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LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 22.11.2012, 4 Sa 246/12

   
Schlagworte: Bewerbung, Benachteiligung, Diskriminierung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 4 Sa 246/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 22.11.2012
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Lübeck - 6 Ca 323/12
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein


Ak­ten­zei­chen: 4 Sa 246/12

6 Ca 323/12 ArbG Lübeck

(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

Verkündet am 22.11.2012
gez. ...
als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

In dem Rechts­streit

pp.


hat die 4. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 22. No­vem­ber 2012 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt ... als Vor­sit­zen­den und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer und d. eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin ... als Bei­sit­ze­rin
 


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für Recht er­kannt:


Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Lübeck vom 12.06.2012 - 6 Ca 323/12 – wird auf sei­ne Kos­ten zurück­ge­wie­sen.


Die Re­vi­si­on wird für den Kläger zu­ge­las­sen.

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung


Ge­gen die­ses Ur­teil kann durch Ein­rei­chung ei­ner Re­vi­si­ons­schrift bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt in 99084 Er­furt, Hu­go-Preuß-Platz 1, Te­le­fax: (0361) 26 36 - 20 00 Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.


Die Re­vi­si­ons­schrift muss

bin­nen ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen sein.

Der Re­vi­si­onskläger muss die Re­vi­si­on be­gründen. Die Re­vi­si­ons­be­gründung ist, so­fern sie nicht be­reits in der Re­vi­si­ons­schrift ent­hal­ten ist, in ei­nem Schrift­satz bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­zu­rei­chen. Die Frist für die Re­vi­si­ons­be­gründung beträgt

zwei Mo­na­te.



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Die Fris­ten für die Ein­le­gung und die Be­gründung der Re­vi­si­on be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss das Ur­teil be­zeich­nen, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird, und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­de.

Der Re­vi­si­ons­schrift soll ei­ne Aus­fer­ti­gung oder be­glau­big­te Ab­schrift des an­ge­foch­te­nen Ur­teils bei­gefügt wer­den.

Die Re­vi­si­on und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein. (Rechts­mit­tel­schrif­ten, Rechts­mit­tel­be­gründungs­schrif­ten und wech­sel­sei­ti­ge Schriftsätze im Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt sind in sie­ben­fa­cher - für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ei­ne wei­te­re - Aus­fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.)

Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments genügt, wenn es für die Be­ar­bei­tung durch das Ge­richt ge­eig­net ist. Schriftsätze können da­zu über ei­ne ge­si­cher­te Ver­bin­dung in den elek­tro­ni­schen Ge­richts­brief­kas­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts ein­ge­legt wer­den. Die er­for­der­li­che Zu­gangs- und Über­tra­gungs­soft­ware kann li­zenz­kos­ten­frei über die In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts (www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de) her­un­ter­ge­la­den wer­den. Das Do­ku­ment ist mit ei­ner qua­li­fi­zier­ten Si­gna­tur nach dem Si­gna­tur­ge­setz zu ver­se­hen. Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts (s.o.) so­wie un­ter www.egvp.de.

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Tat­be­stand:


Die Par­tei­en strei­ten um ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch we­gen be­haup­te­ter Be­nach­tei­li­gung des Klägers bei der Stel­len­be­wer­bung.

Der 1969 ge­bo­re­ne Kläger, der 1998 als Dipl.-Be­triebs­wirt (FH) an der Fach­hoch­schu­le R... das Stu­di­um der Be­triebs­wirt­schaft er­folg­reich ab­schloss, be­warb sich am 26. Sep­tem­ber 2011 auf ei­ne Mit­te Sep­tem­ber 2011 in ei­nem On­line-Stel­len­por­tal aus­ge­schrie­be­ne Stel­le für Per­so­nal­ver­mitt­ler in Braun­schweig.

Die Stel­len­aus­schrei­bung hat­te u.a. fol­gen­den In­halt:

„ Per­so­nal­ver­mitt­ler (m/w) für un­se­re Nie­der­las­sung Braun­schweig Ih­re Auf­ga­ben:

Ge­win­nung von Neu­kun­den für den Be­reich Per­so­nal­ver­mitt­lung Ver­ant­wor­tung für den ge­sam­ten Re­kru­tie­rungs­pro­zess, von der Aus­wahl und Vor­stel­lung bis hin zur Ver­mitt­lung ge­eig­ne­ter Kan­di­da­ten
Op­ti­ma­le Ver­mitt­lung Ih­rer Kan­di­da­ten auf die gewünsch­te Po­si­ti­on und pass­ge­naue Be­set­zung der of­fe­nen Va­kan­zen beim Kun­den
Auf­bau ei­nes Kan­di­da­ten­netz­wer­kes
Be­ra­tung und Be­treu­ung der Kan­di­da­ten so­wie des be­ste­hen­den Kun­den­stamms im Ver­triebs­ge­biet
Aus­bau Ih­rer Netz­wer­kes und Stei­ge­rung der Markt­an­tei­le des Un­ter­neh­mens Durchführung von Markt­ana­ly­sen, um so neue ver­trieb­li­che We­ge zu ge­hen Ei­gen­ver­ant­wort­li­che Um­set­zung ver­trieb­li­cher Ak­ti­vitäten

Ihr Pro­fil:

Ab­ge­schlos­se­ne Aus­bil­dung bzw. Stu­di­um im kaufmänni­schen oder tech­ni­schen Be­reich
Ers­te Be­rufs­er­fah­rung im Dienst­leis­tungs­be­reich so­wie Kon­takt im Be­reich der Per­so­nal­aus­wahl
Kom­mu­ni­ka­ti­ve und ver­trieb­li­che Fähig­kei­ten so­wie ho­hes En­ga­ge­ment Ziel­stre­big­keit, Ser­vice­ori­en­tie­rung, Selbständig­keit so­wie ei­ne po­si­ti­ve Aus­strah­lung
Ho­he so­zia­le Kom­pe­tenz

Ih­re Vor­tei­le:

Viel­sei­ti­ge und her­aus­for­dern­de Auf­ga­be in ei­nem übe­r­aus an­spre­chen­den Ar­beits­um­feld, ei­ner zu­kunfts­träch­ti­gen Bran­che und ei­ner sehr in­ten­si­ven Ein­ar­bei­tung
 


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An­spre­chen­des Grund­ge­halt ver­bun­den mit ei­ner stark an Ih­rem persönli­chen Er­folg ori­en­tier­ten va­ria­blen Vergütung
...


Be­rufs­er­fah­rung: 1 bis 2 Jah­re

Ab­schluss/Grad der Aus­bil­dung: Aus­bil­dung / Meis­ter­brief

Ar­beits­zeit: Voll­zeit

Kar­rie­re­sta­tus: Be­rufs­ein­stei­ger

Bran­che:
oh­ne Bran­chen­an­ga­be

Stand­ort:
Braun­schweig“

In der Stel­len­aus­schrei­bung heißt es im Übri­gen auf der ers­ten Sei­te, die Be­wer­bung sei un­ter An­ga­be der Ein­kom­mens­vor­stel­lung an k-n@u...-per­so­nal.de oder per Post an U. P. N... GmbH, Frau K. B..., H...Str. 1, A... zu sen­den. Am En­de der Stel­len­aus­schrei­bung wird bezüglich et­wai­ger Kon­tak­t­in­for­ma­tio­nen für Be­wer­ber ge­nannt die U.P... GmbH, Frau K.B..., H...Str. 1 in A... .

Der Kläger über­sand­te sei­ne Be­wer­bungs­un­ter­la­gen per E-Mail an k-n@u... per­so­nal.de, wo­bei die E-Mail das Da­tum vom 25. Sep­tem­ber 2011 trägt. Als Da­tei­anhänge fügte er bei sein Be­wer­bungs­schrei­ben vom 26. Sep­tem­ber 2011 (Bl. 9 d.A.), wel­ches er rich­te­te an die U.P... GmbH un­ter der in der Stel­len­aus­schrei­bung an­ge­ge­be­nen Adres­se in A..., wei­ter­hin sei­nen Le­bens­lauf und die ak­tu­el­len Zeug­nis­se. Hin­sicht­lich der Ge­halts­vor­stel­lung nann­te er im Be­wer­bungs­schrei­ben ei­nen Be­trag in Höhe von 3.600,-- EUR mo­nat­lich.

Mit E-Mail vom 5. Ok­to­ber 2011 teil­te Frau B... dem Kläger mit, sei­ne Be­wer­bung könne lei­der nicht berück­sich­tigt wer­den. Er erfülle wich­ti­ge Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Tätig­keit „in un­se­rem Un­ter­neh­men", je­doch ha­be es Mit­be­wer­ber ge­ge­ben, die

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ih­rem An­for­de­rungs­pro­fil bezüglich der Ver­triebs­ak­ti­vitäten noch näher ge­kom­men sei­en. Das Schrei­ben enthält an sei­nem En­de als Hin­weis auf die ab­sen­den­de Fir­ma die U.P.N... GmbH, H...Str. 1, A... (Be­klag­te).

Der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des Klägers be­gehr­te mit ei­nem an die Be­klag­te ge­rich­te­ten Schrei­ben vom 9. No­vem­ber 2011 Entschädi­gung in Höhe von 16.000,--EUR we­gen Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung.

Die Be­klag­te wies auf ih­rem Brief­bo­gen mit Schrei­ben vom 30. No­vem­ber 2011 die­ses Be­geh­ren zurück und leg­te in die­sem Schrei­ben aus ih­rer Sicht dar, war­um der Kläger nicht berück­sich­tigt wor­den sei. Die Auf­ga­ben sei­en ins­ge­samt ver­triebs­ori­en­tiert. Er­fah­run­gen im Be­reich Ver­trieb sei­en für die Be­set­zung der Po­si­ti­on in­so­weit zwin­gend er­for­der­lich. Der Schwer­punkt des Klägers ha­be in der Ver­gan­gen­heit je­doch ein­deu­tig im Be­reich der Lehr- und Do­zen­tentätig­keit ge­le­gen. Ei­ne Af­fi­nität oder gar Er­fah­run­gen im Be­reich Ver­trieb ließen sich an­hand des Le­bens­lau­fes nicht er­ken­nen. We­gen der Ein­zel­hei­ten des Schrei­bens wird Be­zug ge­nom­men auf die zur Ak­te ge­reich­te Ko­pie (Bl. 14 - 16 d.A.). Die Ver­fas­se­rin die­ses Schrei­bens hat­te sich zu­vor per E-Mail vom 15. No­vem­ber 2011 (Bl. 81 d.A.) von der zuständi­gen re­gio­na­len Per­so­nal­re­fe­ren­tin B... über die Gründe der Ab­leh­nung der Be­wer­bung in­for­miert. We­gen der Ein­zel­hei­ten die­ser Mail, die Frau B. un­ter der An­schrift der Be­klag­ten ver­fass­te, wird Be­zug ge­nom­men auf die zur Ak­te ge­reich­te Ko­pie (Bl. 81 d.A.).

Der Kläger hat un­ter dem 8. Fe­bru­ar 2012 ge­gen die Be­klag­te we­gen be­haup­te­ter Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung ei­ne Kla­ge auf Entschädi­gung in Geld er­ho­ben, wo­bei der Be­trag 16.000,-- EUR nicht un­ter­schrei­ten sol­le.

Als Re­ak­ti­on auf die­se Kla­ge ging am 20. Fe­bru­ar 2012 beim Ar­beits­ge­richt Lübeck ein Schrift­satz der U.P... GmbH un­ter der Adres­se L... Str. 370a in M... ein, in dem es heißt, die Be­klag­te tei­le mit, dass sich der Kläger nicht bei der U.P.N... GmbH mit Sitz in A... (HRB 3325), son­dern bei der recht­lich selbständi­gen Schwes­ter­ge­sell­schaft, der U.P.... GmbH mit Sitz in M... (HRB 83187), an ih­rem Stand­ort in B... be­wor­ben ha­be, wes­halb der Kläger die fal­sche Ge­sell­schaft ver­klagt ha­be (Bl. 20 d.A.). Die U.P... GmbH ist ei­ne recht­lich selbständi­ge

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Schwes­ter­ge­sell­schaft zur Be­klag­ten. Die Be­klag­te hat ih­ren Sitz in A.. , die U.P... GmbH in M... .

Der Kläger stu­dier­te 1992 bis 1998 an der Fach­hoch­schu­le R... Be­triebs­wirt­schaft und schloss das Stu­di­um mit dem Di­plom-Be­triebs­wirt (FH) ab. An­sch­ließend stu­dier­te er von 1998 bis 2002 an der L-M... Uni­ver­sität M... im Stu­di­en­gang Wirt­schaftspädago­gik und be­en­de­te die­ses Stu­di­um mit dem Di­plom Vor­prüfungs­zeug­nis für Di­plom-Han­dels­leh­rer.

Vom 1. Ok­to­ber 2002 bis 31. Mai 2006 war er als frei­er Do­zent bei der D.-A...-Aka­de­mie M... (DAA) tätig mit fol­gen­den Auf­ga­ben:

- Vor­be­rei­tung Aus­zu­bil­den­de des Aus­bil­dungs­be­rufs „IT-Sys­tem­kauf­mann/frau“ so­wie „In­for­ma­tik­kauf­mann/-frau“ auf die IHK-Prüfung in Be­triebs­wirt­schafts­leh­re, Rech­nungs­we­sen und Con­trol­ling

- Lehrtätig­keit bei kaufmänni­schen Grund­aus­bil­dungs­lehrgängen und be­rufs­vor­be­rei­ten­der Bil­dungs­maßnah­men für die Fächer Wirt­schafts­ma­the­ma­tik und Be­triebs­wirt­schafts­leh­re

- Prüfungs­vor­be­rei­tung ex­ter­ner Haupt­schul­klas­sen auf den Haupt­schul- und den Qua­li­fi­zie­ren­den Haupt­schul­ab­schluss in Ma­the­ma­tik und Ar­beits­leh­re

Da­ne­ben ar­bei­te­te er in der Zeit vom 1. Ja­nu­ar 2004 bis 30. Sep­tem­ber 2006 als frei­er Mit­ar­bei­ter bei der www.h...-g... de in R... und über­nahm als be­ra­ten­der Be­triebs­wirt die an­fal­len­den Buch­hal­tungs­ar­bei­ten, Auf­ga­ben im Be­reich des Per­so­nal­we­sens so­wie das Of­fice-Ma­nage­ment. Aus­weis­lich des ihm un­ter dem 30. Sep­tem­ber 2006 er­teil­ten Zeug­nis­ses um­fass­te sein Wir­kungs- und Ver­ant­wor­tungs­be­reich die fol­gen­den Schwer­punkt­auf­ga­ben:

• Die Ver­bu­chung der Kre­di­to­ren und De­bi­to­ren
• Über­wa­chung des Mahn­we­sens und der Li­qui­ditäts­pla­nung
• Er­stel­lung von Steu­er­erklärun­gen und Jah­res­ab­schluss­ar­bei­ten
• Be­ar­bei­tung der Kor­re­spon­denz mit Geschäfts­part­nern und Fi­nanz­behörden
• Aus­ar­bei­tung von Be­rich­ten über den Geschäfts­ver­lauf und die Geschäfts­ent­wick­lung
• Ent­wick­lung ei­nes Kenn­zah­len­sys­tems

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• Er­stel­len von Pro­dukt­kal­ku­la­tio­nen
• Er­ar­bei­tung von Hand­lungs­emp­feh­lun­gen für die Geschäfts­lei­tung
• Pla­nung und Or­ga­ni­sa­ti­on von Re­cruit­ing-Maßnah­men
• Be­wer­be­r­aus­wahl und Führung von Be­wer­ber­in­ter­views


Ab De­zem­ber 2006 war der Kläger als Do­zent tätig an den be­ruf­li­chen Fort­bil­dungs­zen­tren der Baye­ri­schen Wirt­schaft M..., T... und F... . Dort war er zuständig für fol­gen­de Auf­ga­ben:

- Be­wer­bungs­coa­ching für Er­wach­se­ne und Ju­gend­li­che

- Prüfungs­vor­be­rei­tung auf die Zwi­schen- und Ab­schluss­prüfun­gen der IHK für die Aus­bil­dungs­be­ru­fe „Verkäufer-/in“, „Ein­zel­han­dels­kauf­mann/-frau“, „Büro­kauf­mann/-frau“ und „Kauf­mann/-frau für Büro­kom­mu­ni­ka­ti­on“

- Er­stel­len von Ar­beits­zeug­nis­sen

- Be­ar­bei­tung des Schrift­ver­kehrs, Rech­nungs­er­stel­lung und ad­mi­nis­tra­ti­ve Auf­ga­ben.

Am 29. Au­gust 2007 nahm er aus­weis­lich des ihm er­teil­ten Zeug­nis­ses vom 30. No­vem­ber 2009 (Bl. 76, 77 d.A.) bei der Deut­schen A.A... in der Ne­ben­stel­le R... ei­ne Ho­no­rartätig­keit als Mit­ar­bei­ter im pädago­gi­schen Be­reich auf, die zum 1. De­zem­ber 2007 in ein be­fris­te­tes Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis über­ging. Dort war er zu­erst in der „be­rufs­vor­be­rei­ten­den Bil­dungs­maßnah­me" und in der Maßnah­me „Be­rufs­aus­bil­dung in ei­ner außer­be­trieb­li­chen Ein­rich­tung" tätig. In­so­weit er­teil­te er den fach­spe­zi­fi­schen Un­ter­richt im kaufmänni­schen Be­reich, den Un­ter­richt im kaufmänni­schen Rech­nen, er­stell­te Be­wer­bungs­un­ter­la­gen mit den Teil­neh­mern und be­rei­te­te Ein­zel­han­dels­kauf­leu­te, Büro­kauf­leu­te und Kauf­leu­te für Büro­kom­mu­ni­ka­ti­on auf die Prüfung vor.

Im Sep­tem­ber 2008 über­nahm er dort zusätz­lich die Tätig­keit als In­te­gra­ti­ons­coach in der Maßnah­me „job-büro“, später „GAN­ZIL". Die Maßnah­me „GAN­ZIL“ bot Exis­tenz­gründern so­wie selbständig täti­gen Hil­fe­bedürf­ti­gen pro­fes­sio­nel­le Förde­rung und in­di­vi­du­el­les Coa­ching bei der un­ter­neh­me­ri­schen Tätig­keit. Zu den Auf­ga­ben des Klägers in die­ser Maßnah­me gehörten aus­weis­lich des ihm er­teil­ten Zeug­nis­ses:

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• „das Führen von Erst­gesprächen mit den Teil­neh­mern und die wei­te­re kon­ti­nu­ier­li­che Be­treu­ung,

• das Coa­ching und die Be­glei­tung der Teil­neh­mer während des Pro­zes­ses zur Exis­tenz­gründung,

• die Be­ur­tei­lung der Tragfähig­keit von Exis­tenz­gründungs­vor­ha­ben in Form von teil­neh­mer­be­zo­ge­nen Be­rich­ten,

• die Un­terstützung der Teil­neh­mer bei der Er­stel­lung von Busi­nessplänen so­wie

• die Stel­lung­nah­me und das Be­richts­we­sen ge­genüber un­se­rem Auf­trag­ge­ber.“

Die­se Tätig­keit en­de­te am 30. No­vem­ber 2009.

In der Zeit von Sep­tem­ber 2010 bis Sep­tem­ber 2011 war er als Lehr­kraft der pri­va­ten Fach­ober­schu­le In­sti­tut S.B... für die Fächer Be­triebs­wirt­schaft und Rech­nungs­we­sen, Volks­wirt­schafts­leh­re, Rechts­leh­re und Wirt­schafts­in­for­ma­tik zuständig so­wie für die Be­treu­ung der fach­prak­ti­schen Aus­bil­dung.

Da­nach war der Kläger vorüber­ge­hend ar­beits­los.

Der Kläger hat die An­sicht ver­tre­ten, er ha­be ei­nen An­spruch auf an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung we­gen mit­tel­ba­rer Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung. Die Aus­schrei­bung sei we­gen der Be­zug­nah­me auf die Be­rufs­er­fah­rung von ein bis zwei Jah­ren und den Kar­rie­re­sta­tus des Be­rufs­ein­stei­gers als In­diz für ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung zu ver­ste­hen. Es sei so, dass dort nicht nur ein Min­dest­wert der Be­rufs­er­fah­rung ver­langt wer­de, son­dern im Zu­sam­men­spiel mit der Be­zeich­nung „Be­rufs­ein­stei­ger" ei­ne Grup­pe an­ge­spro­chen wer­de, der ty­pi­scher­wei­se Jünge­re an­gehörten. Be­rufs­ein­stei­ger in der aus­ge­schrie­be­nen Po­si­ti­on sei­en im Re­gel­fall Mit­te 20 bis ma­xi­mal En­de 20. In der Stel­len­aus­schrei­bung wer­de auch kei­ne Ver­triebs­er­fah­rung ge­for­dert. Als di­plo­mier­ter Be­triebs­wirt sei er der best­qua­li­fi­zier­te Be­wer­ber. Weil die Be­klag­te ihm kei­ne Aus­kunft über den ein­ge­stell­ten Be­wer­ber er­teilt ha­be, lie­ge ein zusätz­li­ches In­diz für die Be­nach­tei­li­gung vor. Er be­strei­te mit Nicht­wis­sen, dass auf die Stel­le nie­mand ein­ge­stellt wor­den sei. Er ge­he da­von aus, dass er bei der

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Be­klag­ten auf der aus­ge­schrie­be­nen Stel­le mo­nat­lich 4.000,00 EUR ver­dient hätte. Er hal­te vier Brut­to­mo­nats­gehälter für ei­ne an­ge­mes­se­ne Min­des­tentschädi­gung.

Die Ar­gu­men­ta­ti­on der Be­klag­ten, sie sei nicht po­ten­ti­el­le Ar­beit­ge­be­rin ge­we­sen, tra­ge nicht. In­so­weit ver­wei­se er auf den ge­sam­ten Schrift­wech­sel, den die Be­klag­te je­weils un­ter ih­rem Na­men geführt ha­be und der kei­nen Hin­weis dar­auf ent­hal­te, dass die Stel­le bei ei­nem an­de­ren Un­ter­neh­men zu be­set­zen sei.

Der Kläger hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld zu zah­len, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wer­de, je­doch den Be­trag von16.000,-- EUR nicht un­ter­schrei­ten sol­le, nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz hier­aus seit 1. De­zem­ber 2011.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat be­haup­tet, der Kläger ha­be die fal­sche Par­tei ver­klagt. Bei der Stel­le des Per­so­nal­ver­mitt­lers für die Nie­der­las­sung B... han­de­le es sich um ei­ne Stel­le, die der U.-P... GmbH mit Sitz in M... zu­zu­ord­nen sei. Dies er­ge­be sich be­reits aus der Aus­schrei­bung. Denn dort wer­de hin­sicht­lich der Kon­tak­t­in­for­ma­tio­nen für Be­wer­ber auf die U.-P... GmbH hin­ge­wie­sen.

Die Be­klag­te hat ge­meint, auf­grund des In­halts der Stel­len­aus­schrei­bung sei auch kei­ne mit­tel­ba­re Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung in­di­ziert. Die An­ga­be von ge­for­der­ter Be­rufs­er­fah­rung sei nie ei­ne Be­schränkung nach dem Al­ter. Viel­mehr er­ge­be sich aus ihr le­dig­lich, wie viel Be­rufs­er­fah­rung ein Be­wer­ber in ei­nem be­stimm­ten Be­reich im­mer min­des­tens auf­wei­sen müsse. Die Fra­ge, ob ein Be­wer­ber in ei­nem be­stimm­ten Be­reich über ers­te Be­rufs­er­fah­run­gen verfüge, sei kei­ne Fra­ge des Al­ters, son­dern viel­mehr ei­ne sol­che des Le­bens­lau­fes in Ver­bin­dung mit dem je­wei­li­gen Aus­bil­dungs­wer­de­gang. Sie be­strei­te da­her die vom Kläger be­haup­te­te

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Ver­mu­tung, die aber auch wi­der­leg­bar sei. Grund­vor­aus­set­zun­gen für die zu be­set­zen­de Stel­le sei­en ei­ne ho­he Af­fi­nität zum Ver­trieb so­wie prak­ti­sche Er­fah­run­gen im Ver­trieb. Die in der Stel­len­aus­schrei­bung be­nann­ten Auf­ga­ben sei­en ins­ge­samt als ver­triebs­ori­en­tiert zu be­wer­ten. Er­fah­run­gen im Be­reich Ver­trieb sei­en für die Be­set­zung der Po­si­ti­on zwin­gend er­for­der­lich und würden in der Stel­len­be­schrei­bung auch aus­drück­lich erwähnt („Ers­te Be­rufs­er­fah­rung im Dienst­leis­tungs­be­reich..."). Sie ha­be in­so­weit ihr Stel­len­pro­fil nicht im Nach­gang verändert, wie es der Kläger be­haup­te. Die Ver­triebs­ori­en­tie­rung sei von An­fang an Ge­gen­stand der Stel­len­aus­schrei­bung ge­we­sen. Der Schwer­punkt der be­ruf­li­chen Ent­wick­lung des Klägers ha­be aber aus­weis­lich der von ihm ein­ge­reich­ten Un­ter­la­gen ein­deu­tig im Be­reich der Lehr- und Do­zen­tentätig­keit so­wie im be­ra­ten­den Be­reich ge­le­gen. Ei­ne Af­fi­nität oder gar Er­fah­run­gen im Be­reich Ver­trieb sei­en an­hand des Le­bens­lau­fes nicht er­kenn­bar ge­we­sen. Die­sem sei auch nicht zu ent­neh­men, dass er zu ir­gend­ei­nem Zeit­punkt prak­ti­sche Er­fah­rung im Be­reich Ver­trieb ha­be sam­meln können. Berührungs­punk­te zwi­schen sei­nem Le­bens­lauf und der Stel­len­aus­schrei­bung hätten sich al­len­falls im Be­reich Be­wer­be­r­aus­wahl und Or­ga­ni­sa­ti­on von Re­kru­tie­rungs­maßnah­men er­ge­ben, die der Kläger während sei­ner Tätig­keit als be­ra­ten­der Be­triebs­wirt für die Fir­ma www.h-g....de in der Zeit von 2004 bis Sep­tem­ber 2006 er­wor­ben ha­be. Da­bei han­de­le es sich aber le­dig­lich um ei­nen Punkt, der von den Be­wer­bern für die Po­si­ti­on des Per­so­nal­ver­mitt­lers ver­langt wer­de. Im Übri­gen feh­le es dem Kläger an den in der Stel­len­aus­schrei­bung an­geführ­ten sons­ti­gen ver­trieb­li­chen An­for­de­run­gen. Er­fah­run­gen in der Kun­den­ak­qui­se und Kun­den­be­treu­ung sei­en nicht an­satz­wei­se er­kenn­bar. Sach­frem­de Erwägun­gen, ins­be­son­de­re die Fra­ge nach dem Al­ter des Klägers, hätten da­her nicht zur Ab­sa­ge der kläge­ri­schen Be­wer­bung geführt, son­dern al­lein der Um­stand, dass der Kläger un­ter Her­an­zie­hung sei­ner fach­li­chen Qua­li­fi­ka­tio­nen die An­for­de­run­gen der Stel­len­aus­schrei­bung nicht erfüllt ha­be.

Zu­dem hätten sich sei­ne Ge­halts­vor­stel­lun­gen nicht mit ih­rem Ge­halts­mo­dell für Per­so­nal­ver­mitt­ler ge­deckt. Die­ses se­he für den ers­ten bis drit­ten Beschäfti­gungs­mo­nat ei­ne Vergütung in Höhe von 1.900,00 EUR brut­to in­klu­si­ve ei­nes Ga­ran­tie­bo­nus in Höhe von 400,00 EUR vor, im vier­ten bis sechs­ten Mo­nat 1.700,00 EUR brut­to in­klu­si­ve ei­nes Ga­ran­tie­bo­nus in Höhe von 200,00 EUR brut­to

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und ab dem sie­ben­ten Beschäfti­gungs­mo­nat 1.500,00 EUR brut­to, wo­bei ins­ge­samt zusätz­lich pro Ver­mitt­lung (Durch­schnitt 5.500,00 EUR pro Ver­mitt­lung) ei­ne Be­tei­li­gung in Höhe von 20 Pro­zent ge­zahlt wer­de. Sie be­strei­te da­her, dass der Kläger mo­nat­lich 4.000,-- EUR brut­to ver­dient hätte.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­gründung aus­geführt, we­der die An­ga­be „Be­rufs­er­fah­rung ein bis zwei Jah­re“ noch die For­mu­lie­rung „Kar­rie­re­sta­tus Be­rufs­ein­stei­ger“ könn­ten als In­diz für ei­ne mit­tel­ba­re Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung ge­wer­tet wer­den. Hin­sicht­lich der „Be­rufs­er­fah­rung ein bis zwei Jah­re“ sei es le­bens­fremd an­zu­neh­men, die Erklärung da­hin zu ver­ste­hen, dass Per­so­nen et­wa mit ei­ner Be­rufs­er­fah­rung von drei Jah­ren nicht ge­meint sei­en. Im Ge­gen­teil sei die Dar­stel­lung da­hin zu ver­ste­hen, dass ei­ne ge­wis­se Min­des­ter­fah­rung er­for­der­lich sei. Bezüglich der For­mu­lie­rung „Kar­rie­re­sta­tus Be­rufs­ein­stei­ger“ sei zu be­ach­ten, dass ne­ben der aus­drück­lich ge­nann­ten Be­rufs­er­fah­rung im Dienst­leis­tungs­be­reich auch auf Ver­triebs­kennt­nis­se Be­zug ge­nom­men wer­de. Der Ver­trieb sei aber ge­richts­be­kannt durch ei­nen höhe­ren An­teil von Quer­ein­stei­gern ge­prägt, wes­halb oh­ne kon­kre­te sta­tis­ti­sche An­ga­ben die Ausführun­gen des Klägers zu all­ge­mein sei­en.

We­gen der wei­te­ren Be­gründung des Ar­beits­ge­richts wird Be­zug ge­nom­men auf den In­halt der Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­grif­fe­nen Ur­teils.

Der Kläger hat ge­gen das ihm am 26. Ju­ni 2012 zu­ge­stell­te Ur­teil am 24. Ju­li 2012 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 21. Au­gust 2012 be­gründet.

Der Kläger hält die Be­klag­te für pas­siv-le­gi­ti­miert. Er be­strei­tet, dass er sich auf ei­ne Stel­le be­wor­ben ha­be, die der U.P... GmbH mit Sitz in M... zu­zu­ord­nen sei. Da­ge­gen spre­che der ge­sam­te Schrift­wech­sel. Im Übri­gen - so meint er - müsse sich die Be­klag­te aus Rechts­scheins­ge­sichts­punk­ten als pas­siv-le­gi­ti­miert be­han­deln las­sen, da mit kei­nem Wort ir­gend­wo An­klang ge­fun­den ha­be, dass sie le­dig­lich als Per­so­nal­ver­mitt­le­rin auf­ge­tre­ten sei. Sie – Be­klag­te – könne sich sonst zu je­dem Zeit­punkt ei­ner In­an­spruch­nah­me im Nach­hin­ein ent­zie­hen, wenn sie ein­fach aus dem Nichts her­aus vor­ge­be, nicht die rich­ti­ge Be­klag­te zu sein.

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Bei der er­for­der­li­chen „ty­pi­sie­ren­den Be­trach­tungs­wei­se" in­di­zier­ten die Kri­te­ri­en "ein bis zwei Jah­re Be­rufs­er­fah­rung“ und „Kar­rie­re­sta­tus Be­rufs­ein­stei­ger“ die mit­tel­ba­re Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung. Denn si­cher­lich würden durch ei­ne der­ar­ti­ge Stel­len­aus­schrei­bung nicht mehr Be­wer­ber mit ei­ner Be­rufs­er­fah­rung von 10 bis 12 Jah­ren - wor­um es hier ge­he – an­ge­spro­chen. Das Wort „Kar­rie­re­sta­tus“ be­schrei­be ei­ne be­stimm­te Si­tua­ti­on ei­ner Per­son in ei­nem be­stimm­ten Le­bens­ab­schnitt. Es be­zie­he sich auf die Si­tua­ti­on ei­ner Per­son, die un­mit­tel­bar nach Ab­schluss ih­rer Aus­bil­dung am Be­ginn des be­ruf­li­chen Le­bens ste­he. Für Stu­di­en­abgänger be­deu­te dies, dass hier­mit ty­pi­scher­wei­se Be­wer­ber im Al­ter von En­de 20 ge­meint sei­en. Ein wei­te­res In­diz für die mit­tel­ba­re Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung sei die Tat­sa­che, dass die Be­klag­te ihm kei­ne Aus­kunft hin­sicht­lich des Pro­fils des letzt­end­lich ein­ge­stell­ten Be­wer­bers er­teilt ha­be. Auch das wi­dersprüchli­che Ver­hal­ten der Be­klag­ten zu der Fra­ge, wer „po­ten­ti­el­ler Ar­beit­ge­ber" sei, tra­ge zur Ver­mu­tung nach § 22 AGG bei.

Er ha­be des­halb we­gen sei­nes Al­ters ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung er­fah­ren. Ei­ne Be­nach­tei­li­gung lie­ge auch in der Ver­sa­gung ei­ner Chan­ce. Er sei für die Stel­le ob­jek­tiv ge­eig­net. Dies fol­ge be­reits aus sei­nem Stu­di­um der Be­triebs­wirt­schaft mit dem Stu­di­en­schwer­punkt Per­so­nal­ma­nage­ment und aus sei­ner Be­rufs­er­fah­rung als Ver­mitt­lungs­coach. Die Be­klag­te könne auch nicht be­wei­sen, dass das Al­ter im Mo­tivbündel über­haupt kei­ne Rol­le für die Ab­sa­ge ge­spielt ha­be. Zu­dem sei die Be­klag­te auch nicht der ihr ob­lie­gen­den Dar­le­gungs- und Be­weis­last nach­ge­kom­men, dass er die Stel­le auch bei be­nach­tei­li­gungs­frei­er Aus­wahl nicht er­hal­ten hätte. Die Be­klag­te le­ge le­dig­lich dar, dass sei­ne Ver­triebs­er­fah­run­gen für sie an­geb­lich nicht aus­rei­chend ge­we­sen sei­en, was er wei­ter­hin mit Nicht­wis­sen be­strei­te. Im Rah­men der Stel­len­aus­schrei­bung sei­en auch zahl­rei­che an­de­re Kri­te­ri­en ver­langt wor­den, wes­halb ein al­lei­ni­ges Ab­stel­len auf Ver­triebs­er­fah­run­gen als nicht ge­eig­net er­schei­ne, den Nach­weis zu er­brin­gen, dass er die Stel­le auch bei be­nach­tei­li­gungs­frei­er Aus­wahl nicht er­hal­ten hätte.

Der Kläger be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Lübeck vom 12. Ju­ni 2012 – 6 Ca 323/12 - ab­zuändern und

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld zu zah­len, de­ren Höhe in das

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Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wer­de, je­doch den Be­trag von 16.000,00 EUR nicht un­ter­schrei­ten sol­le, nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz hier­aus seit 1. De­zem­ber 2011.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te rügt er­neut ih­re Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on. Der Entschädi­gungs­an­spruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG sei nur ge­gen den (po­ten­ti­el­len) Ar­beit­ge­ber zu rich­ten. Be­reits aus der Stel­len­aus­schrei­bung er­ge­be sich un­ter der Über­schrift „Kon­tak­t­in­for­ma­tio­nen für Be­wer­ber“ die Nen­nung der Fir­ma U.P... GmbH. Die­se und nur die­se soll­te und woll­te die po­ten­zi­el­le Ar­beit­ge­be­rin sein. Sie - Be­klag­te – un­ter­hal­te auch kei­ne Nie­der­las­sung in B.. . Die dor­ti­ge Nie­der­las­sung wer­de viel­mehr aus­sch­ließlich von der U.P... GmbH geführt. Dies er­ge­be sich nicht zu­letzt aus dem In­ter­net­auf­tritt (Bl.189 d.A.)

Im Übri­gen lägen auch die Vor­aus­set­zun­gen des § 15 Abs. 2 AGG nicht vor. Die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts sei­en un­zu­tref­fend. Er ha­be ei­ne Ab­sa­ge aus­sch­ließlich des­halb er­hal­ten, weil er die für die aus­ge­schrie­be­ne Tätig­keit ge­for­der­ten Qua­li­fi­ka­tio­nen und An­for­de­run­gen nicht erfülle. Ver­trieb­li­che Merk­ma­le sei­en das we­sent­li­che Kri­te­ri­um für die zu be­set­zen­de Stel­le ge­we­sen.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz wird Be­zug ge­nom­men auf den In­halt der dort ge­wech­sel­ten Schriftsätze.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung des Klägers ist zulässig. Sie ist statt­haft und frist- und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den. In der Sa­che hat sie je­doch kei­nen Er­folg. Das

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Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge im Er­geb­nis zu­tref­fend nicht statt­ge­ge­ben. Die An­grif­fe der Be­ru­fung recht­fer­ti­gen kei­ne Abände­rung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils und Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Zah­lung ei­ner an­ge­mes­se­nen Entschädi­gung. Der Kläger hat ge­gen die Be­klag­te kei­nen An­spruch auf Entschädi­gung gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Die Kla­ge ist zum ei­nen be­reits des­halb un­be­gründet, weil der Be­klag­ten die Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on fehlt. Denn sie wäre nicht Schuld­ne­rin des An­spru­ches aus § 15 Abs. 2 AGG. (da­zu nach­fol­gend I.). Darüber hin­aus lie­gen aber auch nicht die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen An­spruch auf Entschädi­gung gemäß § 15 Abs. 2 AGG vor. Denn das Be­ru­fungs­ge­richt ist mit dem gemäß § 286 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­chen Grad da­von über­zeugt, dass die Ab­leh­nung der kläge­ri­schen Be­wer­bung aus­sch­ließlich ei­nen an­de­ren Grund als des­sen Al­ter hat­te. (da­zu nach­fol­gend II.)

I. Die Be­klag­te ist nicht Schuld­ne­rin des vom Kläger er­ho­be­nen Entschädi­gungs­an­spru­ches gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Denn die­ser An­spruch ist vom ab­ge­lehn­ten Be­wer­ber aus­sch­ließlich ge­genüber dem po­ten­zi­el­len Ar­beit­ge­ber gel­tend zu ma­chen. Die Be­klag­te wäre aber nicht Ar­beit­ge­be­rin des Klägers ge­wor­den.

1. Po­ten­zi­el­le Ar­beit­ge­be­rin war die Fir­ma U.P... GmbH mit Sitz in M... (HRB 83187). Zwar ist dem Kläger zu­zu­ge­ste­hen, dass die Vor­ge­hens­wei­se der Be­klag­ten un­durch­sich­tig war. Denn der ge­sam­te vor­pro­zes­sua­le Schrift­wech­sel fand zwi­schen ihm und der Be­klag­ten statt. Die Be­klag­te hat zu kei­nem Zeit­punkt vor­pro­zes­su­al dar­auf hin­ge­wie­sen, nicht po­ten­zi­el­le Ar­beit­ge­be­rin zu sein. Zu­tref­fend weist der Kläger dar­auf hin, dass die Be­klag­te - un­ter ih­rem Na­men - in der Be­wer­bungs­ab­sa­ge dankt für sein In­ter­es­se an ei­ner Mit­ar­beit in ih­rem Un­ter­neh­men. Er erfülle auch wich­ti­ge Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Tätig­keit in ih­rem Un­ter­neh­men. Auch in der Stel­len­aus­schrei­bung wird um ei­ne Be­wer­bung an die U.P.N... GmbH ge­be­ten.

Den­noch ist das Be­ru­fungs­ge­richt da­von über­zeugt, dass die Stel­le des Per­so­nal­ver­mitt­lers in der Nie­der­las­sung B... tatsächlich ei­ne Stel­le war, die die Fir­ma U.P... GmbH in M... aus­ge­schrie­ben hat. Denn ers­tens enthält die Stel­len­aus­schrei­bung bei den Kon­tak­t­in­for­ma­tio­nen für Be­wer­ber den Hin­weis auf die U.P... GmbH. Auch der Kläger hat sein Be­wer­bungs­schrei­ben adres­siert an die

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U.P... GmbH. Zwei­tens ist zu be­ach­ten der Auf­tritt im In­ter­net. Die Be­klag­te hat in der Be­ru­fungs­in­stanz ei­nen Aus­zug aus der Home­page vor­ge­legt (Bl. 189 d.A.), der zu ent­neh­men ist, dass der Stand­ort B... zur U.P... GmbH gehört. Die­se ob­jek­ti­ven Umstände - Hin­weis in den Be­wer­ber­in­for­ma­tio­nen und In­ter­net­auf­tritt - rei­chen zur Über­zeu­gung des Be­ru­fungs­ge­richts für die An­nah­me aus, dass die Nie­der­las­sung B... und die dort aus­ge­schrie­be­ne Stel­le als Per­so­nal­ver­mitt­ler zur U.P.... GmbH mit Sitz in M.... gehören, B... al­so de­ren Stand­ort ist. Die For­mu­lie­run­gen in dem vor­pro­zes­sua­len Schrift­wech­sel mögen da­mit erklärt wer­den, dass es sich in­so­weit um Un­ge­nau­ig­kei­ten der Be­klag­ten han­del­te, die we­gen der re­gio­na­len Nähe zu B... für das in M... sit­zen­de Schwes­ter­un­ter­neh­men tätig wur­de. Die­se Umstände sind aber nicht ge­eig­net, Zwei­fel an den ob­jek­ti­ven Umständen zu be­gründen, die sich er­ge­ben aus dem In­ter­net­auf­tritt und dem Hin­weis bezüglich der Kon­tak­t­in­for­ma­tio­nen für Be­wer­ber.

Die­se ob­jek­ti­ven Umstände ste­hen auch der vom Kläger geäußer­ten Befürch­tung ent­ge­gen, an­de­ren­falls könne sich die Be­klag­te zu je­dem Zeit­punkt ih­rer In­an­spruch­nah­me im Nach­hin­ein ent­zie­hen, wenn sie ein­fach aus dem Nichts her­aus vor­ge­be, nicht die rich­ti­ge Be­klag­te zu sein. Si­cher­lich ist es zu­tref­fend, dass sich ein gemäß § 15 Abs. 2 AGG in An­spruch ge­nom­me­ner nicht durch bloße Ver­schie­bung ei­nes Ar­beits­plat­zes auf ei­nen an­geb­lich drit­ten Ar­beit­ge­ber sei­ner Haf­tung ent­zie­hen darf. Die­ser Befürch­tung ist hier al­ler­dings be­reits mit dem Hin­weis dar­auf zu be­geg­nen, dass die Fir­ma U.P... GmbH mit Sitz in M... nicht nachträglich nur zwecks Ver­ei­te­lung ei­nes mögli­chen Entschädi­gungs­an­spru­ches des Klägers ins Spiel ge­bracht wur­de, son­dern von vorn­her­ein schon in den Kon­tak­t­in­for­ma­tio­nen für Be­wer­ber ge­nannt wur­de. Dass die Fir­ma „U.P... GmbH“ kei­nen großen na­ment­li­chen Un­ter­schied zur Fir­ma der Be­klag­ten be­inhal­tet, ist zwar rich­tig, je­doch un­er­heb­lich. Denn un­strei­tig han­delt es sich bei bei­den um recht­lich selbständi­ge Schwes­ter­ge­sell­schaf­ten.

Im Übri­gen ist es im Wirt­schafts­le­ben nicht un­gewöhn­lich, dass sich Schwes­ter­ge­sell­schaf­ten im Kon­zern­ver­bund in ih­rer Fir­ma nur mar­gi­nal un­ter­schei­den. Hin­zu kommt letzt­lich auch hier der ob­jek­ti­ve Um­stand, dass die Nie­der­las­sung B... aus­weis­lich des In­ter­net­auf­tritts der Fir­ma U.P... GmbH in M... zu­ge­ord­net ist. Die Be­klag­te hat kei­ne Nie­der­las­sung in B... . Die Ge­fahr ei­ner

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nachträgli­chen Ma­ni­pu­la­ti­on durch bloßen Aus­tausch an­geb­lich po­ten­zi­el­ler Ar­beit­ge­ber be­stand an­ge­sichts die­ser ob­jek­ti­ven Umstände al­so nicht.

2. Der Entschädi­gungs­an­spruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG rich­tet sich nur ge­gen die po­ten­zi­el­le Ar­beit­ge­be­rin, al­so nicht ge­gen die Be­klag­te. Zwar erwähnt § 15 Abs. 2 AGG an­ders als § 15 Abs. 1 AGG nicht aus­drück­lich als An­spruchs­geg­ner den Ar­beit­ge­ber. Auch enthält § 15 Abs. 2 AGG nach der Auf­fas­sung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (Ur­teil vom 18.3.2010 – 8 AZR 1044/08 –, zi­tiert nach ju­ris Rn 37) ei­ne ei­genständi­ge An­spruchs­grund­la­ge für ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch. Dies ändert aber nichts dar­an, dass auch der An­spruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG ge­gen die po­ten­zi­el­le Ar­beit­ge­be­rin ge­rich­tet wer­den muss. Dar­auf ha­ben be­reits zu­tref­fend das Ar­beits­ge­richt Düssel­dorf (Ur­teil vom 18.9.2007 – 7 Ca 1969/07 -, zi­tiert nach ju­ris Rn. 40 ff.) und das Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf (Ur­teil vom 14.2.2008 – 11 Sa 1939/07 -, zi­tiert nach ju­ris Rn. 49) hin­ge­wie­sen. Die er­ken­nen­de Be­ru­fungs­kam­mer schließt sich dem an. Sys­te­ma­tisch geht es im ge­sam­ten § 15 AGG al­lein um Ansprüche ge­gen den Ar­beit­ge­ber. Dies wird be­son­ders deut­lich durch § 15 Abs. 5 AGG, der re­gelt, dass sons­ti­ge Ansprüche ge­gen den Ar­beit­ge­ber aus an­de­ren Rechts­vor­schrif­ten un­berührt blei­ben. Woll­te § 15 AGG auch Ansprüche ge­gen Drit­te re­geln, so blie­be in § 15 Abs. 5 AGG völlig im Un­kla­ren, was mit Ansprüchen aus sons­ti­gen Rechts­grund­la­gen ge­gen die­se Drit­te wäre. Auch wenn man zu­dem mit dem Bun­des­ar­beits­ge­richt § 15 Abs. 2 AGG als ei­genständi­ge An­spruchs­grund­la­ge sieht, so ist den­noch klar, dass die wei­te­ren Vor­aus­set­zung des § 15 Abs. 1 AGG vor­lie­gen müssen, nämlich ein Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot durch den Ar­beit­ge­ber. § 15 Abs. 2 AGG kann nicht oh­ne Ab­satz 1 ge­le­sen wer­den. Im Übri­gen sind die Pro­ble­me, die sich da­durch er­ge­ben können, dass ein Ar­beit­ge­ber im Rah­men ei­nes Aus­wahl­ver­fah­rens Drit­te ein­be­zieht, womöglich aber selbst an­onym bleibt, an­ders zu lösen. Dem Be­wer­ber kann ge­ge­be­nen­falls ge­genüber ei­nem Per­so­nal­ver­mitt­ler ein Aus­kunfts­an­spruch ein­geräumt wer­den.

Zu­dem dürf­te die Aus­schluss­frist des § 15 Abs. 4 AGG erst dann ih­ren Lauf be­gin­nen, nach­dem der Be­wer­ber erst­mals oh­ne ei­ge­ne zu ver­tre­ten­de Verzöge­rung Kennt­nis vom po­ten­zi­el­len Ar­beit­ge­ber er­lang­te.

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3. Et­was an­de­res folgt auch nicht für den hier kon­kret zu be­ur­tei­len­den Sach­ver­halt aus der Vor­schrift des § 164 Abs. 1 BGB i.V.m. § 164 Abs. 2 BGB.

a. Gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB wirkt die Wil­lens­erklärung un­mit­tel­bar für und ge­gen den Ver­tre­te­nen, wenn sie je­mand in­ner­halb der ihm zu­ste­hen­den Ver­tre­tungs­macht im Na­men des Ver­tre­te­nen ab­gibt. § 164 Abs. 2 BGB wie­der­um re­gelt, dass der Man­gel des Wil­lens, im ei­ge­nen Na­men zu han­deln, nicht in Be­tracht kommt, wenn der Wil­le, im frem­den Na­men zu han­deln, nicht er­kenn­bar her­vor­tritt. Be­reits aus all­ge­mei­nen Aus­le­gungs­grundsätzen und aus § 164 Abs. 1 BGB er­gibt sich da­her, das der für ei­nen an­de­ren Han­deln­de selbst aus dem Rechts­geschäft be­rech­tigt und ver­pflich­tet wird, wenn er sei­nen Ver­tre­ter­wil­len nicht er­kenn­bar macht. § 164 Abs. 2 BGB schließt da­zu ergänzend und fol­ge­rich­tig das An­fech­tungs­recht des­je­ni­gen aus, das dem oh­ne er­kenn­ba­ren Ver­tre­ter­wil­len Han­deln­den an sich gemäß § 119 Abs. 1 BGB zu­ste­hen würde. Der an­geb­li­che Ver­mitt­ler wird al­so ver­pflich­tet, wenn er sei­ne Ver­mitt­ler­rol­le nicht aus­rei­chend deut­lich macht (Pa­landt, Bürger­li­ches Ge­setz­buch, § 164 Rn. 16).

b. Die Be­klag­te hat vor­pro­zes­su­al zu kei­nem Zeit­punkt dem Kläger er­kenn­bar hin­rei­chend deut­lich ge­macht, nicht po­ten­zi­el­le Ar­beit­ge­be­rin zu sein. Der Kläger weist in­so­weit zu­tref­fend dar­auf hin, dass die Be­klag­te sich im ge­sam­ten vor­pro­zes­sua­len Schrift­wech­sel im­mer als po­ten­zi­el­le Ar­beit­ge­be­rin auf­geführt hat. Dar­auf wei­sen be­reits die For­mu­lie­run­gen im Ab­leh­nungs­schrei­ben hin. Der Um­stand, dass im Be­wer­bungs­schrei­ben als Kon­tak­t­in­for­ma­ti­on für Be­wer­ber nicht die Be­klag­te ge­nannt wird, son­dern die U.P... GmbH, führt nicht da­zu, dass da­mit hin­rei­chend deut­lich ge­wor­den ist, dass die Stel­le nicht bei der Be­klag­ten zu be­set­zen war. Zwar mag der äußerst sorgfältig le­sen­de In­ter­es­sent die­ser Stel­len­aus­schrei­bung den Un­ter­schied mer­ken, dass ei­ner­seits die Post der Be­wer­ber an die U.P.N... GmbH (Be­klag­te) ge­schickt wer­den soll, an­de­rer­seits die U.P... GmbH je­doch in den Kon­tak­t­in­for­ma­tio­nen für Be­wer­ber ge­nannt wird. Da­mit drängt sich aber nicht auf und ist auch nicht an­satz­wei­se für Be­wer­ber er­kenn­bar, dass ein Un­ter­schied zwi­schen der U.P.N... GmbH und der U.P... GmbH be­steht. Denn in bei­den Fällen wird als Adres­se die An­schrift in A... ge­nannt un­ter Be­nen­nung von Frau K.B... . Dass ein Be­wer­ber al­so al­lein auf­grund des feh­len­den

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Zu­sat­zes „N...“ in den Kon­tak­t­in­for­ma­tio­nen hätte er­ken­nen können, dass die U.P.N... GmbH nicht po­ten­ti­el­le Ar­beit­ge­be­rin sein wird, ist nicht an­zu­neh­men.

Folg­lich ist je­den­falls vor­pro­zes­su­al im Be­wer­bungs­ver­fah­ren die Be­klag­te nicht deut­lich er­kenn­bar im frem­den Na­men han­delnd auf­ge­tre­ten. Würde man da­her für die­sen Sach­ver­halt auch § 164 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 164 Abs. 2 BGB her­an­zie­hen, so könn­te ihr ent­geg­net wer­den, dass ihr Man­gel des Wil­lens, im ei­ge­nen Na­men han­deln zu wol­len, un­be­acht­lich blei­ben müsse mit der Fol­ge, dass sie über § 164 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 164 Abs. 2 BGB als „po­ten­ti­el­le Ar­beit­ge­be­rin“ an­zu­se­hen wäre.

c. Im Er­geb­nis trägt die­se Ar­gu­men­ta­ti­on je­doch nicht. Zum ei­nen ist § 164 BGB nur auf Wil­lens­erklärun­gen an­wend­bar. Bei der Ab­leh­nung ei­ner Be­wer­bung han­delt es sich aber nicht um ei­ne Wil­lens­erklärung. Für die­sen tatsächli­chen Vor­gang ist § 164 BGB nicht an­wend­bar, und zwar auch nicht ana­log.

aa. § 164 BGB gilt aus­drück­lich nur für Wil­lens­erklärun­gen. Die Ab­leh­nung ei­ner Be­wer­bung ist al­ler­dings kei­ne Wil­lens­erklärung, son­dern ein tatsäch­li­cher Akt, ei­ne bloße Mit­tei­lung. An­ders als ei­ne Wil­lens­erklärung bringt sie ei­nen Rechts­fol­ge­wil­len nicht zum Aus­druck, d.h. ei­nen Wil­len, der auf die Be­gründung, in­halt­li­che Ände­rung oder Be­en­di­gung ei­nes pri­va­ten Rechts­verhält­nis­ses ab­zielt (vgl. da­zu Pa­landt, Einführung vor § 116 Rn. 1).

bb. Zu­dem be­steht kein Bedürf­nis, § 164 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 164 Abs. 2 BGB im Be­wer­bungs­ver­fah­ren ana­log für § 15 II AGG an­zu­wen­den. Sinn und Zweck des § 164 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 164 Abs. 2 BGB be­steht dar­in, ei­ner Per­son ei­nen ver­trag­li­chen An­spruchs­geg­ner zu gewähr­leis­ten, wenn für die Per­son nicht er­kenn­bar ist, dass ein Han­deln im frem­den Na­men vor­liegt. Sch­ließt sie dar­auf­hin ein Rechts­geschäft ab, so soll sie ei­nen nicht er­kenn­bar für ei­nen Drit­ten Han­deln­den selbst rechts­geschäft­lich in An­spruch neh­men dürfen. Für ei­ne sol­che Haf­tung bei Rechts­geschäften be­steht auch ein Bedürf­nis, denn den Drit­ten könn­te sie nicht in An­spruch neh­men, weil in des­sen Na­men nicht ge­han­delt wur­de. An­ders ist je­doch die Sach­la­ge bei § 15 Abs. 2 AGG. Hier kann der Be­wer­ber den Drit­ten, der nicht er­kenn­bar nach außen auf­ge­tre­ten ist, den­noch kraft ge­setz­li­cher An­ord­nung in An­spruch neh­men, so­bald sich her­aus­stellt, dass er der po­ten­zi­el­le Ar­beit­ge­ber war.

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Es be­steht al­so kein Bedürf­nis dafür, „den Per­so­nal­ver­mitt­ler“ dann als An­spruchs­geg­ner gemäß § 15 Abs. 2 AGG an­zu­se­hen, so­fern er nicht er­kenn­bar für ei­nen Drit­ten ge­han­delt hat. Der Drit­te als po­ten­zi­el­ler Ar­beit­ge­ber bleibt An­spruchs­geg­ner und muss sich zu­dem das Han­deln des von ihm be­auf­trag­ten Per­so­nal­ver­mitt­lers zu­rech­nen las­sen. Pro­ble­me, die sich im Übri­gen dar­aus er­ge­ben können, dass der Be­wer­ber aus zunächst von ihm nicht zu ver­tre­ten­den Gründen un­ter Hil­fe ei­nes An­wal­tes vor­pro­zes­su­al oder auch – wie hier – ge­richt­lich den „Fal­schen“ in An­spruch nimmt und folg­lich zusätz­li­che Kos­ten ent­ste­hen, las­sen sich oh­ne wei­te­res lösen, und zwar ent­we­der im Verhält­nis zum Per­so­nal­ver­mitt­ler oder zum po­ten­ti­el­len Ar­beit­ge­ber. Die­ser Ge­sichts­punkt ist aber kein Ar­gu­ment für ei­ne Haf­tung des nicht er­kenn­bar für ei­nen Drit­ten han­deln­den Per­so­nal­ver­mitt­lers gemäß § 15 II AGG.

Nach al­le­dem ist die Kla­ge be­reits des­halb un­be­gründet, weil die Be­klag­te nicht Schuld­ne­rin des An­spru­ches aus § 15 Abs. 2 AGG ist.

II. Un­ge­ach­tet des­sen sind aber auch die Vor­aus­set­zun­gen für die Zah­lung ei­ner Entschädi­gung gemäß § 15 Abs. 2 AGG nicht erfüllt. Zwar ist zu Guns­ten des Klägers die Ver­mu­tung be­gründet, dass sei­ne Be­wer­bung auch we­gen sei­nes Al­ters ab­ge­lehnt wur­de. Der Be­klag­ten ist es aber ge­lun­gen, den Be­weis dafür zu führen, dass es aus­sch­ließlich ein an­de­rer Grund war als das Al­ter, der zu der we­ni­ger güns­ti­gen Be­hand­lung des Klägers geführt hat. Da­von ist das Be­ru­fungs­ge­richt mit dem gemäß § 286 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­chen Grad über­zeugt. Da­zu im Ein­zel­nen:

1. Auf­grund des In­halts der Stel­len­aus­schrei­bung ist zunächst die Ver­mu­tung be­gründet, dass die Be­nach­tei­li­gung – Ab­sa­ge auf die Be­wer­bung – auch we­gen des Al­ters des Klägers er­folg­te.

a. § 11 AGG ver­bie­tet die Aus­schrei­bung ei­nes Ar­beits­plat­zes un­ter Ver­s­toß ge­gen § 7 Abs. 1 AGG. Ei­ne Aus­schrei­bung verstößt wie­der­um ge­gen § 7 Abs. 1 AGG, wenn Men­schen, die ein in § 1 AGG ge­nann­tes Merk­mal auf­wei­sen, vom Kreis der für die zu be­set­zen­de Stel­le in Be­tracht kom­men­den Per­so­nen aus­ge­schlos­sen wer­den (BAG, Ur­teil vom 19.8.2010 - 8 AZR 530/09 -, zi­tiert nach ju­ris Rn. 57). Der Ver­s­toß ge­gen die Ver­pflich­tung, ei­nen Ar­beits­platz nicht un­ter Ver­let­zung von § 7

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Abs. 1 AGG aus­zu­schrei­ben, kann wie­der­um die Ver­mu­tung be­gründen, die Be­nach­tei­li­gung sei we­gen des in der Aus­schrei­bung be­zeich­ne­ten ver­bo­te­nen Merk­mals er­folgt (BAG, Ur­teil vom 19.8.2010 - 8 AZR 530/09 -, zi­tiert nach ju­ris Rn. 59).

§ 3 Abs. 2 AGG er­fasst auch die mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes in § 1 ge­nann­ten Grun­des. Ei­ne sol­che liegt vor, wenn dem An­schein nach neu­tra­le Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren Per­so­nen we­gen ei­nes in § 1 ge­nann­ten Grun­des ge­genüber an­de­ren Per­so­nen in be­son­de­rer Wei­se be­nach­tei­li­gen können, es sei denn, die be­tref­fen­den Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel sind zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich.

b. Der In­halt der Aus­schrei­bung enthält ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters.

aa. Dies gilt zwar nicht für die im Pro­fil ver­lang­te ers­te Be­rufs­er­fah­rung im Dienst­leis­tungs­be­reich so­wie Kon­takt im Be­reich der Per­so­nal­aus­wahl. Ein sol­ches Kri­te­ri­um ist al­ter­s­un­abhängig. Da­mit wer­den nicht mit­tel­bar be­stimm­te Al­ters­grup­pen aus­ge­schlos­sen, und zwar auch nicht bei ty­pi­sie­ren­der Be­trach­tung. Denn an­ge­sichts der wech­sel­haf­ten be­ruf­li­chen Le­bensläufe kann nicht ty­pi­sie­rend da­von ge­spro­chen wer­den, dass ganz be­stimm­te Al­ters­grup­pen nur ers­te Be­rufs­er­fah­run­gen im Dienst­leis­tungs­be­reich so­wie Kon­takt im Be­reich der Per­so­nal­aus­wahl er­wer­ben.

bb. Mit­tel­bar dis­kri­mi­niert die Stel­len­aus­schrei­bung je­doch durch den wei­te­ren In­halt, wo auf Be­rufs­er­fah­rung „ein bis zwei Jah­re“ und Kar­rie­re­sta­tus „Be­rufs­ein­stei­ger“ ab­ge­stellt wird. Zwar heißt es bei der Be­rufs­er­fah­rung nicht ma­xi­mal ein bis zwei Jah­re. Es wird aber auch nicht aus­drück­lich be­tont, dass es sich nur um ei­ne Min­dest­an­for­de­rung han­delt. Ent­schei­dend ist in­so­weit die Ver­knüpfung mit dem Kar­rie­re­sta­tus „Be­rufs­ein­stei­ger“. Ver­lan­gen Merk­ma­le in ei­ner Stel­len­aus­schrei­bung ein bis zwei Jah­re Be­rufs­er­fah­rung und darüber hin­aus den Kar­rie­re­sta­tus Be­rufs­ein­stei­ger, so wer­den da­mit ty­pi­scher­wei­se - und dar­auf stellt Kläger zu­tref­fend ab – die Per­so­nen­grup­pen er­fasst, die ge­ra­de ih­re Be­rufs­aus­bil­dung

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ab­ge­schlos­sen ha­ben und hin­sicht­lich ih­res be­ruf­li­chen Wer­de­gan­ges am An­fang ste­hen. (vgl. zur Pro­ble­ma­tik der Merk­ma­le „Be­rufs­ein­stei­ger“ und „ers­tes Be­rufs – oder Tätig­keits­jahr“ auch Rei­se­rer, BB 2011, 703; Li­pin­ski/Praß, BB 2011, 2175). In­so­weit wer­den bei der ge­bo­te­nen ty­pi­sie­ren­den Be­trach­tung (da­zu BAG, Be­schluss vom 18.08.2009 – 1 ABR 47/08 -; zi­tiert nach ju­ris, Rn. 29) ma­xi­mal Per­so­nen mit ei­nem Le­bens­al­ter bis höchs­tens 30 Jah­re er­fasst. Der Kläger hat dies zu­tref­fend in sei­ner Be­ru­fungs­be­gründung aus­geführt, wo er ins­be­son­de­re auf den Be­griff des Kar­rie­re­sta­tus hin­wies, der ei­nen be­stimm­ten Le­bens­ab­schnitt im be­ruf­li­chen Wer­de­gang um­schreibt. Wenn die­ser dann – wie in der Stel­len­aus­schrei­bung ge­sche­hen – an­knüpft an das Merk­mal Be­rufs­ein­stei­ger, so wer­den da­mit ty­pi­scher­wei­se Be­wer­ber er­fasst, die ih­re be­ruf­li­che Aus­bil­dung oder ihr Stu­di­um ab­ge­schlos­sen und al­len­falls kur­ze be­ruf­li­che Er­fah­run­gen ge­sam­melt ha­ben. Dies sind aber ty­pi­scher­wei­se nicht Be­wer­ber, die älter als 30 Jah­re sind, je­den­falls nicht Be­wer­ber wie der Kläger mit ei­nem Le­bens­al­ter von über 40 Jah­ren. Das Be­ru­fungs­ge­richt folgt des­halb nicht der Ar­gu­men­ta­ti­on des Ar­beits­ge­richts.

2. Der Kläger er­fuhr auch ei­ne ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on.

Das Vor­lie­gen ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on setzt vor­aus, dass der Be­wer­ber ob­jek­tiv für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le ge­eig­net war. Denn ver­gleich­bar ist die Aus­wahl­si­tua­ti­on nur für die Be­wer­ber, die glei­cher­maßen die ob­jek­ti­ve Eig­nung für die zu be­set­zen­de Stel­le auf­wei­sen (BAG, Ur­teil vom 18.3.2010 - 8 AZR 77/09 -, zi­tiert nach ju­ris Rn. 22). Maßgeb­lich für die ob­jek­ti­ve Eig­nung ist da­bei nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht das for­mel­le An­for­de­rungs­pro­fil, wel­ches der Ar­beit­ge­ber er­stellt hat, son­dern die An­for­de­rung, wel­che an die je­wei­li­ge Tätig­keit nach der im Ar­beits­le­ben herr­schen­den Ver­kehrs­an­schau­ung ge­stellt wird. Die ob­jek­ti­ve Eig­nung ist zu tren­nen von der in­di­vi­du­el­len fach­li­chen und persönli­chen Qua­li­fi­ka­ti­on des Be­wer­bers, die nur als Kri­te­ri­um der Aus­wah­l­ent­schei­dung auf der Ebe­ne der Kau­sa­lität zwi­schen Be­nach­tei­li­gung und ver­bo­te­nem Merk­mal ei­ne Rol­le spielt. Be­wer­ber, wel­che die auf der zu be­set­zen­den Stel­le aus­zuüben­den Tätig­kei­ten grundsätz­lich ver­rich­ten können, oh­ne aber je­de Vor­aus­set­zung des An­for­de­rungs­pro­fils zu erfüllen, bedürfen des Schut­zes vor Dis­kri­mi­nie­rung, weil ge­ra­de An­for­de­rungs­pro­fi­le in Stel­len­an­zei­gen häufig

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Qua­li­fi­ka­tio­nen be­nen­nen, de­ren Vor­han­den­sein der Ar­beit­ge­ber sich für den Ide­al­fall zwar wünscht, die aber kei­nes­wegs zwin­gen­de Vor­aus­set­zung ei­ner er­folg­rei­chen Be­wer­bung sind (BAG, Ur­teil vom 18.3.2010 - 8 AZR 77/09 – Rn. 22).

Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Kri­te­ri­en wies der Kläger die ob­jek­ti­ve Eig­nung für die zu be­set­zen­de Stel­le aus. Er ist aus­ge­bil­de­ter Be­triebs­wirt. Er hat sich in sei­nem Stu­di­um mit Fra­gen des Per­so­nal­ma­nage­ments be­fasst. Da mit der Stel­len­aus­schrei­bung ein Be­rufs­ein­stei­ger ge­sucht wur­de, kann un­ter Berück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­auf­fas­sung und der vom Kläger in sei­nem Stu­di­um er­lang­ten - wenn auch zunächst nur theo­re­ti­schen - Kennt­nis­se nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass er ob­jek­tiv un­ge­eig­net für die Stel­le war. Ge­gen ei­ne sol­che An­nah­me spricht auch ins­be­son­de­re das Ab­leh­nungs­schrei­ben vom 5. Ok­to­ber 2011, wo aus­geführt wird, der Kläger erfülle wich­ti­ge Vor­aus­set­zun­gen für die Tätig­keit im Un­ter­neh­men, es ge­be je­doch Mit­ar­bei­ter, die dem An­for­de­rungs­pro­fil bezüglich der Ver­triebs­ak­ti­vitäten noch näher ge­kom­men sei­en. Die Ab­leh­nung wird al­so nicht da­mit be­gründet, der Kläger sei schon von vorn­her­ein ob­jek­tiv un­ge­eig­net für die zu be­set­zen­de Stel­le. Auf das kon­kre­te An­for­de­rungs­pro­fil kommt es nicht an. Ein aus­ge­bil­de­ter Be­triebs­wirt ist nach der Ver­kehrs­auf­fas­sung grundsätz­lich ob­jek­tiv ge­eig­net, als Per­so­nal­ver­mitt­ler zu ar­bei­ten.

3. Auch die Kau­sa­lität zwi­schen der Be­nach­tei­li­gung - Ab­leh­nung der Be­wer­bung – und dem ver­bo­te­nen Merk­mal ist zu ver­mu­ten. Denn es reicht für die Kau­sa­lität des ver­bo­te­nen Merk­mals aus, wenn in ei­nem Mo­tivbündel, das die Ent­schei­dung be­ein­flusst hat, das Merk­mal als Kri­te­ri­um ent­hal­ten ge­we­sen ist. (BAG Ur­teil vom 18.03.2010 -8 AZR 77/09; zi­tiert nach ju­ris, Rn. 24). An­ge­sichts des In­hal­tes der Stel­len­aus­schrei­bung ist von ei­ner sol­chen Ver­mu­tung aus­zu­ge­hen.

4. Der Be­klag­ten ist es je­doch zur Über­zeu­gung des Be­ru­fungs­ge­richts ge­lun­gen, den Be­weis zu führen, dass das Le­bens­al­ter des Klägers bei ih­rer Ent­schei­dung, sei­ne Be­wer­bung ab­zu­leh­nen, über­haupt kei­ne Rol­le ge­spielt hat.

a. Wird die Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes ver­bo­te­nen Merk­ma­les ver­mu­tet, so trägt der An­spruchs­geg­ner nach § 22 AGG die Be­weis­last dafür, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gung vor­lag. Zur Wi­der­le­gung der Ver­mu­tung ei­ner Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters muss der Ar­beit­ge­ber das

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Ge­richt da­von über­zeu­gen, dass die Be­nach­tei­li­gung ge­ra­de nicht auf dem Al­ter be­ruh­te. Er muss al­so Tat­sa­chen vor­tra­gen und ge­ge­be­nen­falls be­wei­sen, aus de­nen sich er­gibt, dass es aus­sch­ließlich an­de­re Gründe wa­ren als das Al­ter, die zu der we­ni­ger güns­ti­gen Be­hand­lung geführt ha­ben (BAG, Ur­teil vom 19.8.2010 - 8 AZR 530/09 –, zi­tiert nach ju­ris Rn. 61; BAG, Ur­teil vom 13.10.2011 - 8 AZR 608/10 - ; zit. nach ju­ris Rn. 49).

b. Der Be­weis, dass das ver­bo­te­ne Merk­mal über­haupt kei­ne Rol­le bei der Ab­leh­nung ge­spielt hat, kann z.B. hin­sicht­lich des Al­ters im Be­wer­bungs­ver­fah­ren da­durch geführt wer­den, dass der Ar­beit­ge­ber be­zie­hungs­wei­se po­ten­ti­el­le Ar­beit­ge­ber vorträgt und ge­ge­be­nen­falls be­weist, ei­nen Be­wer­ber mit ähn­li­chem Le­bens­al­ter des ab­ge­lehn­ten Be­wer­bers ein­ge­stellt zu ha­ben. Es kann auch ein be­wie­se­ner Vor­trag aus­rei­chen, wo­nach al­ters­glei­che Be­wer­ber zu Ein­stel­lungs­gesprächen ein­ge­la­den wur­den. In­so­weit fehlt es je­doch am Vor­trag der Be­klag­ten, denn sie be­haup­tet nicht, ei­nen älte­ren Be­wer­ber auf die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le ein­ge­stellt zu ha­ben. Sie trägt auch nicht da­zu vor, wel­che Pro­fi­le die Be­wer­ber hat­ten, die ge­ge­be­nen­falls zu Ein­stel­lungs­gesprächen ein­ge­la­den wur­den. Der Hin­weis der Be­klag­ten auf die Be­set­zung an­de­rer Stel­len durch älte­re Be­wer­ber trägt nicht. Dies kann nicht auf die hier zu be­set­zen­de Stel­le über­tra­gen wer­den. Die Sach­ver­hal­te können in­so­weit sehr un­ter­schied­lich sein.

c. Die Be­klag­te be­gründet ih­re Ab­leh­nung und ih­re Be­haup­tung, dass dies der aus­sch­ließli­che Grund für die Nicht­berück­sich­ti­gung des Klägers sei, mit dem Hin­weis dar­auf, dass der Kläger die Grund­vor­aus­set­zung für die Be­set­zung der Po­si­ti­on nicht erfülle, nämlich ei­ne ho­he Af­fi­nität zum Ver­trieb so­wie prak­ti­sche Er­fah­run­gen. Un­ter Berück­sich­ti­gung der der Be­klag­ten vor­lie­gen­den Be­wer­bungs­un­ter­la­gen ist das Be­ru­fungs­ge­richt zu der Über­zeu­gung ge­langt, dass es aus­sch­ließlich die be­ruf­li­che Ent­wick­lung des Klägers ge­we­sen ist, die für die Be­klag­te An­lass war, ihm ei­ne Ab­sa­ge zu er­tei­len. Das Ge­richt ist da­von über­zeugt, dass das Le­bens­al­ter des Klägers kei­ne Rol­le ge­spielt hat.

aa. Maßstab für die Über­zeu­gungs­bil­dung des Be­ru­fungs­ge­richts ist § 286 Abs. 1 ZPO. Da­nach hat das Ge­richt un­ter Berück­sich­ti­gung des ge­sam­ten In­halts der Ver­hand­lun­gen und des Er­geb­nis­ses ei­ner et­wai­gen Be­weis­auf­nah­me nach frei­er

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Über­zeu­gung zu ent­schei­den, ob ei­ne tatsächli­che Be­haup­tung für wahr oder für nicht wahr zu er­ach­ten ist. We­ni­ger als die Über­zeu­gung von der Wahr­heit reicht für das Be­wie­sen­sein nicht aus. Ein bloßes Glau­ben, Wähnen, für Wahr­schein­lich­hal­ten be­rech­tigt den Rich­ter nicht zur Be­ja­hung des strei­ti­gen Tat­be­stands­merk­mals. Mehr als die sub­jek­ti­ve Über­zeu­gung wird aber auch nicht ge­for­dert. Ab­so­lu­te Ge­wiss­heit zu ver­lan­gen hieße die Gren­ze men­sch­li­cher Er­kennt­nisfähig­keit zu igno­rie­ren. Der Rich­ter muss sich viel­mehr mit sei­ner persönli­chen Ge­wiss­heit be­gnügen, wel­che den Zwei­feln Schwei­gen ge­bie­tet, oh­ne sie völlig aus­zu­sch­ließen (BGHZ 61,169).

bb. Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ses Maßsta­bes ist das Be­ru­fungs­ge­richt zu der sub­jek­ti­ven Über­zeu­gung ge­langt, dass es aus­sch­ließlich die Be­ur­tei­lung des be­ruf­li­chen Wer­de­gangs un­ter Berück­sich­ti­gung der An­for­de­run­gen der Stel­len­aus­schrei­bung war, wes­halb der Kläger ei­ne Ab­leh­nung er­hielt.

(1.) In der Stel­len­aus­schrei­bung wur­de ein Per­so­nal­ver­mitt­ler ge­sucht, und zwar u.a. mit den Auf­ga­ben Ge­win­nung von Neu­kun­den für den Be­reich Per­so­nal­ver­mitt­lung, Ver­ant­wor­tung des ge­sam­ten Re­kru­tie­rungs­pro­zes­ses von der Aus­wahl und Vor­stel­lung bis hin zur Ver­mitt­lung ge­eig­ne­ter Kan­di­da­ten und Auf­bau ei­nes Kan­di­da­ten­netz­wer­kes. Im Pro­fil heißt es da­zu, er­for­der­lich sei ei­ne ers­te Be­rufs­er­fah­rung im Dienst­leis­tungs­be­reich so­wie Kon­takt im Be­reich der Per­so­nal­aus­wahl, wei­ter­hin u.a. kom­mu­ni­ka­ti­ve und ver­trieb­li­che Fähig­kei­ten so­wie ho­hes En­ga­ge­ment.

Dem Kläger ist in­so­weit zu­zu­ge­ben, dass im Pro­fil nicht aus­drück­lich be­reits er­lang­te Ver­triebs­kennt­nis­se ge­for­dert wer­den, son­dern ver­trieb­li­che Fähig­kei­ten, die ein Be­wer­ber aber auch ha­ben kann, oh­ne vor­her in­so­weit prak­ti­sche Er­fah­rung er­langt zu ha­ben. Ver­trieb­li­che Fähig­kei­ten müssen nicht zwin­gend von prak­ti­schen Er­fah­run­gen abhängen, son­dern können sich auch aus dem Po­ten­zi­al des Be­wer­bers er­ge­ben. Wenn folg­lich zwar nicht aus­drück­lich Ver­triebs­er­fah­run­gen ver­langt wer­den, so lässt sich den­noch ins­ge­samt dem In­halt der Stel­len­aus­schrei­bung ent­neh­men, dass die Stel­le be­setzt wer­den soll­te mit ei­nem Be­wer­ber oder ei­ner Be­wer­be­rin, die be­zo­gen auf die aus­ge­schrie­be­nen Auf­ga­ben be­reits ers­te Be­rufs­er­fah­run­gen er­langt hat­te. Zwar be­zie­hen sich die Be­rufs­er­fah­run­gen nur auf den Dienst­leis­tungs­be­reich. Bei verständi­ger Be­trach­tung

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die­ser Stel­len­aus­schrei­bung meint der Dienst­leis­tungs­be­reich aber je­nen Be­reich, der sich mit Per­so­nal­ver­mitt­lung und Re­kru­tie­rung von Per­so­nal be­fasst. Dies er­gibt sich nicht zu­letzt aus dem Hin­weis zum Kon­takt im Be­reich der Per­so­nal­aus­wahl. Mit an­de­ren Wor­ten: Zwar kann in die Stel­len­aus­schrei­bung nicht hin­ein­ge­le­sen wer­den, es sei­en zwin­gend vor­her prak­ti­sche Ver­triebs­er­fah­run­gen Vor­aus­set­zung. Die Stel­len­aus­schrei­bung ist aber da­hin­ge­hend zu ver­ste­hen, dass ein Be­wer­ber ge­sucht wird, der be­reits ers­te prak­ti­sche Er­fah­run­gen mit möglichst ein bis zwei Jah­ren Be­rufs­er­fah­rung im Be­reich der Per­so­nal­wirt­schaft er­langt hat.

Ge­mes­sen an die­sem An­for­de­rungs­pro­fil ist das Be­ru­fungs­ge­richt da­von über­zeugt, dass die Ab­leh­nung der Be­wer­bung al­lein mo­ti­viert war durch den In­halt der Be­wer­bungs­un­ter­la­gen, aus de­nen sich er­gab, dass dem Kläger die gewünsch­te prak­ti­sche Be­rufs­er­fah­rung im Be­reich der Per­so­nal­wirt­schaft fehl­te. Die Be­klag­te weist in­so­weit zu­tref­fend dar­auf hin, dass der Kläger seit En­de sei­ner Aus­bil­dung im Jah­re 2002 bis zum Be­wer­bungs­zeit­punkt fast aus­sch­ließlich als Do­zent leh­rend und un­ter­rich­tend tätig war. Ers­te Be­rufs­er­fah­rung im Dienst­leis­tungs­be­reich un­ter Berück­sich­ti­gung der in der Stel­len­aus­schrei­bung be­schrie­be­nen Auf­ga­ben konn­te er aber als Do­zent nicht er­langt ha­ben. Ei­ne verständi­ge Be­trach­tung der Stel­len­aus­schrei­bung führt da­zu, dass die Be­rufs­er­fah­rung sich auf ei­ne Tätig­keit im prak­ti­schen Be­reich der Per­so­nal­wirt­schaft er­stre­cken muss, folg­lich pädago­gi­sche Be­rufs­er­fah­run­gen nicht ge­meint sind.

Zwar hat der Kläger aus­weis­lich sei­nes Le­bens­lau­fes sich von Ja­nu­ar 2004 bis Sep­tem­ber 2006 auch als be­ra­ten­der Be­triebs­wirt für die www.h.-g....de mit der Be­wer­be­r­aus­wahl und Or­ga­ni­sa­ti­on von Re­cruit­ing-Maßnah­men be­fasst. Ent­schei­dend bleibt aber, dass bei Ge­samt­be­trach­tung des Le­bens­lau­fes die bis­he­ri­ge Tätig­keit des Klägers na­he­zu aus­sch­ließlich ihr Ge­präge erhält durch die Do­zen­tentätig­keit. Das Be­ru­fungs­ge­richt ist da­von über­zeugt, dass sich die Be­klag­te durch die­sen be­ruf­li­chen Wer­de­gang des Klägers al­lein lei­ten ließ, um sei­ne Be­wer­bung ab­zu­leh­nen. Der Kläger mag zwar grundsätz­lich ob­jek­tiv ge­eig­net ge­we­sen sein un­ter Berück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­auf­fas­sung. Dies be­deu­tet aber kei­nen Wi­der­spruch zu der Tat­sa­che, dass sich die Ent­schei­dung der Be­klag­ten aus­sch­ließlich da­durch lei­ten ließ, dass sie den Kläger we­gen sei­ner ganz über­wie­gen­den Do­zen­tentätig­keit ge­mes­sen an den An­for­de­run­gen der

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Stel­len­aus­schrei­bung kon­kret als nicht ge­eig­net an­sah und die­ses als her­aus­ra­gend an­sah, wes­halb es plau­si­bel ist, dass das Le­bens­al­ter für sie über­haupt kei­ne Rol­le spiel­te. Ein Wi­der­spruch ist dies des­halb nicht, weil bei der Kau­sa­lität zwi­schen der Be­nach­tei­li­gung und dem Al­ter an­ders als bei der ob­jek­ti­ven Eig­nung die kon­kre­ten An­for­de­run­gen der Stel­len­aus­schrei­bung zu be­ach­ten sind.

(2 Das Be­ru­fungs­ge­richt ver­kennt im Übri­gen nicht, dass die bes­se­re Eig­nung von Mit­be­wer­bern ei­ne Be­nach­tei­li­gung grundsätz­lich nicht aus­sch­ließt. Denn dies folgt be­reits aus dem ein­deu­ti­gen Wort­laut des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG. Für die Über­zeu­gung des Be­ru­fungs­ge­richts, dass das Al­ter bei der Ab­leh­nung über­haupt kei­ne Rol­le ge­spielt hat, ist ent­schei­dend, dass der be­ruf­li­che Wer­de­gang des Klägers er­kenn­bar für die Be­klag­te sein Ge­präge er­hal­ten hat durch sei­ne Tätig­keit als Do­zent. Dar­an ändert auch nichts die re­la­tiv kurz­zei­tig da­ne­ben aus­geführ­te Tätig­keit als frei­er Mit­ar­bei­ter bei der www.h.-g....de, bei der er sich auch mit der Be­wer­be­r­aus­wahl und Pla­nung und Or­ga­ni­sa­ti­on von Re­cruit­ing-Maßnah­men zu be­fas­sen hat­te. Der Le­bens­lauf des Klägers erhält sein Ge­präge nach wie vor durch sei­ne zehnjähri­ge Do­zen­tentätig­keit. Für das Be­ru­fungs­ge­richt ist es des­halb oh­ne wei­te­res nach­voll­zieh­bar, wenn die Be­klag­te ausführt, al­lein dies sei für sie Grund ge­we­sen, die Be­wer­bung ab­zu­leh­nen.

(3 Bei der Über­zeu­gungs­bil­dung hat das Be­ru­fungs­ge­richt auch berück­sich­tigt, dass die Be­klag­te nach Ein­gang der Be­wer­bung zu kei­nem Zeit­punkt hat er­ken­nen las­sen, dass das Al­ter des Klägers ei­ne Rol­le spiel­te. Sie hat – noch vor Gel­tend­ma­chung der Entschädi­gung – so­gleich im Ab­leh­nungs­schrei­ben den Grund der Ab­sa­ge von sich aus dar­ge­legt, nämlich es ha­be Mit­ar­bei­ter ge­ge­ben, die dem An­for­de­rungs­pro­fil bezüglich der Ver­triebs­ak­ti­vitäten noch näher ge­kom­men sei­en. Es kann al­so kei­ne Re­de da­von sein, dass die Be­klag­te erst nach Er­he­bung des Dis­kri­mi­nie­rungs­vor­wurfs nach Gründen such­te. Sie hat sich be­reits zum frühestmögli­chen Zeit­punkt – Ab­leh­nungs­schrei­ben – auf den aus ih­rer Sicht ursächli­chen Grund der Ab­sa­ge be­ru­fen, von dem sie auch nach Kla­ge­er­he­bung nicht ab­weicht und kon­se­quent bleibt. Wi­dersprüchlich­kei­ten sind in­so­weit nicht er­kenn­bar.

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(4.) Wei­ter ist zu be­ach­ten, dass das aus­ge­schrie­be­ne Pro­fil im Text we­der mit­tel­bar noch un­mit­tel­bar dis­kri­mi­niert. Die For­mu­lie­rung „Ers­te Be­rufs­er­fah­rung im Dienst­leis­tungs­be­reich so­wie Kon­takt im Be­reich des Per­so­nal­we­sens“ ist be­zo­gen auf das Al­ter nicht zu be­an­stan­den. (da­zu oben II. 1.b.). Pro­ble­ma­tisch wird die Stel­len­an­zei­ge erst durch die dem ei­gent­li­chen Aus­schrei­bungs­text nach­fol­gend bei­gefügten Merk­ma­le Be­rufs­er­fah­rung und Kar­rie­re­sta­tus. Da das Pro­fil im Text be­zo­gen auf das Al­ter nicht zu be­an­stan­den ist, der Text zu­dem den ei­gent­li­chen Ge­halt der Aus­schrei­bung aus­macht, ist auch dies für das Ge­richt ein un­terstützen­der Hin­weis dar­auf, dass im Er­geb­nis das Al­ter für die Ab­leh­nung des Klägers kei­ne Rol­le spiel­te.

cc. Das Be­ru­fungs­ge­richt folgt da­her nicht der Auf­fas­sung des Klägers, es sei der Be­klag­ten nicht ge­lun­gen, dar­zu­le­gen und zu be­wei­sen, dass in dem Mo­tivbündel für die Ab­leh­nung das Al­ter über­haupt kei­ne Rol­le ge­spielt ha­be. Natürlich sieht sich das Be­ru­fungs­ge­richt auch nicht in der La­ge, mit ab­so­lu­ter Ge­wiss­heit an­zu­neh­men, das Al­ter ha­be über­haupt kei­ne Rol­le ge­spielt. Ver­langt man aber ei­ne ab­so­lu­te Ge­wiss­heit, so würde dies die Gren­ze men­sch­li­cher Er­kennt­nisfähig­keit igno­rie­ren. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat mit dem Maßstab der sub­jek­ti­ven Über­zeu­gung kei­ne er­heb­li­chen Zwei­fel dar­an, dass an­ge­sichts des be­ruf­li­chen Wer­de­gan­ges des Klägers fast aus­sch­ließlich als Do­zent das Al­ter bei der Ab­leh­nung un­ter Berück­sich­ti­gung der An­for­de­run­gen der Stel­len­aus­schrei­bung kei­ne Rol­le ge­spielt hat. Theo­re­tisch denk­ba­re letz­te Zwei­fel, die im­mer be­ste­hen, müssen zurück­tre­ten.

dd. Es geht da­bei auch nicht dar­um, dass der Be­klag­ten so ge­stat­tet wird, an­geb­lich un­zulässig et­wai­ge Gründe nach­zu­schie­ben und An­for­de­run­gen zu be­gründen, die sich nicht be­reits aus der Stel­len­aus­schrei­bung er­ge­ben. Zum ei­nen ist zu berück­sich­ti­gen, dass der gemäß § 15 Abs. 2 AGG in An­spruch Ge­nom­me­ne bei der Wi­der­le­gung der Be­nach­tei­li­gungs­ver­mu­tung nicht auf be­stimm­te Gründe be­schränkt ist, auf die er sich vor­her be­ru­fen hat. Die Par­tei­en ei­nes ar­beits­ge­richt­li­chen Rechts­strei­tes können ma­te­ri­ell-recht­lich re­gelmäßig al­le Tat­sa­chen vor­tra­gen, aus de­nen sich das Be­ste­hen des er­ho­be­nen An­spruchs oder sein Nicht­be­ste­hen er­ge­ben soll. Das Ver­bot des Nach­schie­bens be­stimm­ter Tat­sa­chen kann über den Er­folg des Rechts­strei­tes ent­schei­den. Die­se ein­schnei­den­de Rechts­fol­ge kann aber nur dann an­ge­nom­men wer­den, wenn sie sich aus dem ma­te­ri­el­len Recht

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un­zwei­fel­haft her­lei­ten lässt. An ei­ner sol­chen ge­setz­li­chen Be­stim­mung fehlt es (BAG, Ur­teil vom 17.8.2010 - 9 AZR 839/08 –, zi­tiert nach ju­ris, Rn.26).

Un­abhängig da­von hat die Be­klag­te aber auch kei­ne Gründe nach­ge­scho­ben. Sie würde miss­ver­stan­den wer­den, wenn man sie dar­auf re­du­zier­te, sie be­ru­fe sich nur auf nicht vor­han­de­ne Ver­triebs­er­fah­rung. Ent­schei­dend ist, dass dem Vor­trag der Be­klag­ten zu ent­neh­men ist, sie ha­be die prak­ti­sche Er­fah­rung des Klägers ver­misst, weil er ganz über­wie­gend als Do­zent tätig ge­we­sen sei. Da­zu hat die Be­klag­te be­reits erst­in­stanz­lich im Schrift­satz vom 19. April 2012 aus­geführt und dar­auf hin­ge­wie­sen, der Schwer­punkt der bis­lang durch den Kläger aus­geübten Tätig­kei­ten lie­ge ein­deu­tig im Be­reich der Lehr- und Do­zen­tentätig­keit so­wie im be­ra­ten­den Be­reich. Das Be­ru­fungs­ge­richt ist da­von über­zeugt, dass die Be­klag­te sich bei Prüfung der ihr vor­lie­gen­den Be­wer­bungs­un­ter­la­gen zur Ab­leh­nung der Be­wer­bung aus­sch­ließlich von dem Schwer­punkt der bis­he­ri­gen Tätig­keit des Klägers im Lehr-und Do­zen­ten­be­reich lei­ten ließ. Der Sach­grund der Ab­leh­nung er­gab sich aus der Stel­len­aus­schrei­bung selbst, und zwar un­abhängig da­von, dass dort zwar nicht aus­drück­lich prak­ti­sche Ver­triebs­er­fah­rung ver­langt wur­de, je­den­falls aber prak­ti­sche ers­te Be­rufs­er­fah­run­gen (ein bis zwei Jah­re) im Be­reich der Per­so­nal­wirt­schaft (vgl. zur Wi­der­le­gung ei­ner ver­mu­te­ten Be­nach­tei­li­gung im Stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren, wenn sich der Sach­grund aus der Stel­len­aus­schrei­bung selbst er­gibt: Adom­eit/Mohr, AGG, 2. Auf­la­ge 2011, § 22, Rn. 67).

Nach al­le­dem ist die Be­ru­fung des Klägers mit der Kos­ten­fol­ge des § 97 ZPO zurück­zu­wei­sen. Die Re­vi­si­on wird we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung zu den Fra­gen der Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on und zu den Er­for­der­nis­sen bei der Be­weisführung hin­sicht­lich der „Nicht­dis­kri­mi­nie­rung“ durch den Ar­beit­ge­ber zu­ge­las­sen.

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