. EuGH 16. De­zem­ber 1992 - C-132/91, C-138/91 und C-139/91 - [Katsi­kas ua.] Rn. 37, aaO). Für die Vor­aus­set­zun­gen des Wi­der­spruchs­rechts er­gibt sich nichts an­de­res. Zu­dem ver­pflich­tet die Richt­li­nie die Mit­glied­staa­ten schon nicht, die Auf­recht­er­hal­tung des Ar­beits­ver­trags oder Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Veräußerer für den Fall vor­zu­se­hen, dass der Ar­beit­neh­mer sich frei dafür ent­schei­det, den Ar­beits­ver­trag oder das Ar­beits­verhält­nis nicht mit dem Er­wer­ber fort­zu­set­zen (EuGH 16. De­zem­ber 1992 - C-132/91, C-138/91 und C-139/91 - [Katsi­kas ua.] Rn. 35, aaO).

2. Ob der Wi­der­spruch vom 24. Ok­to­ber 2011 ge­gen den Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses am 1. Sep­tem­ber 2007 wirk­sam war, kann erst ent­schie­den wer­den, wenn geklärt ist, ob die Be­klag­te zu dem ge­nann­ten Zeit­punkt „bis­he­ri­ge“ Ar­beit­ge­be­rin iSv. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB war oder nur ei­ne „frühe­re“ Ar­beit­ge­be­rin. Dies hängt von dem Aus­gang des Rechts­streits zum zu­vor er­folg­ten, al­so zeit­lich ers­ten Wi­der­spruch vom 3. März 2010 ge­gen den Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers von der V auf die T ab.

 

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a) Nach dem Wort­laut des § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB ist der Wi­der­spruch ge­genüber zwei Per­so­nen möglich: ge­genüber dem „bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber“ oder dem „neu­en In­ha­ber“. Ein Wi­der­spruchs­recht ge­genüber ei­nem ehe­ma­li­gen Ar­beit­ge­ber ist da­nach nicht ge­ge­ben (vgl. auch BAG 24. April 2014 - 8 AZR 369/13 -).

aa) „Bis­her/ig“ be­deu­tet: „bis jetzt“ (Brock­haus-Wah­rig Deut­sches Wörter­buch S. 703 [1980]); „von ei­nem un­be­stimm­ten Zeit­punkt an bis zum heu­ti­gen Tag“ (Du­den Das große Wörter­buch der deut­schen Spra­che 3. Aufl. S. 607); „bis­lang/bis jetzt/bis heu­te/bis da­to/bis zum heu­ti­gen Ta­ge/bis zur jet­zi­gen St­un­de“ (Knaurs Le­xi­kon der sinn­ver­wand­ten Wörter S. 116). Be­zo­gen auf ei­nen Be­triebsüber­gang ist der „bis­he­ri­ge Ar­beit­ge­ber“ der­je­ni­ge, der vor dem ak­tu­el­len Ar­beit­ge­ber den Be­trieb in­ne­hat­te. Ein noch wei­ter zurück­lie­gen­der ehe­ma­li­ger Ar­beit­ge­ber ist hin­ge­gen kein „bis­he­ri­ger“ Ar­beit­ge­ber iSd. Wort­lauts des § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB.

bb) Auch sys­te­ma­ti­sche Über­le­gun­gen führen zu dem Er­geb­nis, dass der Wi­der­spruch nur ge­genüber dem „bis­he­ri­gen“ Ar­beit­ge­ber oder „dem neu­en In­ha­ber“, den letz­ten Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses be­tref­fend, erklärt wer­den kann (näher BAG 24. April 2014 - 8 AZR 369/13 - Rn. 19 ff.).

cc) Dies ent­spricht der Ge­set­zes­be­gründung (BT-Drs. 14/7760 S. 20) für das Wi­der­spruchs­recht. Mit der Würde des Men­schen, dem Recht auf freie Ent­fal­tung der Persönlich­keit und dem Recht auf freie Ar­beits­platz­wahl (Art. 1, 2 und 12 GG) wäre es un­ver­ein­bar, wenn ein Ar­beit­neh­mer ver­pflich­tet würde, für ei­nen Ar­beit­ge­ber zu ar­bei­ten, den er nicht frei gewählt hat (BAG 22. April 1993 - 2 AZR 50/92 -; eben­so zu der Richt­li­nie 2001/23/EG: EuGH 16. De­zem­ber 1992 - C-132/91, C-138/91 und C-139/91 - [Katsi­kas ua.] Rn. 32, Slg. 1992, I-6577; vgl. auch Art. 1 und Art. 15 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on).

 

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Ist „das“ Ar­beits­verhält­nis (es han­delt sich im Rah­men des § 613a BGB im­mer um das ei­ne, nicht um meh­re­re Ar­beits­verhält­nis­se) zwi­schen­zeit­lich vom Erst­erwer­ber (bis­he­ri­ger Ar­beit­ge­ber) auf ei­nen Zweiter­wer­ber (neu­er In­ha­ber) über­ge­gan­gen und da­ge­gen ein Wi­der­spruch nicht oder nicht er­folg­reich er­ho­ben wor­den, stellt sich die Fra­ge ei­ner Ver­pflich­tung, für ei­nen Ar­beit­ge­ber zu ar­bei­ten, der nicht frei gewählt wor­den ist, nur noch in Be­zug auf den Zweiter­wer­ber (neu­er In­ha­ber).

b) Es ist der­zeit nicht geklärt, ob die Be­klag­te im Zeit­punkt des Wi­der­spruchs vom 24. Ok­to­ber 2011 „bis­he­ri­ge“ (oder ehe­ma­li­ge) Ar­beit­ge­be­rin des Klägers war. Da­von hängt es ab, ob - ab­ge­se­hen von der erst da­nach zu prüfen­den Fra­ge ei­ner Ver­wir­kung - ein sol­ches Wi­der­spruchs­recht im Ok­to­ber 2011 über­haupt noch be­stand. Der Aus­gang des Rechts­streits über den Wi­der­spruch vom 3. März 2010 zum Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses im Be­triebsüber­gang vom 1. De­zem­ber 2008 ist ab­zu­war­ten; falls der Kläger dar­in er­folg­reich ist, ein even­tu­ell grundsätz­lich be­ste­hen­des Wi­der­spruchs­recht al­so auch nicht ver­wirkt ist, führt der auf den Zeit­punkt des Be­triebsüber­gangs zurück­wir­ken­de Wi­der­spruch da­zu, dass das Ar­beits­verhält­nis des Klägers über den 1. De­zem­ber 2008 hin­aus un­verändert zunächst mit der V fort­be­steht (st. Rspr. des Se­nats, vgl. BAG 20. Mai 2010 - 8 AZR 734/08 - Rn. 32; 13. Ju­li 2006 - 8 AZR 305/05 - Rn. 41 mwN, BA­GE 119, 91). Die Be­klag­te wäre dann bei Zu­gang des Wi­der­spruchs vom 24. Ok­to­ber 2011 „bis­he­ri­ge“ Ar­beit­ge­be­rin des Klägers ge­we­sen. Die­se Si­tua­ti­on un­ter­stellt, wäre die nach dem Wi­der­spruch im No­vem­ber 2011 aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung der T ins Lee­re ge­gan­gen und hätte das Ar­beits­verhält­nis nicht be­en­den können.

3. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird zunächst den Aus­gang des vor­greif­li­chen Rechts­streits ab­zu­war­ten ha­ben. Erst da­nach kann es, falls das Wi­der­spruchs­recht am 24. Ok­to­ber 2011 noch be­stand, die Fra­ge ei­ner Ver­wir­kung

 

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be­zo­gen auf die­sen Wi­der­spruch prüfen und ent­schei­den, wel­che Umstände dies­bezüglich von Be­deu­tung sein können.

Hauck Brein­lin­ger Win­ter

Mall­mann R. Kandle

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