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Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zum Schutz von Be­schäf­tig­ten­da­ten

Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Re­ge­lung des Be­schäf­tig­ten­da­ten­schut­zes: Pres­se­mit­tei­lung der Bun­des­re­gie­rung vom 25.08.2010
Schnittstelle,Computer,Datenschutz Re­form des Ar­beit­neh­mer­da­ten­schut­zes?
07.09.2010. Der Ar­beit­neh­mer­da­ten­schutz in Deutsch­land ist re­form­be­dürf­tig. Die Re­ge­lun­gen sind über ver­schie­de­ne Ge­set­ze ver­streut, schwam­mig for­mu­liert und prak­tisch kaum durch­setz­bar. Da­ten­skan­da­le sind im Ge­gen­satz zu Ge­richts­ur­tei­len häu­fig.

Die christ­lich-li­be­ra­le Ko­ali­ti­on hat nun nach ei­ni­gen An­läu­fen ei­nen Ge­set­zes­ent­wurf vor­ge­legt, der Ab­hil­fe schaf­fen soll.

Nie­mands­land Ar­beit­neh­mer­da­ten­schutz?

Der Ar­beit­neh­mer­da­ten­schutz in Deutsch­land ist re­form­bedürf­tig. Die Re­ge­lun­gen sind über ver­schie­de­ne Ge­set­ze ver­streut, schwam­mig for­mu­liert und prak­tisch kaum durch­setz­bar.

Zu­meist wird ver­sucht, die sehr un­be­stimm­ten all­ge­mei­nen Da­ten­schutz­be­stim­mun­gen auch auf Ar­beits­verhält­nis­se an­zu­wen­den. Trotz die­ser Bemühun­gen gibt es vie­le Da­ten­skan­da­le (wir be­rich­te­ten z.B. in Ar­beits­recht ak­tu­ell 09/239: Ärzt­li­che Un­ter­su­chung und Da­ten­schutz), klären­de Ge­richts­ur­tei­le da­ge­gen kaum.

Schon der letz­ten Bun­des­re­gie­rung war die­ses Pro­blem be­wusst. Noch kurz vor der Wahl be­kun­de­te man die po­li­ti­sche Ab­sicht, ein Ar­beit­neh­mer­da­ten­schutz­ge­setz „aus ei­nem Guß“ zu schaf­fen - und führ­te kur­zer­hand § 32 Bun­des­da­ten­schutz­ge­setz (BDSG) ein.

Dort wird die „Da­ten­er­he­bung, -ver­ar­bei­tung und -nut­zung für Zwe­cke des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses“ ge­re­gelt. Bei nähe­rer Be­trach­tung han­delt es sich da­bei eher um ei­ne „Ge­set­zesat­trap­pe“ als um ei­nen ech­ten da­ten­schutz­recht­li­chen Fort­schritt im Ar­beits­recht (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell 09/137: Ge­setz zur Ände­rung da­ten­schutz­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 10.07.2009).

Neu­er Schwung im Ar­beit­neh­mer­da­ten­schutz?

Nach der Wahl wur­de die große Ko­ali­ti­on von ei­ner christ­lich-li­be­ra­len Re­gie­rung ab­gelöst, die ei­ne Ver­bes­se­rung des Ar­beit­neh­mer­da­ten­schut­zes und ei­nen Schutz der Mit­ar­bei­ter vor Be­spit­ze­lun­gen in die Ko­ali­ti­ons­ver­ein­ba­rung vom 26.10.2009 auf­nahm.

En­de März die­ses Jah­res leg­te das Bun­des­mi­nis­te­ri­um des In­nern (BMI) dann ein ers­tes Eck­punk­te­pa­pier vor (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell 10/085: Eck­punk­te­pa­pier zum Ar­beit­neh­mer­da­ten­schutz), das ei­ne auf den ers­ten Blick um­fas­sen­de Re­ge­lung al­ler prak­tisch wich­ti­gen Fra­gen des Ar­beit­neh­mer­da­ten­schut­zes be­inhal­te­te.

Auf den zwei­ten Blick zeig­ten sich je­doch Mängel, un­ter an­de­rem im Be­reich der ver­deck­ten Vi­deoüber­wa­chung. Die Kri­tik von Da­tenschützern viel dem­ent­spre­chend deut­lich aus. In kur­zer Fol­ge er­schie­nen auf Grund­la­ge der öffent­li­chen Re­ak­ti­on nach­ein­an­der wei­te­re Re­fe­ren­ten­entwürfe. Der Ge­set­zes­ent­wurf wur­de da­mit be­reits im Vor­feld ei­nes förm­li­chen Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­rens breit dis­ku­tiert.

Nun hat das Bun­des­ka­bi­nett den „Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Re­ge­lung des Beschäftig­ten­da­ten­schut­zes“ be­schlos­sen, der Ge­gen­stand ei­nes Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­rens wer­den wird.

Ent­ge­gen dem Ein­druck, der der­zeit ver­ein­zelt er­weckt wird, ist das Ge­setz da­mit aber kei­nes­wegs be­reits be­schlos­se­ne Sa­che. Viel­mehr steht der vor­aus­sicht­lich mehr­mo­na­ti­ge Ge­setz­ge­bungs­pro­zess da­mit erst am An­fang. Dem Ver­neh­men nach kann im No­vem­ber mit ei­ner ers­ten Le­sung ge­rech­net wer­den.

Ein­zel­hei­ten des Ge­set­zes­ent­wurfs

In­halt­lich bie­tet der Ent­wurf trotz sei­nes Na­mens kein ei­ge­nes Da­ten­schutz­ge­setz für Be­wer­ber und Ar­beit­neh­mer, son­dern sieht ei­ne um­fas­sen­de Er­wei­te­rung des be­ste­hen­den Bun­des­da­ten­schutz­ge­set­zes vor.

Der bis­he­ri­ge § 32 BDSG soll durch drei­zehn neue Pa­ra­gra­phen er­setzt wer­den, die vie­le pra­xis­re­le­van­te Fra­gen be­tref­fen, die sich vor und während ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses stel­len.

Erst­mals aus­drück­lich in ei­nem Ge­setz ge­re­gelt wird das - bis­her nur durch die Recht­spre­chung kon­kre­ti­sier­te - Fra­ge­recht des Ar­beit­ge­bers im Ein­stel­lungs­ver­fah­ren. Ab­ge­se­hen von den Kon­takt­da­ten sind In­for­ma­tio­nen wie das Vor­lie­gen ei­ner Schwer­be­hin­de­rung oder die Ta­rif­zu­gehörig­keit weit­ge­hend Ta­bu.

Be­mer­kens­wert ist, dass Da­ten aus „so­zia­len Netz­wer­ken, die der elek­tro­ni­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on die­nen“ vom Ar­beit­ge­ber nicht mehr im Rah­men ei­nes Ein­stel­lungs­ver­fah­rens er­ho­ben wer­den dürfen. Be­wer­ber­da­ten dürfen al­so nicht mehr un­be­grenzt aus Netz­wer­ken wie face­book, stu­di­vz etc. ent­nom­men wer­den. Prak­tisch dürf­ten In­ter­net­re­cher­chen frei­lich kaum kon­trol­lier­bar sein.

Ärzt­li­che Un­ter­su­chun­gen und Eig­nungs­tests sol­len für spe­zi­fi­sche be­ruf­li­che An­for­de­run­gen zulässig sein.

Der Ent­wurf er­schwert be­wusst die Da­ten­er­he­bung zum Zwe­cke der Kor­rup­ti­ons­bekämp­fung. Grundsätz­lich soll ei­ne ver­deck­te Da­ten­er­he­bung nur möglich sein, wenn ein durch Tat­sa­chen un­ter­mau­er­ter Ver­dacht für ei­ne schwe­re Pflicht­ver­let­zung, ins­be­son­de­re für ei­ne Straf­tat, vor­liegt. Die lang­fris­tig an­ge­leg­te Be­ob­ach­tung von Ar­beit­neh­mern mit­tels tech­ni­scher Geräte soll künf­tig un­zulässig sein. Die heim­li­che Vi­deoüber­wa­chung wird kom­plett ver­bo­ten, die of­fe­ne Vi­deoüber­wa­chung auf Be­triebsräume ein­ge­schränkt.

Or­tungs­sys­te­me (GPS) sind nur zur Si­cher­heit des Beschäftig­ten und zur Ko­or­di­nie­rung der Einsätze zulässig. Bio­me­tri­sche Ver­fah­ren (Fin­ger­ab­druck­scan­ner) dürfen nur zu Au­to­ri­sie­rungs- und Au­then­ti­fi­zie­rungs­zwe­cken an­ge­wen­det wer­den.

Erst­mals ist im Ge­set­zes­ent­wurf auch ei­ne all­ge­mein ge­hal­te­ne Re­ge­lung der Nut­zung von Te­le­fon, E-Mail und In­ter­net so­wie de­ren Über­wa­chung am Ar­beits­platz ent­hal­ten. Auch da­mit be­tritt der Ge­setz­ge­ber Neu­land.

Fa­zit

Al­les in al­lem muss man der Bun­des­re­gie­rung zu­ge­ste­hen, sich red­lich bemüht zu ha­ben. Ins­be­son­de­re die Re­ge­lung des Fra­ge­rechts bei Be­wer­bun­gen, das Ver­bot ver­deck­ter Vi­deoüber­wa­chung und die Ein­schränkung der Möglich­keit ei­ner „Ras­ter­fahn­dung“ sind sinn­voll.

In der der­zei­ti­gen Fas­sung un­taug­lich ist hin­ge­gen die Be­stim­mung zur Zulässig­keit von In­ter­net­re­cher­chen. Ge­ra­de in ei­nem so schwam­mi­gen und schwie­ri­gen Rechts­ge­biet wie dem Da­ten­schutz muss sich der Ge­setz­ge­ber dem Pro­blem stel­len, präzi­se und kon­trol­lier­ba­re Re­ge­lun­gen zu schaf­fen, um dem Vor­wurf ei­ner sym­bo­li­schen Ge­setz­ge­bung zu ent­ge­hen.

Da das Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren ge­ra­de erst be­gon­nen hat, ist es ei­ne de­tail­lier­te Einschätzung der vor­ge­schla­ge­nen Re­ge­lun­gen der­zeit we­nig sinn­voll. Wel­che da­von nämlich das En­de des Ge­setz­ge­bungs­pro­zes­ses über­ste­hen, ist der­zeit weit­ge­hend of­fen.

Schon jetzt lässt sich aber sa­gen, dass das neue Beschäftig­ten­da­ten­schutz­recht Ar­beit­ge­ber vor Be­las­tun­gen stel­len und vie­le neue Rechts­fra­gen auf­wer­fen wird. Al­lein 18 neue In­for­ma­ti­ons- und Do­ku­men­ta­ti­ons­pflich­ten sieht der Ent­wurf vor. Er­war­tungs­gemäß ist er des­halb von Ar­beit­ge­ber­verbänden und dem Ein­zel­han­del be­reits kri­ti­siert wor­den. Wir hal­ten sie auf dem Lau­fen­den.

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Letzte Überarbeitung: 15. Oktober 2020

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