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BAG, Be­schluss vom 18.10.2011, 1 ABR 25/10

   
Schlagworte: Eingruppierung: Tarifvertrag
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 ABR 25/10
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 18.10.2011
   
Leitsätze: Der tarifgebundene Arbeitgeber ist betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, die tarifliche Vergütungsordnung ungeachtet der Tarifbindung der Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG unterliegen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Duisburg, Beschluss vom 16.09.2009, 5 BV 65/09
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 9.03.2010, 8 TaBV 140/09
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

1 ABR 25/10
8 TaBV 140/09
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Düssel­dorf

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

18. Ok­to­ber 2011

BESCHLUSS

Schmidt, Ch., Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

2.

Ar­beit­ge­be­rin,

hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Anhörung vom 18. Ok­to­ber 2011 durch die Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts Schmidt, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Linck und Prof. Dr. Koch so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Bro­cker und Schus­ter für Recht er­kannt:
 


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1. Auf die Rechts­be­schwer­de des Be­triebs­rats wird der Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 9. März 2010 - 8 TaBV 140/09 - auf­ge­ho­ben.


2. Auf die Be­schwer­de des Be­triebs­rats wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Duis­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 - 5 BV 65/09 - un­ter Ab­wei­sung des An­trags im Übri­gen teil­wei­se ab­geändert.

Der Ar­beit­ge­be­rin wird auf­ge­ge­ben, bei Ein­stel­lun­gen von Mit­ar­bei­tern die­se nach dem Ge­halts­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del in Nord­rhein-West­fa­len ein­zu­grup­pie­ren, aus­ge­nom­men sind AT-An­ge­stell­te so­wie Leih­ar­beit­neh­mer.

Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Ver­pflich­tung der Ar­beit­ge­be­rin zur Ein­grup­pie­rung.

Die Ar­beit­ge­be­rin be­treibt bun­des­weit Dro­ge­riemärk­te. An­trag­stel­ler ist der für den Be­trieb „D“ auf der Grund­la­ge ei­nes Ta­rif­ver­trags iSd. § 3 Be­trVG er­rich­te­te Be­triebs­rat.


Die Ar­beit­ge­be­rin ist nach ei­nem mit ver.di bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin­nen ab­ge­schlos­se­nen An­er­ken­nungs­ta­rif­ver­trag aus dem Jahr 2000 an die je­weils gülti­gen Ta­rif­verträge für den Ein­zel­han­del im Land Nord­rhein-West­fa­len ge­bun­den. Zu die­sen gehört der Ge­halts­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del in Nord­rhein-West­fa­len vom 11. Ju­ni 2009 (GTV NRW), des­sen § 3 die An­for­de­run­gen für die Ein­grup­pie­rung der kaufmänni­schen und tech­ni­schen An­ge­stell­ten be­stimmt.


Seit No­vem­ber 2008 ver­ein­bart die Ar­beit­ge­be­rin mit neu ein­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mern Ar­beits­ent­gel­te, bei de­ren Höhe in­di­vi­du­el­le Kri­te­ri­en wie et­wa die zu­vor er­wor­be­ne Be­rufs­er­fah­rung berück­sich­tigt wer­den. Die­se Ar­beit­neh-
 


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mer grup­pier­te die Ar­beit­ge­be­rin nicht mehr in die Vergütungs­ord­nung des je­weils gel­ten­den Ge­halts­ta­rif­ver­trags ein.

Der Be­triebs­rat hat ge­meint, die Ar­beit­ge­be­rin sei ver­pflich­tet, die neu ein­zu­stel­len­den Ar­beit­neh­mer nach § 99 Abs. 1 Be­trVG wie bis­her in die Ge­halts­grup­pen des § 3 GTV NRW ein­zu­grup­pie­ren.

Der Be­triebs­rat hat zu­letzt be­an­tragt, 


1. der Ar­beit­ge­be­rin auf­zu­ge­ben, es zu un­ter­las­sen, bei Neu­ein­stel­lun­gen von Ar­beit­neh­mern (Ver­kaufs­per­so­nal) die im Be­trieb gülti­ge Vergütungs­ord­nung nach dem Ge­halts­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del in NRW nicht an­zu­wen­den, aus­ge­nom­men sind AT-An­ge­stell­te so­wie Leih­ar­beit­neh­mer,

2. für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung ge­gen die Ver­pflich­tung zur Ein­grup­pie­rung ein Ord­nungs­geld an­zu­dro­hen, des­sen Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird,

3. hilfs­wei­se der Ar­beit­ge­be­rin auf­zu­ge­ben, bei Ein­stel­lun­gen von Mit­ar­bei­tern (Ver­kaufs­per­so­nal) die­se nach dem Ge­halts­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del NRW ein­zu­grup­pie­ren, aus­ge­nom­men sind AT-An­ge­stell­te so­wie Leih­ar­beit­neh­mer,

4. äußerst hilfs­wei­se fest­zu­stel­len, dass die Ar­beit­ge­be­rin ver­pflich­tet ist, bei Ein­stel­lun­gen von Mit­ar­bei­tern (Ver­kaufs­per­so­nal) die­se nach dem Ge­halts­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del NRW ein­zu­grup­pie­ren, aus­ge­nom­men sind AT-An­ge­stell­te so­wie Leih­ar­beit­neh­mer.


Die Ar­beit­ge­be­rin hat die Ab­wei­sung der Anträge be­an­tragt. 


Das Ar­beits­ge­richt hat die erst­in­stanz­lich al­lein ge­stell­ten Anträge zu 1. und zu 2. ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­schwer­de des Be­triebs­rats ins­ge­samt zurück­ge­wie­sen. Mit der Rechts­be­schwer­de ver­folgt der Be­triebs­rat die zu 3. und 4. ge­stell­ten Anträge wei­ter.


B. Die Rechts­be­schwer­de des Be­triebs­rats ist be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sei­nen in der Rechts­be­schwer­de­instanz als Haupt­an­trag an­ge­fal­le­nen Leis­tungs­an­trag zu Un­recht ab­ge­wie­sen. Der Hilfs­an­trag fällt dem Se­nat nicht zur Ent­schei­dung an.

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I. Der Haupt­an­trag des Be­triebs­rats ist zulässig. Er ist dar­auf ge­rich­tet, dass die Ar­beit­ge­be­rin bei Ein­stel­lun­gen von Ar­beit­neh­mern iSd. § 5 Abs. 1 Be­trVG in den Be­trieb „D I“ ei­ne Ent­schei­dung über die Zu­ord­nung von de­ren Tätig­kei­ten zu den in § 3 GTV NRW aus­ge­brach­ten Ge­halts­grup­pen trifft und zu die­ser Ent­schei­dung die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats be­an­tragt so­wie für den Fall ei­ner Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung ggf. das ar­beits­ge­richt­li­che Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­ren ein­lei­tet und durchführt. Die­ses An­trags­ziel hat der Be­triebs­rat in der Anhörung vor dem Se­nat klar­ge­stellt. Mit die­sem In­halt ist der An­trag hin­rei­chend be­stimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.


II. Der so ver­stan­de­ne An­trag ist be­gründet. Der Be­triebs­rat hat in ent­spre­chen­der An­wen­dung von § 101 Be­trVG ei­nen An­spruch dar­auf, dass die Ar­beit­ge­be­rin bei der Ein­stel­lung von Ar­beit­neh­mern ei­ne Ent­schei­dung über die Ein­grup­pie­rung der von ih­nen aus­geübten Tätig­kei­ten nach Maßga­be der Ge­halts­grup­pen des § 3 GTV NRW trifft und das in § 99 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Be­trVG vor­ge­se­he­ne Ver­fah­ren durchführt. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts be­steht die Pflicht der Ar­beit­ge­be­rin zur Ein­grup­pie­rung un­abhängig von der Mit­glied­schaft der Ar­beit­neh­mer bei ver.di. Die Ar­beit­ge­be­rin ist im Verhält­nis zu ih­rem Be­triebs­rat ver­pflich­tet, die Tätig­keit ih­rer Ar­beit­neh­mer den in § 3 GTV NRW ge­re­gel­ten Ge­halts­grup­pen zu­zu­ord­nen. Die dort be­stimm­te Vergütungs­ord­nung ist der im Be­trieb gel­ten­de Ent­loh­nungs­grund­satz iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG. Die­sen können we­der die Ar­beit­ge­be­rin noch die Be­triebs­par­tei­en auf die ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer be­schränken.

1. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG hat der Ar­beit­ge­ber in Un­ter­neh­men mit in der Re­gel mehr als 20 wahl­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mern den Be­triebs­rat vor je­der Ein­grup­pie­rung zu un­ter­rich­ten und des­sen Zu­stim­mung zu be­an­tra­gen. § 99 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG ver­pflich­tet den Ar­beit­ge­ber, bei Ein­stel­lun­gen und Ver­set­zun­gen ins­be­son­de­re den in Aus­sicht ge­nom­me­nen Ar­beits­platz und die vor­ge­se­he­ne Ein­grup­pie­rung mit­zu­tei­len. Ver­langt das Ge­setz die Mit­tei­lung der vor­ge­se­he­nen Ein­grup­pie­rung, setzt dies vor­aus, dass der Ar­beit­ge­ber zu­vor ei­ne ent­spre­chen­de Be­ur­tei­lung vor­nimmt. An die­ser hat er den Be­triebs­rat zu be­tei­li­gen.

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2. Der Be­triebs­rat kann zur Si­che­rung sei­nes Mit­be­ur­tei­lungs­rechts nach § 99 Abs. 1 Be­trVG in ent­spre­chen­der An­wen­dung von § 101 Be­trVG beim Ar­beits­ge­richt be­an­tra­gen, dem Ar­beit­ge­ber auf­zu­ge­ben, ei­ne Ein­grup­pie­rungs­ent­schei­dung vor­zu­neh­men und ihn um Zu­stim­mung zu er­su­chen, falls der Ar­beit­ge­ber die ge­bo­te­ne Ein­grup­pie­rung un­terlässt. Ei­ne Ein­grup­pie­rung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG be­steht in der recht­li­chen Be­ur­tei­lung des Ar­beit­ge­bers, dass der Ar­beit­neh­mer auf­grund sei­ner Tätig­keit ei­ner be­stimm­ten Vergütungs­grup­pe ei­ner im Be­trieb gel­ten­den Vergütungs­ord­nung zu­zu­ord­nen ist. Vor­aus­set­zung ist, dass der Be­triebs­rat für den Be­trieb des Ar­beit­ge­bers über­haupt zuständig ist und das Ar­beits­verhält­nis von der im Be­trieb be­ste­hen­den Vergütungs­ord­nung er­fasst wird (BAG 8. De­zem­ber 2009 - 1 ABR 66/08 - Rn. 20, BA­GE 132, 314).


3. Ei­ne Vergütungs­ord­nung iSd. § 99 Abs. 1 Be­trVG ist ein kol­lek­ti­ves - und je­den­falls bei Gel­tung nur ei­nes be­trieb­li­chen Vergütungs­sys­tems - min­des­tens zwei Vergütungs­grup­pen ent­hal­ten­des Ent­gelt­sche­ma, das ei­ne Zu­ord­nung der Ar­beit­neh­mer zu ei­ner der Vergütungs­grup­pen nach be­stimm­ten ge­ne­rell be­schrie­be­nen Merk­ma­len vor­sieht. Sie spie­gelt die ihr zu­grun­de lie­gen­den Vergütungs­grundsätze wi­der. Da­mit ist sie Aus­druck ei­ner Ent­schei­dung über die Wer­tig­keit der je­wei­li­gen Ar­beit­neh­mertätig­kei­ten im Verhält­nis zu­ein­an­der, die sich im re­la­ti­ven Ab­stand der mit den je­wei­li­gen Vergütungs­grup­pen ver­bun­de­nen kon­kre­ten Ent­geltsätzen nie­der­schlägt (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 10/10 - Rn. 20, NZA 2011, 1239).


4. Die in § 99 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG vor­aus­ge­setz­te Pflicht des Ar­beit­ge­bers zur Ein­grup­pie­rung und die in § 99 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG vor­ge­se­he­ne Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats die­nen der ein­heit­li­chen An­wen­dung der zu­tref­fen­den Vergütungs­ord­nung und sor­gen auf die­se Wei­se für Trans­pa­renz und in­ner­be­trieb­li­che Lohn­ge­rech­tig­keit. Der Ar­beit­ge­ber soll prüfen, wel­cher Stu­fe der im Be­trieb gel­ten­den Vergütungs­ord­nung die Tätig­keit des Ar­beit­neh­mers zu­zu­ord­nen ist, und die­se Be­ur­tei­lung ge­mein­sam mit dem Be­triebs­rat vor­neh­men. Dem Mit­be­ur­tei­lungs­recht des Be­triebs­rats un­ter­liegt da­her auch die Fra­ge, ob ein Ar­beit­neh­mer ei­ner im Be­trieb gel­ten­den Vergütungs­ord­nung


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zu­ge­ord­net wer­den kann (vgl. BAG 31. Ok­to­ber 1995 - 1 ABR 5/95 - zu B I 2 a der Gründe, AP Be­trVG 1972 § 99 Ein­grup­pie­rung Nr. 5 = EzA Be­trVG 1972 § 99 Nr. 131).


5. Im Be­trieb ei­nes ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bers stellt die im ein­schlägi­gen Ta­rif­ver­trag ent­hal­te­ne Vergütungs­ord­nung zu­gleich das im Be­trieb gel­ten­de Sys­tem für die Be­mes­sung des Ent­gelts der Ar­beit­neh­mer dar. Zwar han­delt es sich bei ta­rif­li­chen Vergütungs­re­ge­lun­gen nicht um Be­triebs­nor­men iSv. § 3 Abs. 2 TVG, die un­abhängig von der Ta­rif­bin­dung der Ar­beit­neh­mer für al­le Be­trie­be des ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bers gel­ten, son­dern um In­halts­nor­men, die nur un­mit­tel­bar und zwin­gend im Verhält­nis zwi­schen dem Ar­beit­ge­ber und den ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG) An­wen­dung fin­den (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 10/10 - Rn. 22, NZA 2011, 1239; 18. März 2008 - 1 ABR 81/06 - Rn. 29, BA­GE 126, 176). Den­noch ist der ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­ge­ber be­triebs­ver­fas­sungs­recht­lich ver­pflich­tet, die ta­rif­li­che Vergütungs­ord­nung un­ge­ach­tet der Ta­rif­bin­dung der Ar­beit­neh­mer im Be­trieb an­zu­wen­den, so­weit de­ren Ge­genstände der er­zwing­ba­ren Mit­be­stim­mung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG un­ter­lie­gen. Die­ses Verständ­nis ge­ben die Funk­ti­on des Ta­rif­vor­be­halts in § 87 Abs. 1 Ein­gangs­halbs. Be­trVG so­wie der Norm­zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG vor.


a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG hat der Be­triebs­rat in Fra­gen der be­trieb­li­chen Lohn­ge­stal­tung, ins­be­son­de­re bei der Auf­stel­lung und Ände­rung von Ent­loh­nungs­grundsätzen und der Einführung und An­wen­dung von neu­en Ent­loh­nungs­me­tho­den so­wie de­ren Ände­rung, mit­zu­be­stim­men. Das Be­tei­li­gungs­recht um­fasst die Einführung von Ent­loh­nungs­grundsätzen und de­ren Ände­rung durch den Ar­beit­ge­ber (BAG 3. De­zem­ber 1991 - GS 1/90 - zu C III 3 c der Gründe, AP Be­trVG 1972 § 87 Lohn­ge­stal­tung Nr. 52). Ent­loh­nungs­grundsätze sind die abs­trakt-ge­ne­rel­len Grundsätze zur Lohn­fin­dung. Sie be­stim­men das Sys­tem, nach wel­chem das Ar­beits­ent­gelt für die Be­leg­schaft oder Tei­le der Be­leg­schaft er­mit­telt oder be­mes­sen wer­den soll (BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 797/09 - Rn. 16, EzA Be­trVG 2001 § 87 Be­trieb­li­che Lohn­ge­stal­tung Nr. 25). Zu ih­nen zählen ne­ben der Grund­ent­schei­dung für ei­ne Vergütung


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nach Zeit oder nach Leis­tung die dar­aus fol­gen­den Ent­schei­dun­gen über die Aus­ge­stal­tung des je­wei­li­gen Sys­tems (Kreft FS Kreutz S. 263, 265). Zu den mit­be­stim­mungs­pflich­ti­gen Ent­gelt­fin­dungs­re­geln gehören der Auf­bau von Vergütungs­grup­pen und die Fest­le­gung der Vergütungs­grup­pen­merk­ma­le (BAG 31. Ja­nu­ar 1984 - 1 AZR 174/81 - zu II 2 der Gründe, BA­GE 45, 91). Das Be­tei­li­gungs­recht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG um­fasst da­her die in­halt­li­che Aus­ge­stal­tung der Ent­gelt­grup­pen nach abs­trak­ten Kri­te­ri­en ein­sch­ließlich der abs­trak­ten Fest­set­zung der Wert­un­ter­schie­de nach Pro­zentsätzen oder an­de­ren Be­zugs­größen (BAG 14. Au­gust 2001 - 1 AZR 619/00 - zu A II 2 a der Gründe, BA­GE 98, 323).


b) Das Mit­be­stim­mungs­recht bei der Einführung und Ände­rung ei­nes be­trieb­li­chen Vergütungs­sys­tems kann im Be­trieb ei­nes ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bers al­ler­dings durch den Ta­rif­vor­be­halt des § 87 Abs. 1 Ein­gangs­halbs. Be­trVG, wo­nach der Be­triebs­rat nur mit­be­stim­men kann, so­weit ei­ne ge­setz­li­che oder ta­rif­li­che Re­ge­lung nicht be­steht, be­schränkt oder aus­ge­schlos­sen sein.


aa) Die Mit­be­stim­mung in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten dient dem Schutz der Ar­beit­neh­mer durch gleich­be­rech­tig­te Teil­ha­be an den sie be­tref­fen­den An­ge­le­gen­hei­ten (BAG 3. De­zem­ber 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 a der Gründe, BA­GE 69, 134). § 87 Abs. 1 Be­trVG be­schränkt we­gen der so­zia­len Abhängig­keit des Ar­beit­neh­mers und im Hin­blick auf den Teil­ha­be­ge­dan­ken die Hand­lungsmöglich­kei­ten des Ar­beit­ge­bers bei der Ver­trags­ge­stal­tung und der Ausübung sei­nes Di­rek­ti­ons­rechts (Wie­se GK-Be­trVG 9. Aufl. § 87 Rn. 56). Im Be­reich der be­trieb­li­chen Lohn­ge­stal­tung soll die Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats die An­ge­mes­sen­heit des in­ner­be­trieb­li­chen Lohn­gefüges und sei­ne Trans­pa­renz gewähr­leis­ten (BAG 23. März 2010 - 1 ABR 82/08 - Rn. 13, BA­GE 133, 373; 28. April 2009 - 1 ABR 97/07 - Rn. 21, BA­GE 131, 1). Al­ler­dings un­ter­liegt das Be­tei­li­gungs­recht sei­ner­seits der durch den Ge­set­zes- und Ta­rif­vor­be­halt ge­zo­ge­nen Bin­nen­gren­ze. Der Ein­gangs­halb­satz in § 87 Abs. 1 Be­trVG be­ruht da­bei auf der Erwägung, dass für die Er­rei­chung des Mit­be­stim­mungs­zwecks kein Raum mehr be­steht, wenn ei­ne den Ar­beit­ge­ber bin­den­de Re­ge­lung durch
 


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Ge­setz oder Ta­rif­ver­trag be­reits vor­liegt. In die­sem Fall kann da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass mit die­ser Re­ge­lung den be­rech­tig­ten In­ter­es­sen und Schutz­bedürf­nis­sen der Ar­beit­neh­mer hin­rei­chend Rech­nung ge­tra­gen wor­den ist. Für ei­nen wei­te­ren Schutz durch Mit­be­stim­mungs­rech­te be­steht dann kein Raum mehr (BAG 9. De­zem­ber 2003 - 1 ABR 44/02 - zu B I 3 a bb der Gründe, BA­GE 109, 61).


bb) Der Aus­schluss des Mit­be­stim­mungs­rechts durch den Ta­rif­vor­be­halt er­for­dert wei­ter, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en selbst über die mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge An­ge­le­gen­heit ei­ne zwin­gen­de und ab­sch­ließen­de in­halt­li­che Re­ge­lung ge­trof­fen und da­mit dem Schutz­zweck des ver­dräng­ten Mit­be­stim­mungs­rechts Genüge ge­tan ha­ben (BAG 3. De­zem­ber 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 a, b der Gründe, BA­GE 69, 134). Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en dürfen das Mit­be­stim­mungs­recht nicht aus­sch­ließen oder ein­schränken, oh­ne die mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge An­ge­le­gen­heit selbst zu re­geln (BAG 9. No­vem­ber 2010 - 1 ABR 75/09 - Rn. 17, EzA Be­trVG 2001 § 87 Ar­beits­zeit Nr. 15).


c) Nach der Se­nats­recht­spre­chung ist für das Ein­grei­fen des Ta­rif­vor­be­halts des § 87 Abs. 1 Ein­gangs­halbs. Be­trVG und dem da­mit ein­her­ge­hen­den Aus­schluss des Mit­be­stim­mungs­rechts be­reits die Ta­rif­bin­dung des Ar­beit­ge­bers aus­rei­chend. Ei­ner nor­ma­ti­ven Bin­dung der be­triebs­zu­gehöri­gen Ar­beit­neh­mer (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG) be­darf es hierfür nicht. Das gilt auch dann, wenn es sich bei der das Mit­be­stim­mungs­recht ver­drängen­den ta­rif­li­chen Re­ge­lung um In­halts­nor­men han­delt. Das ent­spricht dem Zweck des Ein­gangs­halb­sat­zes. Denn die­ser geht da­von aus, dass ei­ne be­ste­hen­de ge­setz­li­che oder ta­rif­li­che Re­ge­lung dem Schutz­bedürf­nis der Ar­beit­neh­mer aus­rei­chend Rech­nung trägt und da­her Mit­be­stim­mungs­rech­te ent­behr­lich macht (BAG 24. Fe­bru­ar 1987 - 1 ABR 18/85 - zu B II 6 c der Gründe, BA­GE 54, 191).

d) Ein sol­ches Norm­verständ­nis des Ta­rif­vor­be­halts be­wirkt un­mit­tel­bar aber nur den Schutz ta­rif­ge­bun­de­ner Ar­beit­neh­mer. Sie können sich ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber gem. § 4 Abs. 1 TVG auf zwin­gen­de ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen be­reits in­di­vi­du­al­recht­lich be­ru­fen. Bei ei­ner ab­sch­ließen­den ta­rif­li­chen Re­ge­lung ei­ner an­sons­ten mit­be­stim­mungs­pflich­ti­gen An­ge­le­gen­heit bedürfen sie
 


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da­her nicht des Schut­zes der Mit­be­stim­mung. Al­ler­dings führt das al­lei­ni­ge Ab­stel­len auf die Ta­rif­bin­dung des Ar­beit­ge­bers zu ei­ner Schutzlücke zu Las­ten nicht ta­rif­ge­bun­de­ner Ar­beit­neh­mer, wenn der Ta­rif­vor­be­halt nicht durch Be­triebs-, son­dern durch In­halts­nor­men be­wirkt wird (Kreft FS Kreutz S. 263, 270). Dies wi­der­spricht der ge­setz­ge­be­ri­schen In­ten­ti­on, die ein­sei­ti­ge Ge­stal­tungs­macht des Ar­beit­ge­bers im Be­reich der so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten des § 87 Abs. 1 Be­trVG ent­we­der durch ei­ne be­ste­hen­de ta­rif­li­che Re­ge­lung oder durch die Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats zu be­gren­zen. So­weit der Se­nat in der Ent­schei­dung vom 24. Fe­bru­ar 1987 (- 1 ABR 18/85 - BA­GE 54, 191) die Auf­fas­sung ver­tre­ten hat, die­se Schutzlücke sei hin­nehm­bar, weil die nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer die ta­rif­li­chen, das je­wei­li­ge Mit­be­stim­mungs­recht aus­sch­ließen­den Rech­te durch den Bei­tritt zur ver­trags­sch­ließen­den Ge­werk­schaft er­lan­gen können, hält er hier­an nicht fest.


aa) Ge­gen ein sol­ches Verständ­nis des Ta­rif­vor­be­halts, wo­nach der Schutz der Ar­beit­neh­mer vor den sie be­tref­fen­den Maßnah­men des Ar­beit­ge­bers von der Mit­glied­schaft in der ta­rif­ver­trags­sch­ließen­den Ge­werk­schaft abhängt, spricht be­reits der Zweck des § 87 Abs. 1 Ein­gangs­halbs. Be­trVG. Der not­wen­di­gen Mit­be­stim­mung in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten be­darf es nur dann nicht mehr, wenn die Hand­lungsmöglich­kei­ten des Ar­beit­ge­bers be­reits durch Ge­setz oder Ta­rif­ver­trag be­schränkt wer­den und da­mit die Ar­beit­neh­mer an­ge­mes­sen geschützt sind. Zwar mag dem Ge­setz­ge­ber bei der Gleich­stel­lung von ge­setz­li­chen und ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen im Ein­gangs­halb­satz be­wusst ge­we­sen sein, dass letz­te­re nur den­je­ni­gen um­fas­send nor­ma­tiv vor ei­ner ein­sei­ti­gen Ge­stal­tung der Ar­beits­be­din­gun­gen be­wah­ren, der sich mit sei­nem Ge­werk­schafts­bei­tritt die­ses Schut­zes be­die­nen will (BAG 24. Fe­bru­ar 1987 - 1 ABR 18/85 - zu B II 6 c der Gründe, BA­GE 54, 191). Der Ge­setz­ge­ber konn­te je­doch auch da­von aus­ge­hen, dass bei den erst auf­grund ei­nes kol­lek­ti­ven Be­zugs mit­be­stim­mungs­pflich­ti­gen Sach­ver­hal­ten des § 87 Abs. 1 Be­trVG ei­ne ab­sch­ließen­de ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lung fak­tisch zu­gleich die nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer schützt. Die Ka­ta­log­tat­bestände des § 87 Abs. 1 Be­trVG be­tref­fen nicht vor­ran­gig in­di­vi­du­el­le Rechts­po­si­tio­nen, son­dern die Be­zie­hun­gen zwi­schen dem Ar­beit­ge­ber und der Be­leg­schaft oder je­den­falls Tei­len von ihr. Das Mit­be-
 


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stim­mungs­recht be­steht nur, wenn die Maßnah­me des Ar­beit­ge­bers ei­nen kol­lek­ti­ven Tat­be­stand erfüllt. Es muss sich da­her grundsätz­lich ei­ne Re­ge­lungs­fra­ge stel­len, die kol­lek­ti­ve In­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer berührt und kei­ne aus­sch­ließlich ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Rechts­ausübung zum Ge­gen­stand hat (vgl. BAG 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - Rn. 19, BA­GE 122, 127). Sol­che An­ge­le­gen­hei­ten müssen zwar nicht not­wen­dig für al­le be­triebs­zu­gehöri­gen Ar­beit­neh­mer ein­heit­lich ge­re­gelt wer­den. Ei­ne al­lein an der Ver­bands­zu­gehörig­keit ori­en­tier­te Sach­grup­pen­bil­dung ist je­doch so­wohl den Be­triebs­par­tei­en wie auch dem Ar­beit­ge­ber selbst ty­pi­scher­wei­se ver­wehrt, was der Ge­setz­ge­ber auch in § 75 Abs. 1 Be­trVG zum Aus­druck bringt.

bb) Ei­ne Aus­le­gung, die den Schutz vor ein­sei­ti­gen Maßnah­men des Ar­beit­ge­bers im Be­reich der An­ge­le­gen­hei­ten des § 87 Abs. 1 Be­trVG von ei­nem Bei­tritt zu ei­ner be­stimm­ten Ge­werk­schaft abhängig macht, greift zu­dem in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­te ne­ga­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit des Ein­zel­nen ein und be­schränkt die­se un­verhält­nismäßig.

Die in­di­vi­du­el­le Ko­ali­ti­ons­frei­heit schließt auch das Recht ein, ei­ner Ko­ali­ti­on fern­zu­blei­ben oder aus ihr aus­zu­tre­ten (vgl. BAG 19. Sep­tem­ber 2006 - 1 ABR 2/06 - Rn. 13, BA­GE 119, 275). Zwar ist nicht je­der tatsächli­che Druck, ei­ner Ko­ali­ti­on bei­zu­tre­ten oder in die­ser zu ver­blei­ben, be­reits ein un­zulässi­ger Ein­griff in die ne­ga­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit (vgl. BAG 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 3 b bb der Gründe, BA­GE 104, 155; 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 31 ff., BA­GE 130, 43). Ein Verständ­nis des § 87 Abs. 1 Ein­gangs­halbs. Be­trVG, wo­nach der Schutz des Ar­beit­neh­mers von der Zu­gehörig­keit zu ei­ner vom Ar­beit­ge­ber oder sei­nem Ver­band als ta­rif­ver­trags­sch­ließen­de Par­tei ak­zep­tier­ten Ge­werk­schaft abhängt, verstößt aber ge­gen Art. 9 Abs. 3 GG. Es ver­langt vom Ar­beit­neh­mer - will er wie an­de­re ta­rif­ge­bun­de­ne Be­triebs­an­gehöri­ge vor ein­sei­ti­gen Maßnah­men des Ar­beit­ge­bers geschützt wer­den - dar­auf zu ver­zich­ten, ei­ner Ge­werk­schaft fern­zu­blei­ben, und darüber hin­aus, sich sei­ner grund­recht­lich geschütz­ten Frei­heit zu be­ge­ben, ei­ner sei­nen Vor­stel­lun­gen ent­spre­chen­den Ar­beit­neh­mer­ko­ali­ti­on bei­zu­tre­ten, in ihr zu ver­blei­ben oder in ei­ne an­de­re Ar­beit­neh­mer­ko­ali­ti­on zu wech­seln. Denn nur ei­ne dau­er­haf­te


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Mit­glied­schaft in der vom Ar­beit­ge­ber aus­gewähl­ten ta­rif­sch­ließen­den Ge­werk­schaft würde ihn vor des­sen ein­sei­ti­ger Ge­stal­tungs­macht im Be­reich der so­zia­len Mit­be­stim­mung be­wah­ren.


e) Die aus der spe­zi­fi­schen nor­ma­ti­ven Wir­kung ta­rif­li­cher In­halts­nor­men fol­gen­de mit­be­stim­mungs­recht­li­che Schutzlücke wi­der­spricht aber der er­kenn-ba­ren Ab­sicht des Ge­setz­ge­bers, al­le be­triebs­zu­gehöri­gen Ar­beit­neh­mer in den so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten des § 87 Abs. 1 Be­trVG vor der ein­sei­ti­gen Ge­stal­tungs­macht des Ar­beit­ge­bers zu schützen. Sie ist dem­ent­spre­chend nach dem Zweck des je­wei­li­gen Mit­be­stim­mungs­tat­be­stands zu schließen. Im Be­reich der be­trieb­li­chen Lohn­ge­stal­tung führt dies zur Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, das ta­rif­li­che Ent­loh­nungs­sys­tem auch ge­genüber nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern an­zu­wen­den, so­weit des­sen Ge­genstände der er­zwing­ba­ren Mit­be­stim­mung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG un­ter­lie­gen (Kreft FS Kreutz S. 263, 272 f.). Die Trans­pa­renz der be­trieb­li­chen Lohn­ge­stal­tung und die Be­ach­tung der Ver­tei­lungs­ge­rech­tig­keit er­for­dern ei­ne ver­glei­chen­de Be­wer­tung des ge­sam­ten be­trieb­li­chen Ent­gelt­gefüges. Der mit dem Be­tei­li­gungs­recht be­ab­sich­tig­te Schutz wird ver­fehlt, wenn die Zu­ord­nung der Ar­beit­neh­mer zu un­ter­schied­li­chen Ent­loh­nungs­sys­te­men al­lein nach der Ge­werk­schafts­zu­gehörig­keit er­folgt. Ei­ne dar­aus re­sul­tie­ren­de Auf­tei­lung der Be­leg­schaft ist nicht - wie § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG ver­langt - tätig­keits­be­zo­gen (BAG 18. No­vem­ber 2003 - 1 AZR 604/02 - zu I 3 c dd [1] der Gründe, BA­GE 108, 299). Ihr fehlt es an ei­nem Sach­grund; ei­ne den ge­sam­ten Be­trieb in Blick neh­men­de, ver­glei­chen­de Be­wer­tung des Lohn­gefüges lässt sie nicht zu.

6. Da­nach ist der Ar­beit­ge­ber im Be­reich der be­trieb­li­chen Lohn­ge­stal­tung zur An­wen­dung ei­ner ta­rif­li­chen Re­ge­lung iSd. § 87 Abs. 1 Ein­gangs­halbs. Be­trVG selbst dann ver­pflich­tet, wenn es sich hier­bei um ei­ne In­halts­norm han­delt.

a) An ei­ner Ge­stal­tung ei­nes für al­le Ar­beit­neh­mer gel­ten­den be­trieb­li­chen Vergütungs­sys­tems sind die Be­triebs­par­tei­en we­gen des Ta­rif­vor­be­halts ge­hin­dert. Mit dem da­mit ver­bun­de­nen Aus­schluss des Mit­be­stim­mungs­rechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG kor­re­spon­diert für den ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber

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des­halb die Ver­pflich­tung, die ta­rif­li­che Vergütungs­ord­nung, so­weit sie oh­ne den Ta­rif­vor­be­halt dem Be­tei­li­gungs­recht des Be­triebs­rats un­ter­lie­gen würde, im Be­trieb an­zu­wen­den. Dies schließt die sich aus § 99 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG er­ge­ben­de Ver­pflich­tung ein, die vom Gel­tungs­be­reich der Vergütungs­ord­nung er­fass­ten Tätig­kei­ten der Ar­beit­neh­mer un­abhängig von de­ren Ta­rif­bin­dung den aus­ge­brach­ten Vergütungs­grup­pen zu­zu­ord­nen und zu die­ser Ent­schei­dung die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats ein­zu­ho­len.


b) Die Bin­dung des Ar­beit­ge­bers an die ta­rif­li­che Ent­gelt­struk­tur be­gründet in­des kei­nen An­spruch der nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer auf den Ta­rif-lohn. Dies würde zu ei­ner un­zulässi­gen Er­stre­ckung von ta­rif­lich ge­re­gel­ten Ar­beits­be­din­gun­gen auf nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­neh­mer führen, die nicht mit der Schutzlücke ge­recht­fer­tigt wer­den kann, die auf der Be­schränkung des Mit­be­stim­mungs­rechts auf­grund des Ta­rif­vor­be­halts be­ruht. Wird die Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats im Be­reich des § 87 Abs. 1 Be­trVG durch ta­rif­li­che In­halts­nor­men aus­ge­schlos­sen, ist der Ar­beit­ge­ber nur in­so­weit zur Be­ach­tung der Ta­rif­re­ge­lung ver­pflich­tet, wie die­se das er­zwing­ba­re Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats be­schränkt. Dies führt nicht da­zu, dass der Ar­beit­neh­mer ei­nen An­spruch auf die ta­rif­lich be­stimm­te Vergütung erhält. Zwar ist der Ar­beit­ge­ber nach der Se­nats­recht­spre­chung auf­grund des Ar­beits­ver­trags ver­pflich­tet, die Ar­beit­neh­mer nach den im Be­trieb gel­ten­den Ent­loh­nungs­grundsätzen zu vergüten (zu­letzt BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 797/09 - Rn. 30, EzA Be­trVG 2001 § 87 Be­trieb­li­che Lohn­ge­stal­tung Nr. 25). Das Mit­be­stim­mungs­recht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG er­streckt sich aber nicht auf die Ent­gelthöhe, son­dern um­fasst nur die Bil­dung von Ent­gelt­grup­pen nach abs­trak­ten Kri­te­ri­en ein­sch­ließlich der Fest­set­zung der Wert­un­ter­schie­de nach Pro­zentsätzen oder an­de­ren Be­zugs­größen. Der ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­ge­ber kann da­her für die nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer die Höhe des Ent­gelts un­ter Be­ach­tung der in der ta­rif­li­chen Vergütungs­ord­nung ent­hal­te­nen Ver­tei­lungs­grundsätze fest­le­gen.

7. Da­nach er­weist sich der Leis­tungs­an­trag des Be­triebs­rats als be­gründet. Es kann of­fen­blei­ben, ob die Ar­beit­ge­be­rin in der Ver­gan­gen­heit sämt­li­che
 


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im Be­trieb beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer nach der durch § 3 GTV NRW vor­ge­ge­be­nen Ent­gelt­struk­tur vergütet hat, was zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­tig ge­blie­ben ist. Die auf­grund des An­er­ken­nungs­ta­rif­ver­trags an die Ta­rif­verträge für den Ein­zel­han­del in Nord­rhein-West­fa­len ge­bun­de­ne Ar­beit­ge­be­rin war je­doch im Verhält­nis zu ih­rem Be­triebs­rat ver­pflich­tet, auch die Tätig­keit der ab No­vem­ber 2008 ein­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mer den Vergütungs­grup­pen des § 3 GTV NRW zu­zu­ord­nen und an die­ser Ent­schei­dung den Be­triebs­rat zu be­tei­li­gen. Da der Be­triebs­rat mit sei­nem Haupt­an­trag be­reits aus die­sem Grund durch­dringt, be­darf es kei­ner Ent­schei­dung, ob die von der Ar­beit­ge­be­rin ge­trof­fe­ne Maßnah­me, die über­wie­gend in ei­nem be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis beschäftig­ten Ar­beit­neh­me­rin­nen nach ei­ner von ihr fest­ge­leg­ten Ent­gelt­struk­tur zu vergüten, ge­gen § 4 Abs. 2 Tz­B­fG verstößt.

Schmidt 

Linck 

Koch

Bro­cker 

N. Schus­ter

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