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Vi­deo­über­wa­chung - Ent­schä­di­gung

4.000,00 EUR Gel­dent­schä­di­gung we­gen il­le­ga­ler Vi­deo­über­wa­chung am Ar­beits­platz: Ar­beits­ge­richt Bo­cholt, Ur­teil vom 23.12.2011, 1 Ca 1646/11
Videoüberwachung mit Überwachungskamera, Datenschutz All­zu neu­gie­ri­ge Ar­beit­ge­ber müs­sen Ent­schä­di­gun­gen zah­len.

02.07.2012. Vi­deo­auf­nah­men von Per­so­nen sind im All­ge­mei­nen nur zu­läs­sig, wenn die Ab­ge­film­ten da­mit ein­ver­stan­den sind, denn je­der Mensch hat ein "Recht am ei­ge­nen Bild". Die­ses Recht ist Teil des all­ge­mei­nen Per­sön­lich­keits­rechts, das wie­der­um durch das Grund­ge­setz (GG) ge­schützt ist (Art. 1 Abs. 1 in Verb. mit Art. 2 Abs. 1 GG).

Al­ler­dings sind auch dem Recht am ei­ge­nen Bild Gren­zen ge­setzt, d.h. es be­steht wie al­le Rech­te nicht schran­ken­los. Wenn schutz­wür­di­ge recht­li­che In­ter­es­sen an­de­rer Grund­rechts­trä­ger es er­for­dern, in das Recht am ei­ge­nen Bild an­de­rer ein­zu­grei­fen, kann ein sol­cher Ein­griff rech­tens sein, wenn er auf das Nö­tigs­te be­schränkt ist.

Im Er­geb­nis heißt das, dass man es sich manch­mal ge­fal­len las­sen muss, un­ge­fragt ab­ge­filmt zu wer­den, wenn die hin­ter sol­chen Vi­deo­auf­nah­men ste­hen­den Zie­le den Ein­griff in das Recht am ei­ge­nen Bild recht­fer­ti­gen.

So kann es die Ver­hin­de­rung von Straf­ta­ten recht­fer­ti­gen, öf­fent­li­che oder halb­öf­fent­li­che Räu­me wie Schal­ter­hal­len oder den Kas­sen­be­reich ei­nes Su­per­mark­tes mit Vi­deo­ka­me­ras zu über­wa­chen, wenn die­se Über­wa­chung of­fen ge­schieht bzw. wenn auf sie hin­ge­wie­sen wird. Was vor­geht - das Recht am ei­ge­nen Bild oder die Rech­te, die hin­ter ei­ner Vi­deo­über­wa­chung ste­hen - muss im Ein­zel­fall durch Ab­wä­gung al­ler Um­stän­de ge­klärt wer­den.

Ob die Um­stän­de im Ein­zel­fall ei­ne - of­fe­ne oder ver­deck­te - Vi­deo­über­wa­chung am Ar­beits­platz recht­fer­ti­gen oder nicht, ist oft zwi­schen Be­triebs­rat und Ar­beit­ge­ber um­strit­ten. Manch­mal set­zen sich auch ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer ge­gen ei­ne Vi­deo­über­wa­chung zur Wehr.

Ist ei­ne Vi­deo­über­wa­chung rechts­wid­rig und stellt sie auf­grund der Um­stän­de des Fal­les ei­ne Per­sön­lich­keits­rechts­ver­let­zung dar, ist es nicht da­mit ge­tan, die Vi­deo­ka­me­ras wie­der ab­zu­bau­en. Viel­mehr fragt sich dann, ob die Ver­let­zung des Per­sön­lich­keits­rechts so "schwer­wie­gend" war, dass der Ar­beit­ge­ber den über­wach­ten Ar­beit­neh­mern ei­ne Gel­dent­schä­di­gung zah­len muss.

In ei­nem vom Ar­beits­ge­richt Bo­cholt ent­schie­de­nen Fall ging es um ei­nen La­ger­ar­bei­ter, der seit 1998 bei ei­nem Han­dels­un­ter­neh­men für Ge­schenk­ar­ti­kel ar­bei­tet und zu­gleich Mit­glied des Be­triebs­rats ist. Auf dem Be­triebs­ge­län­de sind ins­ge­samt 22 Vi­deo­ka­me­ras in­stal­liert, zwei von ih­nen seit Au­gust 2006 im Be­reich des Ein­gangs­to­res der La­ger- und Kom­mis­sio­nier­hal­le.

Da der Ar­beit­ge­ber die Vi­deo­ka­me­ras nicht frei­wil­lig ab­bau­en woll­te, zog der La­ger­ar­bei­ter vor Ge­richt. Dar­auf­hin wur­de der Ar­beit­ge­ber rechts­kräf­tig vom Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm da­zu ver­ur­teilt, die bei­den in­stal­lier­ten Vi­deo­ka­me­ras ab­zu­bau­en. Be­grün­dung: Die­se bei­den Ka­me­ras stel­len ei­nen er­heb­li­chen Ein­griff in das all­ge­mei­ne Per­sön­lich­keits­recht des kla­gen­den Ar­beit­neh­mers dar.

Der Ar­beit­ge­ber scher­te sich aber nicht um das Ur­teil und bau­te die bei­den Vi­deo­ka­me­ras - trotz Ver­ur­tei­lung - nicht ab. Dar­auf­hin zog der La­ger­ar­bei­ter er­neut vor Ge­richt, dies­mal mit dem Ziel, den Ar­beit­ge­ber we­gen ei­nes schwer­wie­gen­den Ein­griffs in das all­ge­mei­ne Per­sön­lich­keits­recht zu ei­ner Gel­dent­schä­di­gung von min­des­tens 15.000,00 EUR ver­ur­tei­len zu las­sen. Der Ar­beit­ge­ber mein­te, der Ein­griff in das Per­sön­lich­keits­recht sei nicht schwer­wie­gend, da der La­ger­ar­bei­ter sich täg­lich nur kurz im Er­fas­sungs­be­reich der Ka­me­ras auf­hal­te. Au­ßer­dem be­rief sich der Ar­beit­ge­ber dar­auf, dass der Be­triebs­rat den Ka­me­ras zu­ge­stimmt ha­be.

Das Ar­beits­ge­richt Bo­cholt hat der Kla­ge im­mer­hin in Hö­he von 4.000,00 EUR statt­ge­ge­ben (Ur­teil vom 23.12.2011, 1 Ca 1646/11). Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, dass der Ar­beit­ge­ber rechts­wid­rig, schuld­haft und schwer­wie­gend in das all­ge­mei­ne Per­sön­lich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers ein­ge­grif­fen ha­be. Al­ler­dings sei ei­ne Gel­dent­schä­di­gung von 4.000,00 EUR als Ge­nug­tu­ungs­leis­tung aus­rei­chend. Das Ur­teil ist der­zeit noch nicht ver­öf­fent­licht, son­dern nur über ei­ne Pres­se­mit­tei­lung des LAG Hamm vom 29.06.2012 be­kannt.

Ge­gen die­ses Ur­teil ha­ben bei­de Par­tei­en Be­ru­fung ein­ge­legt, die der­zeit beim LAG Hamm an­hän­gig ist (9 Sa 158/12).

Fa­zit: Be­reits 2010 hat das Hes­si­sche LAG zwei Ar­beit­neh­me­rin­nen, de­ren Ar­beits­plät­ze oh­ne ih­re Ein­wil­li­gung drei Mo­na­te lang mit ei­ner Vi­deo­ka­me­ra über­wacht wor­den wa­ren, im­mer­hin 7.000,00 EUR Gel­dent­schä­di­gung zum Aus­gleich für die er­lit­te­ne Ver­let­zung ih­res Per­sön­lich­keits­rechts zu­ge­spro­chen (Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 25.10.2010, 7 Sa 1586/09, wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/091 Vi­deo­über­wa­chung am Ar­beits­platz - Schmer­zens­geld). Die jetzt vom Ar­beits­ge­richt Bo­cholt aus­ge­ur­teil­ten 4.000,00 EUR sind so ge­se­hen nicht über­trie­ben viel. Im vor­lie­gen­den Fall kam er­schwe­rend hin­zu, dass der Ar­beit­ge­ber ei­ner ge­richt­li­chen Ver­ur­tei­lung zur Un­ter­las­sung der Vi­deo­über­wa­chung nicht nach­ge­kom­men ist.

Ar­beit­ge­ber soll­ten da­her beim Ein­rich­ten von Vi­deo­ka­me­ras nicht über­trei­ben. Denn auch wenn der Be­triebs­rat ge­mäß § 87 Abs.1 Nr.6 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) der In­stal­la­ti­on von Vi­deo­ka­me­ras zu­stimmt, ist da­mit ei­ne rechts­wid­ri­ge Ver­let­zung des Per­sön­lich­keits­rechts der Ar­beit­neh­mer noch nicht aus­ge­schlos­sen. Und für sol­che Rechts­ver­let­zun­gen kön­nen be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer ei­ne Art Scha­dens­er­satz bzw. Gel­dent­schä­di­gung for­dern.

An­mer­kung: In­zwi­schen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm bei­de Be­ru­fun­gen zu­rück­ge­wie­sen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, Ur­teil vom 30.10.2012, 9 Sa 158/12

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Letzte Überarbeitung: 14. Dezember 2020

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