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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/033

ELE­NA

Kein Da­ten­schutz in der Lohn­buch­hal­tung: Ge­setz über das Ver­fah­ren des elek­tro­ni­schen Ent­gelt­nach­wei­ses (ELE­NA-Ver­fah­rens­ge­setz) vom 28.03.2009
Steckverbindung an PC-Rückwand ELE­NA: "Big Bro­ther" in der Lohn­buch­hal­tung
17.02.2010. Seit Ja­nu­ar 2010 müs­sen Ar­beit­ge­ber durch die Ein­füh­rung des Ge­set­zes über das Ver­fah­ren des elek­tro­ni­schen Ent­gelt­nach­wei­ses (ELE­NA) nicht mehr wie bis­her Sam­mel­mel­dun­gen für die Mel­dung zur So­zi­al­ver­si­che­rung vor­neh­men, son­dern mo­nat­lich ei­ne Un­men­ge von An­ga­ben "auf Vor­rat" zu den ein­zel­nen Be­schäf­tig­ten an ei­ne zen­tra­le Stel­le mel­den.

Da­mit hat "Big Bro­ther" Ein­zug in die Lohn­buch­hal­tung ge­hal­ten: Ge­setz über das Ver­fah­ren des elek­tro­ni­schen Ent­gelt­nach­wei­ses (ELE­NA-Ver­fah­rens­ge­setz) vom 28.03.2009.

Mel­dung zur So­zi­al­ver­si­che­rung

Ar­beit­ge­ber müssen für ih­re Beschäftig­ten So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge zah­len. Hierfür sind mo­nat­li­che Bei­trags­mel­dun­gen zur So­zi­al­ver­si­che­rung ab­zu­ge­ben. Sie er­fol­gen mo­nat­lich in Form ei­ner „Sam­mel­mel­dung“, d.h. der Ar­beit­ge­ber schlüsselt sei­ne An­ga­ben nicht nach den ein­zel­nen Beschäftig­ten auf, so dass die Da­ten ein­zel­nen Ar­beit­neh­mern nicht zu­ge­ord­net wer­den können.

Ist das Ar­beits­verhält­nis be­en­det und be­an­tragt der Ar­beit­neh­mer Ar­beits­lo­sen­geld I, hat der Ar­beit­ge­ber ei­ne Ar­beits­be­schei­ni­gung gemäß § 312 Drit­tes So­zi­al­ge­setz­buch (SGB III) zu er­tei­len. In die­ser ist an­zu­ge­ben, wie das Ar­beits­verhält­nis ge­en­det hat (et­wa durch Kündi­gung des Ar­beit­neh­mers, ein­ver­nehm­lich oder durch Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers), ob ei­ne Kündi­gung be­triebs­be­dingt, ver­hal­tens­be­dingt oder per­so­nen­be­dingt aus­ge­spro­chen wur­de, ob Ur­laubs(ab­gel­tungs)ansprüche be­ste­hen oder ob ei­ne Ab­fin­dung ge­zahlt wur­de. Per­so­nen­be­zo­ge­ne Mel­dun­gen zur So­zi­al­ver­si­che­rung sind auch bei Be­ginn und Un­ter­bre­chung ei­ner Beschäfti­gung so­wie in Ge­stalt der Jah­res­mel­dung zu ma­chen.

Auf der Grund­la­ge die­ser In­for­ma­tio­nen prüft die Ar­beits­agen­tur, ob der Ar­beit­neh­mer et­wa ei­ne Sperr­zeit gemäß § 144 SGB III we­gen ei­ner selbst ver­ant­wor­te­ten Ar­beits­auf­ga­be ver­wirkt hat oder der An­spruch auf Ar­beits­lo­sen­geld zunächst ruht, et­wa gemäß § 143 Abs. 1 SGB III auf­grund noch be­ste­hen­der Vergütungs­ansprüche. An­de­re An­ga­ben muss der Ar­beit­ge­ber ma­chen, wenn der Ar­beit­neh­mer z.B. El­tern­geld oder Wohn­geld be­an­tragt.

Elek­tro­ni­scher Ent­gelt­nach­weis (ELE­NA)

Von der Öffent­lich­keit kaum be­ach­tet wur­de auf der Grund­la­ge ei­nes 2002 durch­geführ­ten Mo­dell­ver­suchs („Job-Card-Pro­jekt“) vor knapp ei­nem Jahr das „Ge­setz über das Ver­fah­ren des elek­tro­ni­schen Ent­gelt­nach­wei­ses (ELE­NA-Ver­fah­rens­ge­setz) vom 28.03.2009“ ver­ab­schie­det, das er­heb­li­che Ände­run­gen des So­zi­al­ge­setz­buchs, hauptsächlich des sechs­ten Ab­schnitts des Vier­ten Buchs So­zi­al­ge­setz­buch (SGB IV), mit sich bringt.

Was als rei­nes Ver­fah­rens­recht da­her kommt und vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Wirt­schaft und Tech­no­lo­gie als „Mei­len­stein zur Entbüro­kra­ti­sie­rung“ ge­prie­sen wird (Broschüre des Mi­nis­te­ri­ums für Wirt­schaft und Tech­no­lo­gie „Das ELE­NA-Ver­fah­ren“), ist bei nähe­rem Hin­se­hen nichts we­ni­ger als ein Fron­tal­an­griff auf den Ar­beit­neh­mer­da­ten­schutz.

Künf­tig sol­len nämlich vie­le per­so­nen­be­zo­ge­ne In­for­ma­tio­nen, die bis­lang nur in kon­kre­tem Zu­sam­men­hang mit der Be­an­tra­gung von So­zi­al­leis­tun­gen preis­zu­ge­ben wa­ren, oh­ne kon­kre­ten An­lass und re­gelmäßig bzw. mo­nat­lich an ei­ne zen­tra­le Spei­cher­stel­le (ZSS) beim Ren­ten­ver­si­che­rungs­träger per Da­ten­fernüber­tra­gung (DFÜ) über­mit­telt wer­den. Zu die­sen Da­ten gehören sämt­li­che (!) In­for­ma­tio­nen, die auf der für den ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer mo­nat­lich er­stell­ten Lohn- bzw. Ge­halts­ab­rech­nung ent­hal­ten sind. Wur­de der mo­nat­li­che Brut­to­ver­dienst da­her bis­lang nur bei Ar­beits­lo­sen­geld­be­an­tra­gung ge­mel­det, soll fort­an fort­lau­fend oh­ne kon­kre­ten An­lass an ei­ne zen­tra­le Stel­le ge­sche­hen.

Zu die­sem Zweck ha­ben die Spit­zen­verbände der So­zi­al­ver­si­che­rung „Da­ten­bau­stei­nen“ er­stellt. Sie er­ge­ben sich aus den „Ge­mein­sa­men Grundsätzen für die Er­stat­tung der Mel­dun­gen der Ar­beit­ge­ber an die Zen­tra­le Spei­cher­stel­le im Rah­men des Ver­fah­rens des elek­tro­ni­schen Ent­gelt­nach­wei­ses nach § 28b Abs. 6 SGB IV“. Die Grundsätze wer­den vom Spit­zen­ver­band Bund der Kran­ken­kas­sen, der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund und der Bun­des­agen­tur für Ar­beit ent­wi­ckelt und vom BMAS so­wie vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Tech­no­lo­gie und Wirt­schaft ge­neh­migt.

Über die mo­nat­lich zu über­sen­den Da­ten hin­aus se­hen wei­te­re „Bau­stei­ne“ An­ga­ben vor, die bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu ma­chen sind. Zu erwähnen ist hier ein um­fang­rei­cher Bau­stein „Fehl­zei­ten“ so­wie ein Bau­stein „Kündi­gung/Ent­las­sung“, der die bis­lang mit der Ar­beits­be­schei­ni­gung ab­ge­frag­ten In­for­ma­tio­nen ab­fragt – und zwar un­abhängig da­von, ob der Ar­beit­neh­mer So­zi­al­leis­tun­gen be­an­tragt oder nicht. Hier sind auch An­ga­ben über De­tails des be­en­de­ten Ar­beits­verhält­nis­ses zu ma­chen, so et­wa zu Ab­mah­nun­gen, die dem Ar­beit­neh­mer er­teilt wor­den sind, zu den Gründen für ei­ne Kündi­gung oder ge­zahl­te Ab­fin­dun­gen. Im­mer­hin wur­de die Fra­ge da­nach, ob der Ar­beit­neh­mer an le­ga­len oder „wil­den“ Streiks teil­ge­nom­men hat­te, auf­grund der von ei­ni­gen Wo­chen in der Öffent­lich­keit geäußer­ten Be­den­ken wie­der ge­stri­chen.

Da­ten­satz und da­zu gehören­de Per­so­na­li­en sol­len zur Si­cher­heit von un­ter­schied­li­chen Stel­len, nämlich von der ZSS und von der „Re­gis­tra­tur Fach­ver­fah­ren“, ge­spei­chert wer­den. Ar­beit­neh­mer er­hal­ten ei­ne Si­gna­tur­kar­te und ei­ne Num­mer, die als ei­ne Art Schlüssel die Da­ten wie­der zu­sam­menfügen kann. Stellt der Ar­beit­neh­mer ei­nen An­trag auf So­zi­al­leis­tun­gen, soll er die Frei­ga­be der Per­so­na­li­en und Da­ten ge­genüber der Behörde ge­neh­mi­gen, so dass von die­sen auf den Da­ten­satz zu­ge­grif­fen wer­den kann. Da­mit be­steht nach re­gie­rungs­amt­li­cher Einschätzung ein ho­her Schutz vor Miss­brauch. Ne­ben ei­ner „Entbüro­kra­ti­sie­rung“ soll das ELE­NA-Ver­fah­ren be­wir­ken, dass die Da­ten des Ar­beit­neh­mers bes­ser geschützt sind, weil nun sein (ehe­ma­li­ger) Ar­beit­ge­ber nicht mehr erfährt, ob und wann ein An­trag auf So­zi­al­leis­tun­gen (et­wa auf Wohn­geld) ge­stellt wird.

Ein­geführt wer­den soll all dies nach und nach. Seit dem 01.01.2010 sind die Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet, ELE­NA-Da­ten zu mel­den. An­ga­ben zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses müssen auf die­sem We­ge al­ler­dings erst ab Mit­te 2010 ge­macht wer­den, ein­ge­setzt wer­den soll das Sys­tem erst ab Ja­nu­ar 2012.

Er­setzt wer­den die Ar­beits­be­schei­ni­gung nach § 312 SGB III, die Ne­ben­ein­kom­mens­be­schei­ni­gung nach § 313 SGB III, die Aus­kunft über die Beschäfti­gung nach § 315 Abs. 3 SGB III, der Wohn­geld­an­trag nach § 23 Abs. 2 Wohn­geld­ge­setz und der An­trag auf El­tern­geld nach § 2 Abs. 7 Satz 4 i.V.m. § 9 Bun­des­el­tern­geld- und El­tern­zeit­ge­setz. Al­ler­dings ist ei­ne Er­wei­te­rung ge­plant: Nach und nach sol­len ab 2015 auch Kran­ken­geld, Kurz­ar­bei­ter­geld, Ar­beits­lo­sen­geld und Ren­ten­zah­lun­gen in ELE­NA ein­be­zo­gen wer­den.

Pro­ble­me mit dem Da­ten­schutz

Da­ten­schutz­recht­lich ist ELE­NA von er­heb­li­cher Bri­sanz. Ei­ne Viel­zahl von Da­ten wird, zwar pseud­ony­mi­siert aber eben se­pa­rat für je­den Ar­beit­neh­mer, oh­ne An­lass, al­so auf Vor­rat, bei ei­ner zen­tra­len Stel­le ge­spei­chert. Dort lie­gen al­so fort­an Da­ten über die mo­nat­li­che Höhe des Ent­gelts, die Wo­chen­ar­beits­zeit etc. von je­dem Ar­beit­neh­mer in ganz Deutsch­land.

Da­bei liegt die Ge­fahr ei­ner sol­chen „Sam­mel­wut“ we­ni­ger im il­le­ga­len Da­ten­zu­griff. Eher zu befürch­ten ist, dass mit der Zeit ganz le­gal im­mer mehr Stel­len Zu­griff auf im­mer mehr Da­ten er­hal­ten. Hie­zu be­merkt Ul­rich Goll (FDP), Jus­tiz­mi­nis­ter von Ba­den-Würt­tem­berg: „Ich ga­ran­tie­re Ih­nen, al­le Da­ten, die er­ho­ben wer­den, wer­den hin­ter­her für an­de­re Zwe­cke ge­nutzt, als es ursprüng­lich im Ge­setz drin­steht. Das ha­be ich bis­her in je­dem Fall so er­lebt und das hat mich ei­gent­lich zu dem Punkt ge­bracht, dass ich heu­te sa­ge, nur ein Da­tum, was nicht er­ho­ben wird, ist wirk­lich geschützt.“ (aus der Sen­dung „Mo­ni­tor“ der ARD vom 07.01.2010).

Fa­zit: Das Aus­maß, in dem hier der Da­ten­schutz aus­gehöhlt wird, scheint noch gar nicht an die Öffent­lich­keit ge­drun­gen zu sein. Die Einführung von ELE­NA be­deu­tet kaum we­ni­ger als die Ab­schaf­fung ei­nes Ar­beits­neh­mer­da­ten­schut­zes, der die­sen Na­men ver­dient.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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