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LAG Nie­der­sach­sen, Be­schluss vom 03.11.2009, 1 TaBV 63/09

   
Schlagworte: Einigungsstelle, Wirtschaftsausschuss
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Aktenzeichen: 1 TaBV 63/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 03.11.2009
   
Leitsätze: Die Einigungsstelle zur Auskunftserteilung gegenüber dem Wirtschaftsausschuss ist nicht offensichtlich unzuständig, wenn die Auskunft über die Vermögensübertragung von einer Konzernholdinggesellschaft verlangt wird, nachdem durch Umstrukturierung ein Gemeinschaftsbetrieb mit mehreren Gesellschaften mit beschränkter Haftung geschaffen wurde und die Holdinggesellschaft dort in Personalfragen "das Sagen" hat.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hildesheim,
Beschluss des vom 20.07.2009, 3 BV 3/09
   

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT

NIE­DERSACHSEN

 

Verkündet am:
3. No­vem­ber 2009

Ge­richts­an­ge­stell­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

IM NA­MEN DES VOL­KES

BESCHLUSS

1 TaBV 63/09

3 BV 3/09 ArbG Hil­des­heim

In dem Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten
An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Be­tei­lig­ter zu 1),

u n d

Be­schwer­de­geg­ne­rin und Be­tei­lig­te zu 2),

Be­schwer­de­geg­ne­rin und Be­tei­lig­te zu 3),

Be­schwer­de­geg­ne­rin und Be­tei­lig­te zu 4),

Be­schwer­de­geg­ne­rin und Be­tei­lig­te zu 5),

Be­schwer­de­geg­ne­rin und Be­tei­lig­te zu 6),

Be­schwer­de­geg­ne­rin und Be­tei­lig­te zu 7)

Be­schwer­de­geg­ne­rin und Be­tei­lig­te zu 8),

Be­schwer­de­geg­ne­rin und Be­tei­lig­te zu 9),

Be­schwer­de­geg­ne­rin und Be­tei­lig­te zu 10),

Be­schwer­de­geg­ne­rin und Be­tei­lig­te zu 11),

 

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hat die 1. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen auf­grund der Anhörung am 3. No­vem­ber 2009 durch den Präsi­den­ten des Lan­des­ar­beits­ge­richts Prof. Dr. Lip­ke

be­schlos­sen:

Auf die Be­schwer­de des Be­triebs­rats und Bet. zu 1) wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Hil­des­heim vom 20. Ju­li 2009 – 3 BV 3/09 – ab­geändert.

Zum Vor­sit­zen­den der Ei­ni­gungs­stel­le nach § 109 Be­trVG zur Be­schaf­fung der ver­wei­ger­ten Auskünf­te über wirt­schaft­li­che An­ge­le­gen­hei­ten, hier Ge­winn- und Ver­lust­rech­nung der Bet. zu 10), Auf­lis­tung des bei der Ein­zel­rechtsüber­tra­gung von der Bet. zu 10) auf die Bet. zu 2)–9) je­weils über­tra­ge­nen Vermögen so­wie Ver­bleib der er­wor­be­nen As­sets, wird der Rich­ter am Ar­beits­ge­richts B. be­stellt.

Die Zahl der Bei­sit­zer wird auf je zwei für die Be­triebs­rats- und die Ar­beit­ge­ber­sei­te fest­ge­legt.

Gründe

I. Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le zur Re­ge­lung der Aus­kunfts­pflicht der Be­tei­lig­ten zu 10) ge­genüber dem Wirt­schafts­aus­schuss ein­zu­rich­ten ist.

Der an­trag­stel­len­de Be­tei­lig­te zu 1) war zunächst der ehe­ma­li­ge Be­triebs­rat der B. GmbH, ei­ner Toch­ter­ge­sell­schaft der B2. GmbH, der für den Be­trieb der Be­tei­lig­ten zu 2) und 9) ein Über­g­angs­man­dat ausübte. In­zwi­schen ist ein neu­er Be­triebs­rat des ge­mein­sa­men Be­trie­bes der Be­tei­lig­ten zu 2) bis 9), nämlich des Ge­mein­schafts­be­trie­bes B3. er­rich­tet wor­den, der an dem Aus­kunfts­be­geh­ren ge­genüber der Be­tei­lig­ten zu 10) festhält.

Die Be­tei­li­gen zu 2) bis 9) sind 100%ige Toch­ter­ge­sell­schaf­ten der Be­tei­lig­ten zu 10). Die­se wie­der­um ist ei­ne 100%ige Toch­ter­ge­sell­schaft der Be­tei­lig­ten zu 11), die als rei­ne Hol­ding oh­ne ei­ge­ne Ar­beit­neh­mer ih­re Geschäfte be­treibt. Die Be­tei­lig­ten zu 2) bis 9) beschäfti­gen in ih­rem Be­trieb in H. un­ter ein­heit­li­cher Lei­tung ca. 270 ehe­ma­li­ge Ar­beit­neh­mer der B. GmbH. Die B. GmbH beschäftigt in ih­rem Be­trieb in H. bis jetzt ca. 2200 Ar­beit­neh­mer. Auf Grund ei­ner stra­te­gi­schen Neu­aus­rich­tung wur­de der Be­trieb zunächst

 

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in die Tei­le „A./A2.“ und „C. neu“ auf­ge­spal­ten. Der Teil „C. neu“ um­fasst ca. 1800 Ar­beit­neh­mer und wur­de auf die B4. GmbH über­tra­gen. Der Teil „A./A2.“ ging durch Ein­zel­rechtsüber­tra­gung auf die Be­tei­lig­te zu 10) über. Die­se wie­der­um gründe­te die Be­tei­lig­ten zu 2) bis 9) und über­trug ih­nen die ver­schie­de­nen Spar­ten des Be­trie­bes „A./A2.“ durch Ein­zel­rechtsüber­tra­gung. Die Be­tei­lig­te zu 6) wur­de an die L. Hol­ding AG ver­kauft. Nach­dem in­zwi­schen die eben­falls von dem Be­tei­lig­ten zu 1) ver­lang­ten Ge­winn- und Ver­lust­rech­nun­gen der Be­tei­lig­ten zu 2) bis 9) so­wie ih­re Busi­nesspläne in­klu­si­ve der Zu­kunfts­pla­nun­gen ein­sch­ließlich der Of­fen­le­gung der geschäft­li­chen Ent­schei­dun­gen ge­genüber dem Be­triebs­rat er­teilt wor­den sind, be­schränkt sich das Aus­kunfts­ver­lan­gen nun­mehr auf die Vor­la­ge der Bi­lanz und der Ge­winn- und Ver­lust­rech­nung der Be­tei­lig­ten zu 10) so­wie auf die Vor­la­ge ei­ner Auf­lis­tung der bei der Ein­zel­rechtsüber­tra­gung von der Be­tei­lig­ten zu 10) auf die Be­tei­lig­ten zu 2) bis 9) je­weils über­tra­ge­nen Vermögens­wer­te so­wie auf Vor­la­ge des Ver­bleibs der er­wor­be­nen As­sets.

In der Zwi­schen­zeit ist im Zu­sam­men­hang mit der be­schrie­be­nen Be­triebsände­rung ein In­ter­es­sen­aus­gleich und ein So­zi­al­plan ge­schlos­sen wor­den. Im Be­reich der Be­tei­lig­ten zu 2) steht ei­ne Pla­nung an, wei­te­res Per­so­nal in der Größen­ord­nung von 1/5 der Be­leg­schaft ab­zu­bau­en.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit am 20. Ju­li 2009 verkünde­ten Be­schluss den An­trag des Be­triebs­rats und Be­tei­lig­ten zu 1) als un­be­gründet zurück­ge­wie­sen. In der Be­gründung sei­ner Ent­schei­dung hat es aus­geführt, dass die be­an­trag­te Ei­ni­gungs­stel­le of­fen­sicht­lich un­zuständig im Sin­ne von § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG sei. Ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le könne im Zu­sam­men­hang mit dem Aus­kunfts­ver­lan­gen des Wirt­schafts­aus­schus­ses nach §§ 106, 109 Be­trVG nur ent­schei­den, ob, wann und in wel­cher Wei­se ei­ne Aus­kunft un­ter Vor­la­ge wel­cher Un­ter­la­gen zu er­tei­len sei. Hier schei­te­re die Be­stel­lung der Ei­ni­gungs­stel­le dar­an, dass der Wirt­schafts­aus­schuss bis­her kei­ne kon­kre­te Aus­kunft im Sin­ne von § 109 Be­trVG ver­langt ha­be und zu dem Ver­lan­gen des Be­triebs­rats auch kein ent­spre­chen­der Be­schluss vor­ge­legt wor­den sei. Von da­her könne da­hin­ste­hen, ob die mit dem An­trag be­gehr­ten Un­ter­la­gen, die aus­sch­ließlich die Be­tei­lig­te zu 10) be­tref­fen, ver­langt wer­den könn­ten oder ob viel­mehr die sich nach die­ser Vor­schrift er­ge­ben­den Un­ter­richts­pflich­ten aus­sch­ließlich ge­genüber den Be­tei­lig­ten zu 2) bis 9) bestünden. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten im ers­ten Rechts­zug und der Be­schluss­gründe wird auf Blatt 139 bis 147 der Ak­ten Be­zug ge­nom­men.

 

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Ge­gen den ihm am 22. Ju­li 2009 zu­ge­stell­ten erst­in­stanz­li­chen Be­schluss (Bl. 149 d. A.) hat der Be­triebs­rat und Be­tei­lig­te zu 1) Be­schwer­de mit Be­gründung zum Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt am 4. Au­gust 2009 (Bl. 151 d. A.).

Der be­schwer­deführen­de Be­triebs­rat und Be­tei­lig­te zu 1) hält an sei­nem Aus­kunfts­ver­lan­gen ge­genüber der Be­tei­lig­ten zu 10) fest und ver­tritt die Rechts­auf­fas­sung, dass sich mit den bis­her er­teil­ten Auskünf­ten das Ver­fah­ren nicht er­le­digt ha­be. Ein glei­cher­maßen kon­kre­tes Aus­kunfts­ver­lan­gen im Sin­ne von § 109 Be­trVG sei am 22. Sep­tem­ber 2009 er­neut vom Wirt­schafts­aus­schuss der B3. ge­stellt wor­den. Die Ein­la­dun­gen zu der Wirt­schafts­aus­schuss­sit­zung am 22. Sep­tem­ber 2009 sei­en er­neut an die Her­ren S. und S2. ver­sen­det wor­den, die von Sei­ten A3. als maßgeb­li­che An­sprech­part­ner zur Verfügung stünden und sich als Mit­ar­bei­ter der Be­tei­lig­ten zu 11) aus­ge­ge­ben hätten. Die Be­tei­lig­ten zu 10) und 11) die­ses Ver­fah­rens sei­en pas­siv le­gi­ti­miert, da sie in die ein­heit­li­che Lei­tung des be­ste­hen­den ge­mein­sa­men Be­triebs der Be­tei­lig­ten zu 2) bis 9) ein­ge­bun­den sei­en. Das er­ge­be sich ins­be­son­de­re auch dar­aus, dass der Vor­stands­vor­sit­zen­de der Be­tei­lig­ten zu 11) ar­beit­ge­ber­sei­tig die In­ter­es­sen­aus­gleichs- und So­zi­al­plan­ver­hand­lun­gen geführt ha­be. Der Vor­stands­vor­sit­zen­de M. sei na­he­zu wöchent­lich in H., um persönlich die Geschäfte zu über­prüfen. In den Ver­hand­lun­gen, die in der Ver­gan­gen­heit zwi­schen Herrn S2., Herrn S. und Ver­tre­tern des Be­triebs­rats der B4. GmbH geführt wur­den, hätten die bei­den Un­ter­neh­mens­ver­tre­ter deut­lich ge­macht, dass sie al­le in­halt­li­chen Zu­geständ­nis­se mit dem Vor­stands­vor­sit­zen­den M. ab­zu­stim­men hätten. Dar­aus er­ge­be sich ein ein­heit­li­cher be­triebs­be­zo­ge­ner Lei­tungs­ap­pa­rat, der ein Aus­kunfts­ver­lan­gen auch ge­genüber der Be­tei­lig­ten zu 10) be­gründe. Der in­zwi­schen getätig­te Ab­schluss des So­zi­al­plans be­ein­flus­se nicht das fort­be­ste­hen­de Un­ter­rich­tungs­recht des Be­triebs­rats ge­genüber der Be­tei­lig­ten zu 10).

Der Be­triebs­rat und Be­tei­lig­te zu 1) be­an­tragt,

1. Der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Hil­des­heim vom 20. Ju­li 2009 – 3 BV 3/09 – wird ab­geändert.

2. Als Vor­sit­zen­der der Ei­ni­gungs­stel­le gemäß § 109 Be­trVG zur Be­schaf­fung der ver­wei­ger­ten Auskünf­te über wirt­schaft­li­che An­ge­le­gen­hei­ten, d. h. Bi­lanz und Ge­winn- und Ver­lust­rech­nung der Be­tei­lig­ten zu 10), Auf­lis­tung des bei der Ein­zel­rechtsüber­tra­gung von der Be­tei­lig­ten zu 10) auf die Be­tei­lig­ten zu 2) bis 9) je­weils über­tra­ge­nen Vermögens so­wie Ver­bleib der er­wor­be­nen As­sets, wird der Vor­sit­zen­de Rich­ter am Ar­beits­ge­richt B. be­stellt.

3. Die Zahl der Bei­sit­zer wird auf je­weils 2 fest­ge­legt.

 

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Die Be­tei­lig­ten zu 2) bis 11) be­an­tra­gen,

die Be­schwer­de des Be­tei­lig­ten zu 1) ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Hil­des­heim vom 20. Ju­li 2009 zurück­zu­wei­sen.

Sie tre­ten den Ent­schei­dungs­gründen des Ar­beits­ge­richts bei und er­ach­ten die zulässig ver­lang­ten In­for­ma­tio­nen als er­teilt. Die Her­ren P., S. und S2. sei­en kei­ne Mit­ar­bei­ter der Be­tei­lig­ten zu 11). Das wei­ter­ver­folg­te Aus­kunfts­be­geh­ren könne nicht ge­genüber dem Be­tei­lig­ten zu 10) bis 11) ge­stellt wer­den, da die­se als Hol­ding Ge­sell­schaf­ten nicht pas­siv le­gi­ti­miert sei­en. Es be­ste­he kein Ge­mein­schafts­be­trieb der Be­tei­lig­ten, da es an ei­nem ein­heit­li­chen Be­triebs­rat feh­le. Die kon­zern­recht­li­che Ver­bin­dung genüge hierfür nicht. Da­her kom­me auch ein In­for­ma­ti­ons­durch­griff im Kon­zern auf die Be­tei­lig­te zu 10) nicht in Be­tracht.

Zum wei­te­ren Vor­brin­gen der Be­tei­lig­ten wird auf die im zwei­ten Rechts­zug ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie auf die Anhörungs­nie­der­schrift vom 3. No­vem­ber 2009 (Bl. 343 bis 346 d. A.) ver­wie­sen. Der Be­tei­lig­ten­wech­sel auf Sei­ten des Be­triebs­rats ist im Ein­ver­neh­men der Be­tei­lig­ten er­folgt.

II. Die zulässi­ge Be­schwer­de des Be­triebs­rats und Be­tei­lig­ten zu 1) ist be­gründet und führt zur Abände­rung des ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schlus­ses. Die zur Aus­kunfts­er­tei­lung ge­genüber dem Wirt­schafts­aus­schuss ein­zu­set­zen­de Ei­ni­gungs­stel­le ist im Um­fang des zu­letzt ge­stell­ten An­trags nicht of­fen­sicht­lich un­zuständig.

1. Die ein­ge­leg­te Be­schwer­de ist nach § 98 Abs. 2 S. 1 ArbGG statt­haft. Die Be­schwer­de ist auch in­ner­halb der ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Ein­le­gungs- und Be­gründungs­frist von zwei Wo­chen er­ho­ben wor­den (§ 98 Abs. 2 S. 2 ArbGG). Die auf Mo­nats­fris­ten ab­ge­stell­te feh­ler­haf­te Rechts­mit­tel­be­leh­rung im Be­schluss des Ar­beits­ge­richts bie­tet des­halb kei­nen An­lass auf die sich nach § 9 Abs. 5 ArbGG dar­aus er­ge­ben­den Rechts­fra­gen ein­zu­ge­hen. Hier­zu kann auf die Ent­schei­dung des Ge­richts vom 24. Mai 1993 – 1 TaBV 28/93 (LA­GE § 9 ArbGG 1979 Nr. 3) ver­wie­sen wer­den. Der Be­tei­lig­ten­wech­sel auf Be­triebs­rats­sei­te ist Fol­ge des mit dem Ab­schluss der Be­triebsände­rung und der Neu­wahl des Be­triebs­rats en­den­den Über­g­angs­man­dats des Be­triebs­rats der B4. GmbH.

2. Ei­ne ord­nungs­gemäße Be­schluss­fas­sung des Be­triebs­rats zur Ein­lei­tung des hie­si­gen Ver­fah­rens ist zwi­schen den Be­tei­lig­ten nicht mehr im Streit. Das ge­stell­te Aus­kunfts­ver­lan­gen ist kon­kret um­schrie­ben, spätes­tens mit der Ein­la­dung zur Wirt­schafts­aus­schuss­sit­zung vom 31. Au­gust 2009 für den 22. Sep­tem­ber 2009 (Bl. 342 d. A.; An­la-

 

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ge AS 9) zum Ta­ges­ord­nungs­punkt 6.: „Dar­stel­lung und Ver­bleib der von R./C. er­wor­be­nen As­sets ein­sch­ließlich der je­wei­li­gen Wer­te“. Da­mit kann das Aus­kunfts­ver­lan­gen nicht mehr an ei­ner feh­len­den Kon­kre­ti­sie­rung im Sin­ne von § 109 Be­trVG schei­tern, wie das Ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men hat. Der auf Aus­kunfts­er­tei­lung ge­genüber der Be­tei­lig­ten zu 10) be­schränk­te An­trag auf Ein­set­zung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le ist nun­mehr so kon­kret ge­stellt, dass die Ei­ni­gungs­stel­le be­ur­tei­len kann, ob die Aus­kunft un­zu­mut­bar ist, der­zeit noch nicht ge­ge­ben wer­den muss oder durch ei­ne Er­tei­lung Geschäfts­ge­heim­nis­se ver­letzt würden (vgl. LAG Köln vom 2. März 2009 – 2 TaBV 111/08 = LA­GE § 98 ArbGG 1979 Nr. 52). Die Ei­ni­gungs­stel­le wird darüber hin­aus zu be­ur­tei­len ha­ben, ob auf­grund der neu ge­schaf­fe­nen Kon­zern­struk­tur mit Hol­ding und nach­ge­ord­ne­ten ge­mein­sam han­deln­den Ge­sell­schaf­ten mit be­schränk­ter Haf­tung ein In­for­ma­ti­ons­durch­griff auf die Be­tei­lig­te zu 10) in Be­tracht kommt.

3.
a) Mit dem Ar­beits­ge­richt ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ein­rich­tung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le im Rah­men des § 109 Be­trVG dar­an schei­tern kann, dass ih­re of­fen­sicht­li­che Un­zuständig­keit auf der Hand liegt. Da­von ist aus­zu­ge­hen, wenn ih­re Zuständig­keit un­ter kei­nem denk­ba­ren recht­li­chen Ge­sichts­punkt als möglich er­scheint, wenn ih­re Zuständig­keit al­so bei sach­ge­rech­ter Be­ur­tei­lung auf den ers­ten Blick un­ter kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt be­gründet ist. Das Be­stel­lungs­ver­fah­ren soll we­der durch die Klärung kom­pli­zier­ter Rechts­fra­gen, noch durch die Aufklärung strei­ti­ger Tat­sa­chen be­las­tet wer­den; die­se Auf­ga­ben sind ggf. der Ei­ni­gungs­stel­le vor­zu­be­hal­ten. Für die Be­stel­lung der Ei­ni­gungs­stel­le ist al­lein aus­schlag­ge­bend, ob an ih­rer Un­zuständig­keit ernst­haf­te Zwei­fel möglich sind oder nicht. Nur bei ernst­haf­ten Zwei­feln ist der Be­stel­lungs­an­trag zurück­zu­wei­sen. Wer­den die für die Zuständig­keit maßgeb­li­chen Rechts­fra­gen in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur un­ter­schied­lich be­ur­teilt, bleibt ei­ne Zurück­wei­sung we­gen of­fen­sicht­li­cher Un­zuständig­keit außer Be­tracht (HM; z. B. LAG Hamm vom 9. Au­gust 2004 – 10 TaBV 81/04 = LA­GE § 98 ArbGG 1990 Nr. 43; Hes­si­sches LAG vom 14. Fe­bru­ar 2006 – 4 TaBV 1/06 = Ar­buR 2006, 413; LAG Nie­der­sach­sen vom 11. No­vem­ber 1993 – 1 TaBV 59/93 = LA­GE § 98 ArbGG 1979 Nr. 27; ErfK/Ei­se­mann 9. Aufl. 2009, § 98 Rn. 3; Düwell/Lip­ke-Koch ArbGG 2. Aufl., 2005 § 98 Rn. 17).

Dem­nach genügt es für die Be­stel­lung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le gemäß § 109 Be­trVG, wenn der Wirt­schafts­aus­schuss ei­ne Aus­kunft über wirt­schaft­li­che An­ge­le­gen­heit ver­langt hat und zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat ei­ne Mei­nungs­ver­schie­den­heit über de­ren Be­rech­ti­gung und/oder Erfüllung be­steht (Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt vom 14. Fe­bru­ar 2006 aaO).

 

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b) Das Aus­kunfts­ver­lan­gen des Be­triebs­rats lässt sich ma­te­ri­ell­recht­lich auf § 106 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 Nr. 9a, 10 in Ver­bin­dung mit § 109 Be­trVG gründen. Da­nach gehören zu den wirt­schaft­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten, über die der Wirt­schafts­aus­schuss zu un­ter­rich­ten ist, auch die Über­nah­me des Un­ter­neh­mens, wenn hier­mit der Er­werb der Kon­trol­le ver­bun­den ist, so­wie sons­ti­ge Vorgänge und Vor­ha­ben, wel­che die In­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer des Un­ter­neh­mens we­sent­lich berühren können.

Hier ist es durch die Über­nah­me des Teils „A./A2.“ der B. GmbH auf die Be­tei­lig­te zu 10) zu ei­ner Über­nah­me von Un­ter­neh­mens­tei­len ge­kom­men, in de­ren Fol­ge durch Um­struk­tu­rie­run­gen und durch Per­so­nal­ab­bau In­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer we­sent­lich berührt wor­den sind. Be­leg dafür sind der Ab­schluss ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs und ei­nes So­zi­al­plans zur Re­ge­lung der Be­triebsände­rung und ih­rer so­zia­len Aus­wir­kun­gen. Das ist zwi­schen den Be­tei­lig­ten un­strei­tig.

Der Ab­schluss des In­ter­es­sen­aus­gleichs und des So­zi­al­plans führt je­doch nicht da­zu, dass das Rechts­schutz­in­ter­es­se an der be­gehr­ten Aus­kunft entfällt. Im Anhörungs­ter­min vor dem Be­schwer­de­ge­richt ha­ben die Be­tei­lig­ten übe­rein­stim­mend vor­ge­tra­gen, dass wei­te­re Per­so­nal­maßnah­men ge­plant sind, die zu ei­nem Ab­bau ei­nes Fünf­tels der Be­leg­schaft der Be­tei­lig­ten zu 2) führen könn­ten. Da hierfür die wirt­schaft­li­chen Grund­la­gen der Be­tei­lig­ten zu 2) bis 10) von Be­deu­tung sein dürf­ten, ist es nach­voll­zieh­bar, wenn der Be­triebs­rat über den Wirt­schafts­aus­schuss nähe­re In­for­ma­tio­nen zur Vermögens­si­tua­ti­on auch im Blick für die Zu­kunft durch­set­zen möch­te.

4. Der In­for­ma­ti­ons­durch­griff auf die Kon­zern­hol­ding be­zie­hungs­wei­se auf die Be­tei­lig­te zu 10) schei­tert eben­falls nicht am Maßstab der of­fen­sicht­li­chen Un­zuständig­keit der Ei­ni­gungs­stel­le.

a) Der Ar­beit­ge­ber­sei­te ist zu­zu­ge­ben, dass sich die Bin­dung der Un­ter­rich­tungs­pflicht an die wirt­schaft­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten des Un­ter­neh­mens im Kon­zern­ver­bund re­gelmäßig da­hin aus­wirkt, dass die Vor­ga­ben des herr­schen­den Un­ter­neh­mens nicht in den Zuständig­keits­be­reich des Wirt­schafts­aus­schus­ses fal­len, der bei dem abhängi­gen Un­ter­neh­men er­rich­tet wur­de (GK-Be­trVG 7. Aufl. 2002 Fa­bri­ci­us/Oet­ker § 106 Rn. 38; Fit­ting 2008, 24. Aufl. § 106 Rn. 8, 13, je­weils mwN). Von da­her sind die Un­ter­rich­tungs­pflich­ten im An­satz auf den von den Be­tei­lig­ten zu 2) bis 9) ge­bil­de­ten Ge­mein­schafts­be­trieb be­schränkt. Gleich­wohl ist ein In­for­ma­ti­ons­durch­griff auf die Be­tei­lig­te zu 10) denk­bar, wenn sie selbst Be­stand­teil des Ge­mein­schafts­be­trie­bes ist und letzt­lich in der Lei­tung der Un­ter­neh­men und ins­be­son­de­re in Per­so­nal­fra­gen „das Sa­gen“ hat. Die hier­zu

 

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von Ar­beit­ge­ber­sei­te an­geführ­te Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 13. Ju­li 2006 – 2 AZR 327/01 (= AP Nr. 29 zu § 23 KSchG 1969 = EzA § 23 KSchG Nr. 24) hilft in­so­weit zur Ori­en­tie­rung nicht wei­ter, da es nicht um den Be­reich des Kündi­gungs­schut­zes, son­dern um den Be­reich der Be­triebs­ver­fas­sung geht.

Ei­ne höchst­rich­ter­li­che Ent­schei­dung zu dem Pro­blem­feld liegt nicht vor. Im Schrift­tum spre­chen sich Fi­scher (Ar­buR 2002, 7, 8 f.) für ei­nen In­for­ma­ti­ons­durch­griff auf die Kon­zern­spit­ze aus, Dil­ler/Po­wietz­ka (DB 2001, 1034 ff.) stim­men da­ge­gen. Wind­bich­ler (Ar­beits­recht im Kon­zern 1989, 339 f.) hält die Mit­be­stim­mungs- (und da­mit die Un­ter­rich­tungs­rech­te) im abhängi­gen Un­ter­neh­men für falsch an­ge­sie­delt, wenn es kei­nen maßgeb­li­chen Ein­fluss auf die Ent­schei­dung ha­be. Zwar sei ein ein­heit­li­cher „Kon­zer­nar­beit­ge­ber“ nicht be­gründ­bar; den­noch führe die Un­ter­wer­fung un­ter ei­ne Außen­steue­rung durch ein herr­schen­des Un­ter­neh­men zu ei­ner Ver­la­ge­rung der Mit­be­stim­mungs- (Un­ter­rich­tungs-) rech­te. Die Be­triebs­ver­fas­sung müsse der tatsächlich vor­ge­fun­de­nen Or­ga­ni­sa­ti­on fol­gen.

b) Mit dem In­kraft­tre­ten der Neu­re­ge­lun­gen in § 106 Abs. 2 S. 2 und in Abs. 2 Nr. 9a Be­trVG zum 19. Au­gust 2008 (Ri­si­ko­be­gren­zungs­ge­setz, BGBl. I S. 1666) wird in­des­sen deut­lich, dass ein vom Ge­setz­ge­ber an­er­kann­tes Aus­kunfts­in­ter­es­se des Be­triebs­rats über den Wirt­schafts­aus­schuss auch im Fal­le der Über­nah­me von Un­ter­neh­men be­steht. Dies bestätigt sich in der Auf­nah­me des § 109a in das Be­trVG, in dem die Aus­kunfts­rech­te so­gar in Un­ter­neh­men, in de­nen kein Wirt­schafts­aus­schuss be­steht, dem Be­triebs­rat über­tra­gen wer­den.

Auf­grund der hier­zu noch nicht ab­sch­ließend geklärten Rechts­fra­gen kann des­halb ei­ne of­fen­sicht­li­che Un­zuständig­keit der Ei­ni­gungs­stel­le zu der be­gehr­ten Aus­kunft ge­genüber der Be­tei­lig­ten zu 10) nicht fest­ge­stellt wer­den.

c) Für die nicht aus­zu­sch­ließen­de An­nah­me ei­nes Ge­mein­schafts­be­trie­bes der Be­tei­lig­ten zu 2) bis 9) mit der Be­tei­lig­ten zu 10) spricht, dass un­strei­tig der Vor­stands­vor­sit­zen­de der Be­tei­lig­ten zu 10) M. so­wie wei­te­re der Be­tei­lig­ten zu 10) nach ih­rem äußeren Ver­hal­ten zu­zu­rech­nen­de lei­ten­de Per­so­nen an maßgeb­li­chen, die Be­tei­lig­ten zu 2) bis 9) be­tref­fen­de un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dun­gen auch im per­so­nel­len Be­reich be­tei­ligt wa­ren, wie z. B. bei der Ver­hand­lung und dem Ab­schluss des In­ter­es­sen­aus­gleichs und des So­zi­al­plans. Ver­tre­ter der Be­tei­lig­ten zu 10) und 11) sind auch - wie sich aus dem Um­gang im Wirt­schafts­aus­schuss mit­ein­an­der er­gibt - im­mer zu­ge­gen und wir­ken auf das ope­ra­ti­ve Ta­ges­geschäft der Be­tei­lig­ten zu 2) bis 9) ein. Ob da­mit die Vor­aus­set­zun-

 

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gen ei­nes Ge­mein­schafts­be­trie­bes im Sin­ne des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes erfüllt sind (vgl. da­zu BAG vom 13. Au­gust 2008 – 7 ABR 21/07 = NZA-RR 2009, 255 = DB 2009, 184) kann da­hin­ste­hen. Ei­ne of­fen­sicht­li­che Un­zuständig­keit der Ei­ni­gungs­stel­le zur Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob die Be­tei­lig­te zu 10) aus­kunfts­ver­pflich­tet ge­genüber dem Wirt­schafts­aus­schuss ist oder nicht, er­gibt sich dar­aus je­den­falls nicht.

5. Ei­ne Kos­ten­ent­schei­dung ist nach § 2 Abs. 2 GKG nicht zu tref­fen, da das Be­schluss­ver­fah­ren ge­richts­kos­ten­frei ist.

Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist nach § 98 Abs. 2 ArbGG ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

 

Prof. Dr. Lip­ke

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