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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/156

Pro­be­zeit­ver­ein­ba­rung mit un­zu­läs­sig kur­zer Kün­di­gungs­frist

AGB-Recht - Ei­ne ar­beits­recht­li­che "Wun­der­waf­fe" mit Hin­der­nis­sen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 30.04.2010, 9 Sa 776/09
Dokument mit Unterschriftenzeile und Füller Wird im­mer wie­der zum Zank­ap­fel: AGB-Klau­seln
12.08.2010. Seit 2002 gilt das Recht der all­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen für Ar­beits­ver­trä­ge. Seit­dem ist grund­sätz­lich fast je­de Re­ge­lung im Ar­beits­ver­trag auf ih­re An­ge­mes­sen­heit hin über­prüf­bar. Ist ei­ne Klau­sel un­an­ge­mes­sen, fällt sie weg und an ih­re Stel­le tritt die ge­setz­li­che Re­ge­lung, die zu­meist ar­beit­neh­mer­freund­li­cher ist. Al­ler­dings ist nicht im­mer klar, was al­les von der Un­wirk­sam­keit der Klau­sel er­fasst ist.

Am Bei­spiel ei­ner Pro­be­zeit­ver­ein­ba­rung hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Rhein­land-Pfalz kürz­lich ei­ne gän­gi­ge Me­tho­de de­mons­triert, die da­zu führt, dass auch ei­ne teil­wei­se un­zu­läs­si­ge Klau­sel des­we­gen noch lan­ge nicht völ­lig weg­fal­len muss: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 30.04.2010, 9 Sa 776/09.

AGB-Recht: Was pas­siert wenn der Ar­beits­ver­trag un­wirk­sa­me Klau­seln enthält?

Seit 2002 gilt das Recht der all­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB – ge­re­gelt in den §§ 305 – 310 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB) auch im Ar­beits­recht. Das be­deu­te­te ei­ne grund­le­gen­de Verände­rung. Ein nor­ma­ler Ar­beits­ver­trag be­steht nämlich fast nur aus all­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB).

AGB sind nicht nur das so­ge­nann­te „Klein­ge­druck­te“, son­dern al­le vor­for­mu­lier­ten Ver­trags­be­din­gun­gen, die ei­ne Ver­trags­par­tei (der so­ge­nann­te „Ver­wen­der“, im Ar­beits­recht der Ar­beit­ge­ber) der an­de­ren bei Ab­schluss des Ver­trags stellt. Nur in­di­vi­du­ell aus­ge­han­del­te Klau­seln sind da­von nicht er­fasst - und „in­di­vi­du­ell aus­ge­han­delt“ ist nur, was der Ar­beit­ge­ber „ernst­haft zur Dis­po­si­ti­on ge­stellt“ hat. 

Kernstück der §§ 305 ff. BGB ist die Fra­ge, ob ei­ne Re­ge­lung den Ver­trags­part­ner un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt (vgl. § 307 BGB). Zwar hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) auch vor 2002 Ver­trags­be­din­gun­gen, die es für un­an­ge­mes­sen hielt, auf ver­schie­de­nen We­gen kor­ri­giert. Seit 2002 ist aber man­che zu­vor un­pro­ble­ma­ti­sche Klau­sel nicht mehr möglich. Ein prak­tisch sehr be­deut­sa­mes Bei­spiel hierfür sind ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten, die kürzer als drei Mo­na­te sind.

Die zwei­te Verände­rung ne­ben der In­halts­kon­trol­le be­trifft die Fra­ge, was mit dem Ver­trag bzw. den un­wirk­sa­men Klau­seln pas­siert.

Klar ist, dass nicht der gan­ze Ver­trag un­wirk­sam wird, sonst stünde der Ar­beit­neh­mer oh­ne ver­trag­li­che Grund­la­ge da. Das wird nie­mand ernst­haft wol­len.

In Be­tracht kommt, die Klau­sel nicht völlig weg­fal­len zu las­sen, son­dern sie auf ih­ren ge­ra­de noch zulässi­gen In­halt zu re­du­zie­ren (so­ge­nann­te „gel­tungs­er­hal­ten­de Re­duk­ti­on“). Für den Ar­beit­ge­ber wäre es dann aber ziem­lich ri­si­ko­los, fragwürdi­ge Klau­seln zu ver­wen­den. § 306 Abs. 1 BGB ver­bie­tet aber für un­wirk­sa­me AGB die gel­tungs­er­hal­ten­de Re­duk­ti­on.

Nach § 306 Abs.2 BGB gel­ten statt der un­wirk­sa­men Klau­sel die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten.

Im AGB-Recht üblich ist, ei­ne nur teil­wei­se un­wirk­sa­me Klau­sel auf ih­ren zulässi­gen Teil "zu­sam­men­zu­strei­chen". Wie das funk­tio­niert, lässt sich gut an­hand ei­ner Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­rich­tes (LAG) Rhein­land-Pfalz nach­voll­zie­hen (LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 30.04.2010, 9 Sa 776/09).

Hier stell­te sich die Fra­ge, ob ei­ne Pro­be­zeit auch dann noch wirk­sam ver­ein­bart ist, wenn zu­gleich ab­wei­chend vom zwin­gen­den § 622 Abs.3 Satz 2 BGB statt ei­ner Kündi­gungs­frist von zwei Wo­chen ei­ne frist­lo­se Kündi­gungsmöglich­keit ver­ein­bart wur­de.

Der Fall: Un­zulässig kur­ze ver­trag­li­che Kündi­gungs­frist in der Pro­be­zeit

Der Kläger hat­te mit der Be­klag­ten am 18.06.2008 ei­nen bis zum 01.08.2009 be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag ge­schlos­sen. Nach die­sem soll­te er sei­ne Ar­beit als Au­to­ma­ti­sie­rungs­tech­ni­ker am 01.08.2008 auf­neh­men. Im Ver­trag hieß es zum The­ma "Pro­be­zeit/Kündi­gungs­fris­ten":

„Die ers­ten 6 Mo­na­te des An­stel­lungs­verhält­nis­ses gel­ten als Pro­be­zeit. Während der Pro­be­zeit können bei­de Par­tei­en den An­stel­lungs­ver­trag frist­los oh­ne An­ga­ben von Gründen kündi­gen. Nach Ab­lauf der Pro­be­zeit ist ei­ne Kündi­gung un­ter Ein­hal­tung ei­ner Frist von 8 Wo­chen zum Quar­tals­en­de zulässig.“

Am 01.08.2008 nahm der Kläger sei­ne Ar­beit auf. Am 19.01.2009 kündig­te ihm der Ar­beit­ge­ber zum 02.02.2010.

Der Kläger ver­lang­te dar­auf­hin vor dem Ar­beits­ge­richt Lohn für die Mo­na­te Fe­bru­ar und März. Sei­ner An­sicht nach hat­te das Ar­beits­verhält­nis erst zum 31.03.2010 ge­en­det. Er mein­te, die Ver­ein­ba­rung über ei­ne frist­lo­se Kündi­gung in­ner­halb der Pro­be­zeit sei un­wirk­sam. Das ma­che die gan­ze Klau­sel, in­klu­si­ve der Pro­be­zeit­ver­ein­ba­rung un­wirk­sam.

Von An­fang an ha­be des­halb die ver­ein­bar­te Acht-Wo­chen-Frist für ei­ne Kündi­gung ge­gol­ten. Je­den­falls sei die Kündi­gung aber nicht in­ner­halb der Pro­be­zeit er­folgt. Da der Ar­beits­ver­trag am 18. Ju­ni ge­schlos­sen wur­de, hätte die Pro­be­zeit mit Ab­lauf des 18. De­zem­bers 2008 ge­en­det. Der Ar­beit­ge­ber ha­be des­halb in je­dem Fall nur mit ei­ner Frist von acht Wo­chen zum Quar­tals­en­de kündi­gen können.

Vor dem Ar­beits­ge­richt (ArbG) Lud­wigs­ha­fen (ArbG Lud­wigs­ha­fen, Ur­teil vom 29.10.2009, 1 Ca 915/09) blieb der Kläger mit sei­ner Auf­fas­sung un­gehört und leg­te da­her Be­ru­fung zum Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz ein (LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 30.04.2010, 9 Sa 776/09).

LAG Rhein­land-Pfalz: Ver­ein­ba­rung über die Kündi­gungs­frist un­wirk­sam, Pro­be­zeit­ver­ein­ba­rung wirk­sam

Das LAG wies die Be­ru­fung zurück, oh­ne die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen.

Das Ge­reicht war der Auf­fas­sung, dass zwar die Ver­ein­ba­rung über die Möglich­keit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung während der Pro­be­zeit, nicht aber die gan­ze Klau­sel un­wirk­sam war.

Zu die­sem Er­geb­nis kam das Ge­richt durch den „blue-pen­cil-Test“. Die­se Me­tho­de be­steht im We­sent­li­chen dar­in, dass ein „blau­er Stift“ an­ge­setzt und aus der Klau­sel al­les her­aus­ge­stri­chen wird, was un­wirk­sam ist. Wenn der Rest sprach­lich und in­halt­lich aus sich her­aus verständ­lich ist, al­so der un­wirk­sa­me und der wirk­sa­me Teil sau­ber ge­trennt wer­den können, dann bleibt der wirk­sa­me Teil be­ste­hen. Han­delt es sich hin­ge­gen um ei­ne ein­heit­li­che, un­trenn­ba­re Re­ge­lung, er­fasst der „scha­den­haf­te“ un­wirk­sa­me Teil die gan­ze Klau­sel und macht sie ins­ge­samt un­wirk­sam.

Das LAG ging da­von aus, dass die strei­ti­ge Klau­sel zwei ver­schie­de­ne Fra­gen re­gel­te: Ers­tens, dass ei­ne über­haupt ei­ne Pro­be­zeit ver­ein­bart war, was nach § 622 Abs. 3 BGB oh­ne Wei­te­res möglich ist. Zwei­tens, dass während der Pro­be­zeit ei­ne frist­lo­se Kündi­gung möglich sei, was ge­gen § 622 Abs. 3 BGB verstößt. Ei­ne Strei­chung des un­wirk­sa­men Teils war möglich, oh­ne den Rest der Klau­sel sinn­los wer­den zu las­sen. Übrig blieb:

„Die ers­ten 6 Mo­na­te des An­stel­lungs­verhält­nis­ses gel­ten als Pro­be­zeit. Nach Ab­lauf der Pro­be­zeit ist ei­ne Kündi­gung un­ter Ein­hal­tung ei­ner Frist von 8 Wo­chen zum Quar­tals­en­de zulässig.“

An die Stel­le des un­wirk­sa­men, „ge­stri­che­nen“ Teils ("Während der Pro­be­zeit können bei­de Par­tei­en den An­stel­lungs­ver­trag frist­los oh­ne An­ga­ben von Gründen kündi­gen.") trat die ge­setz­li­che Zwei-Wo­chen-Frist.

Die Kündi­gung war über­dies zwar erst sie­ben Mo­na­te nach Ver­trags­schluss, aber den­noch in­ner­halb der Pro­be­zeit er­folgt. Das LAG stell­te klar, dass ei­ne Pro­be­zeit erst mit der tatsächli­chen Ar­beits­auf­nah­me (hier al­so am 01.08.2008) und nicht schon mit vor­he­ri­gen der Un­ter­schrift un­ter dem Ver­trag be­ginnt. Das ent­spricht ständi­ger Recht­spre­chung und ist auch ein­leuch­tend. Er­probt wer­den kann nur, wer auch tatsächlich ar­bei­tet.

Fa­zit: Seit 2002 wer­den Ar­beit­neh­mer vor ver­trag­li­chen Be­nach­tei­li­gun­gen deut­lich bes­ser geschützt als zu­vor. Das be­deu­tet je­doch nicht, dass AGB-Recht ei­ne Art „All­zweck­waf­fe“ ist, mit der je­de un­gewünsch­te Ver­trags­klau­sel be­sei­tigt wer­den kann. Ins­be­son­de­re an der Ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit wird sich in al­ler Re­gel nichts rütteln las­sen, da die­se prak­tisch im­mer in­halt­lich von al­len an­de­ren ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen ge­trennt wer­den kann.

Das ver­rin­gert den Wert ei­ner un­wirk­sam ver­ein­bar­ten (Pro­be­zeit-)Kündi­gungs­frist je­doch nicht, denn ei­ne länge­re, ge­setz­li­che Kündi­gungs­frist be­deu­tet im­mer­hin im Kündi­gungs­fall ei­nen ent­spre­chend länge­ren Lohn­an­spruch.

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Letzte Überarbeitung: 27. Oktober 2017

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