HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 31.10.2013, 21 Sa 1380/13

   
Schlagworte: Altersdiskriminierung, Diskriminierung: Alter, Diskriminierung: Bewerbung, Diskriminierung: Beweislast
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 21 Sa 1380/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 31.10.2013
   
Leitsätze:

1. Einem Bewerber, der bei der Einstellung wegen eines in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes genannten Merkmals diskriminiert wird, steht eine Entschädigung zu.

2. Das Verlangen einer Entschädigung ist rechtmissbräuchlich, wenn der Bewerber an der zu besetzenden Stelle nicht ernsthaft interessiert ist, sondern sich nur beworben hat, um eine Entschädigung zu erhalten.

3. Ein Indiz für die fehlende Ernsthaftigkeit einer Stellenbewerbung ist, wenn sich ein Bewerber mit einem nichtsagenden Schreiben auf eine Stelle bewirbt, deren Anforderungen er nicht erfüllt und die nicht zu ihm passt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 20.06.13 - 34 Ca 3498/13
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg  

Verkündet

am 31. Ok­to­ber 2013

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
21 Sa 1380/13
34 Ca 3498/13
Ar­beits­ge­richt Ber­lin
 

M., GB
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In dem Recht­streit

pp.

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 21. Kam­mer, auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 31. Ok­to­ber 2013 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. H. als Vor­sit­zen­de so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Frau B. und Herrn L. für Recht er­kannt:

I. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 20.06.2013 - 34 Ca 3498/13 - wird zurück­ge­wie­sen.

II. Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens hat der Kläger zu tra­gen.

III. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten noch über ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch des Klägers we­gen Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Stel­len­aus­schrei­bung.

Der am … 1953 ge­bo­re­ne Kläger ist pro­mo­vier­ter Rechts­an­walt und be­treibt seit 1988 ei­ne Rechts­an­walts­kanz­lei in Re­gens­burg mit den Tätig­keits­schwer­punk­ten Ar­beits­recht, Arzt­recht-, Arzt­haf­tungs­recht-, Me­di­zin­recht, Erbrecht-, Fa­mi­li­en­recht, For­de­rungs­bei­trei­bung, Miet­recht, Straf­recht und Zi­vil­recht. Sein ers­tes Staats­ex­amen leg­te er 1979 in Frei­burg mit der No­te „be­frie­di­gend“ (7 Punk­te) und sein zwei­tes Staats­ex­amen 1983 in Stutt­gart eben­falls mit der No­te „be­frie­di­gend“ (7 Punk­te) ab. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf die ein­ge­reich­ten Zeug­nis­se (Bl. 139 ff. u. Bl. 142 ff. d. A.) ver­wie­sen.

Die Be­klag­te zu 1) ist ei­ne Rechts­an­walts­so­zietät und be­treibt in Ber­lin seit mehr als zehn Jah­ren ei­ne auf das zi­vi­le Wirt­schafts­recht spe­zia­li­sier­te Rechts­an­walts­kanz­lei. Die Be­klag­ten zu 2) und 3) sind die Ge­sell­schaf­ter bzw. Teil­ha­ber der So­zietät.

An­fang 2013 schal­te­te die Be­klag­te in Heft 4 der Neu­en Ju­ris­ti­schen Wo­chen­schrift (NJW) ei­ne Stel­len­an­zei­ge in der es aus­zugs­wei­se wie folgt heißt:
„Un­se­re nam­haf­ten, über­wie­gend mit­telständi­schen Man­dan­ten be­ra­ten wir im zi­vi­len Wirt­schafts­recht. Schwer­punk­te sind Han­dels- und Ge­sell­schafts­recht, M & A, Kar­tell­recht, Ur­he­ber- und Ver­lags­recht, häufig mit in­ter­na­tio­na­lem Be­zug (…).
Wir su­chen ins­be­son­de­re für den Be­reich Han­dels- und Ge­sell­schafts­recht
■ ei­nen Rechts­an­walt (m/w) Voll­zeit
■ ei­nen Rechts­an­walt (m/w) Teil­zeit
als Be­rufs­anfänger oder Kol­le­gen mit 1-3 Jah­ren Be­rufs­er­fah­rung. Prädi­kats­ex­amen und aus­baufähi­ge Eng­lisch­kennt­nis­se set­zen wir vor­aus.


Wir bie­ten ei­ne her­aus­for­dern­de Tätig­keit mit ei­ge­nen Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten in ei­nem an­ge­neh­men Ar­beits­kli­ma. Ziel ist die späte­re Auf­nah­me in die Part­ner­schaft.“

We­gen des wei­te­ren In­halts der Stel­len­an­zei­ge wird auf de­ren Ab­lich­tung (Bl. 5 d. A.) ver­wie­sen. Die Stel­len­an­zei­ge wur­de in der On­line­aus­ga­be am 17. Ja­nu­ar 2013 und in der Print­aus­ga­be am 24. Ja­nu­ar 2013 veröffent­licht.

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Mit Schrei­ben vom 29. Ja­nu­ar 2013 be­warb sich der Kläger auf die in der Print­aus­ga­be veröffent­lich­te Stel­len­an­zei­ge und fügte dem Schrei­ben sei­ne Be­wer­bungs­un­ter­la­gen bei. In dem Schrei­ben, wel­ches der Be­klag­ten zu 1) am 30. Ja­nu­ar 2013 zu­ging, führ­te er im We­sent­li­chen Fol­gen­des aus:


„Ich bin seit 1988 hier in Re­gens­burg als Rechts­an­walt tätig, je­doch im Prin­zip ört­lich un­ge­bun­den. Ich ha­be, wie aus den bei­gefügten Be­wer­bungs­un­ter­la­gen er­sicht­lich, zwei Prädi­kats­ex­amen und bin darüber hin­aus pro­mo­viert. Das Wirt­schafts­recht mit den von Ih­nen ge­nann­ten Teil­be­rei­chen ken­ne ich umfäng-lich aus mei­ner langjähri­gen be­ruf­li­chen Tätig­keit als Rechts­an­walt. Im Ver­lags­we­sen war ich so­gar ei­ni­ge Jah­re bei ei­ner Ta­ges­zei­tung an­ge­stellt.
Aus­baufähi­ge Eng­lisch­kennt­nis­se sind selbst­verständ­lich.“

We­gen des wei­te­ren In­halts des Be­wer­bungs­schrei­bens wird auf des­sen Ab­lich­tung (Bl. 6 d. A.) ver­wie­sen.

Mit Schrei­ben vom 5. Fe­bru­ar 2013 (Bl. 7 d. A.) teil­te die Be­klag­te dem Kläger mit, sie ha­be sich für ei­nen an­de­ren Be­wer­ber ent­schie­den, und sand­te ihm sei­ne Be­wer-bungs­un­ter­la­gen zurück. Dar­auf­hin for­der­te der Kläger von der Be­klag­ten zu 1) mit Schrei­ben vom 11. Fe­bru­ar 2013 (Bl. 8 f. d. A.) ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Höhe von 10.000,00 Eu­ro und Scha­den­er­satz in Höhe von 50.000,00 Eu­ro nach § 15 AGG we­gen Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung. Hier­ge­gen wand­te die Be­klag­te zu 1) mit Schrei­ben vom 21. Fe­bru­ar 2013 ein, die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le sei zum Zeit­punkt des Ein­gangs der Be­wer­bung des Klägers be­reits be­setzt ge­we­sen, wes­halb schon aus die­sem Grund ei­ne Be­nach­tei­li­gung nicht in Be­tracht kom­me. Un­abhängig da­von verfüge die ein­ge­stell­te Kol­le­gin über zwei voll­be­frie­di­gen­de Ex­ami­na. Auch ver­s­toße die Aus­schrei­bung nicht ge­gen die Vor­ga­ben des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes. Die For­mu­lie­rung „Be­rufs­anfänger oder Kol­le­gen mit 1-3 Jah­ren Be­rufs­er­fah­rung“ neh­me nicht Be­zug auf das Le­bens­al­ter, son­dern be­gründe sich da­durch, dass die Kanz­lei selbst aus­bil­de. Älte­re Kol­le­gen sei­en hoch­will­kom­men, z. B. sol­che, die aus ei­ner Rechts­ab­tei­lung in den An­walts­be­ruf wech­sel­ten. Hier­auf ant­wor­te­te der Kläger mit Schrei­ben vom 25. Fe­bru­ar 2013, die Stel­len­an­zei­ge ver­s­toße sehr wohl ge­gen das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz. Die be­sag­te For­mu­lie­rung neh­me mit­tel­bar Be­zug auf das Le­bens­al­ter. Voll­be­frie­di­gen­de Ex­ami­na sei­en nicht ge­for­dert ge­we­sen, son­dern nur Prädi­kats­ex­amen. Die Be­klag­te zu 1) re­agier­te dar­auf nicht.

Mit der am 8. März 2013 beim Ar­beits­ge­richt Ber­lin ein­ge­gan­ge­nen, den Be­klag­ten am 13. März 2013 zu­ge­stell­ten Kla­ge hat der Kläger die Be­klag­ten auf Aus­kunft über die

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für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le vor­ge­se­he­ne und tatsächlich ver­ein­bar­te Jah­res­vergütung so­wie auf Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe der Jah­res­vergütung in An­spruch ge­nom­men und die Jah­res­vergütung auf et­wa 60.000,00 Eu­ro geschätzt.

Der Kläger hat mit Nicht­wis­sen be­strit­ten, dass die Be­klag­te zu 1) be­reits vor Ein­gang sei­ner Be­wer­bung ei­ne Be­wer­be­rin ein­ge­stellt hat. Zu­dem sei­en zwei Stel­len aus­ge­schrie­ben ge­we­sen. Er sei für die Stel­len auch ob­jek­tiv ge­eig­net ge­we­sen. Bei ei­nem dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Ver­fah­ren hätte er ein­ge­stellt wer­den müssen, da er pro­mo­viert sei und zwei Prädi­kats­ex­ami­na so­wie jahr­zehn­te­lan­ge Be­rufs­er­fah­rung ha­be.

Der Kläger hat be­an­tragt,


1. die Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, dem Kläger Aus­kunft über die tatsächli­che ver­ein­bar­te und darüber hin­aus­ge­hen­de mögli­che vor­ge­se­he­ne Jah­res­vergütung der NJW 2013, Heft 4 vom 24. Ja­nu­ar 2013 aus­ge­schrie­be­nen Stel­le zu er­tei­len;


2. die Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, dem Kläger Entschädi­gung und Scha­den­er­satz in Höhe der gemäß 1. er­teil­ten Aus­kunft nebst Zin­sen hier­aus in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­ten ha­ben be­an­tragt,


die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­ten ha­ben vor­ge­tra­gen, noch vor Ein­gang der Be­wer­bung des Klägers sei­en sie mit ei­ner Be­wer­be­rin, Frau G., über de­ren Ein­stel­lung zum 15. Mai 2013 ei­nig ge­wor­den. Frau G. ha­be sich be­reits am 18. Ja­nu­ar 2013 per E-Mail auf die on­line veröffent­lich­te Stel­len­an­zei­ge be­wor­ben und ih­re Be­wer­bungs­un­ter­la­gen über­sandt. Am Frei­tag, den 25. Ja­nu­ar 2013, ha­be mit Frau G. ein Be­wer­bungs­gespräch statt­ge­fun­den, das so über­zeu­gend ver­lau­fen sei, dass sie sich um­ge­hend für sie ent­schie­den und ihr am Mon­tag, den 28. Ja­nu­ar 2013, um 15:20 Uhr per E-Mail ei­ne Fest­an­stel­lung an­ge­bo­ten hätten. Die­se ha­be Frau G. noch an dem­sel­ben Tag um 19:35 Uhr per E-Mail an­ge­nom­men. An­ders als der Kläger erfülle Frau G. auch das An­for­de­rungs­pro­fil. Sie ha­be ihr ers­tes Staats­ex­amen mit der Ge­samt­no­te „voll­be­frie­di­gend“ (10,07 Punk­te) und das zwei­te Staats­ex­amen mit der Ge­samt­no­te „voll­be­frie­di­gend“ (9,38 Punk­te) be­stan­den, was zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig ist. Fer­ner ha­ben die Be­klag­ten die Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung des Klägers be­zwei­felt, weil sich das bis­he­ri­ge Tätig­keits­spek­trum des Klägers er­heb­lich von den Spe­zi­al­ge-

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bie­ten ih­rer Kanz­lei un­ter­schei­de und nicht er­sicht­lich sei, wes­halb der Kläger sei­ne Ein­zel­pra­xis für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le auf­ge­ben würde. Ab­ge­se­hen da­von sei die Stel­len­an­zei­ge al­ter­s­neu­tral for­mu­liert und auch so ge­meint ge­we­sen. Als klei­ne spe­zia­li­sier­te „An­walts­bou­tique“ mit langjähri­gen Man­dan­ten und ei­nem In­ter­es­se an ei­nem or­ga­ni­schen Wachs­tum, in der ein fein ab­ge­stimm­tes Mit­ein­an­der er­for­der­lich sei, sei ih­nen dar­an ge­le­gen ge­we­sen, ei­nen neu hin­zu­kom­men­den Kol­le­gen bzw. ei­ne neu hin­zu­kom­men­de Kol­le­gin selbst aus­zu­bil­den und auf die­se Wei­se an die be­son­de­ren An­for­de­run­gen und Maßstäbe der Ar­beits­wei­se und des Sti­els der Kanz­lei her­an­zuführen. Dies hänge nicht vom Al­ter der ein­zu­stel­len­den Per­son ab. Viel­mehr ha­be die Stel­le auch mit ei­nem älte­ren Ju­ris­ten oder ei­ner älte­ren Ju­ris­tin be­setzt wer­den können, der oder die bis­her in ei­nem Un­ter­neh­men, in der Jus­tiz oder in der Leh­re tätig ge­we­sen sei.

We­gen des wei­te­ren erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf die Kla­ge­schrift (Bl. 1 - 4 d. A.) und den Schrift­satz des Klägers vom 3. Ju­ni 2013 (Bl. 42 - 43 d. A.) so­wie auf die Schriftsätze der Be­klag­ten vom 17. Mai 2013 (Bl. 33 - 38 d. A.) und 14. Ju­ni 2013 (Bl. 49 - 51 d. A.) nebst der je­wei­li­gen in Be­zug ge­nom­me­nen An­la­gen ver­wie­sen.

Mit Ur­teil vom 20. Ju­ni 2013 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­gründung im We­sent­li­chen aus­geführt, die Be­klag­ten hätten plau­si­bel vor­ge­tra­gen, dass sie sich, noch be­vor die Be­wer­bung des Klägers ein­ge­gan­gen sei, mit ei­ner an­de­ren Be­wer­be­rin ei­nig ge­wor­den sei­en und da­durch das Stel­len­aus­schrei­bungs­ver­fah­ren be­en­det ge­we­sen sei. So­weit der Kläger die­sen Sach­vor­trag be­strit­ten ha­be, han­de­le es sich an­ge­sichts des von der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten, wenn auch in Tei­len ge­schwärz­ten E-Mail-Ver­kehrs vom 28. Ja­nu­ar 2013 um ein „Be­strei­ten ins Blaue hin­ein“. Auch der Ein­wand des Klägers, die Be­klag­ten hätten ei­ne Voll­zeit- und ei­ne Teil­zeit­kraft ge­sucht, führe nicht wei­ter. Die Be­klag­ten hätten fest be­haup­tet, nur ei­nen Be­wer­ber ge­sucht zu ha­ben. Et­was an­de­res las­se sich auch nicht zwin­gend aus der Stel­len­an­zei­ge her­aus­le­sen. Außer­dem müss­ten sie sich an der An­zei­ge nicht fest­hal­ten las­sen, weil dies nicht dem We­sen ei­ner „in­vi­ta­tio ad of­fe­ren­dum“ entspräche. Darüber hin­aus ha­be die Kam­mer an­ge­sichts der Kürze der kläge­ri­schen Ein­las­sung zu sei­ner Qua­li­fi­ka­ti­on An­lass an der Ernst­haf­tig­keit sei­nes Be­wer­bungs­schrei­bens zu Zwei­feln, ha­be sich je­doch nicht klar ent­schlos­sen, in­wie­fern der Kläger mit sei­nem Stel­len­pro­fil ei­nes sehr breit auf­ge­stell­ten Rechts­an­walts den An­for­de­run­gen der

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Be­klag­ten ent­spro­chen ha­be und sich tatsächlich ernst­haf­te Hoff­nung ha­be ma­chen dürf­ten, als taug­li­cher Be­wer­ber ak­zep­tiert wer­den. We­gen der Ein­zel­hei­ten der Be­gründung wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils (Bl. 58 - 60 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses dem Kläger am 8. Ju­li 2013 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die am 5. Au­gust 2013 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­ne Be­ru­fung des Klägers, wel­che er mit am 23. Au­gust 2013 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz be­gründet hat.

Der Kläger setzt sich mit dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil aus­ein­an­der und ver­tieft sein erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen. Selbst wenn Frau G. vor dem Ein­gang sei­nes Be­wer­bungs­schrei­bens ein­ge­stellt wor­den sei, schließe dies ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung nicht ge­ne­rell aus, da ei­nem Be­wer­ber die Chan­ce auf ei­ne Ein­stel­lung auch durch ei­ne dis­kri­mi­nie­ren­de Ge­stal­tung des Be­wer­bungs­ver­fah­rens ge­nom­men wer­den könne. Die Be­klag­ten hätten ei­ne Be­wer­bungs­frist von min­des­tens ei­ner Wo­che ab Veröffent­li­chung der Print­aus­ga­be am 24. Ja­nu­ar 2013 ab­war­ten müssen und nicht ein­fach die erst­bes­te „jun­ge“ Mit­ar­bei­te­rin ein­stel­len dürfen, um ggf. noch später ein­ge­hen­de Be­wer­bun­gen älte­rer Be­wer­ber nicht mehr berück­sich­ti­gen zu müssen. Ab­ge­se­hen da­von sei die Stel­len­an­zei­ge auch ganz ein­deu­tig so zu le­sen, dass zwei Stel­len hätten be­setzt wer­den sol­len. Dies ha­be auch nichts mei­ner „in­vi­ta­tio ad of­fe­ren­dum“ zu tun, son­dern mit dem In­diz ei­ner Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung, das die Be­klag­ten nicht wi­der­legt hätte. So­weit das Ar­beits­ge­richt Zwei­fel an der Ernst­haf­tig­keit sei­ner Be­wer­bung geäußert ha­be und das Ur­teil auf die­sen Zwei­feln be­ru­he, sei dies in recht­li­cher Hin­sicht un­be­acht­lich. Das Dis­kri­mi­nie­rungs­in­diz könne nicht durch ir­gend­wel­che Zwei­fel, son­dern nur durch ein­deu­ti­ge Be­wei­se wi­der­legt wer­den. Es müsse auch nicht der Ar­beit­neh­mer Be­weis an­tre­ten, dass er ein ernst­haf­ter Be­wer­ber sei. Viel­mehr tra­ge um­ge­kehrt der Ar­beit­ge­ber die Dar­le­gungs- und Be­weis­last, dass es sich um kei­ne ernst­haf­te Be­wer­bung ge­han­delt ha­be. Wei­ter meint der Kläger, ein Be­wer­ber müsse nicht al­le An­for­de­run­gen ei­nes Stel­len­pro­fils erfüllen, es rei­che viel­mehr aus, dass er ob­jek­tiv, d. h. grundsätz­lich ge­eig­net sei. Hierfür genüge die Befähi­gung zum Rich­ter­amt durch das er­folg­rei­che Be­ste­hen bei­der Staats­ex­amen. Außer­dem sei zu berück­sich­ti­gen, dass zu der Zeit, als er sei­ne Staats­ex­amen ab­ge­legt ha­be, ei­ne No­ten­ska­la von 1 bis ma­xi­mal 15 Punk­te ge­gol­ten ha­be, wes­halb zu den von ihm er­ziel­ten Punk­ten ein Zu­schlag von 20 % hin­zu­zu­rech­nen sei. Zu­dem sei da­mals wie

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heu­te ein Ex­amen ab der No­ten­stu­fe „be­frie­di­gend“ ein Prädi­kats­ex­amen. Dies­bezüglich ver­weist der Kläger auf Be­rich­te des bay­ri­schen Lan­des­jus­tiz­prüfungs­am­tes. So­fern in an­de­ren Bun­desländern un­ter „Prädi­kats­ex­amen“ et­was an­de­res ver­stan­den wer­de, sei­en die Ex­amen je­den­falls gleich­zu­stel­len, weil die Ho­heit für die No­ten­ver­ga­be be­kannt­lich bei den Ländern lie­ge. Die Viel­zahl sei­ner Be­wer­bun­gen und Entschädi­gungs­kla­gen las­se kei­nen Rück­schluss auf die Ernst­haf­tig­keit sei­ner Be­wer­bung zu. Zwar be­wer­be er sich sys­te­ma­tisch auf Stel­len­an­zei­gen, aber nicht um sich auf Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung zu be­ru­fen, son­dern um ei­ne fai­re Be­wer­bungs­chan­ce zu er­hal­ten. Die­se wer­de ihm ins­be­son­de­re von großen Fir­men ver­wehrt, die of­fen­bar mein­ten, dass für sie ein an­de­res Recht gel­te als für al­le an­de­ren.

Der Kläger be­an­tragt zu­letzt,


das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 20. Ju­ni 2013 - 34 Ca 3498/13 - teil­wei­se ab­zuändern und die Be­klag­ten als Ge­samt­schuld­ner zu ver­ur­tei­len, an den Kläger ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung zu zah­len, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, die je­doch ei­nen Be­trag von 60.000,00 Eu­ro nicht über­schrei­ten soll­te, nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­ten be­an­tra­gen,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Im Übri­gen hat der Kläger die Kla­ge in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt am 31. Ok­to­ber 2010 mit Zu­stim­mung der Be­klag­ten zurück­ge­nom­men.

Die Be­klag­ten hal­ten die Be­ru­fung be­reits für un­zulässig, weil sich der Kläger nicht mit al­len tra­gen­den Gründen des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils aus­ein­an­der­ge­setzt ha­be. Das Ar­beits­ge­richt ha­be in sei­ner Ent­schei­dung u. a. auf die feh­len­de Qua­li­fi­ka­ti­on des Klägers für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le als selbstständig tra­gen­den Grund ab­ge­stellt. Wes­halb das Ar­beits­ge­richt hier­von zu Un­recht aus­ge­gan­gen sei, da­zu ha­be der Kläger in der Be­ru­fungs­be­gründung nichts vor­ge­tra­gen. Im Übri­gen ver­tei­di­gen die Be­klag­ten das an­ge­foch­te­ne Ur­teil und tra­gen ergänzend vor, in An­be­tracht des­sen, dass in der Stel­len­an­zei­ge kei­ne Be­wer­bungs­frist vor­ge­se­hen ge­we­sen sei und Stel­len­an­zei­gen in der NJW re­gelmäßig vor der ge­druck­ten Ver­si­on on­line veröffent­licht wer­den, ha­be der Kläger nicht dar­auf ver­trau­en dürfen, zum Zeit­punkt sei­ner Be­wer­bung über­haupt noch berück­sich­tigt zu wer­den. Auf­grund der an­spruchs­vol­len Man­da­te und des ent­spre­chend ho­hen fach­li­chen Ni­veaus der Tätig­keit sei­nen u. a.

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Prädi­kats­ex­amen ge­for­dert wor­den. Da­bei ha­be es sich er­kenn­bar um ei­ne Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zung ge­han­delt. Un­ter „Prädi­kats­ex­amen“ sei­en ent­spre­chend der übli­chen Ein­tei­lung der Ex­amens­no­ten bei Be­wer­bungs­vorgängen die­ser Art Ex­amen mit der No­te „voll­be­frie­di­gend“ oder bes­ser zu ver­ste­hen. In­so­weit feh­le es dem Kläger schon an der ob­jek­ti­ven Eig­nung für die Stel­le. Fer­ner sei den Ge­samt­umständen zu ent­neh­men, dass der Kläger kein ernst­haf­tes In­ter­es­se an der Stel­le ge­habt ha­be, son­dern es ihm nur dar­um ge­he, ei­ne Entschädi­gung zu er­lan­gen. Dafür spre­che der nichts­sa­gen­de In­halt des Be­wer­bungs­schrei­bens, der Um­stand, dass der Kläger in­ner­halb kürzes­ter Zeit min­des­tens zwölf Entschädi­gungs­kla­gen nach dem All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz er­ho­ben ha­be, in de­nen er je­weils 60.000,00 Eu­ro gel­tend ma­che, so­wie des­sen im Schrift­satz vom 9. Ok­to­ber 2013 zum Aus­druck kom­men­de grundsätz­lich ab­leh­nen­de Hal­tung ge­genüber Großkanz­lei­en. Hin­sicht­lich der wei­te­ren vom Kläger er­ho­be­nen Entschädi­gungs­kla­gen ver­wei­sen die Be­klag­ten u. a. auf die Ab­lich­tung ei­nes in der Zeit­schrift „Juve“ veröffent­lich­ten Ar­ti­kels „Von Be­ruf: Dis­kri­mi­niert“ (Bl. 122 - 127 d. A.).

We­gen des wei­te­ren zweit­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 22. Au­gust 2013 (Bl. 69 - 72 d. A.), 9. Ok­to­ber 2013 (Bl. 97 - 100 d. A.) und 28. Ok­to­ber 2013 (Bl. 138 d. A.) so­wie auf die Schriftsätze der Be­klag­ten vom 26. Sep­tem­ber 2013 (Bl. 87 - 93 d. A.), 24. Ok­to­ber 2013 (Bl. 116 - 121 d. A.) und 29. Ok­to­ber 2013 (Bl. 145 d. A.) nebst der je­weils in Be­zug ge­nom­me­nen An­la­gen ver­wie­sen.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung hat kei­nen Er­folg.

I. Die Be­ru­fung ist zulässig. Sie ist nach § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statt­haft so­wie form- und frist­ge­recht i. S. v. § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO ein­ge­legt und be­gründet wor­den. Ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten genügt die Be­ru­fungs­be­gründung den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen.

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1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Be­ru­fungs­be­gründung die Umstände be­zeich­nen, aus de­nen sich die Rechts­ver­let­zung durch das an­ge­foch­te­ne Ur­teil und de­ren Er­heb­lich­keit für das Er­geb­nis der Ent­schei­dung er­gibt. Sie muss des­halb er­ken­nen las­sen, in wel­chen Punk­ten tatsäch­li­cher oder recht­li­cher Art das an­ge­foch­te­ne Ur­teil nach An­sicht des Be­ru­fungsklägers un­rich­tig ist und auf wel­chen Gründen die An­sicht im Ein­zel­nen be­ruht. Ei­ne schlüssi­ge, recht­lich halt­ba­re Be­gründung kann zwar nicht ver­langt wer­den, doch muss die Be­ru­fungs­be­gründung auf den zur Ent­schei­dung ste­hen­den Fall zu­ge­schnit­ten sein und sich mit den recht­li­chen und tatsächli­chen Ar­gu­men­ten des an­ge­foch­te­nen Ur­teils be­fas­sen, wenn sie die­se bekämp­fen will. Für die er­for­der­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit den Ur­teils­gründen der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung reicht es nicht aus, die tatsächli­che oder recht­li­che Würdi­gung des Ar­beits­ge­richts in for­mel­haf­ten Wen­dun­gen zu rügen und le­dig­lich auf das erst­in­stanz­li­che Vor­brin­gen zu ver­wei­sen oder die­ses zu wie­der­ho­len (BAG vom 13.10.2010 - 6 AZR 120/10 -, ju­ris; vgl. auch vom 15.03.2011 - 9 AZR 813/09 -, AP Nr. 44 zu § 64 ArbGG 1979; vom 16.05.2012 - 4 AZR 245/10 -, NZA-RR 2012, 599). Hat das Erst­ge­richt sei­ne Ent­schei­dung auf meh­re­re von­ein­an­der un­abhängi­ge selbstständig tra­gen­de recht­li­che Erwägun­gen gestützt, muss die Be­ru­fungs­be­gründung das Ur­teil in al­len die­sen Punk­ten an­grei­fen. Es ist des­halb für je­de der recht­lich selbstständig tra­gen­den Erwägun­gen dar­zu­le­gen, war­um sie nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungsklägers die Ent­schei­dung nicht recht­fer­tigt. An­dern­falls ist das Rechts­mit­tel un­zulässig (BAG vom 28.05.2009 - 2 AZR 223/08 -, AP Nr. 2 zu § 520 ZPO).

2. Die­sen An­for­de­run­gen genügt die Be­ru­fungs­be­gründung. Das Ar­beits­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung dar­auf gestützt, der Tat­be­stand ei­ner Be­nach­tei­li­gung sei nicht ge­ge­ben, weil das Stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren be­reits zu ei­nem Zeit­punkt be­en­det ge­we­sen sei, als die Be­wer­bung des Klägers noch nicht vor­ge­le­gen ha­be. Mit die­sem Ge­sichts­punkt und den vom Ar­beits­ge­richt an­geführ­ten Gründen hat sich der Kläger in der Be­ru­fungs­be­gründung aus­rei­chend aus­ein­an­der­ge­setzt. Dies stel­len auch die Be­klag­ten nicht an Ab­re­de.

So­weit das Ar­beits­ge­richt darüber hin­aus Zwei­fel an der Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung des Klägers hat­te und sich „nicht klar ent­schlos­sen hat“, in­wie­fern der Kläger dem An­for­de­rungs­pro­fil der Stel­len­an­zei­ge ent­sprach und sich „ernst­haf­te Hoff­nun­gen ma­chen woll­te und durf­te“, als taug­li­cher Be­wer­ber ak­zep­tiert zu wer­den, muss­te sich die Be­ru­fungs­be­gründung da­mit nicht aus­ein­an­der­set­zen, da das Ur­teil er­sicht­lich nicht

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auf die­sen Erwägun­gen be­ruht. Viel­mehr hat das Ar­beits­ge­richt die an­ge­spro­che­nen Fra­gen ge­ra­de of­fen ge­las­sen. Aber selbst wenn die an­geführ­ten Zwei­fel an der Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung des Klägers für die Ent­schei­dung tra­gend ge­we­sen sein soll­ten, genügt die Be­ru­fungs­be­gründung den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen i. S. d. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger hat aus­geführt, wes­halb aus sei­ner Sicht Zwei­fel nicht genügen, und sich darüber hin­aus dar­auf be­ru­fen, dass die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für die man­geln­de Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung bei den Be­klag­ten lie­ge.

II. Die Be­ru­fung ist je­doch nicht be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat, so­weit das erst­in­stanz­li­che Ur­teil durch die teil­wei­se Kla­gerück­nah­me nicht ge­gen­stands­los ge­wor­den ist, die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Gründe für ei­ne ab­wei­chen­de Ent­schei­dung sind nicht ge­ge­ben.

1. Der auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung ge­rich­te­te Kla­ge­an­trag ist zulässig, ins­be­son­de­re hin­rei­chend be­stimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger durf­te die Höhe der von ihm be­gehr­ten Entschädi­gung in das Er­mes­sen des Ge­richts stel­len. Grund­la­ge hierfür ist § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, der für ei­nen Scha­den, der nicht Vermögen­scha­den ist, ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld vor­sieht. Dem Ge­richt wird bei der Be­stim­mung der Höhe der Entschädi­gung ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ein­geräumt (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38), wes­halb ei­ne Be­zif­fe­rung des Zah­lungs­an­trags nicht not­wen­dig ist. Er­for­der­lich ist al­lein, dass der Kläger Tat­sa­chen, die das Ge­richt bei der Be­stim­mung des Be­tra­ges her­an­zie­hen soll, be­nennt und die Größen­ord­nung der gel­tend ge­mach­ten For­de­rung an­gibt (BAG vom 13.10.2011 - 8 AZR 608/10 -, AP Nr. 9 zu § 15 AGG). Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind erfüllt. Der Kläger hat ei­nen Sach­ver­halt dar­ge­legt, der dem Ge­richt die Be­stim­mung ei­ner Entschädi­gung ermöglicht, und den Min­dest­be­trag der an­ge­mes­se­nen Entschädi­gung mit 60.000,00 Eu­ro be­zif­fert.

So­weit der Kläger den Kla­ge­an­trag in der münd­li­chen Ver­hand­lung am 31. Ok­to­ber 2013 präzi­siert hat, be­ste­hen hier­ge­gen kei­ne pro­zes­sua­len Be­den­ken.

2. Die Kla­ge ist un­be­gründet. Der Kläger hat im Zu­sam­men­hang mit der im Ja­nu­ar 2013 in der NJW veröffent­lich­ten Stel­len­an­zei­ge ge­gen die Be­klag­ten kei­nen An­spruch

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auf ei­ne Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG we­gen Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung. Ei­nem sol­chen An­spruch steht der Ein­wand des Rechts­miss­brauchs ent­ge­gen.

a) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG kann ein Be­wer­ber, der bei ei­ner Ein­stel­lungs­ent­schei­dung we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 AGG) be­nach­tei­ligt wird, we­gen ei­nes Scha­dens, der nicht Vermögens­scha­den ist, ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung ver­lan­gen. Zu den in § 1 AGG ge­nann­ten Gründen gehört u. a. das Al­ter. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ist die Höhe der Entschädi­gung auf drei Mo­nats­gehälter be­schränkt, wenn der be­nach­tei­lig­te Be­wer­ber auch bei be­nach­tei­li­gungs­frei­er Aus­wahl nicht ein­ge­stellt wor­den wäre.

Ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters kann nach § 3 Abs. 1 und 2 AGG nicht nur un­mit­tel­bar er­fol­gen, in­dem die Aus­wah­l­ent­schei­dung un­mit­tel­bar an das Al­ter an­knüpft, oh­ne dass dies ge­recht­fer­tigt ist, son­dern auch mit­tel­bar, in­dem Per­so­nen ei­ner be­stimm­ten Al­ters­grup­pe durch den An­schein nach neu­tra­le Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren sehr viel häufi­ger ne­ga­tiv be­trof­fen sind als Per­so­nen ei­ner an­de­ren Al­ters­grup­pe, oh­ne dass dies durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt ist und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind. Je­doch ist stets Vor­aus­set­zung, dass sich die be­nach­tei­lig­ten und begüns­tig­ten Per­so­nen in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on be­fin­den. Dies er­gibt sich dar­aus, dass so­wohl das Ver­bot ei­ner un­mit­tel­ba­ren als auch das Ver­bot ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung nach § 7 Abs. 1 AGG we­gen des Al­ters oder ei­nes an­de­ren in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ei­ne be­son­de­re Aus­prägung des all­ge­mei­nen Gleich­heits­sat­zes sind, wo­nach glei­che Sach­ver­hal­te nicht oh­ne sach­li­chen Grund un­gleich be­han­delt wer­den dürfen (vgl. BAG vom 27.01.2011 - 6 AZR 526/09 -, AP Nr. 1 zu § 17 TVöD Rz. 33; ArbG Ber­lin 30.07.2009 - 33 Ca 5772/09 -, NZA-RR 2010, 70 Rz. 37).

Kei­ne ver­gleich­ba­re Si­tua­ti­on ist ge­ge­ben, wenn der über­g­an­ge­ne Be­wer­ber für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le schon nicht ob­jek­tiv ge­eig­net war. Denn ver­gleich­bar ist die Aus­wahl­si­tua­ti­on nur für Ar­beit­neh­mer, die glei­cher­maßen die ob­jek­ti­ve Eig­nung für die zu be­set­zen­de Stel­le auf­wei­sen (BAG vom 24.01.2013 - 8 AZR 429/11 -, NZA 2013, 498 Rz. 34). Maßgeb­lich für die ob­jek­ti­ve Eig­nung ist da­bei nicht das for­mel­le An­for­de­rungs­pro­fil, wel­ches der Ar­beit­ge­ber er­stellt hat, son­dern die An­for­de­run­gen, die an die je­wei­li­ge Tätig­keit nach der im Ar­beits­le­ben herr­schen­den Ver­kehrs­an­schau­ung

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ge­stellt wer­den. Die ob­jek­ti­ve Eig­nung ist zu tren­nen von der in­di­vi­du­el­len fach­li­chen und persönli­chen Qua­li­fi­ka­ti­on des Be­wer­bers, die nur als Kri­te­ri­um der Aus­wah­l­ent­schei­dung auf der Ebe­ne der Kau­sa­lität zwi­schen Be­nach­tei­li­gung und ver­bo­te­nem Merk­mal ei­ne Rol­le spielt. Da­mit ist gewähr­leis­tet, dass der Ar­beit­ge­ber über den der Stel­le zu­ge­ord­ne­ten Auf­ga­ben­be­reich frei zu ent­schei­den hat, wie Ar­ti­kel 12 Abs. 1 GG es ge­bie­tet, aber nicht durch das Stel­len hierfür nicht er­for­der­li­cher An­for­de­run­gen an Be­wer­ber die Ver­gleich­bar­keit der Si­tua­ti­on selbst ge­stal­ten und dem Schutz des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes de fac­to be­sei­ti­gen kann. Be­wer­ber, wel­che die auf der zu be­set­zen­den Stel­le aus­zuüben­den Tätig­kei­ten grundsätz­lich ver­rich­ten können, oh­ne aber je­de Vor­aus­set­zung des An­for­de­rungs­pro­fils zu erfüllen, bedürfen des Schut­zes vor Dis­kri­mi­nie­rung, weil ge­ra­de An­for­de­rungs­pro­fi­le in Stel­len­an­zei­gen häufig Qua­li­fi­ka­tio­nen be­nen­nen, de­ren Vor­han­den­sein der Ar­beit­ge­ber sich für den Ide­al­fall zwar wünscht, die aber kei­nes­falls zwin­gen­de Vor­aus­set­zung ei­ner er­folg­rei­chen Be­wer­bung sind (BAG vom 19.08.2010 - 8 AZR 466/09 -, AP Nr. 5 zu § 3 AGG Rz. 36 f.).

Der er­for­der­li­che Kau­sal­zu­sam­men­hang zwi­schen der we­ni­ger güns­ti­gen Be­hand­lung und dem Al­ter ist be­reits dann ge­ge­ben, wenn die Be­nach­tei­li­gung an das Al­ter an­knüpft oder durch die­ses mo­ti­viert ist. Da­bei ist es nicht er­for­der­lich, dass der be­tref­fen­de Grund das aus­sch­ließli­che Mo­tiv für das Han­deln des Be­nach­tei­li­gen­den ist. Aus­rei­chend ist viel­mehr, dass das verpönte Merk­mal Be­stand­teil ei­nes Mo­tivbündels ist, wel­ches die Ent­schei­dung be­ein­flusst hat (BAG vom 24.01.2013 - 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 38). Da­bei genügt der Ar­beit­neh­mer nach der Be­weis­last­re­gel des § 22 AGG sei­ner Dar­le­gungs- und Be­weis­last, wenn er In­di­zi­en vorträgt und ggf. be­weist, die sei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters ver­mu­ten las­sen. Dies ist der Fall, wenn die vor­ge­tra­ge­nen und ggf. be­wie­se­nen Tat­sa­chen aus ob­jek­ti­ver Sicht mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit dar­auf schließen las­sen, dass die Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters er­folgt ist (vgl. BAG vom 24.01.2013 - 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 39; vom 21.06.2012 - 8 AZR 364/11 -, AP Nr. 5 zu § 22 AGG Rz. 33 m. w. N.). Ge­lingt dies, trägt nach § 22 AGG der Ar­beit­ge­ber Be­weis­last dafür, dass kein Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot vor­liegt.

Un­ter dem Ge­sichts­punkt des Rechts­miss­brauchs ist ein Entschädi­gungs­an­spruch aus­nahms­wei­se aus­ge­schlos­sen, wenn un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­falls da­von aus­zu­ge­hen ist, dass es sich um kei­ne ernst­haf­te Be­wer­bung

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han­delt, son­dern die­se nur des­halb er­folgt ist, um ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch zu er­lan­gen (BAG vom 24.01.2013 - 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 61 f.). Das Ver­bot des Rechts­miss­brauchs ist ein an­er­kann­ter Grund­satz des Ge­mein­schafts­rechts (BAG vom 13.10.2011 - 8 ARZ 608/10 -, AP Nr. 9 zu § 15 AGG Rz. 53 m. w. N.). Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für die feh­len­de Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung, d. h. den Rechts­miss­brauch, liegt beim Ar­beit­ge­ber. Die­ser muss In­di­zi­en vor­tra­gen, die ge­eig­net sind, den Schluss auf die feh­len­de Ernst­haf­tig­keit zu­zu­las­sen (BAG vom 24.01.2013 - 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 62). Al­lein der Um­stand, dass der Ar­beit­neh­mer ei­ne Viel­zahl von Entschädi­gungs­kla­gen er­ho­ben hat, ist für sich ge­nom­men noch kein aus­rei­chen­der Grund für die An­nah­me, die Be­wer­bung sei nicht ernst­haft er­folgt (vgl. BAG vom 24.01.2013 - 8 AZR 429/11 -, a. a. O. Rz. 63; vom 13.10.2011 - 8 AZR 608/10 -, a. a. O. Rz. 56; vom 21.07.2009 - 9 AZR 431/08 -, AP Nr. 1 zu § 82 SGB IX Rz. 52). Viel­mehr kann ei­ne Viel­zahl von Entschädi­gungs­kla­gen auch da­mit zu­sam­menhängen, dass die be­tref­fen­de Per­son be­son­ders häufig dis­kri­mi­niert wor­den ist (vgl. ErfK-Schlach­ter § 15 Rn. 12; Däubler/Bertz­bach-Dei­nert, § 15 Rn. 54a). Außer­dem ist nie­mand dar­an ge­hin­dert, aus sei­ner Sicht be­ste­hen­de Rech­te aus­zuüben (BAG vom 21.07.2009 - 9 AZR 431/08 -, a. a. O. Rz. 52).

b) In An­wen­dung die­ser Grundsätze steht dem Kläger kei­ne Entschädi­gung zu.

aa) Es spricht schon viel dafür, dass der Kläger we­gen sei­ner nur mit der No­te „be­frie­di­gend“ be­stan­de­nen Staats­ex­amen für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le bzw. die aus­ge­schrie­be­nen Stel­len ob­jek­tiv nicht ge­eig­net ist. Denn es ist ab­so­lut gängig bzw. üblich, dass ei­ne auf be­stimm­te Fach­ge­bie­te spe­zia­li­sier­te Rechts­an­walts­kanz­lei mit ho­hem fach­li­chem Ni­veau und ent­spre­chend an­spruchs­vol­len Man­da­ten zwei Prädi­kats­ex­amen als Min­dest­vor­aus­set­zung für ei­ne Ein­stel­lung er­war­tet. Dies ent­spricht auch den An­for­de­run­gen, die nach der Ver­kehrs­an­schau­ung an die Tätig­keit in ei­ner sol­chen Kanz­lei ge­stellt wer­den.

Der Kläger hat kei­ne zwei Prädi­kats­ex­amen, son­dern das ers­te und das zwei­te Staats­ex­amen mit je­weils 7 Punk­ten be­stan­den. Dies ent­spricht so­wohl sei­ner­zeit, als der Kläger sei­ne Ex­amen ab­ge­legt hat, als auch nach der ak­tu­el­len Ge­samt­no­ten­ska­la nach § 2 der Ver­ord­nung über ei­ne No­ten- und Punk­te­ska­la für die ers­te und zwei­te ju­ris­ti­sche Prüfung vom 11. De­zem­ber 1981 (BGBl. I S. 1243, zu­letzt geändert durch Art. 209 Abs. 4 des Ge­set­zes vom 19. April 2006 (BGBl. I S. 866), der No­te „be­frie­di-

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gend“ un­te­rer Be­reich. Un­ter ei­nem „Prädi­kats­ex­amen“ wird je­doch ganz über­wie­gend ein Ex­amen mit der No­te „voll­be­frie­di­gend“ und bes­ser ver­stan­den (vgl. BGH vom 26.02.2007 - NotZ 45/06 -, NJW-RR 2007, 1135 Rz. 17; OVG Bre­men vom 11.03.2013 - 2 B 294/12 -, NVwZ-RR 2013, 811 Rz. 30 und 33; OVG Lüne­burg vom 04.12.2009 – 2 KN 906/06 -, WissR 2010, 68 Rz. 35, LAG Nie­der­sach­sen vom 09.10.2007 - 5 Sa 207/07 -, ju­ris Rz 6; sie­he da­zu auch 3.1 der Stu­die des Sold­an-In­sti­tuts für An­walts­ma­nage­ment „Das ‚Sold­an-Gründungs­ba­ro­me­ter‘ - Be­ruf­li­che Si­tua­ti­on jun­ger Rechts­anwältin­nen und Rechts­anwälte“, BRAK-Mit­tei­lun­gen 2006, 55, ab­ruf­bar un­ter www.brak.de/fu­er-an­wa­el­te/pu­pli­ka­tio­nen, so­wie die An­ga­ben bei Wi­ki­pe­dia un­ter den Stich­wor­ten „Staats­ex­amen“, wi­ki­pe­dia.org/wi­ki/Staats­ex­amen, oder „Prädi­kats­ex­amen“, wi­ki­pe­dia.org/wi­ki/Prädi­kats­ex­amen). So­weit in Bay­ern, Ba­den-Würt­tem­berg und Sach­sen be­reits ab der No­te „be­frie­di­gend“ von ei­nem „Prädi­kats­ex­amen‘“ bzw. ei­nem „klei­nen Prädi­kats­ex­amen“ ge­spro­chen wird (sie­he Nach­wei­se bei Wi­ki­pe­dia un­ter dem Stich­wort „Prädi­kats­ex­amen“, a. a. O.), kommt es dar­auf nicht an, weil die Be­klag­te zu 1) ih­ren Sitz nicht in ei­nen die­ser Bun­desländer son­dern in Ber­lin hat und von da­her das in Ber­lin gel­ten­de über­wie­gen­de Verständ­nis maßge­bend ist. So­weit der Kläger meint, die Prädi­kats­ex­amen der un­ter­schied­li­chen Be­griffs­de­fi­ni­tio­nen sei­en ein­an­der gleich­zu­stel­len, weil die No­ten­ver­ga­be­ho­heit bei den Ländern lie­ge, ver­kennt er, dass es in den ein­zel­nen Bun­desländern kei­ne ge­setz­li­che De­fi­ni­ti­on des Be­griffs „Prädi­kats­ex­amen“ gibt, son­dern sich le­dig­lich ein be­stimm­tes Be­griffs­verständ­nis durch­ge­setzt hat.

Dem Vor­brin­gen des Klägers ist auch nicht zu ent­neh­men, dass er die mit zwei Prädi­kats­ex­amen übli­cher­wei­se ver­bun­de­nen ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se und Fähig­kei­ten im Rah­men sei­ner langjähri­gen Be­rufs­pra­xis als Rechts­an­walt oder auf an­de­re Wei­se er­wor­ben hat.

bb) Letzt­lich kommt es hier­auf je­doch nicht an. Eben­so kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die Be­klag­te zu 1) mit der Stel­len­an­zei­ge ei­ne oder zwei Stel­len aus­ge­schrie­ben hat­te, ob sie ei­ne Be­wer­bungs­frist von min­des­tens ei­ner Wo­che ab Veröffent­li­chung der Print­aus­ga­be der Stel­len­an­zei­ge hätte ein­hal­ten müssen und ob bei Ein­gang der Be­wer­bung des Klägers das Stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren be­reits ab­ge­schlos­sen war Es kann auch un­ent­schie­den blei­ben, ob der Text der Stel­len­an­zei­ge ein aus­rei­chen­des In­diz für ei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung des Klägers we­gen sei­nes Al­ters ist, wie der Kläger meint, oder ob die An­for­de­rung „Be­rufs­anfänger oder Kol­le­gen mit

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1-3 Jah­ren Be­rufs­er­fah­rung“ kei­nen hin­rei­chen­den Be­zug zu ei­nem be­stimm­ten Le­bens­al­ter hat, zu­min­dest aber durch ein le­gi­ti­mes Ziel i. S. v. § 3 Abs. 2 AGG sach­lich ge­recht­fer­tigt so­wie an­ge­mes­sen und er­for­der­lich ist, wie die Be­klag­ten mei­nen. Denn selbst, wenn die Be­klag­ten im Rah­men des Stel­len­be­set­zungs­ver­fah­rens ge­gen das Al­ters­dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot ver­s­toßen ha­ben, steht dem Kläger kei­ne Entschädi­gung zu, weil nach den Ge­samt­umständen da­von aus­zu­ge­hen ist, dass er an der Stel­le nicht sub­jek­tiv ernst­haft in­ter­es­siert war, son­dern sich nur des­halb be­wor­ben hat, um ei­ne Entschädi­gung ver­lan­gen zu können.

(1) Für ei­ne man­geln­de Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung spricht schon der kaum aus­sa­ge­kräfti­ge In­halt des Be­wer­bungs­schrei­bens.

An­ge­sichts des nicht ge­ra­de güns­ti­gen Ar­beits­mark­tes für Ju­ris­tin­nen und Ju­ris­ten mit nur durch­schnitt­li­chen Ex­amens­no­ten, ist im Grund­satz da­von aus­zu­ge­hen, dass ein ernst­haf­ter Be­wer­ber al­les tut, um in sei­ner Be­wer­bung ein po­si­ti­ves Bild von sei­ner Per­son, sei­nen auf die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le be­zo­ge­nen Fähig­kei­ten und sei­nem be­ruf­li­chen Wer­de­gang ab­zu­ge­ben, und al­les un­terlässt, was ein ne­ga­ti­ves oder auch nur be­denk­li­ches Licht auf die Be­wer­bung wer­fen könn­te (vgl. LAG Ham­burg vom 12.01.2009 - 3 Ca 26/08 -, LA­GE § 15 AGG Nr. 8 Rz. 19; LAG Ber­lin vom 30.03.2006 - 10 Sa 2395/05 -, NZA-RR 2006, 513 Rz. 34).

Der Kläger geht in sei­nem Be­wer­bungs­schrei­ben mit über­wie­gend for­mel­haf­ten, nichts­sa­gen­den Wen­dun­gen nur schein­bar kon­kret auf die Stel­len­an­zei­ge und die in Aus­sicht ge­stell­te Tätig­keit nebst de­ren An­for­de­rungs­pro­fil ein. Er teilt mit, er ha­be zwei Prädi­kats­ex­amen und aus­baufähi­ge Eng­lisch­kennt­nis­se sei­en selbst­verständ­lich. Das Wirt­schafts­recht ken­ne er umfäng­lich aus ei­ner langjähri­gen be­ruf­li­chen Tätig­keit als Rechts­an­walt und im Ver­lags­we­sen sei er so­gar ei­ni­ge Jah­re bei ei­ner Ta­ges­zei­tung tätig ge­we­sen. Er äußert sich je­doch nicht kon­kret da­zu, wel­che Er­fah­run­gen und Qua­li­fi­ka­tio­nen er im Be­reich des Han­dels- und Ge­sell­schafts­rechts hat, in wel­chem die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le an­ge­sie­delt ist, oder aus wel­chen an­de­ren Gründen, er sich für die Tätig­keit für qua­li­fi­ziert hält. Dem Be­wer­bungs­schrei­ben ist auch in kei­ner Wei­se zu ent­neh­men, was ihn ge­ra­de an der aus­ge­schrie­be­nen Tätig­keit in­ter­es­siert und wes­halb er, nach­dem er seit 25 Jah­ren als selbstständi­ger Rechts­an­walt tätig ist, In­ter­es­se an ei­ner Fest­an­stel­lung hat. Zwar ist dem Kläger dar­in zu­zu­stim­men, dass auch ein ernst­haf­ter Be­wer­ber in ei­nem Be­wer­bungs­schrei­ben kei­ne nähe­ren An­ga­ben

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et­wa zu sei­ner wirt­schaft­li­chen Si­tua­ti­on ma­chen würde, da er nicht si­cher da­von aus­ge­hen kann, dass das Be­wer­bungs­schrei­ben ver­trau­lich be­han­delt wird. Je­doch wäre vom Kläger zu er­war­ten ge­we­sen, dass er, so­fern sein In­ter­es­se an der Stel­le mit sei­ner wirt­schaft­li­chen Si­tua­ti­on im Zu­sam­men­hang steht, in das Be­wer­bungs­schrei­ben ei­nen Satz auf­nimmt wie, „mei­ne Gründe, wes­halb ich nach langjähri­ger selbstständi­ger Tätig­keit in ein An­ge­stell­ten­verhält­nis wech­seln möch­te, erläute­re ich Ih­nen ger­ne in ei­nem persönli­chen Gespräch.“ Denn oh­ne ei­nen Hin­weis dar­auf, dass es gu­te Gründe für ei­nen Wech­sel in ein An­ge­stell­ten­verhält­nis gibt, ist die Be­wer­bung für ei­nen po­ten­zi­el­len Ar­beit­ge­ber nicht nach­voll­zieh­bar und wird schon aus die­sem Grund nicht wei­ter in Be­tracht ge­zo­gen. Fer­ner hätte es nähe­rer Erläute­rung be­durft, wes­halb der Kläger meint, den Be­klag­ten die in der Stel­len­an­zei­ge zum Aus­druck kom­men­de erwünsch­te länger­fris­ti­ge Per­spek­ti­ve mit dem Ziel ei­ner späte­ren Auf­nah­me in die Part­ner­schaft bie­ten zu können, gleich­wohl er be­reits 60 Jah­re alt ist und in fünf bis sechs Jah­ren die Re­gel­sal­ters­gren­ze er­reicht ha­ben wird.

Ei­ne an­de­re Be­wer­tung er­gibt sich auch nicht dar­aus, dass die ein­ge­stell­te Mit­be­wer­be­rin Frau G. den Be­klag­ten ih­re Be­wer­bung mit ei­ner aus ei­nem Ein­zei­ler be­ste­hen­den E-Mail (Bl. 53 d. A.) über­sandt hat­te. Zum ei­nen steht nicht die Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung von Frau G. in Fra­ge. Zum an­de­ren gibt es im Fall des Klägers gleich meh­re­re Ein­stel­lungs­hin­der­nis­se, zu­min­dest aber Umstände, die ein be­denk­li­ches Licht auf sei­ne Be­wer­bung wer­fen, was bei Frau G. of­fen­sicht­lich nicht der Fall war.

(2) Letzt­lich hat sich der Kläger auf ei­ne Stel­le be­wor­ben, die nicht zu ihm passt und für die er nicht qua­li­fi­ziert ist. Er verfügt we­der - wie be­reits oben aus­geführt - über zwei Prädi­kats­ex­amen, noch ist er­sicht­lich, dass er auf­grund sei­nes Tätig­keits­pro­fils als breit auf­ge­stell­ter Rechts­an­walt über be­son­de­re Ex­per­ti­se im Han­dels- und Ge­sell­schafts­rechts verfügt. So­weit er an­gibt, er ha­be aus­baufähi­ge Eng­lisch­kennt­nis­se, er­scheint auch dies an­ge­sichts des Um­stan­des, dass er aus­weis­lich des von den Be­klag­ten ein­ge­reich­ten Ar­ti­kels, dem er nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten ist, Eng­lisch nach der 11. Klas­se ab­gewählt und mit der No­te „aus­rei­chend“ ab­ge­schlos­sen hat, eher zwei­fel­haft. Auch dies spricht ge­gen die Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung.

(3) Auffällig ist außer­dem, dass der Kläger zunächst mit Schrei­ben vom 11. Fe­bru­ar 2013 ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 10.000,00 Eu­ro und Scha­den­er­satz in Höhe von

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50.000,00 Eu­ro und schließlich mit der Kla­ge ei­ne Entschädi­gung in Höhe von min­des­tens ei­nem Jah­res­ge­halt bzw. 60.000,00 Eu­ro ver­langt hat, oh­ne nach­voll­zieh­ba­re Gründe für den Sin­nes­wan­del und die Höhe der je­wei­li­gen For­de­run­gen an­zu­ge­ben. Der Hin­weis in der Kla­ge­schrift, auf­grund sei­nes Dok­tor­ti­tels, sei­ner zwei Prädi­kats­ex­ami­na und sei­ner jahr­zehn­te­lan­gen Be­rufs­er­fah­rung ha­be er, wenn das Be­wer­bungs­ver­fah­ren dis­kri­mi­nie­rungs­frei be­trie­ben wor­den wäre, die Stel­le er­hal­ten müssen, ent­behrt - wie oben aus­geführt - jeg­li­cher Sub­stanz.

(4) Sch­ließlich spricht ge­gen die Ernst­haf­tig­keit der Be­wer­bung der in dem Ar­ti­kel in der Zeit­schrift „Juve“ ge­schil­der­te Sach­ver­halt. Da­nach be­wirbt sich der Kläger un­abhängig vom Rechts­ge­biet, der Kanz­lei oder dem Ein­satz­ort stets auf Stel­len­an­zei­gen, in de­nen Be­rufs­ein­stei­ger und Be­rufs­ein­stei­ge­rin­nen oder Rechts­anwälte und Rechts­anwältin­nen mit ers­ter Be­rufs­er­fah­rung ge­sucht wer­den, und for­dert im Fall der Ab­leh­nung 60.000,00 Eu­ro. Nach den Re­cher­chen der Zeit­schrift hat er bun­des­weit al­lein im Jahr 2013 16 der­ar­ti­ge Entschädi­gungs­kla­gen anhängig ge­macht, wo­bei er zu­min­dest in noch ei­nem wei­te­ren Fall die An­for­de­run­gen an die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le of­fen­sicht­lich nicht erfüllt hat.

Auch wenn al­lein ei­ne Viel­zahl von Entschädi­gungs­kla­gen kein In­diz für ei­nen Rechts-miss­brauch dar­stellt, stellt sich dies an­ders dar, wenn sich je­mand aus­sch­ließlich auf Stel­len be­wirbt, die un­ter Ver­s­toß ge­gen § 11 AGG aus­ge­schrie­ben wor­den sind (LAG Ba­den-Würt­tem­berg vom 20.03.2009 - 9 Sa 5/09 -, ju­ris Rz. 37; LAG Hamm vom 26.06.2008 - 15 Sa 63/09 -, LA­GE § 15 AGG Nr. 5 Rz. 63; ErfK-Schlach­ter, § 15 AGG Rn. 12). Da­von ist vor­lie­gend aus­zu­ge­hen. Denn, dass sich der Kläger ent­ge­gen den An­ga­ben in dem Ar­ti­kel außer auf Stel­len­an­zei­gen, in de­nen Be­rufs­anfänger und Be­rufs­anfänge­rin­nen oder Rechts­anwälte und Rechts­anwältin­nen mit ge­rin­ger Be­rufs­er­fah­rung ge­sucht wer­den, auch noch auf wei­te­re, kei­nen An­lass für die An­nah­me ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung bie­ten­de Stel­len­an­zei­gen be­wor­ben hat, hat er selbst nicht be­haup­tet.

(5) Nach al­le­dem ist die Kam­mer da­von über­zeugt, dass der Kläger nicht ernst­haft an ei­ner An­stel­lung in­ter­es­siert ist, son­dern sich durch die Be­wer­bung auf be­stimm­te Stel­len­an­zei­gen ei­ne wei­te­re Ein­nah­me­quel­le er­schießen will.

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III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO. Da­nach hat der Kläger die Kos­ten sei­nes er­folg­los ein­ge­leg­ten Rechts­mit­tels zu tra­gen.

IV. Die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on nach § 72 Abs. 2 ArbGG lie­gen nicht vor.

 

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben. Der Kläger wird auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de hin­ge­wie­sen (§ 72a ArbGG).


Dr. H.  

B.

L.  

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