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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/075

Kei­ne er­wei­ter­ten Be­fris­tungs­mög­lich­kei­ten im Kir­chen­ar­beits­recht

Ar­beitssver­trags­richt­li­ni­en (AVR) ha­ben im Un­ter­schied zu Ta­rif­ver­trä­gen nicht die Ver­mu­tung der in­halt­li­chen Aus­ge­wo­gen­heit für sich: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 25.03.2009, 7 AZR 710/07
Gesetzestext mit darauf liegendem Holzkreuz Auch Kir­chen kön­nen statt AVR Ta­rif­ver­trä­ge an­wen­den

06.05.2009. Sach­grund­los be­fris­te­te Ar­beits­ver­trä­ge sind im All­ge­mei­nen nur bis zu ei­ner Höchst­gren­ze von zwei Jah­ren zu­läs­sig.

Die­se Höchst­zeit­raum, der sich aus § 14 Abs.2 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) er­gibt, kann zu­guns­ten der Ar­beit­ge­ber­sei­te ver­län­gert wer­den, falls das in ei­nem Ta­rif­ver­trag steht.

Al­ler­dings ist ein Ta­rif­ver­trag im Sin­ne von § 14 Abs.2 Satz 3 Tz­B­fG et­was an­de­res als die ta­rif­ver­trags­ähn­li­chen Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en (AVR), die Kir­chen und ih­re Ein­rich­tun­gen zur Ver­ein­heit­li­chung ih­rer Ar­beits­ver­hält­nis­se an­wen­den.

Das hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung klar­ge­stellt: BAG, Ur­teil vom 25.03.2009, 7 AZR 710/07.

Können kirch­li­che Ein­ri­chun­gen auf der Grund­la­ge von AVR länger als zwei Jah­re be­fris­te­te Neu­ein­stel­lun­gen vor­neh­men?

Be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis­se sind recht­lich nicht oh­ne wei­te­res zulässig, weil sie die Vor­schrif­ten des Kündi­gungs­schut­zes ten­den­zi­ell aus­he­beln. Nach dem Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) ist die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses da­her nur zulässig, wenn ei­ner der in § 14 Abs. 1 Tz­B­fG ge­nann­ten sach­li­chen Be­fris­tungs­gründe vor­liegt oder, falls ein Sach­grund nicht ge­ge­ben ist, die Be­fris­tung höchs­tens für ei­ne Ge­samt­dau­er von zwei Jah­ren ver­ein­bart wird (§ 14 Abs. 2 Tz­B­fG).

In dem Zwei­jah­res­rah­men ist ei­ne höchs­tens drei­ma­li­ge Verlänge­rung des Ar­beits­ver­trags zulässig. Ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung gemäß § 14 Abs. 2 Tz­B­fG ist nicht zulässig, wenn mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber be­reits zu­vor ein (be­fris­te­tes oder un­be­fris­te­tes) Ar­beits­verhält­nis be­stan­den hat.

Durch Ta­rif­ver­trag kann die An­zahl der Verlänge­run­gen oder die Höchst­dau­er der Be­fris­tung ab­wei­chend von § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG fest­ge­legt wer­den, d.h. Ta­rif­verträge können z.B. ei­ne dreijähri­ge Ma­xi­mal­dau­er für sach­grund­lo­se Be­fris­tun­gen vor­se­hen. Dies er­gibt sich aus § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG. Und im Gel­tungs­be­reich ei­nes sol­chen Ta­rif­ver­tra­ges kann bei feh­len­der Ta­rif­bin­dung die An­wen­dung sol­cher ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen ver­ein­bart wer­den.

Die­ser Aus­nah­me­vor­schrift liegt die Über­le­gung zu­grun­de, dass ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung von Ar­beit­neh­mern nicht zu befürch­ten ist, wenn Ab­wei­chun­gen von den ge­setz­li­chen Be­fris­tungs­re­ge­lun­gen ar­beit­neh­mer­sei­tig von der Ge­werk­schaft und da­her von ei­nem der Ar­beit­ge­ber­sei­te ebenbürti­gen Ver­hand­lungs­part­ner ver­ein­bart wur­den.

Kirch­li­che Ein­rich­tun­gen re­geln die bei ih­nen gel­ten­den Ar­beits­be­din­gun­gen in der Re­gel nicht durch Ta­rif­verträge, son­dern im We­ge von Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en (AVR). Die­se wer­den durch ei­ne von Ar­beit­neh­mer- und Ar­beit­ge­ber­ver­tre­tern pa­ritätisch be­setz­te Kom­mis­si­on ver­ein­bart.

Frag­lich ist, ob Kir­chen die zulässi­ge ge­setz­li­che Höchst­dau­er von zwei Jah­ren bei sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen, d.h. die Re­ge­lung des § 14 Abs. 2 Tz­B­fG durch AVR verlängern können. Mit die­ser Fra­ge be­fasst sich ein Ur­teil des BAG vom 25.03.2009 (7 AZR 710/07).

Der Streit­fall: Bei der ev. Kir­che täti­ger Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­ter wird länger als zwei Jah­re be­fris­tet beschäftigt - oh­ne Sach­grund

Der Kläger war bei der Be­klag­ten, ei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on der Evan­ge­li­schen Kir­che, als Mit­ar­bei­ter im Ver­wal­tungs­dienst mit der Ver­wal­tung der Kir­chen­steu­er be­fasst.

Die Par­tei­en schlos­sen im Fe­bru­ar 2004 ei­nen für zwei Jah­re sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag, an den sich un­mit­tel­bar ein wei­te­rer be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag für die Zeit vom 01.03.2006 bis zum 31.12.2006 an­schloss.

Nach ei­ner Ar­beits­rechts­re­ge­lung, die von der bei der Be­klag­ten ge­bil­de­ten ar­beits­recht­li­chen Kom­mis­si­on ver­ab­schie­det wor­den war, ist die sach­grund­lo­se Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges ab­wei­chend von § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG bis zur Dau­er von drei Jah­ren möglich.

Der Kläger er­hob ge­gen die Be­fris­tung recht­zei­tig Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge. So­wohl das Ar­beits­ge­richt Bonn als auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln (Ur­teil vom 21.06.2007, 10 Sa 225/07) ga­ben dem Kläger recht, da die Be­fris­tung un­zulässig sei.

Das LAG Köln stellt zunächst fest, dass kirch­li­che AVR kei­ne Ta­rif­verträge sind. AVR könn­ten aber auch nicht mit Ta­rif­recht gleich­ge­stellt wer­den. Vor­aus­set­zung hierfür sei nämlich, dass § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG, der aus­drück­lich ei­ne Ge­set­zes­ab­wei­chung nur durch Ta­rif­ver­trag er­laubt, ergänzend aus­ge­legt wer­den.

Dafür müsse aber ei­ne Re­ge­lungslücke vor­lie­gen, d.h. ei­ne plan­wid­ri­ge Un­vollständig­keit des Ge­set­zes, von der hier kei­ne Re­de sein könne. Da­bei ver­weist das LAG dar­auf, dass ei­ni­ge ar­beits­recht­li­che Ge­set­ze, die Ab­wei­chun­gen durch Ta­rif­verträge zu­ließen, auch Vor­schrif­ten des kirch­li­chen Ar­beits­rechts erwähn­ten wie z.B. § 7 Abs. 4 Ar­beits­zeit­ge­setz (Arb­ZG), an­de­re Ge­set­zes­vor­schrif­ten da­ge­gen nicht, so et­wa § 13 Abs. 1 Bun­des­ur­laubs­ge­setz (BUrlG). Da­her meint das Lan­desa­reits­ge­richt, dass die al­lein für Ta­rif­verträge gel­ten­de Ab­wei­chungsmöglich­keit gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG ei­ne ab­sch­ließen­de, d.h. nur für Ta­rif­verträge und eben nicht für AVR gel­ten­de Re­ge­lung dar­stellt.

Die feh­len­de Gleich­stel­lung von AVR mit Ta­rif­verträgen verstößt nach An­sicht des LAG Köln auch nicht ge­gen das Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­chen. Die­ses gewähr­leis­tet den Kir­chen die Ent­schei­dung darüber, wel­che Diens­te es in ih­ren Ein­rich­tun­gen ge­ben soll und in wel­chen Rechts­for­men sie wahr­zu­neh­men sind. Wenn sich die Kir­chen, so das Ge­richt, der Pri­vat­au­to­no­mie zur Be­gründung von Ar­beits­verhält­nis­sen be­dien­ten, sei eben auch das staat­li­che Ar­beits­recht an­wend­bar. Dies sei die Fol­ge ei­ner von den Kir­chen ge­trof­fe­nen Rechts­wahl.

Die Ein­be­zie­hung der AVR in das staat­li­che Ar­beits­recht he­be die Zu­gehörig­keit der AVR zu den ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten der Kir­chen nicht auf. Da­her dürfe das Ar­beits­recht die Ei­gen­art des kirch­li­chen Diens­tes, eben das spe­zi­fisch Kirch­li­che, nicht in Fra­ge stel­len. Im vor­lie­gen­den Fall voll­zog sich die Tätig­keit des Klägers nach An­sicht des LAG aber nicht im spe­zi­fisch kirch­li­chen oder ka­ri­ta­ti­ven Be­reich, son­dern in ei­ner Ver­wal­tungs­ein­rich­tung.

Be­son­de­re kirch­li­che Be­lan­ge, die da­zu zwin­gen würden, be­fris­te­te Ar­beits­verträge über die Gren­zen des Tz­B­fG hin­aus zu er­lau­ben, lägen nicht vor.

BAG: Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en (AVR) sind kei­ne Ta­rif­verträge und sind da­her kei­ne Grund­la­ge für sach­grund­lo­se Be­fris­tun­gen im drit­ten Beschäfti­gungs­jahr

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat sich den bei­den Vor­in­stan­zen an­ge­schlos­sen. Der Ar­beits­ver­trag des Klägers sei in un­zulässi­ger und da­mit un­wirk­sa­mer Wei­se be­fris­tet wor­den.

Die von der Ar­beits­recht­li­chen Kom­mis­si­on der Be­klag­ten be­schlos­se­ne Re­ge­lung, so das BAG, ist kein Ta­rif­ver­trag.

Im übri­gen meint das Ge­richt, dass auch das den Kir­chen ga­ran­tier­te Selbst­ord­nungs- und Selbst­be­stim­mungs­recht es nicht ge­bie­tet, ih­nen wie ei­ner Ta­rif­par­tei zu er­lau­ben, in ih­ren AVR von den Vor­ga­ben des Tz­B­fG zu­un­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ab­zu­wei­chen. Die sach­grund­lo­se Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags im drit­ten Beschäfti­gungs­jahr ist da­her auf der Grund­la­ge kirch­li­cher AVR nicht statt­haft.

Der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts und der Vor­in­stan­zen ist zu­zu­stim­men. Der Ge­setz­ge­ber hat ei­ne Ab­wei­chung von den Ge­set­zes­vor­schrif­ten zur sach­grund­lo­sen Be­fris­tung nur durch Ta­rif­ver­trag zu­ge­las­sen und kirch­li­che Richt­li­ni­en da­bei nicht berück­sich­tigt. Das Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­chen wird durch die­se Re­ge­lung nicht ver­letzt. Sie ist da­her bei der Rechts­an­wen­dung hin­zu­neh­men.

Im vor­lie­gen­den Fall kam hin­zu, dass der Kläger nicht im Kern­be­reich des kirch­li­chen Wir­kens tätig war, d.h. er ar­bei­te­te in ei­nem „verkündungs­fer­nen“ Be­reich der rei­nen Ver­wal­tung. Sind aber spe­zi­fisch kirch­li­che, d.h. Glau­bens­din­ge und mit der Verkündung zu­sam­menhängen­de An­ge­le­gen­hei­ten nicht be­trof­fen, ist das für al­le gel­ten­de Ar­beits­recht auch auf Kir­chen bzw. de­ren Ar­beits­verhält­nis­se an­zu­wen­den, oh­ne dass das kirch­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht da­durch ver­letzt würde.

An­ders hätte man da­ge­gen über ei­ne über die Gren­zen des § 14 Tz­B­fG hin­aus­ge­hen­de Be­fris­tung ent­schei­den müssen, wenn z.B. der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag ei­nes Pfar­rers strei­tig ge­we­sen wäre: Die An­stel­lung ei­nes Pfar­rers ist als den Glau­ben un­mit­tel­bar be­tref­fen­de in­ner­kirch­li­che An­ge­le­gen­heit der ge­richt­li­chen Über­prüfung ent­zo­gen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 18. Mai 2017

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