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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 28.05.2014, 4 Sa 157/14 4 Sa 238/14

   
Schlagworte: Diskriminierung: Bewerbung, Diskriminierung: Religion
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 4 Sa 157/14 4 Sa 238/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 28.05.2014
   
Leitsätze:

1. Die Bestimmung des Inhalts des § 9 Abs. 1 AGG kann nicht losgelöst von den eu-roparechtlichen Vorgaben erfolgen. Soweit eine Ungleichbehandlung wegen der Religion be-troffen ist, setzt das AGG die RL 2000/78/EG um. Die Auslegung des Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG darf allerdings ihrerseits nicht unabhängig von den Vorgaben des europäischen Primärrechts erfolgen. Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG ist vielmehr seit dem 01.12.2009 sei-nerseits im Lichte von Art. 17 Abs. 1 AEUV auszulegen.

 

2. Art. 17 Abs. 1 AEUV gebietet eine Auslegung von Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG im Sinne einer Wahrung der sich aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV ergebenden kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die entsprechende seit dem 01.12.2009 gebotene europarechtliche Auslegung des § 9 AGG steht im Einklang mit Wortlaut der Norm und dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommenen Willen des deutschen Gesetzgebers.

 

3. Aus dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen folgt jedoch nicht, dass die Entscheidung, ob für eine Tätigkeit eine bestimmte Religionszugehörigkeit erforderlich ist, gar nicht justiziabel wäre. Die Kirchen müssen sich an ihre selbst gestellten Anforderungen halten. Sehen die kirchenrechtlichen Vorschriften das Erfordernis einer Religionszugehörigkeit nicht vor, kann auch aus dem Selbstverständnis keine Rechtfertigung folgen. Insoweit obliegt den staatlichen Gerichten auch eine Missbrauchskontrolle der kirchlichen Anforderungen an deren Mitarbeiter auf der Grundlage der durch die Religionsgemeinschaft selbst vorgegebenen Maßstäbe.

 

4. Dass der Beklagte für die hier in Frage stehende Stelle eines Referenten/einer Referentin eine Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen angehörenden Kirche voraussetzt, hält unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechts des Beklagten einer Missbrauchskontrolle statt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 18.12.2013 - 54 Ca 6322/13
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg  

Verkündet am

am 28.05.2014



Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
4 Sa 157/14
4 Sa 238/14

54 Ca 6322/13
Ar­beits­ge­richt Ber­lin  

H., Ge­richts­beschäftig­te
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

 

 


Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

Pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 4. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 28. Mai 2014
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Sch. als Vor­sit­zen­der
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn S. und Frau H.
für Recht er­kannt:

I.
Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird un­ter Zurück­wei­sung der Be­ru­fung der Kläge­rin das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 18. De­zem­ber 2013 – 54 Ca 6322/13 – ab­geändert:

Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

II. Die Kläge­rin hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

III.
Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Kläge­rin be­gehrt von dem Be­klag­ten die Zah­lung ei­ner Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Der Be­klag­te ist ein Werk der evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land, das durch Zu­sam-men­schluss des Dia­ko­ni­schen Wer­kes mit Brot für die Welt und des Evan­ge­li­schen Ent-wick­lungs­diens­tes ent­stan­den ist. Grund­la­ge sei­ner Tätig­keit ist die Sat­zung vom 14. Ju­ni 2012, hin­sicht­lich de­ren ge­nau­en Wort­lauts auf Bl. 140-160 d. A. ver­wie­sen wird.

Für den Be­klag­ten gilt die Richt­li­nie des Ra­tes der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land nach Art. 9 Buchst. b Grund­ord­nung über die An­for­de­run­gen der pri­vat­recht­li­chen be­ruf­li-chen Mit­ar­beit in der evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land und des Dia­ko­ni­schen Wer­kes vom 01. Ju­li 2005. Die Richt­li­nie re­gelt ua. fol­gen­des:

„§ 2 Grund­la­gen des kirch­li­chen Diens­tes

1. Der Dienst der Kir­che ist durch den Auf­trag be­stimmt, das Evan­ge­li­um in Wort und Tat zu be­zeu­gen. Al­le Frau­en und Männer, die in An­stel­lungs-verhält­nis­sen in Kir­che und Dia­ko­nie tätig sind, tra­gen in un­ter­schied­li­cher Wei­se da­zu bei, dass die­ser Auf­trag erfüllt wer­den kann. Die­ser Auf­trag ist die Grund­la­ge der Rech­te und Pflich­ten von An­stel­lungs­trägern so­wie Mit-ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern.

2. Es ist Auf­ga­be der kirch­li­chen und dia­ko­ni­schen An­stel­lungs­träger, ih­re Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter mit den christ­li­chen Grundsätzen ih­rer Ar­beit ver­traut zu ma­chen. Sie fördern die Fort- und Wei­ter­bil­dung zu The­men des Glau­bens und des christ­li­chen Men­schen­bil­des.


§ 3 Be­ruf­li­che An­for­de­rung bei der Be­gründung des Ar­beits­verhält­nis­ses

1. Die be­ruf­li­che Mit­ar­beit in der Evan­ge­li­schen Kir­che und ih­rer Dia­ko­nie setzt grundsätz­lich die Zu­gehörig­keit zu ei­ner Glied­kir­che der Evan­ge­li­schen Kir­che vor­aus, mit der die evan­ge­li­sche Kir­che in Deutsch­land in Kir­chen-ge­mein­schaft ver­bun­den ist.

2. Für Auf­ga­ben, die nicht der Verkündi­gung, Seel­sor­ge, Un­ter­wei­sung oder Leis­tung zu­zu­ord­nen sind, kann von Ab­satz 1 ab­ge­wi­chen wer­den, wenn an­de­re ge­eig­ne­te Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter nicht zu ge­win­nen sind. In die­sem Fall können auch Per­so­nen ein­ge­stellt wer­den, die ei­ner an­de­ren Mit­glieds­kir­che der Ar­beits­ge­mein­schaft christ­li­cher Kir­chen in Deutsch­land oder der Ver­ei­ni­gung Evan­ge­li­scher Frei­kir­chen­an­gehören sol­len. Die Ein-stel­lung von Per­so­nen, die die Vor­aus­set­zun­gen des Ab­sat­zes 1 nicht er-füllen, muss im Ein­zel­fall un­ter Be­ach­tung der Größe der Dienst­stel­le oder Ein­rich­tung und ih­rer sons­ti­gen Mit­ar­bei­ter­schaft so­wie der wahr­zu­neh-men­den Auf­ga­ben und des je­wei­li­gen Um­fel­des ge­prüft wer­den. § 2 Ab­satz 1 Satz 2 bleibt un­berührt.

Hin­sicht­lich der wei­te­ren Be­stim­mun­gen der Richt­li­nie wird auf Bl. 161-179 d. A. ver­wie­sen.

Bei dem Be­klag­ten gilt wei­ter­hin die Dienst­ver­trags­ord­nung der EKD vom 10.07.2008 (im Fol­gen­den DVO-EKD), die die all­ge­mei­nen Ar­beits­be­din­gun­gen der pri­vat­recht­lich be-schäftig­ten Mit­ar­bei­ter der EKD, der Haupt­geschäfts­stel­le des Dia­ko­ni­schen Wer­kes und wei­te­rer Wer­ke und Ein­rich­tun­gen re­gelt. Die Dienst­ver­trags­ord­nung re­gelt ua. fol­gen­des:

㤠2
Kirch­lich-dia­ko­ni­scher Auf­trag

Kirch­li­cher Dienst ist durch den Auf­trag be­stimmt, das Evan­ge­li­um Je­su Chris­ti in Wort und Tat zu verkünden. Der dia­ko­ni­sche Dienst ist Le­bens- und We­sensäu-ßerung der evan­ge­li­schen Kir­che.

§ 4
All­ge­mei­ne Pflich­ten

Die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter tra­gen nach ih­ren Ga­ben, Auf­ga­ben und Ver-ant­wor­tungs­be­rei­chen zur Erfüllung ih­res kirch­li­chen und dia­ko­ni­schen Auf­trags bei. Ihr ge­sam­tes Ver­hal­ten im Dienst und außer­halb des Diens­tes muss der Ver­ant-wortung ent­spre­chen, die sie als Mit­ar­bei­te­rin oder Mit­ar­bei­ter im Dienst der Kir­che über­nom­men ha­ben.

Hin­sicht­lich der wei­te­ren Be­stim­mun­gen der DVO-EKD wird auf Bl. 164-179 d. A. ver­wie­sen.

Der Be­klag­te schrieb am 25. No­vem­ber 2012 die Stel­le ei­nes Re­fe­ren­ten/ei­ner Re­fe­ren­tin mit ei­ner Tätig­keit in Teil­zeit (60%) be­fris­tet auf zwei Jah­re aus. Ge­gen­stand der Tätig­keit soll­te ein un­abhängi­ger Be­richt zur Um­set­zung der An­ti­ras­sis­mus­kon­ven­ti­on durch Deutsch­land als zusätz­li­che Grund­la­ge für die Ver­ein­ten Na­tio­nen für ih­re ab­sch­ließen­den Be­mer­kun­gen zum deut­schen Staa­ten­be­richt sein. Die Vergütung soll­te in An­leh­nung an die Grup­pe E 13 TVöD nach der Dienst­ver­trags­ord­nung der evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land er­fol­gen.

Die Stel­len­be­schrei­bung ent­hielt hin­sicht­lich Auf­ga­ben­ge­biet und An­for­de­run­gen an die zu be­set­zen­de Stel­le fol­gen­de Be­stim­mun­gen:

„Das Auf­ga­ben­ge­biet um­fasst:

o Be­glei­tung des Pro­zes­ses zur Staa­ten­be­richt­er­stat­tung 2012 bis 2014
o Er­ar­bei­tung des Par­al­lel­be­richts zum deut­schen Staa­ten­be­richt so­wie von Stel­lung­nah­men und Fach­beiträgen
o Pro­jekt­be­zo­ge­ne Ver­tre­tung der Dia­ko­nie Deutsch­land ge­genüber der Po­li­tik, der Öffent­lich­keit und Men­sch­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen so­wie Mit­ar­beit in Gre­mi­en
o In­for­ma­ti­on und Ko­or­di­na­ti­on des Mei­nungs­bil­dungs­pro­zes­ses im Ver­bands­be­reich
o Or­ga­ni­sa­ti­on, Ver­wal­tung und Sach­be­richt­er­stat­tung zum Ar­beits­be­reich

Sie erfüllen fol­gen­de Vor­aus­set­zun­gen:

o Ab­ge­schlos­se­nes Hoch­schul­stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten oder ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on
o Fun­dier­te Kennt­nis­se im Völker­recht und der An­ti­ras­sis­mus­ar­beit
o Gu­te Kennt­nis­se und Er­fah­run­gen in der Be­wirt­schaf­tung von Pro­jekt­mit­teln
o Sehr gu­te Eng­lisch­kennt­nis­se
o Ana­ly­sefähig­keit, Lern­be­reit­schaft, Initia­ti­ve, Be­last­bar­keit
o Be­reit­schaft zur Über­nah­me von Ver­ant­wor­tung
o Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Teamfähig­keit
o Be­reit­schaft zu häufi­gen Dienst­rei­sen

Wir freu­en uns über Be­wer­bun­gen von Men­schen un­ge­ach­tet ih­rer Her­kunft oder Haut­far­be, des Ge­schlechts, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder ih­rer se­xu­el­len Iden­tität.

Die Mit­glied­schaft in ei­ner evan­ge­li­schen oder der ACK an­gehören­den Kir­che und die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem dia­ko­ni­schen Auf­trag set­zen wir vor­aus. Bit­te ge­ben Sie Ih­re Kon­fes­si­on im Le­bens­lauf an.“

Hin­sicht­lich des wei­te­ren Wort­lauts der Stel­len­aus­schrei­bung wird auf Bl. 21 d. A. ver­wie­sen.

Die Kläge­rin be­warb sich auf die­se Stel­le mit Schrei­ben 29. No­vem­ber 2012. Hin­sicht­lich des Wort­lauts der Be­wer­bung und dem der Be­wer­bung bei­gefügten Le­bens­lauf wird auf Bl. 22 – 32 d. A. ver­wie­sen. Die Kläge­rin verfügt über ein ab­ge­schlos­se­nes Fach­hoch­schul-stu­di­um der So­zi­alpädago­gik. Ei­nen Hin­weis auf die Zu­gehörig­keit zu ir­gend­ei­ner Kon­fes­si­on oder auf das Feh­len ei­ner Kon­fes­si­on ent­hielt das Be­wer­bungs­schrei­ben nicht.

Auf die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le be­war­ben sich ne­ben der Kläge­rin wei­te­re 37 Per­so­nen, von de­nen vier zum Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den wur­den. Die zum Vor­stel­lungs­gespräch ge­la­de­nen Per­so­nen hat­ten ein wis­sen­schaft­li­ches Hoch­schul­stu­di­um ab­sol­viert. Die Kläge­rin wur­de nicht zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den.

Aus­gewählt wur­de ein Be­wer­ber deutsch-gha­nai­scher Her­kunft, der ein po­li­tik­wis­sen-schaft­li­ches Hoch­schul­stu­di­um an der Frei­en Uni­ver­sität mit ei­ner eng­lisch­spra­chi­gen Di­plom­ar­beit und sehr gu­ten No­ten ab­ge­schlos­sen hat­te. Seit Fe­bru­ar 2008 ar­bei­tet er an der Uni­ver­sität B. an ei­ner Pro­mo­ti­on mit in­ter­na­tio­na­lem Be­zug. In Be­zug auf sei­ne Kon-fes­si­ons­zu­gehörig­keit be­zeich­ne­te er sich in sei­ner Be­wer­bung „als in der Ber­li­ner Lan­des­kir­che so­zia­li­sier­ten evan­ge­li­schen Chris­ten“. Der Be­wer­ber war durch ei­ne Großzahl von Pu­bli­ka­tio­nen und For­schungs­ar­bei­ten aus­ge­wie­sen. Hin­sicht­lich des ge­nau­en Wort-lauts der Be­wer­bung des aus­gewähl­ten Be­wer­bers wird auf Bl. 184 -190 d. A. ver­wie­sen.

Nach­dem die Kläge­rin am 23.01.2013 er­fah­ren hat­te, dass sie für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le nicht berück­sich­tigt wor­den ist, mach­te sie durch Schrei­ben 25.02.2013 (Bl. 33 - 34 d. A.) ge­genüber dem Be­klag­ten Entschädi­gungs- und Scha­den­er­satz­ansprüche gel­tend.

Der Be­klag­te teil­te der Kläge­rin mit Schrei­ben vom 26.03.2013 (Bl. 35 – 36 d. A.) mit, auf-grund wel­cher Umstände der be­vor­zug­te Be­wer­ber für die Be­set­zung der Stel­le aus­gewählt wor­den ist. Der Be­klag­te ver­wies da­bei dar­auf, dass der ein­ge­stell­te Be­wer­ber über „ei­ne weit­aus höhe­res Maß an wis­sen­schaft­li­cher Qua­li­fi­ka­ti­on und Er­fah­rung“ verfüge.

Mit ih­rer beim ArbG Ber­lin am 30.04.2013 ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge be­gehrt die Kläge­rin die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zu ei­ner Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Die Kläge­rin hat vor­ge­tra­gen, es be­ste­he die Ver­mu­tung, dass sie we­gen ih­rer Kon­fes­si-ons­lo­sig­keit die Stel­le nicht er­hal­ten ha­be. Die Berück­sich­ti­gung der Re­li­gi­on im Be­wer-bungs­ver­fah­ren sei nicht ge­recht­fer­tigt und rechts­wid­rig ge­we­sen. Die Kläge­rin hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, sie erfülle die Vor­aus­set­zun­gen der Aus­schrei­bung. Der be­vor­zug­te Be­wer­ber verfüge wie die Kläge­rin nicht über ein Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten. Die Kläge­rin sei an­ge­sichts ih­rer be­ruf­li­chen Er­fah­run­gen au­gen­schein­lich qua­li­fi­ziert. Zu­dem sei­en die tatsächli­chen be­ruf­li­chen Er­fah­run­gen und Qua­li­fi­ka­tio­nen mit ein­zu­be­zie­hen. Für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le sei ein „pas­sen­des“ Stu­di­um nicht vor­han­den. Dies gel­te glei­cher­maßen für das Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten wie für das Stu­di­um des be-vor­zug­ten Be­wer­bers in Po­li­tik­wis­sen­schaf­ten und das Stu­di­um der Kläge­rin im Be­reich So­zi­alpädago­gik. Die in der Aus­schrei­bung ge­for­der­te ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on könne auch durch Be­rufs­er­fah­run­gen er­wor­ben wer­den. Die Kläge­rin ha­be auf­grund ih­rer prak-ti­schen Ar­beit im Un­ter­schied zum aus­gewähl­ten Be­wer­ber um­fas­sen­de Kennt­nis­se des in­ter­na­tio­na­len Rechts. Ei­ne Eig­nung sei nicht be­reits da­durch aus­ge­schlos­sen, dass der Stel­len­be­wer­ber nicht al­le An­for­de­run­gen an die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le erfülle, son­dern nur, wenn ihm die Min­dest­an­for­de­run­gen dafür fehl­ten.

Die Kläge­rin hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass die Berück­sich­ti­gung der Re­li­gi­on im Be-wer­bungs­ver­fah­ren nur ge­recht­fer­tigt sei, wenn sie ei­ne we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung an­ge­sichts der Tätig­keit dar­stel­le. Dies tref­fe auf die zu be­set­zen­de Stel­le nicht zu. Der Be­klag­te beschäfti­ge auch Per­so­nen, die nicht der evan­ge­li­schen Kon­fes­si­on an­gehörten. Dies las­se die als Soll­vor­schrift aus­ge­stal­te­te Re­ge­lung von § 3 Zif­fer 2 der Richt­li­nie es Ra­tes der EKD zu und wer­de durch die Mit­ar­bei­ter­sta­tis­tik der Dia­ko­nie be­legt. So­weit der Be­klag­te dies re­strik­ti­ver se­he, ha­be dies nichts mit dem Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­che zu tun. Der Be­klag­te müsse sich an die von der Kir­che auf­ge­stell­ten Grundsätze hal­ten und dürfe die­se nicht über­schrei­ten. Nach dem Leit­bild der evan­ge­li­sche Kir­che (§ 3 EKD-RL) wer­de zwi­schen verkündi­gungs­na­her und verkündi-gungs­fer­ner Tätig­keit un­ter­schie­den und für letz­te­re die Mit­glied­schaft in der Kir­che nur als Soll­vor­schrift an­ge­se­hen.

Die Kläge­rin hat be­strit­ten, dass der zu fer­ti­gen­de „un­abhängi­ge“ Be­richt aus Sicht der evan­ge­li­schen Kir­che er­fol­ge, da die­ser nach Kennt­nis der Kläge­rin auch aus pro­jekt­be-zo­ge­nen Förder­mit­teln der Klas­sen­lot­te­rie fi­nan­ziert wer­de. Zu­dem wer­de der Be­richt ge­mein­sam mit der Ar­beits­grup­pe Ras­sis­mus im Fo­rum Men­schen­rech­te er­stellt, die nicht nur aus christ­li­chen Grup­pen be­ste­he. Bei dem Ver­s­toß des Be­klag­ten ge­gen das AGG han­de­le es sich um ei­nen schwe­ren Ver­s­toß mit Wie­der­ho­lungs­ge­fahr. Des­we­gen sei ei­ne Entschädi­gung auf min­des­tens 5 Brut­to­gehälter der Grup­pe E13 TVöD bei ei­ner Ar­beits­zeit von 60 % zu be­mes­sen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des erst­in­stanz­li­chen Vor­trags der Kläger wird auf die Kla­ge (Bl. 11-20 d. A.) so­wie die Schriftsätze vom 15.11.2013 (Bl. 240-282 d. A.) und vom 02.12.2013 (Bl. 361-363 d. A.) nebst An­la­gen ver­wie­sen.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung gem. § 15 AGG zu zah­len, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, € 9.788,65 je­doch nicht un­ter­schrei­ten soll­te.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Er hat auf das für den Be­klag­ten for­mu­lier­te Leit­bild sei­ner Tätig­keit ver­wie­sen. Der Be­klag­te ver­ste­he sich als un­mit­tel­ba­re Le­bens- und We­sensäußerung der christ­li­chen Kir­che, zu de­ren Sen­dungs­auf­trag vor al­lem die Verkündung des christ­li­chen Glau­bens so­wie die täti­ge Nächs­ten­lie­be gehören. Die Richt­li­nie über die An­for­de­run­gen der pri­vat­recht­li­chen be­ruf­li­chen Mit­ar­beit in der EKD und im Dia­ko­ni­schen Werk sei un­mit­tel­ba­rer Aus­fluss des kirch­li­chen Rechts, die An­ge­le­gen­hei­ten in ei­ge­ner Sa­che frei und vom staat­li­chen Zu­griff un­abhängig re­geln zu können. Be­deut­sam für das Selbst­verständ­nis des Be­klag­ten sei das Bild der christ­li­chen Dienst­ge­mein­schaft. Da­von sei ne­ben dem Got­tes­dienst der aus dem Glau­ben er­wach­sen­de Dienst am Mit­men­schen er­fasst. Der Be­klag­te sei als Teil kirch­li­chen Han­delns kein „nor­ma­ler“ Ar­beit­ge­ber, son­dern un­ter­lie­ge über das Grund­ge­setz ei­nem be­son­de­ren Schutz. Die Mit­glied­schaft zu ei­ner Kir­che sei ge­eig­ne­tes Kri­te­ri­um, um gewähr­leis­ten zu können, dass sich die Mit­ar­bei­ter mit dem Auf­trag des Ar­beit­ge­bers iden­ti­fi­zie­ren. Von den im Jahr 2013 bei dem Be­klag­ten beschäftig­ten et­wa 650 Ar­beit-neh­mern gehörten 99 % ei­ner christ­li­chen Re­li­gi­on an. Der von dem Be­klag­ten zu ers­tel-len­de Par­al­lel­be­richt zur Um­set­zung der An­ti­ras­sis­mus­kon­ven­ti­on sei un­abhängig von staat­li­cher Be­richt­er­stat­tung die nach außen wir­ken­de Po­si­tio­nie­rung des Be­klag­ten zu der Kon­ven­ti­on. We­gen der star­ken Außen­wir­kung des Be­richts und der ergänzen­den Pu­bli-kat­io­nen und Fach­beiträge sei ein möglichst wis­sen­schaft­li­cher Hin­ter­grund und pu­bli­zis­ti­sche Er­fah­rung er­for­der­lich, ge­paart mit ent­spre­chen­dem Fach­wis­sen. Für den Be­klag­ten sei da­her ein rechts­wis­sen­schaft­li­ches oder ei­ne ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on un­ver­zicht­ba­res Kri­te­ri­um. Nach der Ver­kehrs­an­schau­ung sei­en für der­ar­ti­ge Re­fe­ren­ten­stel­len ty­pi­scher­wei­se Per­so­nen mit uni­ver­sitärem Hoch­schul­stu­di­um ein­ge­stellt. Dies zei­ge sich auch in der Be­wer­tung durch die Vergütungs­grup­pe E13 TVöD, die ein wis­sen­schaft­li­che Hoch­schul­stu­di­um/Mas­ter vor­aus­set­ze und mit dem höhe­ren Be­am­ten­dienst ver­gleich­bar sei. Ei­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin lie­ge nicht vor. Be­reits der Um­stand, dass die Kläge­rin nicht über das ge­for­der­te uni­ver­sitäre Hoch­schul­stu­di­um verfüge, sei der Grund dafür ge­we­sen, sie nicht zum Vor­stel­lungs­gespräch ein­zu­la­den. Auch die so­zi­alpädago­gi­sche Aus­rich­tung der Kläge­rin sei weit ent­fernt vom An­for­de­rungs­pro­fil des Be­klag­ten. Die Kläge­rin ha­be sich des­we­gen mit dem aus­gewähl­ten Be­wer­ber be­reits nicht in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on iSd. § 3 Abs. 1 AGG be­fun­den.

Bei an­ge­nom­me­ner un­ter­schied­li­cher Be­hand­lung we­gen der Re­li­gi­on sei ei­ne sol­che nach § 9 AGG ge­recht­fer­tigt. Die Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit stel­le un­ter Be­ach­tung des Selbst­ver-ständ­nis­ses nach der Art der Tätig­keit ei­ne ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung dar. Mit der Tätig­keit wer­de der Stel­len­in­ha­ber un­mit­tel­bar nach außen für den Be­klag­ten tätig und ver­tre­te des­sen Mei­nung und die sei­ner nach­ge­ord­ne­ten Ein­rich­tun­gen in Li­te­ra­tur, Öffent­lich­keit und Po­li­tik. Da der Stel­len­in­ha­ber ei­nen Par­al­lel­be­richt zum Staa­ten­be­richt der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hin­sicht­lich der UN-An­ti­ras­sis­mus­kon­ven­ti­on ver­fas­se, in der Zen­tra­le des Be­klag­ten an­ge­sie­delt sei und da­mit in­ten­si­ve Ein­bli­cke in die in­ne­re Struk­tur des Be­klag­ten er­hal­te, sei es äußerst be­deut­sam, dass er im in­ne­ren Ein­klang mit den Wer­ten und Über­zeu­gun­gen des Be­klag­ten agie­re. Die Tätig­keit des Stel­len­in­ha­bers ent­fal­te un­mit­tel­ba­re Außen­wir­kung für den Be­klag­ten und die Evan­ge­li­sche Kir­che so­wie ih­re Ein­rich­tun­gen. Nach den für den Be­klag­ten maßgeb­li­chen Re­ge­lun­gen als Aus­fluss von Art. 140 GG in Ver­bin­dung mit Art 137 Abs. 3 WRV sei die Zu­gehörig­keit zu ei­ner christ­li­chen Kir­che ei­ne not­wen­di­ge An­for­de­rung für die Be­gründung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Das Recht des Be­klag­ten, ei­ne sol­che An­for­de­rung zu stel­len, sei vom Bun­des­ver­fas-sungs­ge­richt aus­drück­lich an­er­kannt. Zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis kom­me man auch nicht bei Aus­le­gung der EU-Richt­li­nie 2000/78/EG. Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz berück­sich­ti­ge die Vor­ga­ben der EG-Richt­li­nie 2000/78/EG so­wie die Vor­ga­ben des Bun-des­ver­fas­sungs­ge­richts und ha­be zu­gleich das kirch­li­che Ar­beits­recht we­der ab­geändert noch abändern wol­len. So­weit nach der Recht­spre­chung an­er­kannt sei, dass ein Kir-chen­aus­tritt die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zur Fol­ge ha­ben könne, müsse dies auch für die Be­gründung von Ar­beits­verhält­nis­sen gel­ten, da­mit kei­ne sys­te­ma­ti­schen Wi­dersprüche entstünden.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des erst­in­stanz­li­chen Vor­trags des Be­klag­ten wird auf die Schriftsätze vom 16.09.2013 (Bl. 59-138 d. A.) und vom 29.11.2013 (Bl. 342-354 d. A.) nebst An­la­gen ver­wie­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kläge­rin mit Ur­teil vom 18.12.2013 ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 1.957,73 EUR zu­ge­spro­chen. Es ist da­von aus­ge­gan­gen, dass der Be­klag­te die Kläge­rin iSd. § 7 AGG iVm. § 1 AGG we­gen ih­rer feh­len­den Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit be­nach­tei­ligt hat. Zur Be­gründung hat es – kurz ge­fasst – aus­geführt, dass sich die Kläge­rin im Rah­men der Aus­wahl­si­tua­ti­on iSd. § 3 Abs. 1 AGG in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on mit den an­de­ren ob­jek­tiv ge­eig­ne­ten Be­wer­bern be­fun­den ha­be, da die Kläge­rin das Merk­mal der „ver­gleich­ba­ren Qua­li­fi­ka­ti­on“ auf­grund ih­rer tatsächli­chen Tätig­keit in der Ras­sis­mus­ar­beit und der da­mit ge­won­nen Er­fah­rung erfülle. Es sei da­von aus­zu­ge­hen, dass - in­di­ziert durch den Aus­schrei­bungs­text - die Kläge­rin we­gen ih­rer feh­len­den Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit be­nach­tei­ligt wor­den sei. Ei­ne Recht­fer­ti­gung der Un­gleich­be­hand­lung nach § 9 AGG lie­ge nicht vor. § 9 Abs. 1 AGG las­se nur im Aus­nah­me­fall ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung we­gen der Re-li­gi­on zu, wenn die­se ei­ne we­sent­li­che, rechtmäßige und ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for-de­rung dar­stel­le. Dies sei für die aus­ge­schrie­be­ne Re­fe­ren­ten­stel­le zu ver­nei­nen. Ei­ne Übe­rein­stim­mung mit dem evan­ge­li­schen Welt­bild sei zwar nütz­lich, die Re­li­gi­ons­zu­gehö-rig­keit sei aber für die Tätig­keit nicht we­sent­lich und er­for­der­lich. Hin­sicht­lich der Höhe der Entschädi­gung sei un­ter Berück­sich­ti­gung der Ge­samt­umstände des Ein­zel­falls die Zah­lung ei­ner Entschädi­gung in Höhe ei­ner Mo­nats­vergütung ge­bo­ten aber auch an­ge­mes­sen.

Ge­gen das ihm am 30.12.2013 zu­ge­stell­te Ur­teil des Ar­beits­ge­richts hat der Be­klag­te mit beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 15.01.2014 ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 31.1.2014 mit beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 28.03.2014 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet. Die Kläge­rin hat ge­gen das ihr am 08.01.2014 zu­ge­stell­te Ur­teil des Ar­beits­ge­richts mit beim Lan­des-ar­beits­ge­richt am 29.01.2014 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 08.04.2014 mit beim Lan­des-ar­beits­ge­richt am 07.04.2014 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Der Be­klag­te ist un­ter Ver­tie­fung sei­ner erst­in­stanz­li­chen Ausführun­gen der Auf­fas­sung, dass Ar­beits­ge­richt ha­be zu Un­recht an­ge­nom­men, die Kläge­rin ha­be sich mit den an­de­ren Be­wer­bern in ei­ner ver­gleich­ba­ren La­ge be­fun­den. Die Kläge­rin sei für die Stel­le im Hin­blick auf die An­for­de­run­gen in der Stel­len­aus­schrei­bung be­reits nicht ob­jek­tiv ge­eig­net. Die Kläge­rin ha­be we­der ein ab­ge­schlos­se­nes Hoch­schul­stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten noch ei­ne ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on. Ei­ne ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on sei nur ei­ne sol­che, die eben­falls durch ein wis­sen­schaft­li­ches Hoch­schul­stu­di­um, nicht je­doch durch ein Fach­hoch­schul­stu­di­um der So­zi­alpädago­gik er­wor­ben wer­de. Dass der Be­klag­te die An-for­de­rung ent­spre­chend ver­stan­den ha­ben woll­te, las­se sich auch aus der Stel­len­be-schrei­bung selbst er­ken­nen. Das ent­spre­chen­de An­for­de­rungs­pro­fil sei auch nur da­hin-ge­hend zu über­prüfen, ob nach der im Ar­beits­le­ben herr­schen­den Ver­kehrs­an­schau­ung die wahr­zu­neh­men Auf­ga­ben durch die Er­for­der­nis­se un­ter kei­nem nach­voll­zieh­ba­ren Ge­sichts­punkt ge­deckt sind. Dass das An­for­de­rungs­merk­mal „uni­ver­sitäres Hoch­schul-stu­di­um“ ei­ner ent­spre­chen­den Über­prüfung stand­hal­te, hätte auch das Ar­beits­ge­richt se­hen müssen, da es das ein wis­sen­schaft­li­ches Hoch­schul­stu­di­um für die Auf­ga­be als „si­cher­lich nütz­lich“ an­ge­se­hen hat­te.

So­weit das Ar­beits­ge­richt ei­ne Recht­fer­ti­gung nach § 9 AGG ver­neint ha­be, sei dies eben­falls nicht zu­tref­fend. Die An­nah­me, ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung auf­grund der Re­li­gi­on sei nur bei Po­si­tio­nen im „verkündungs­na­hen Be­reich“ zulässig, igno­rie­re den erklärten Wil­len des na­tio­na­len Ge­setz­ge­bers, aber auch die primärrecht­li­chen Grund­la­gen, auf de­nen die dem AGG zu­grun­de­lie­gen­de RL 2000/78/EG ba­siert. Be­reits aus dem Wort­laut des § 9 Abs. 1 AGG wer­de deut­lich, dass – an­ders als bei § 8 Abs. 1 AGG – die Fra­ge, ob ei­ne we­sent­li­che be­ruf­li­che An­for­de­rung ge­ge­ben sei, un­ter Be­ach­tung des Selbst­verständ­nis­ses und da­mit des sub­jek­ti­ven Verständ­nis­ses der kirch­li­chen Ein­rich­tung zu be­ant­wor­ten ist. Aus dem Selbst­verständ­nis der kirch­li­chen Ar­beit­ge­ber fol­ge aber, dass je­der, der in den Dienst ei­ner kirch­li­chen Ein­rich­tung tre­te, zu­gleich ei­nen Bei­trag zur Erfüllung des der Kir­che ge­stell­ten Sen­dungs­auf­trags leis­te. Re­spek­tie­re man die­ses Selbst­verständ­nis, so führe das zwangsläufig da­zu, dass es al­lei­ni­ges Recht der Kir­chen sei zu ent­schei­den, wel­che Vor­aus­set­zun­gen von dem Beschäftig­ten erfüllt sein müssen, um als Teil der christ­li­chen Dienst­ge­mein­schaft an dem Auf­trag der Kir­che in der Welt teil­zu­neh­men. Auch die RL 2000/78/EG ge­bie­te ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge-richts kei­ne ab­wei­chen­de Aus­le­gung des § 9 AGG. Das ent­spre­chen­de Verständ­nis der RL 2000/78/EG durch das Ar­beits­ge­richt sei auch mit dem eu­ropäischen Primärrecht, na-ment­lich Art. 17 AEUV nicht ver­ein­bar. Aus Art. 17 AEUV fol­ge, dass der na­tio­na­le Sta­tus der Kir­chen ge­ach­tet und nicht be­ein­träch­tigt wer­de. Da­mit ent­spre­che ei­ne Ein­schränkung des aus Art. 140 GG iVm. §§ 136 ff. WRV fol­gen­den kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­recht, wie es in der ver­fas­sungs­ge­richt­li­chen und ar­beits­recht­li­chen Recht­spre­chung an­er­kannt sei, we­der dem Wil­len des na­tio­na­len noch des eu­ropäischen Ge­setz­ge­bers.

Der Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 18.12.2013 – 54 Ca 6322/13 - ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung des Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil, so­weit es ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch be­jaht hat. Sie ver­tritt wei­ter­hin die Auf­fas­sung, die ob­jek­ti­ve Eig­nung sei nicht Be­stand­teil ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on. Auch erfülle die Kläge­rin oh­ne wei­te­res das Merk­mal der „ver­gleich­ba­ren Qua­li­fi­ka­ti­on“. Die Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin sei auch nicht durch § 9 AGG ge­recht­fer­tigt. Ei­ne Recht­fer­ti­gung nach § 9 AGG kom­me nur im verkündungs­na­hen Be­reich in Be­tracht. Die ent­spre­chen­de Un­ter­schei­dung in verkündungs­na­hen und ver-kündungs­fer­nen Be­reich fin­de sich in den kirch­li­chen Re­ge­lung selbst. Die Auf­fas­sung des Be­klag­ten führ­te auch da­zu, dass jed­we­de Re­li­gi­ons- oder Welt­an­schau­ungs­ge­mein­schaft ih­re Mit­glie­der oh­ne je­de Kon­trol­le bei der Stel­len­be­set­zung be­vor­zu­gen könne. Die­se gel­te dann, wie der Kläge­rin­nen­ver­tre­ter in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 28.05.2014 vor-ge­tra­gen hat, zB. auch für Sci­en­to­lo­gy und Ve­ga­ner. Es pas­se auch nicht zu­sam­men, dass der Be­klag­te die hier frag­li­che Stel­le aus Dritt­mit­teln fi­nan­zie­re, aber sich ge­gen ei­ne Kon­trol­le der Ein­stel­lungs­kri­te­ri­en durch die Ge­rich­te weh­re.

So­weit das Ar­beits­ge­richt die Entschädi­gungs­sum­me le­dig­lich auf 1.957,73 EUR fest­ge­legt ha­be, sie dies in­des feh­ler­haft. Das Ar­beits­ge­richt sei un­zu­tref­fend von ei­ner Be­gren­zung auf drei Mo­nats­gehälter aus­ge­gan­gen und ha­be die Präven­ti­ons­wir­kung der Entschädi­gung nicht berück­sich­tigt. Auch ver­fol­ge die Evan­ge­li­sche Kir­che mit der An­knüpfung an die Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit bei der Ein­stel­lung das Ziel, durch die star­ke Po­si­ti­on auf dem Ar­beits­markt die Ein­nah­men aus den Kir­chen­steu­ern der Beschäftig­ten zu si­chern.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

den Be­klag­ten un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 18.12.2013 – 54 Ca 6322/13 – zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung gemäß § 15 AGG zu zah­len, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge-richts ge­stellt wird, 9.788,65 EUR aber nicht un­ter­schrei­ten soll.

Der Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil un­ter Ver­tie­fung ih­res Vor­brin­gens und ver­weist dar­auf, dass der ein­ge­stell­te Be­wer­ber ge­genüber der Kläge­rin un­abhängig von der Re­li-gi­ons­zu­gehörig­keit ob­jek­tiv bes­ser qua­li­fi­ziert sei, so dass die vom Ar­beits­ge­richt an­ge-nom­me­ne Ober­gren­ze von drei Mo­nats­gehältern zu­tref­fend sei.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des zweit­in­stanz­li­chen Vor­trags des Be­klag­ten wird auf die Schriftsätze vom 28.03.2014 (Bl. 454 - 496 d. A.), vom 14.04.2914 (Bl. 579 – 588 d. A.) und vom 20.05.2014 (Bl. 607 – 625 d. A.) nebst An­la­gen ver­wie­sen.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des zweit­in­stanz­li­chen Vor­trags der Kläge­rin wird auf die Schriftsätze vom 07.04.2014 (Bl. 519 - 529 d. A.), vom 05.05.2014 (Bl. 552 – 568 d. A.) und vom 23.05.2014 (Bl. 629 – 631 d. A.) nebst An­la­gen ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung des Be­klag­ten hat Er­folg. Die Be­ru­fung der Kläge­rin war zurück­zu-wei­sen.

A. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. b. ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung des Be­klag­ten ist von ihm frist­gemäß und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG). Sie ist da­mit zulässig.

B. Die Be­ru­fung des Be­klag­ten ist auch be­gründet. Die Kläge­rin hat kei­nen Entschä-di­gungs­an­spruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Der Be­klag­te hat die Kläge­rin nicht iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und § 1 AGG we­gen der Re­li­gi­on be­nach­tei­ligt. Es er­scheint be­reits zwei­fel­haft, ob im Hin­blick auf das Er­for­der­nis ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne Be­nach­tei­li­gung iSd. § 3 Abs. 1 AGG vor­liegt. Zu­min­dest aber ist die we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung der Kläge­rin iSd. § 3 Abs. 1 AGG nach § 9 Abs. 1 AGG ge­recht­fer­tigt.

I. Ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes in § 1 ge­nann­ten Grun­des ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde.

1. Die Kläge­rin er­fuhr durch die Ab­sa­ge ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung so­wohl im Ver­gleich zum tatsächlich ein­ge­stell­ten Be­wer­ber als auch im Ver­gleich zu den zu den Vor­stel­lungs­gesprächen ein­ge­la­de­nen Be­wer­bern. Ein Nach­teil im Rah­men ei­ner Aus-wahl­ent­schei­dung, ins­be­son­de­re bei ei­ner Ein­stel­lung oder Beförde­rung, liegt be­reits dann vor, wenn der Be­wer­ber nicht in die Aus­wahl ein­be­zo­gen, son­dern vor­ab aus dem Be-wer­bungs­ver­fah­ren aus­ge­schie­den wird. Hier liegt die Be­nach­tei­li­gung in der Ver­sa­gung ei­ner Chan­ce (BAG 14.11.2013 – 8 AZR 997/12 – NZA 2014, 489 (491) mwN)

2. Zwei­fel be­ste­hen aber, ob sich die Kläge­rin mit den Be­wer­bern, die zum Vors­tel-lungs­gespräch ein­ge­la­den wor­den sind, in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on be­fand. Während die zum Vor­stel­lungs­gespräch ge­la­de­nen vier Be­wer­ber ein wis­sen­schaft­li­ches Hoch-schul­stu­di­um ab­ge­schlos­sen ha­ben, hat die Kläge­rin ein Fach­hoch­schul­stu­di­um der So-zi­alpädago­gik ab­sol­viert.

a. Das Vor­lie­gen ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on setzt vor­aus, dass der Kläger ob­jek­tiv für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le ge­eig­net war, denn ver­gleich­bar ist die Aus­wahl­si­tua­ti­on nur für Ar­beit­neh­mer, die glei­cher­maßen die ob­jek­ti­ve Eig­nung für die zu be­set­zen­de Stel­le auf­wei­sen (BAG 14.11.2013 – 8 AZR 997/12 – NZA 2014, 489 (491) mwN; BAG 07.04.2011 – 8 AZR 679/09 - EzA § 15 AGG Nr. 17 = AP Nr. 4 zu § 22 AGG; Schleu­se-ner/Suckow/Voigt-Schleu­se­ner AGG 4. Aufl. § 3 Rn. 7a). Für die Be­ur­tei­lung der da­mit stets er­for­der­li­chen ob­jek­ti­ven Eig­nung ist nicht nur auf das for­mel­le und be­kannt ge­ge­be­ne An­for­de­rungs­pro­fil, das der Ar­beit­ge­ber er­stellt hat, zurück­zu­grei­fen und ab­zu­stel­len. Maßgeb­lich sind viel­mehr die An­for­de­run­gen, die der Ar­beit­ge­ber an ei­nen Be­wer­ber in red­li­cher Wei­se stel­len durf­te. Al­ler­dings darf der Ar­beit­ge­ber über den ei­ner Stel­le zu­ge-ord­ne­ten Auf­ga­ben­be­reich und die dafür ge­for­der­ten Qua­li­fi­ka­tio­nen des Stel­len­in­ha­bers grundsätz­lich frei ent­schei­den. Durch über­zo­ge­ne An­for­de­run­gen, die nach der im Ar-beits­le­ben herr­schen­den Ver­kehrs­an­schau­ung un­ter kei­nem nach­voll­zieh­ba­ren Ge-sichts­punkt durch die Er­for­der­nis­se der wahr­zu­neh­men­den Auf­ga­ben ge­deckt sind, darf er al­ler­dings die Ver­gleich­bar­keit der Si­tua­ti­on nicht willkürlich ge­stal­ten und da­durch den Schutz des All­ge­mei­nen Dis­kri­mi­nie­rungs­schut­zes de fac­to be­sei­ti­gen.. (BAG 14.11.2013 – 8 AZR 997/12 – NZA 2014, 489 (491) mwN; BAG 07.04.2011 – 8 AZR 679/09 – AP Nr. 6 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 13; BAG 07.04.2011 – 8 AZR 679/09 - EzA § 15 AGG Nr. 17 = AP Nr. 4 zu § 22 AGG).

b. Aus­weis­lich der Stel­len­aus­schrei­bung war An­for­de­rungs­merk­mal der Stel­le ein „Ab­ge­schlos­se­nes Hoch­schul­stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten oder ver­gleich­ba­re Qua-lifi­ka­ti­on“.

aa. Die Kläge­rin hat kein ab­ge­schlos­se­nes Hoch­schul­stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaft.

bb. Das Ar­beits­ge­richt ist mit der Kläge­rin da­von aus­ge­gan­gen, dass ei­ne „ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on“ nicht die Ab­sol­vie­rung ei­nes wis­sen­schaft­li­chen Hoch­schul­stu­di­ums vor­aus­setzt, son­dern glei­cher­maßen durch die bei der Kläge­rin vor­han­de­ne langjähri­ge ein­schlägi­ge Er­fah­rung in der An­ti­ras­sis­mus­ar­beit er­wor­ben wer­den kann. In­fol­ge des­sen hat es an­ge­nom­men, die Kläge­rin ha­be ei­ne ei­nem ab­ge­schlos­se­nen Hoch­schul­stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on.

(1) Dass langjähri­ge ein­schlägi­gen Er­fah­run­gen und Kennt­nis­sen in der An­ti­ras­sis-mus­ar­beit und den da­mit ver­bun­de­nen Tätig­kei­ten ei­ne ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on be-gründen können, wie das Ar­beits­ge­richt mit der Kläge­rin meint, ist mit dem ob­jek­ti­vier­ba­ren Wil­len des Be­klag­ten, wie er sich aus der Sys­te­ma­tik der Stel­len­aus­schrei­bung er­gibt, nicht ver­ein­bar. Die Stel­len­aus­schrei­bung nennt ne­ben der An­for­de­rung „Ab­ge­schlos­se­nes Hoch­schul­stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten oder ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on“ ku­mu­la­tiv das Er­for­der­nis „Fun­dier­te Kennt­nis­se im Völker­recht und der An­ti­ras­sis­mus­ar­beit“. Die vom Ar­beits­ge­richt zur Be­gründung der ver­gleich­ba­ren Qua­li­fi­ka­ti­on her­an­ge­zo­ge­nen un­be­strit­te­nen Er­fah­run­gen und Kennt­nis­se der Kläge­rin in der An­ti­ras­sis­mus­ar­beit sind da­mit nach dem ein­deu­ti­gen In­halt der Stel­len­aus­schrei­bung ei­ne wei­te­re Vor­aus­set­zung des An­for­de­rungs­pro­fils ne­ben der Vor­aus­set­zung „Ab­ge­schlos­se­nes Hoch­schul­stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten oder ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on“. Wer­den ne­ben der ei­nem rechts­wis­sen­schaft­li­chen Hoch­schul­stu­di­um zu­min­dest „ver­gleich­ba­ren Qua­li­fi­ka­ti­on“ „fun­dier­te Kennt­nis­se in der An­ti­ras­sis­mus­ar­beit“ ver­langt, so wird deut­lich, dass al­lein die durch prak­ti­sche Er­fah­rung ge­won­ne­nen Kennt­nis­se in der An­ti­ras­sis­mus­ar­beit ei­ne „ver-gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on“ nicht be­gründen können.

Viel­mehr folgt aus der Sys­te­ma­tik der Stel­len­aus­schrei­bung, dass es für das Vor-lie­gen ei­ner „ver­gleich­ba­ren Qua­li­fi­ka­ti­on“ auf die for­ma­le Qua­li­fi­ka­ti­on an­kommt. Das An­for­de­rungs­pro­fil be­nennt un­ter den Spie­gel­stri­chen 2 – 7 tatsächli­che An­for­de­run­gen an den Stel­len­in­ha­ber und im Spie­gel­strich 1 mit dem Er­for­der­nis „ab­ge­schlos­se­nes Hoch-schul­stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten“ ei­ne rein for­ma­le Qua­li­fi­ka­ti­on. In­so­weit sta­tu­iert der ers­te Spie­gel­strich for­ma­le An­for­de­run­gen an die Qua­li­fi­ka­ti­on, die sich auch bei dem Merk­mal „ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on“ wie­der­fin­den müssen.

Würden die Kam­mer ent­ge­gen die­sem klar in der Stel­len­aus­schrei­bung zu Ta­ge ge­tre­ten Wil­len des Be­klag­ten, ei­ne „ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on“ al­lein auf­grund der un-be­strit­te­nen Er­fah­run­gen und Kennt­nis­se der Kläge­rin in der An­ti­ras­sis­mus­ar­beit und ih­rer während der Tätig­keit er­wor­be­nen Kennt­nis­se des Völker­rechts an­neh­men, setz­te sie sich über das Recht der Be­klag­ten hin­weg, über den der Stel­le zu­ge­ord­ne­ten Auf­ga­ben­be­reich und die dafür ge­for­der­te Qua­li­fi­ka­ti­on des Stel­len­in­ha­bers im Grund­satz frei zu ent­schei­den. Eben­so we­nig wie das rei­ne Ab­sol­vie­ren ei­nes Hoch­schul­stu­di­ums der Rechts­wis-sen­schaf­ten da­zu führt, dass der Be­wer­ber die Stel­len­an­for­de­rung erfüllt, wird durch „fun-dier­te Kennt­nis­se im Völker­recht und der An­ti­ras­sis­mus­ar­beit“ al­lein das An­for­de­rungs­pro­fil erfüllt.

(2) In­so­weit wird das Merk­mal der „ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on“ nur von ei­nem Be-wer­ber erfüllt, der ein Stu­di­um ab­sol­viert hat, das ei­nem Hoch­schul­stu­di­um der Rechts-wis­sen­schaf­ten ver­gleich­bar ist. Hier­bei han­delt es sich in Be­zug auf die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le auch nicht um ei­ne über­zo­ge­ne An­for­de­rung, die nach der im Ar­beits­le­ben herr-schen­den Ver­kehrs­an­schau­ung un­ter kei­nem nach­voll­zieh­ba­ren Ge­sichts­punkt durch die Er­for­der­nis­se der wahr­zu­neh­men­den Auf­ga­ben ge­deckt ist.

(3) Die Kläge­rin hat ein Fach­hol­schul­stu­di­um der So­zi­alpädago­gik an ei­ner Fach­hoch­schu­le für So­zi­al­ar­beit/So­zi­alpädago­gik ab­sol­viert. Ob dies ei­ne „ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on“ be­gründet, er­scheint des­we­gen zwei­fel­haft, weil sich die Stu­di­en­in­hal­te er­heb­lich un­ter­schei­den. Das Fach­hol­schul­stu­di­um der So­zi­alpädago­gik ver­mit­telt kei­ne schlech­te­re, aber ei­ne an­de­re Qua­li­fi­ka­ti­on als das Hoch­schul­stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten. Es spricht auch vie­les dafür, dass ei­ne ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on iSd. der Stel­len­aus­schrei­bung nur bei Ab­sol­vie­rung ei­nes Hoch­schul- nicht aber Fach­hoch­schul­stu­di­ums vor­liegt. In­so­weit ist zu berück­sich­ti­gen, die die Vergütung auf der aus­ge­schrie­be­ne Stel­le mit der Vergütungs­grup­pe E13 TVöD er­fol­gen soll­te. Ei­ne Ein­grup­pie­rung in der Vergütungs­grup­pe E13 TVöD er­for­dert aber grundsätz­lich die Ab­sol­vie­rung ei­nes wis­sen­schaft­li­chen Hoch­schul­stu­di­ums bzw. die Er­lan­gung ei­nes Mas­ters.

II. Die Fra­ge be­darf in­des kei­ner Ent­schei­dung. Auch wenn man annähme, die Kläge­rin ha­be sich mit den zum Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­de­nen Be­wer­bern un­ter Zu­grun­de­le­gung der Stel­len­aus­schrei­bung in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on be­fun­den, läge ei­ne rechts­wid­ri­ge Be­nach­tei­li­gung nicht vor. Zwar hat die Kläge­rin ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung er­fah­ren als die zum Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­de­nen Mit­be­wer­ber. Da in der Stel­len­aus­schrei­bung die Mit­glied­schaft in ei­ner evan­ge­li­schen oder der Ar­beits­ge­mein­schaft christ­li­cher Kir­chen in Deutsch­land (ACK) an­gehören­den Kir­che vor­aus­ge­setzt wur­de, lie­gen Tat­sa­chen vor, die in­di­zie­ren, dass für die Nicht­ein­la­dung der Kläge­rin zum Vor­stel­lungs­gespräch die Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit zu­min­dest auch ein Mo­tiv war. Für die Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes Merk­mals iSd. § 1 AGG reicht es aus, wenn das ent­sp­re-chen­de Merk­mal nur Be­stand­teil ei­nes Mo­tivbündels ist, das die Ent­schei­dung be­ein­flusst hat (BAG 28.04.2011 – 8 AZR 515/10 - AP Nr. 7 zu § 15 AGG = EzA § 22 AGG Nr. 4; Schleu­se­ner/Suckow/Voigt-Schleu­se­ner AGG 4. Auf. § 3 Rn. 12 mwN). Die un­ter­schied-li­che Be­hand­lung war in­des nach § 9 Abs. 1 AGG ge­recht­fer­tigt.

1. Nach § 9 Abs. 1 AGG ist un­ge­ach­tet des § 8 AGG ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen der Re­li­gi­on bei der Beschäfti­gung durch Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten oder die ih­nen zu­ge­ord­ne­ten Ein­rich­tun­gen auch zulässig, wenn ei­ne be­stimm­te Re­li­gi­on un­ter Be­ach­tung des Selbst­verständ­nis­ses der je­wei­li­gen Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft im Hin­blick auf ihr Selbst­be­stim­mungs­recht oder nach der Art der Tätig­keit ei­ne ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stellt.

a. Nach dem Wort­laut der Norm ist ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung nach der Re­li­gi­on auch dann zulässig, wenn die Re­li­gi­on un­ter Be­ach­tung des Selbst­verständ­nis­ses der je­wei­li­gen Re-li­gi­ons­ge­mein­schaft im Hin­blick auf ihr Selbst­be­stim­mungs­recht ei­ne ge­recht­fer­tig­te be­ruf-li­che An­for­de­rung dar­stellt. § 9 Abs. 1 AGG stell­te im Hin­blick auf die ge­recht­fer­tig­ten be-ruf­li­chen An­for­de­run­gen das Selbst­verständ­nis al­ter­na­tiv ne­ben die „Art der Tätig­keit“.

b. Ob ent­spre­chend dem Wort­laut aus § 9 Abs. 1 AGG das Recht der Re­li­gi­ons­ge-mein­schaf­ten folgt, un­ter Be­ach­tung ih­res Selbst­verständ­nis­ses für die bei ih­nen Beschäf-tig­ten ei­ne be­stimm­te Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit zu for­dern oder ob § 9 Abs. 1 AGG ei­ner ein­schränken­den Aus­le­gung im Hin­blick auf eu­ro­pa­recht­li­che Vor­ga­ben be­darf, ist in der ar­beits­recht­li­chen Li­te­ra­tur um­strit­ten.

Teil­wei­se wird un­ter Be­zug auf den Wort­laut der Norm und die Ge­set­zes­be­gründung (Vgl. BT-Drucks 16/1780 S. 35) da­von aus­ge­gan­gen wird, dass es das Recht der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft sei, die Re­li­gi­on als be­ruf­li­che An­for­de­rung für die bei ih­nen Be-schäftig­ten zu be­stim­men, auch wenn Tätig­kei­ten aus­geübt wer­den, die kei­ne Nähe zum Verkündungs­auf­trag der Kir­chen ha­ben (MüKo-BGB/Thüsing 6. Aufl. § 9 AGG Rn. 12-13; Adom­eit/Mohr AGG 2. Aufl. § 9 Rn. 6-7; Mohr/v. Fürs­ten­berg BB 2008, 2122 (2126)). Nach an­de­rer Auf­fas­sung lässt sich aus dem Selbst­verständ­nis der Re­li­gio­nen nur bei ei­nem Kern­be­reich von Be­rufs­fel­dern, die in­halt­lich di­rekt mit der Ver­mitt­lung der In­hal­te der Re­li­gio­nen be­fasst sind oder die der un­mit­tel­ba­ren Ausübung des Glau­bens die­nen, ei­ne Un­ter­schei­dung nach der Re­li­gi­on recht­fer­ti­gen (Däubler/Bertz­bach-Däubler AGG 3. Aufl. § 9 Rn. 41). Teil­wei­se wird ver­tre­ten, dass im Hin­blick auf ei­ne uni­ons­kon­for­me Aus­le­gung zwar die Art der Tätig­keit der maßgeb­li­che Be­zugs­punkt sei, dass aber in­so­weit hin­sicht­lich der Fra­ge, ob für die Tätig­keit die Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit we­sent­lich ist, das Selbst­verständ­nis der Re­li­gi­on zu be­ach­ten sei (Meinl/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 9 Rn. 18-20). Ähn­lich wird teil­wei­se ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung des § 9 Abs. 1 AGG da­hin­ge­hend für not­wen­dig er­ach­tet, dass nicht das Selbst­verständ­nis der Re­li­gi­ons­ge-mein­schaft al­lein ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung we­gen der Re­li­gi­on recht­fer­tigt, son­dern dass die Re­li­gi­on im Hin­blick auf das Selbst­be­stim­mungs­recht nach der Art der Tätig­keit ei­ne ge-recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stel­len muss (Schleu­se­ner/Suckow/Voigt-Voigt AGG 4. Aufl. § 9 Rn. 24; KR/Tre­ber 10. Aufl. AGG § 9 Rn. 12; ErfK/Schlach­ter 14. Aufl. AGG § 9 Rn. 3).

c. Die Be­stim­mung des In­halts des § 9 Abs. 1 AGG kann nicht los­gelöst von den eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben er­fol­gen. So­weit ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen der Re­li­gi­on be­trof­fen ist, setzt das AGG die Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27.11.2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (im Fol­gen­den: RL 2000/78/EG) um.

aa. Das in­ner­staat­li­che Ge­richt muss das na­tio­na­le Recht so weit wie möglich an­hand des Wort­lauts und des Zwecks der Richt­li­nie aus­le­gen, um das in der Richt­li­nie fest­ge­leg­te Ziel zu er­rei­chen und da­mit Ar­ti­kel 288 Abs. 3 AEUV (ex-Ar­ti­kel 249 EGV) zu genügen (vgl. EuGH 16.07.2009 - C-12/08 - [Mo­no Car Sty­ling] Rn. 60, EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 98/59 Nr. 2; BAG 17.11.2009 - 9 AZR 844/08 - EzA § 13 BUrlG Nr. 59; BAG 23.3.2011 - 5 AZR 7/10 - AP § 10 AÜG Nr. 23 = EzA § 10 AÜG Nr. 15). Da­bei sind Richt­li­ni­en ih­rer­seits wie­der ent­spre­chend den Vor­ga­ben des eu­ropäischen Primärrechts aus­zu­le­gen.

bb. Nach dem bei der Aus­le­gung des § 9 AGG zu berück­sich­ti­gen­den Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG können die Mit­glied­staa­ten der EU in Be­zug auf be­ruf­li­che Tätig­kei­ten in­ner­halb von Kir­chen und an­de­ren öffent­li­chen oder pri­va­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen, de­ren Ethos auf re­li­giösen Grundsätzen oder Welt­an­schau­un­gen be­ruht, Be­stim­mun­gen in ih­ren zum Zeit­punkt der An­nah­me die­ser Richt­li­nie gel­ten­den Rechts­vor­schrif­ten bei­be­hal­ten oder in künf­ti­gen Rechts­vor­schrif­ten Be­stim­mun­gen vor­se­hen, die zum Zeit­punkt der An­nah­me die­ser Richt­li­nie be­ste­hen­de ein­zel­staat­li­che Ge­pflo­gen­hei­ten wi­der­spie­geln und wo­nach ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen der Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung ei­ner Per­son kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stellt, wenn die Re­li­gi­on oder die Welt­an­schau­ung die­ser Per­son nach der Art die­ser Tätig­kei­ten oder der Umstände ih­rer Ausübung ei­ne we­sent­li­che, rechtmäßige und ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung an­ge­sichts des Ethos der Or­ga­ni­sa­ti­on dar­stellt.

cc. Die Aus­le­gung des Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG darf al­ler­dings ih­rer­seits nicht un­abhängig von den Vor­ga­ben des eu­ropäischen Primärrechts er­fol­gen. Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG ist viel­mehr seit dem 01.12.2009 sei­ner­seits im Lich­te von Art. 17 Abs. 1 AEUV aus­zu­le­gen (BAG 25.04.2013 – 2 AZR 579/12 - EzA § 611 BGB 2002 Kirch­li­che Ar­beit-neh­mer Nr. 26 = AP Nr. 243 zu § 626 BGB).

Seit In­kraft­tre­ten des Ver­tra­ges von Lis­sa­bon am 01.12.2009 ist mit Art. 17 Abs. 1 AEUV der Sta­tus der Kir­chen in der EU primärrecht­lich ver­an­kert. Nach Art. 17 Abs. 1 AEUV ach­tet die Uni­on den Sta­tus, den Kir­chen und re­li­giöse Ver­ei­ni­gun­gen oder Ge-mein­schaf­ten in den Mit­glieds­staa­ten nach de­ren Rechts­vor­schrif­ten ge­nießen und be­ein-träch­tigt ihn nicht. An die­se primärrecht­li­che Ent­schei­dung des eu­ropäischen Ge­setz­ge­bers, den in den Mit­glieds­staa­ten exis­tie­ren­den Sta­tus der Kir­chen an­zu­er­ken­nen und ihn nicht zu be­ein­träch­ti­gen, sind so­wohl die eu­ropäischen, wie auch die na­tio­na­len Ge­rich­te bei der Aus­le­gung und An­wen­dung des Ge­mein­schafts­rechts ge­bun­den. Durch den eu­ropäischen Ge­setz­ge­ber vor­ge­ge­ben er­gibt sich da­mit für die primärrecht­li­che Aus­le­gung der se­kundärrecht­li­chen Vor­schrift des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 RL 2000/78/EG, dass das in den Mit­glieds­staa­ten gel­ten­de Recht maßgeb­lich ist (Scho­enau­er KuR 2012, 30 (35 f)). Zu dem in den Mit­glieds­staa­ten gel­ten­den Recht gehört ins­be­son­de­re auch das Ver­fas­sungs­recht, so­weit es den Sta­tus der Kir­chen und re­li­giösen Ver­ei­ni­gun­gen re­gelt. Ver­mit­telt das na-tio­na­le Ver­fas­sungs­recht den Kir­chen und re­li­giösen Ver­ei­ni­gun­gen be­stimm­te Rech­te, sind die­se auch von der Uni­on zu ach­ten. Art. 17 Abs. 1 AEUV enthält da­mit nicht nur ei­ne An­er­ken­nung des Sta­tus der Körper­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts der Kir­chen, son­dern be­zieht das ge­sam­te Rechts­verhält­nis zwi­schen den Mit­glieds­staa­ten und Kir­chen ein; für Deutsch­land wird das ge­sam­te Staats­kir­chen­recht wie es in Art. 140 GG und den in­kor­po-rier­ten Ar­ti­keln der Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung sei­ne Ge­stalt ge­fun­den hat, ein­be­zo­gen (Cal­lies/Ru­fert-Wald­hoff EUV/AEUV 4. Aufl. Art. 17 AEUV Rn. 12; Lim­bach KuR 2013, 42 (48); Scho­enau­er KuR 2012, 30 (35)). Art. 17 Abs. 1 AEUV ge­bie­tet des­we­gen sei­ner­seits ei­ne Aus­le­gung von Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG im Sin­ne ei­ner Wah­rung der sich aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV er­ge­ben­den kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts gemäß der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (Fi­scher­mei­er ZMV-Son­der­heft Ta­gung 2012, 30 (34); KR/Fi­scher­mei­er 10. Aufl. Kündi­gung Kirch­li­cher Ar­beit­neh­mer Rn. 8; Scho­enau­er KuR 2012, 30 (35 f.)).

dd. Die seit dem 01.12.2009 primärrecht­lich ge­bo­te­ne Aus­le­gung des Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG über­schrei­tet auch nicht die durch den Wort­laut der RL 2000/78/EG ge­zo­ge­ne Gren­ze.

Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG nimmt be­reits auf das Ethos der Or­ga­ni­sa­ti­on Be­zug. Zwar war um­strit­ten, ob be­reit vor dem 01.12.2009 durch die Be­zug­nah­me auf das Ethos der Or­ga­ni­sa­ti­on, den Kir­chen ein weit­ge­hen­der Frei­raum bei ei­ner Dif­fe­ren­zie­rung nach der Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit gewährt wur­de (in die­sem Sin­ne Thüsing/Fink-Ja­mann/v. Hoff ZfA 2009 153, (160 ff). Fi­scher­mei­ner ZMV-Son­der­heft Ta­gung 2009, 7 (10 f.); Scho­enau­er KuR 2012, 30 (34 f)) oder ob die­se Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz der Kir­chen durch das Merk­mal „Art die­ser Tätig­keit oder der Umstände ih­rer Ausübung“ zu re­la­ti­vie­ren ist (vgl. Däubler/Bertz­bach-Däubler AGG 3. Aufl. § 9 Rn. 41; Meinl/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 9 Rn. 18-20; Schleu­se­ner/Suckow/Voigt-Voigt AGG 4. Aufl. § 9 Rn. 24; ErfK/Schlach­ter 14. Aufl. AGG § 9 Rn. 3; KR/Tre­ber 10. Aufl. AGG § 9 Rn. 11). Zu­min­dest steht der Wort­laut der Norm an­ge­sichts des aus­drück­li­chen Be­zugs auf das Ethos der Or­ga­ni­sa­ti­on der primär-recht­lich ge­bo­te­nen Aus­le­gun­gen nicht ent­ge­gen. Dies wird bestätigt durch den Erwä-gungs­grund Nr. 24 der RL 2000/78/EG. Die­ser nimmt ex­pli­zit Be­zug dar­auf, dass die Eu-ropäische Uni­on in ih­rer der Schluss­ak­te zum Ver­trag von Ams­ter­dam bei­gefügten Erklä-rung Nr. 11 zum Sta­tus der Kir­chen und welt­an­schau­li­chen Ge­mein­schaf­ten aus­drück­lich an­er­kannt hat, dass sie den Sta­tus, den Kir­chen und re­li­giöse Ver­ei­ni­gun­gen oder Ge-mein­schaf­ten in den Mit­glied­staa­ten nach de­ren Rechts­vor­schrif­ten ge­nießen, ach­tet und ihn nicht be­ein­träch­tigt. Die in dem Erwägungs­grund Nr. 24 der RL 2000/78/EG be­nann­te der Schluss­ak­te zum Ver­trag von Ams­ter­dam bei­gefügten Erklärung Nr. 11 zum Sta­tus der Kir­chen ist aber ge­ra­de durch Art. 17 AEUV primärrecht­lich um­ge­setzt und an­er­kannt wor­den.

ee. Die ent­spre­chen­de seit dem 01.12.2009 ge­bo­te­ne eu­ro­pa­recht­lich Aus­le­gung des § 9 AGG steht auch im Ein­klang mit Wort­laut der Norm und dem in der Ge­set­zes­be­gründung zum Aus­druck ge­kom­me­nen Wil­len des deut­schen Ge­setz­ge­bers. Nach dem Wort­laut von § 9 Abs. 1 AGG ist ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung nach der Re­li­gi­on auch dann zulässig, wenn die Re­li­gi­on un­ter Be­ach­tung des Selbst­verständ­nis­ses der je­wei­li­gen Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft im Hin­blick auf ihr Selbst­be­stim­mungs­recht ei­ne ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stellt. § 9 Abs. 1 AGG stell­te im Hin­blick auf die ge­recht­fer­tig­ten be­ruf­li­chen An­for­de-run­gen das Selbst­verständ­nis al­ter­na­tiv ne­ben die „Art der Tätig­keit. Dass der deut­sche Ge­setz­ge­ber mit § 9 AGG ge­ra­de das grund­ge­setz­lich durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV geschütz­te Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­chen wah­ren woll­te, er­gibt sich auch aus der Ge­set­zes­be­gründung. Die­se führt zu § 9 Abs. 1 AGG aus BT-Drucks. 16/1780 S. 35):

„Grundsätz­lich darf we­gen der Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit nach den §§ 1 und 7 Abs. 1 kei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung der Beschäftig­ten er­fol­gen. Die Richt­li­nie 2000/78/EG ermöglicht es aber den Mit­glied­staa­ten, be­reits gel­ten­de Rechts­vor-schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten bei­zu­be­hal­ten, wo­nach ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen der Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung kei­ne Be­nach­tei­li­gung dar­stellt, wenn die Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung ei­ner Per­son nach der Art der Tätig­keit oder der Umstände ih­rer Ausübung an­ge­sichts des Ethos der Or­ga­ni­sa­ti­on ei­ne we­sent­li­che und ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stellt. Von die­ser Möglich­keit wird mit die­ser Vor­schrift Ge­brauch ge­macht. Nach deut­schem Ver­fas­sungs­recht (Ar­ti­kel 140 GG in Ver­bin­dung mit Ar­ti­kel 136 ff. der Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung (WRV)) steht den Kir­chen und sons­ti­gen Re­li­gi­ons­ge­sell­schaf­ten und Welt­an­schau­ungs-ge­mein­schaf­ten nicht nur hin­sicht­lich ih­rer körper­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Ämter, son­dern auch den der Kir­che in be­stimm­ter Wei­se zu­ge­ord­ne­ten Ein-rich­tun­gen oh­ne Rück­sicht auf ih­re Rechts­form das Recht zu, über Ord­nung und Ver­wal­tung ih­rer An­ge­le­gen­hei­ten selbstständig zu ent­schei­den. Nach gel­ten­der Recht­spre­chung steht der Kir­che die Re­ge­lungs- und Ver­wal­tungs­be­fug­nis nach Ar­ti­kel 137 Abs. 3 WRV nicht nur hin­sicht­lich ih­rer körper­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Ämter zu, son­dern auch hin­sicht­lich ih­rer „Ver­ei­ni­gun­gen, die sich nicht die all­sei­ti­ge, son­dern nur die par­ti­el­le Pfle­ge des re­li­giösen oder welt­an­schau­li­chen Le­bens ih­rer Mit­glie­der zum Ziel ge­setzt ha­ben.
….
Die­ses Recht um­fasst grundsätz­lich auch die Be­rech­ti­gung, die Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung als be­ruf­li­che An­for­de­rung für die bei ih­nen Beschäftig­ten zu be-stim­men. Auch der eu­ropäische Ge­setz­ge­ber hat in­so­weit im Erwägungs­grund 24 der Richt­li­nie 2000/78/EG aus­drück­lich klar­ge­stellt, dass die Eu­ropäische Uni­on „den Sta­tus, den Kir­chen und re­li­giöse Ver­ei­ni­gun­gen oder Ge­mein­schaf­ten in den Mit­glied­staa­ten nach de­ren Rechts­vor­schrif­ten ge­nießen, ach­tet und ihn nicht be-ein­träch­tigt und dass dies in glei­cher Wei­se für den Sta­tus von welt­an­schau­li­chen Ge­mein­schaf­ten gilt“. Der Erwägungs­grund lässt es des­halb zu, dass die Mit­glied-staa­ten in die­ser Hin­sicht spe­zi­fi­sche Be­stim­mun­gen über die we­sent­li­chen, rechtmäßigen und ge­recht­fer­tig­ten be­ruf­li­chen An­for­de­run­gen bei­be­hal­ten oder vor­se­hen, die Vor­aus­set­zung für die Ausübung ei­ner dies­bezügli­chen be­ruf­li­chen Tätig­keit sein können. Ent­spre­chend er­laubt § 9 Abs. 1 es Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten und den übri­gen dort ge­nann­ten Ver­ei­ni­gun­gen, bei der Beschäfti­gung we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung zu dif­fe­ren­zie­ren, wenn ei­ne be­stimm­te Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung im Hin­blick auf ihr Selbst­be­stim­mungs­recht oder nach der Art der Tätig­keit ei­ne ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stellt.

Das ver­deut­licht, dass der Ge­setz­ge­ber auch ei­ne Un­ter­schei­dung we­gen der Re­li­gi­on al­lein auf Grund des aus­geübten Selbst­be­stim­mungs­rechts der Kir­chen zu­las­sen woll­te (KR/Tre­ber 10. Aufl. AGG § 9 Rn. 11).

ff. So­weit die Kläge­rin auf das 2008 ein­ge­lei­te­te und später auf­ge­ho­be­ne Ver­trags-ver­let­zungs­ver­fah­ren der Kom­mis­si­on ge­gen die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ver­weist, ist dies nicht rechts­er­heb­lich. Der Ein­lei­tung des Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­rens im Jah­re 2008 lag be­reits nicht die nun­mehr seit dem In­kraft­tre­ten des Ver­tra­ges von Lis­sa­bon am 01.12.2009 gel­ten­de Rechts­la­ge zu­grun­de.

gg. So­weit die Kläge­rin die An­sicht ver­tritt, die Gewährung der aus Art. 17 Abs. 1 AEUV fol­gen­den Rech­te für die Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten führe da­zu, dass nun­mehr auch Welt-an­schau­un­gen wie Sci­en­to­lo­gy oder Ve­ga­nern die­sel­ben Rech­te zuständen, trifft dies nicht zu. Zwar ach­tet nach Art. 17 Abs. 2 AEUV die Uni­on in glei­cher Wei­se den Sta­tus, den welt­an­schau­li­che Ge­mein­schaf­ten nach den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten ge­nießen. Un­abhängig von der Fra­ge, ob es sich bei Sci­en­to­lo­gy über­haupt um Welt­an­schau-ungs­ge­mein­schaf­ten han­delt (vgl. hier­zu Schleu­se­ner/Suckow/Voigt-Schleu­se­ner AGG 4. Aufl. § 1 Rn. 52 mwN; KR/Fi­scher­mei­er 10. Aufl. Kündi­gung Kirch­li­cher Ar­beit­neh­mer Rn. 1) über­sieht die Kläge­rin, dass der Sta­tus sich al­lein nach den ein­zel­staat­li­chen Rechts-vor­schrif­ten, in der Bun­des­re­pu­blik al­so nach bun­des­deut­schem Recht, rich­tet. Ein wie für Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten nach Art. 140 GG iVm. § 137 Abs. 3 WRV ver­fas­sungs­recht­lich ab­ge­si­cher­te Rechts­stel­lung be­steht für die be­nann­ten Grup­pen nach bun­des­deut­schem Recht nicht.

2. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährt den Re­li­gi­ons­ge­sell­schaf­ten, al­so auch den Kir­chen, die Frei­heit, ih­re An­ge­le­gen­hei­ten selbständig in­ner­halb der Schran­ken des für al­le gel­ten­den Ge­set­zes zu ord­nen und zu ver­wal­ten. Be­die­nen sich die Kir­chen wie je­der­mann der Pri­vat­au­to­no­mie zur Be­gründung von Ar­beits­verhält­nis­sen, so fin­det auf die­se das staat­li­che Ar­beits­recht An­wen­dung. Das ist die schlich­te Fol­ge ei­ner Rechts­wahl. Die Ein­be­zie­hung der kirch­li­chen Ar­beits­verhält­nis­se in das staat­li­che Ar­beits­recht hebt in­des­sen de­ren Zu­gehörig­keit zu den "ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten" der Kir­che nicht auf. Des­we­gen können Kir­chen bei der Ge­stal­tung des kirch­li­chen Diens­tes auch dann, wenn sie ihn auf der Grund­la­ge von Ar­beits­verträgen re­geln, das be­son­de­re Leit­bild ei­ner christ­li­chen Dienst­ge­mein­schaft al­ler ih­rer Mit­ar­bei­ter zu­grun­de le­gen (BVerfG 04.06.1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - EzA § 611 BGB Kirch­li­che Ar­beit­neh­mer Nr. 24 = AP Nr. 24 zu Art 140 GG) Die Ar­beits­ge­rich­te ha­ben die vor­ge­ge­be­nen kirch­li­chen Maßstäbe zu­grun­de zu le­gen, so­weit die Ver­fas­sung das Recht der Kir­chen an­er­kennt, hierüber selbst zu be­fin­den. Es bleibt da­nach grundsätz­lich den ver­fass­ten Kir­chen über­las­sen, ver­bind­lich zu be­stim­men, was "die Glaubwürdig­keit der Kir­che und ih­rer Verkündi­gung er­for­dert", was "spe­zi­fisch kirch­li­che Auf­ga­ben" sind, was "Nähe" zu ih­nen be­deu­tet (BVerfG 04.06.1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - EzA § 611 BGB Kirch­li­che Ar­beit­neh­mer Nr. 24 = AP Nr. 24 zu Art 140 GG).

Die Ge­stal­tungs­frei­heit des kirch­li­chen Ar­beit­ge­bers nach Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV für die auf Ver­trags­ebe­ne be­gründe­ten Ar­beits­verhält­nis­se steht al­ler­dings un­ter dem Vor­be­halt des für al­le gel­ten­den Ge­set­zes. Zu die­sen gehören auch das AGG und die in die­sem ent­hal­te­nen Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te so­wie die Re­ge­lun­gen zur Zulässig­keit un-ter­schied­li­cher Be­hand­lung. Die im Grund­ge­setz in­kor­po­rier­ten Kir­chen­ar­ti­kel der Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung er­for­dern je­doch dem Selbst­verständ­nis der Kir­chen ein be­son­de­res Ge­wicht bei­zu­mes­sen (BVerfG 04.06.1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - EzA § 611 BGB Kirch­li­che Ar­beit­neh­mer Nr. 24 = AP Nr. 24 zu Art 140 GG). Dies ist auch bei der In­ter­pre­ta­ti­on des In­di­vi­dual­ar­beits­rechts zu be­ach­ten. Dar­aus folgt: Gewähr­leis­tet die Ver­fas­sungs­ga­ran­tie des kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts, dass die Kir­chen bei der ar­beits­ver­trag­li­chen Ge­stal­tung des kirch­li­chen Diens­tes das Leit­bild ei­ner christ­li­chen Dienst­ge­mein­schaft zu­grun­de le­gen und die Ver­bind­lich­keit kirch­li­cher Grund­pflich­ten be­stim­men können, so ist die­se Gewähr­leis­tung bei der An­wen­dung des § 9 AGG aus ver­fas­sungs­recht­li­chen Gründen zu berück­sich­ti­gen und ih­re Trag­wei­te fest­zu­stel­len (vgl. zu den kündi­gungs­schutz­recht­li­chen Be­stim­mun­gen BVerfG 04.06.1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - EzA § 611 BGB Kirch­li­che Ar­beit­neh­mer Nr. 24 = AP Nr. 24 zu Art 140 GG). Ei­ne Rechts­an­wen­dung, bei der die vom kirch­li­chen Selbst­verständ­nis her ge­bo­te­ne Ver­pflich-tung der kirch­li­chen Ar­beit­neh­mer auf grund­le­gen­de Ma­xi­men kirch­li­chen Le­bens ar­beits-recht­lich oh­ne Be­deu­tung blie­be, wi­derspräche dem ver­fas­sungs­verbürg­ten Selbst­be-stim­mungs­recht der Kir­chen (BVerfG 04.06.1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - EzA § 611 BGB Kirch­li­che Ar­beit­neh­mer Nr. 24 = AP Nr. 24 zu Art 140 GG).

3. Aus dem Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­chen folgt je­doch nicht, dass die Ent-schei­dung, ob für ei­ne Tätig­keit ei­ne be­stimm­te Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit er­for­der­lich ist, gar nicht jus­ti­zia­bel wäre.

a. Die Kir­chen müssen sich an ih­re selbst ge­stell­ten An­for­de­run­gen hal­ten. Se­hen die kir­chen­recht­li­chen Vor­schrif­ten das Er­for­der­nis ei­ner Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit nicht vor, kann auch aus dem Selbst­verständ­nis kei­ne Recht­fer­ti­gung fol­gen. In­so­weit ob­liegt den staat-li­chen Ge­rich­ten auch ei­ne Miss­brauchs­kon­trol­le der kirch­li­chen An­for­de­run­gen an de­ren Mit­ar­bei­ter auf der Grund­la­ge der durch die Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft selbst vor­ge­ge­be­nen Maßstäbe (vgl. Reichold NZA 2001, 1054 (1059); Thüsing/Fink-Ja­mann/v. Hoff ZfA 2009 153 (167)).

b. Dass der Be­klag­te für die hier in Fra­ge ste­hen­de Stel­le ei­nes Re­fe­ren­ten/ei­ner Re­fe­ren­tin ei­ne Mit­glied­schaft in ei­ner evan­ge­li­schen oder der ACK an­gehören­den Kir­che vor­aus­setzt, hält un­ter Be­ach­tung des Selbst­be­stim­mungs­rechts der Be­klag­ten ei­ner Miss­brauchs­kon­trol­le statt.

aa. Gemäß § 3 Abs. 1 der Richt­li­nie des Ra­tes der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land nach Art. 9 Buchst. b Grund­ord­nung über die An­for­de­run­gen der pri­vat­recht­li­chen be­ruf­li­chen Mit­ar­beit in der evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land und des Dia­ko­ni­schen Wer­kes vom 01. Ju­li 2005 setzt die be­ruf­li­che Mit­ar­beit in der Evan­ge­li­schen Kir­che und ih­rer Dia­ko­nie grundsätz­lich die Zu­gehörig­keit zu ei­ner Glied­kir­che der Evan­ge­li­schen Kir­che vor­aus, mit der die evan­ge­li­sche Kir­che in Deutsch­land in Kir­chen­ge­mein­schaft ver­bun­den ist. Hier­von kann nach § 3 Abs. 2 der Richt­li­nie für Auf­ga­ben, die nicht der Verkündi­gung, Seel­sor­ge, Un­ter­wei­sung oder Leis­tung zu­zu­ord­nen sind, ab­ge­wi­chen wer­den, wenn an­de­re ge­eig­ne­te Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter nicht zu ge­win­nen sind. In die­sem Fall können auch Per­so­nen ein­ge­stellt wer­den, die ei­ner an­de­ren Mit­glieds­kir­che der Ar­beits­ge­mein­schaft christ­li­cher Kir­chen in Deutsch­land oder der Ver­ei­ni­gung Evan-ge­li­scher Frei­kir­chen­an­gehören sol­len. Da­mit ver­langt der Be­klag­te nach sei­nem in­so­weit nach außen ma­ni­fes­tier­ten Selbst­verständ­nis grundsätz­lich die Zu­gehörig­keit zu ei­ner Glied­kir­che der Evan­ge­li­schen Kir­che, mit der die evan­ge­li­sche Kir­che in Deutsch­land in Kir­chen­ge­mein­schaft ver­bun­den ist. Da­von kann zwar bei Tätig­kei­ten, die nicht al­lein der Verkündi­gung, Seel­sor­ge, Un­ter­wei­sung oder Leis­tung zu­zu­ord­nen sind, ab­ge­wi­chen wer­den. Aber auch außer­halb von Tätig­kei­ten, die al­lein der Verkündi­gung, Seel­sor­ge, Un­ter­wei­sung oder Leis­tung zu­zu­ord­nen sind, ist grundsätz­lich zu­min­dest ei­ne Mit­glied­schaft in ei­ner Mit­glieds­kir­che der Ar­beits­ge­mein­schaft christ­li­cher Kir­chen in Deutsch­land er­for­der­lich. Die in der Stel­len­aus­schrei­bung ge­for­der­te ei­ne Mit­glied­schaft in ei­ner evan-ge­li­schen oder der ACK an­gehören­den Kir­che ent­spricht da­mit den in § 3 der Richt­li­nie vom 01. Ju­li 2005 sta­tu­ier­ten An­for­de­run­gen

bb. Dass die For­de­rung nach der Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit bei der hier in Fra­ge ste­hen­den Stel­le aus­ge­hend vom Selbst­verständ­nis des Be­klag­ten rechts­miss­bräuch­lich wäre, ist nicht er­sicht­lich.

Dass bei dem Be­klag­ten bei Re­fe­ren­ten­stel­len der aus­ge­schrie­be­nen Art auf ei­ne Mit­glied­schaft zu­min­dest in ei­ner Mit­glieds­kir­che der Ar­beits­ge­mein­schaft christ­li­cher Kir-chen in Deutsch­land in an­de­ren Fällen ver­zich­tet wor­den wäre, ist nicht er­sicht­lich. Dies trägt die Kläge­rin auch nicht vor. So­weit der Be­klag­te auf an­de­ren Po­si­tio­nen, in der der je­wei­li­ge Stel­len­in­ha­ber nicht nach außen für den Be­klag­ten tätig wird, auch Ar­beit­neh­mer beschäftigt, die nicht zu­min­dest Mit­glied in ei­ner Mit­glieds­kir­che der Ar­beits­ge­mein­schaft christ­li­cher Kir­chen sind, hat das für die Fra­ge, ob der Be­klag­te ei­ne ent­spre­chen­de Re­li-gi­ons­zu­gehörig­keit ge­ra­de für die streit­be­fan­ge­ne Stel­le ver­lan­gen kann, kei­ne Be­deu­tung. Viel­mehr hat die Über­prüfung der kirch­li­chen An­for­de­run­gen an den Mit­ar­bei­ter auf der Grund­la­ge der durch die Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft selbst vor­ge­ge­be­nen Maßstäbe je­weils be­zo­gen auf die kon­kre­te Tätig­keit zu er­fol­gen.

cc. Im Übri­gen würde auch dann, wenn man nicht - ent­spre­chend der Vor­ga­ben von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV - nur ei­ne Miss­brauchs­kon­trol­le ge­mes­sen am Selbst-verständ­nis des Be­klag­ten vornähme, son­dern auch ei­ne Plau­si­bi­litätskon­trol­le hin­sicht­lich des Bedürf­nis­ses nach ei­ner Mit­glied­schaft in ei­ner evan­ge­li­schen oder der ACK an­gehö-ren­den Kir­che er­for­der­lich er­ach­te­te, das ent­spre­chen­de Be­geh­ren des Be­klag­ten für kon­kret die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le nicht zu be­an­stan­den.

Mit der Tätig­keit der aus­ge­schrie­be­nen Stel­le tritt der je­wei­li­ge Stel­len­in­ha­ber für den Be­klag­ten un­mit­tel­bar nach außen auf und ver­tritt des­sen Stand­punkt, auch im Rah­men der Er­stel­lung des Par­al­lel­be­richts zu dem Staa­ten­be­richt. Dass es für den Be­klag­ten in­so­weit be­deut­sam ist, dass der Stel­len­in­ha­ber im Ein­klang mit sei­nen Wer­ten und Über­zeu­gun­gen agiert, ist plau­si­bel. So­weit die Kläge­rin vorträgt, der zu fer­ti­gen­de Be­richt wer­de ih­rer Kennt­nis nach auch aus pro­jekt­be­zo­ge­nen Förder­mit­teln der Klas­sen­lot­te­rie fi­nan­ziert, folgt dar­aus nicht, dass der Bei­trag zu dem Be­richt durch den Re­fe­ren­ten/die Re­fe­ren­tin nicht aus Sicht der evan­ge­li­schen Kir­che zu er­fol­gen hätte. Im Übri­gen lässt sich das Maß der re­li­giösen Bin­dung nicht in wirt­schaft­li­cher Be­trach­tungs­wei­se vom An­teil der Fremd­fi­nan­zie­rung abhängig ma­chen (Schleu­se­ner/Suckow/Voigt-Voigt AGG 4. Aufl. § 9 Rn. 26).

Die Mit­glied­schaft zu ei­ner Kir­che ist auch ein ge­eig­ne­tes Kri­te­ri­um, um ei­ne Iden-ti­fi­ka­ti­on mit dem Kirch­lich-dia­ko­ni­scher Auf­trag wie er in § 2 DVO-EKD nie­der­ge­legt ist und dem in der Sat­zung vom 14.06.2012 in der Präam­bel for­mu­lier­ten Leit­bild des Be­klag­ten (Bl. 61-62 d. A.) zu gewähr­leis­ten. Der Be­klag­te nimmt kei­ne Glau­bensprüfung bei sei­nen Mit­ar­bei­tern vor; ei­ne sol­che wäre auch gar nicht möglich. In­so­weit ist es nicht zu be­an-stan­den, wenn der Be­klag­te aus der durch die Mit­glied­schaft in der christ­li­chen Kir­che nach außen de­mons­trier­ten Zu­gehörig­keit fol­gert, dass die Mit­ar­bei­ter die christ­li­chen Wer­te ach­ten und bei ih­rer tägli­chen Ar­beit berück­sich­ti­gen.

Die Be­ru­fung des Be­klag­ten ist nach al­le­dem be­gründet.

C. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist von ihr frist­gemäß und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG).

Die Be­ru­fung ist auch gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. b. ArbGG statt­haft. Zwar hat das Ar­beits­ge­richt in dem Te­nor des Ur­teils (Bl. Bl. 366 d. A.) die Kla­ge der Kläge­rin nicht auch nur teil­wei­se ab­ge­wie­sen und die ge­sam­ten Kos­ten des Rechts­streits der Be­klag­ten auf­er­legt. Aus den Ur­teils­gründen er­gibt sich je­doch, dass das Ar­beits­ge­richt an­ge­sichts der Min­dest­for­de­rung der Kläge­rin von 9.788,65 EUR die Kla­ge in Höhe ei­nes Teil­be­trags von 7830,92 EUR ab­ge­wie­sen hat. Die nach § 64 Abs. 2 Ziff. b ArbGG er­for­der­li­che Be­schwer liegt da­mit vor.

D. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist je­doch un­be­gründet, da der Kläge­rin be­reits dem Grun­de nach kein Entschädi­gungs­an­spruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu­steht.

E. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht so­weit die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen wor­den ist auf § 97 Abs. 1 ZPO und im Übri­gen auf § 91 Abs. 1 ZPO.

F. Die Ent­schei­dung über die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­ruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung
 


Ge­gen die­ses Ur­teil kann von d. Kläge­rin bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt,
Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt
(Post­adres­se: 99113 Er­furt),

Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

schrift­lich beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt wer­den.

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

schrift­lich zu be­gründen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­de.

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­voll-mäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als sol­che sind außer Rechts­anwälten nur fol­gen­de Stel­len zu­ge­las­sen, die zu­dem durch Per­so­nen mit Befähi­gung zum Rich­ter­amt han­deln müssen:

• Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
• ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

Für d. Be­klag­ten ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments i. S. d. § 46 c ArbGG genügt. Nähe­re In­for­ma­tio­nen da­zu fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Bun­des-ar­beits­ge­richts un­ter www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de.
 

Hin­weis der Geschäfts­stel­le
Das Bun­des­ar­beits­ge­richt bit­tet, sämt­li­che Schriftsätze in sie­ben­fa­cher Aus­fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.

Dr. Sch.  

S.  

H.


 

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