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ARBEITSRECHT AKTUELL // 17/214

Ver­let­zung der Pri­vat­sphä­re am Ar­beits­platz

Be­triebs­rat hat An­spruch auf 10.000,00 EUR Ent­schä­di­gung we­gen Ver­let­zung des Per­sön­lich­keits­rechts, nach­dem der Ar­beit­ge­ber ihn oh­ne An­lass wäh­rend der Ar­beits­zeit von ei­nem De­tek­tiv be­schat­ten ließ: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 27.04.2017, 5 Sa 449/16
Arbeitnehmer-Überwachung, Datenschutz, Überwachung durch Detektiv

15.08.2017. Wer wäh­rend sei­ner Ar­beits­zeit ei­ne Zweit­ar­beit ver­rich­tet, muss mit dem Vor­wurf des Ar­beits­zeit­be­trugs und mit ei­ner frist­lo­sen Kün­di­gung rech­nen.

Man­cher Ar­beit­ge­ber schal­tet da­her ei­nen De­tek­tiv ein, um ei­nem „ver­däch­ti­gen“ Ar­beit­neh­mer nach­zu­wei­sen, dass er sich ver­trags­wid­rig ver­hal­ten hat. Ein heik­les The­ma, denn ei­ne Über­wa­chung ist sel­ten er­laubt.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Rhein­land-Pfalz hat vor kur­zem ent­schie­den, dass ei­ne Be­schat­tung oh­ne kon­kre­ten An­lass ei­nes Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den rechts­wid­rig und da­her ent­schä­di­gungs­pflich­tig ist: LAG Rhein­land Pfalz, Ur­teil vom 27.04.2017, 5 Sa 449/16.

Über­wa­chung ei­nes Ar­beit­neh­mers als entschädi­gungs­pflich­ti­ger Ein­griff in das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht

Ar­beit­ge­ber müssen auf­grund ih­rer Fürsor­ge­pflicht auf die Rech­te, Rechtsgüter und In­ter­es­sen ih­rer Ar­beit­neh­mer Rück­sicht neh­men. Zu die­sen Rech­ten gehört auch das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht, das sich aus Art.1 Abs.1 Grund­ge­setz (GG) in Verb. mit Art.2 Abs.1 GG er­gibt und auch durch Art.8 Abs.1 der Eu­ropäischen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on - EM­RK) geschützt ist.

Das Be­schat­ten­las­sen ei­nes Ar­beit­neh­mers durch ei­nen vom Ar­beit­ge­ber be­auf­trag­ten De­tek­tiv kann das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers ver­let­zen. Da­bei kommt es dar­auf an, aus wel­chen Gründen der Ar­beit­ge­ber die Über­wa­chung durchführen lässt und bei wel­chen Ge­le­gen­hei­ten der Ar­beit­neh­mer ob­ser­viert wird. Auf der ei­nen Sei­te ste­hen die mehr oder we­ni­ger gra­vie­ren­den Ver­dachts­mo­men­te, auf der an­de­ren Sei­te die Fra­ge, wie schwer­wie­gend der Ein­griff in die Pri­vat­sphäre des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers ist.

Bei ei­ner er­heb­li­chen Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts muss der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer ei­ne Gel­dentschädi­gung zah­len. Das Recht auf Entschädi­gung be­ruht auf der Über­le­gung, dass der Be­trof­fe­ne ei­ne spürba­re Ge­nug­tu­ung er­hal­ten soll. Außer­dem soll die Entschädi­gungs­pflicht präven­tiv wir­ken, d.h. po­ten­ti­el­le Mis­setäter ab­schre­cken. Die Höhe der Entschädi­gung rich­tet sich da­bei nach den spe­zi­el­len Umständen des Ein­zel­falls und liegt letzt­lich im Er­mes­sen des Ge­richts.

Wie das Ur­teil des LAG Rhein­land-Pfalz deut­lich macht, kann ei­ne of­fen­sicht­lich rechts­wid­ri­ge Über­wa­chung durch ei­ne De­tek­tei ei­ne er­heb­li­che Gel­dentschädi­gung zur Fol­ge ha­ben.

Der Streit­fall: Ar­beit­ge­ber schal­tet oh­ne An­lass ei­nen De­tek­tiv ein, der den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den während der Ar­beits­zeit über­wacht

Der Kläger war Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der, der Ar­beit­ge­ber er­brach­te Dienst­leis­tun­gen der In­stand­set­zung und In­stand­hal­tung von Schie­nen­fahr­zeu­gen. Nach­dem der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de zunächst länge­re Zeit auf­grund ei­ner frei­wil­li­gen Ver­ein­ba­rung ge­ne­rell von der Ar­beit frei­ge­stellt wor­den, woll­te der Ar­beit­ge­ber nach der Be­triebs­rats­wahl 2014 die­se Ver­ein­ba­rung nicht mehr verlängern.

Außer­dem zog der Ar­beit­ge­ber vor Ge­richt mit dem Ziel der ge­richt­li­chen Fest­stel­lung, dass dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den kei­ne voll­zei­ti­ge Ar­beits­frei­stel­lung mehr zustünde.

Im Herbst 2014 ließ der Ar­beit­ge­ber den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den für die Dau­er von 20 Ar­beits­ta­gen lang von ei­ner De­tek­tei während der Ar­beits­zeit be­schat­ten. Da­von er­fuhr der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de, der Mit­glied der Ei­sen­bahn- und Ver­kehrs­ge­werk­schaft (EGV) war, über die EGV, die ei­nen an­ony­men Hin­weis er­hal­ten hat­te. Ar­beit­ge­ber und De­tek­tei be­rie­fen sich dar­auf, dass an­geb­lich der Ver­dacht ei­nes Ar­beits­zeit­be­tru­ges im Raum stand. Kon­kre­te Be­le­ge für ei­nen sol­chen Ver­dacht gab es aber nicht.

Dar­auf­hin ver­klag­te der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de sei­nen Ar­beit­ge­ber auf Gel­dentschädi­gung, hat­te da­mit aber vor dem Ar­beits­ge­richt Kai­sers­lau­tern kei­nen Er­folg (Ur­teil vom 30.08.2016, 8 Ca 1012/15). Be­gründung des Ar­beits­ge­richts: Ei­ne schwe­re Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts lag hier an­geb­lich nicht vor, da die Über­wa­chung nur während der Ar­beits­zeit des Klägers statt­ge­fun­den hat­te. Da­her sei der Be­reich der pri­va­ten Le­bensführung nicht be­trof­fen.

LAG Rhein­land-Pfalz: Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der hat An­spruch auf 10.000,00 EUR Gel­dentschädi­gung, wenn der Ar­beit­ge­ber ihn während der Ar­beits­zeit oh­ne An­lass von ei­nem De­tek­tiv be­schat­ten lässt

In der Be­ru­fung vor dem LAG Rhein­land-Pfalz hat­te der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de da­ge­gen Er­folg. Das LAG ver­ur­teil­te den Ar­beit­ge­ber zur Zah­lung ei­ner Gel­dentschädi­gung von 10.000,00 EUR.

Zur Be­gründung stell­te das LAG Rhein­land-Pfalz klar, dass ei­ne schwer­wie­gen­de Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­recht ei­nes Ar­beit­neh­mers auch dann ge­ge­ben sein kann, wenn der Ar­beit­ge­ber an­gibt, er ha­be den Ar­beit­neh­mer aus­sch­ließlich während des­sen Ar­beits­zeit von ei­nem De­tek­tiv ob­ser­vie­ren las­sen. Denn das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers ist, so die Main­zer Rich­ter, „selbst­verständ­lich auch im Ar­beits­verhält­nis und während er Ar­beits­zeit zu be­ach­ten“ (Ur­teil, II.2. der Gründe).

Darüber hin­aus gab es hier kei­nen be­rech­tig­ten An­lass für ei­ne heim­li­che Über­wa­chung, d.h. ein kon­kre­ter An­fangs­ver­dacht für ei­nen Ar­beits­zeit­be­trug lag nicht vor.

Bei der Be­mes­sung der Höhe der Gel­dentschädi­gung ver­wie­sen die Main­zer Rich­ter dar­auf, dass der Kläger über ei­nen beträcht­li­chen Zeit­raum von 20 Ar­beits­ta­gen über­wacht wor­den war, und je­weils pro Tag vie­le St­un­den lang, was auch die Rech­nun­gen der De­tek­tei in Höhe von ins­ge­samt knapp 40.000 EUR bestätig­ten. Außer­dem hat­te der Ar­beit­ge­ber mit der Über­wa­chung auch ge­gen be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Vor­schrif­ten ver­s­toßen. Denn Be­triebs­rats­mit­glie­der dürfen nach § 78 Satz 1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) in der Ausübung ih­rer Tätig­keit nicht gestört oder be­hin­dert wer­den.

Fa­zit: Das Ur­teil über­zeugt und hat ei­ne deut­li­che Si­gnal­wir­kung. Ar­beit­ge­ber soll­ten sich gut über­le­gen, aus wel­chen (trif­ti­gen!) Gründen sie sich zu ei­ner sys­te­ma­ti­schen Über­wa­chung ei­nes Ar­beit­neh­mers durch ein De­tek­tivbüro ent­schließen. Denn ei­nen De­tek­tiv oh­ne kon­kre­te Ver­dachts­mo­men­te „ein­fach so“ im Be­rufs- und/oder Pri­vat­le­ben ei­nes Ar­beit­neh­mers her­um­schnüffeln zu las­sen - das geht gar nicht.

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Letzte Überarbeitung: 28. Juni 2020

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