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Gesetzentwurf zur Zeitarbeit 2015
23.11.2015. Arbeitsministerin Andrea Nahles hat ihren mit Spannung erwarteten Gesetzentwurf zur Reform der Leiharbeit ans Kanzleramt geschickt.
Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) enthält eine gesetzliche Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten. Außerdem sollen Leiharbeitnehmer nach neun, spätestens nach zwölf Monaten auch dann dasselbe Entgelt bekommen wie Stammarbeitnehmer ("Equal Pay"), wenn sie von der Zeitarbeitsfirma nach Leiharbeitstarifen bezahlt werden.
Außerdem verfolgt die Neuregelung das Ziel, den missbräuchlichen Einsatz von Scheinwerkverträgen einzugrenzen: BMAS, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze, vom 16.11.2015.
- Wie funktioniert Arbeitnehmerüberlassung?
- Die geplanten Änderungen im Überblick
- "Vorübergehende" Arbeitnehmerüberlassung nach bisheriger Rechtslage
- "Vorübergehende" Arbeitnehmerüberlassung - künftig nur noch bis zu 18 Monaten
- Kritik der geplanten Begrenzung der Arbeitnehmerüberlassung auf 18 Monate durch Gewerkschaften und Arbeitgeber
- Der Grundsatz des "equal pay" bzw. "equal treatment" nach bisheriger Rechtslage
- Gleichbehandlung mit Stammkräften - künftig nach neun und spätestens nach zwölf Monaten
- Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern in bestreikten Unternehmen
- Mitberücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten
- Gesetzliche Fixierung der Abgrenzungskriterien Werkvertrag - Arbeitsvertrag
- Fazit: Positive Auswirkungen für die Leiharbeitnehmer sind fraglich, Tarifverträge werden abgewertet
Wie funktioniert Arbeitnehmerüberlassung?
Arbeitnehmerüberlassung ist die vorübergehende Überlassung eines Arbeitnehmers (Leiharbeitnehmer) durch einen Unternehmer (Verleiher) an einen Dritten (Entleiher) zur Arbeitsleistung. Statt von Arbeitnehmerüberlassung spricht man auch von Zeit- oder Leiharbeit. Bei der Arbeitnehmerüberlassung fallen Arbeitsvertrag und Arbeitsleistung auseinander: Der Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers besteht mit dem Verleiher, die Arbeitsleistung erfolgt beim Entleiher.
Da Leiharbeit meist gewerblich bzw. gegen Bezahlung erfolgt, gibt es in der Regel einen (Personalservice-)Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher, der die entgeltliche Überlassung von Arbeitskräften zum Gegenstand hat.
Anders als bei der Arbeitsvermittlung, die mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags beendet ist, sind die Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher (als Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers), Leiharbeitnehmer und Entleiher (als Auftraggeber des Verleihers) auf Dauer angelegt.
Nach derzeitiger Rechtslage muss der Einsatz von Leiharbeitnehmern beim Entleiher nur "vorübergehend" sein (§ 1 Abs.1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG), doch ist nicht recht klar, was das genau heißt. Eine feste zeitliche Grenze gilt bisher jedenfalls nicht.
Außerdem gilt zwar zugunsten der Leiharbeitnehmer im Prinzip das Gebot der gleichen Behandlung und Bezahlung im Vergleich zu den Stammkräften im Entleiherbetrieb, doch kann von diesem Grundsatz ("equal pay", "equal treatment") zulasten der Leiharbeitnehmer abgewichen werden, wenn sie auf der Grundlage von Tarifverträgen der Leiharbeitsbranche bezahlt werden (§ 9 Nr.2 AÜG).
Diesen Gesetzesvorschriften zufolge können Leiharbeitnehmer derzeit ohne feste Zeitgrenze im selben Entleiherbetrieb eingesetzt werden und verdienen dort meist deutlich weniger als die Stammkräfte, weil die für die Leiharbeitsbranche geltenden Tarife ungünstiger sind als die im Entleiherbetrieb geltenden Tarifverträge. Zwar zahlen viele Zeitarbeitsfirmen seit einigen Jahren Branchenzuschläge, um diesen Lohnunterschied abzumildern, aber beim Thema Urlaubstage, Sachleistungen, Unkündbarkeit usw. gibt es nach wie vor viele Schlechterstellungen von Leiharbeitnehmern.
Die geplanten Änderungen im Überblick
Die im Gesetzentwurf des BMAS vom 16.11.2015 geplanten Änderungen des AÜG orientieren sich am Koalitionsvertrag der SPD und CDU vom 27.11.2013 (S. 49 f.). Folgende Neuerungen sind vorgesehen:
- Präzisierung des Begriffs "vorübergehend" durch eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten
- Gleiche Behandlung (gleiche Bezahlung und gleiche sonstige Vergünstigungen) wie Stammkräfte nach neun Monaten
- Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern in bestreikten Unternehmen
- Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten
- Gesetzliche Regelung zur besseren Abgrenzung von Arbeitsverträgen zu anderen Verträgen, z.B. Werkverträgen
"Vorübergehende" Arbeitnehmerüberlassung nach bisheriger Rechtslage
§ 1 Abs.1 Satz 2 AÜG legt fest, dass Arbeitnehmerüberlassung "vorübergehend" erfolgt. Diese Regelung wurde durch das Erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung zum 01.12.2011 in das AÜG aufgenommen.
Nach der Gesetzesbegründung heißt "vorübergehend" nur, dass die Überlassung des Leiharbeitnehmers nicht "bis zur Rente" geplant ist (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.02.2011, BT-Drs. 17/4804, S.8.). Leiharbeitnehmer sollen während ihres Arbeitsverhältnisses mit der Zeitarbeitsfirma nicht nur an einen, sondern an verschiedene Entleiher überlassen werden. Das Merkmal "vorübergehend" war daher als eine flexible zeitliche Vorgabe geplant und ist keine starre Maximalfrist.
Dies führte dazu, dass einige Gerichte das Merkmal "vorübergehend" als unverbindlichen, rechtsfolgenlosen Programmsatz interpretierten, wodurch die Leiharbeit keine zeitliche Beschränkung erfahren sollte (so unter anderem Arbeitsgericht Leipzig, Urteil vom 15.02.2012, 11 BV 79/11).
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) erteilte dieser Ansicht Mitte 2013 eine Absage (Beschluss vom 10.07.2013, 7 ABR 91/11, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/210 Betriebsrat kann Dauer-Leiharbeit verhindern) und stellte klar, dass § 1 Abs.1 Satz 2 AÜG nicht nur eine unverbindliche Wunschvorstellung ("Programmsatz") enthält, sondern die nicht vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung untersagt. Das hatte zur Folge, dass der Betriebsrat einem vom Arbeitgeber geplanten dauerhaften Einsatz von Leiharbeitnehmern im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts aus § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) widersprechen kann.
Andererseits ging das BAG nicht so weit, bei einem (gesetzeswidrigen) Dauereinsatz von Leiharbeitnehmern der Zeitarbeitsfirma die Berufung auf eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu versagen, d.h. eine wirklich harte Sanktion für den Dauereinsatz von Leiharbeitnehmern gibt es derzeit nicht (BAG, Urteil vom 10.12.2013, 9 AZR 51/13, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/364 Dauerhafte Leiharbeit lässt die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht entfallen).
Vor allem ließ das BAG bislang offen, wie lange aber nun ein Einsatz konkret als noch "vorübergehend" anzusehen ist bzw. wann eben nicht mehr. Unterm Strich besteht damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit bei der Frage, wie lange Leiharbeitseinsatz dauern kann.
"Vorübergehende" Arbeitnehmerüberlassung - künftig nur noch bis zu 18 Monaten
Die geplante Höchstüberlassungsdauer soll den schwammigen Begriff "vorübergehend" präzisieren. Konkret sieht der Entwurf folgende Regelung vor (§ 1 Abs.1b - Entwurf):
"(1b) Derselbe Leiharbeitnehmer darf nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen werden. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als sechs Monate liegen. In einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche oder einer auf Grund eines solchen Tarifvertrags getroffenen Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann eine von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Die Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften können von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauern in ihren Regelungen vorsehen.“
Nach der Gesetzesbegründung beruht diese zeitliche Vorgabe auf bestehenden tarifvertraglichen Vereinbarungen in der Zeitarbeitsbranche, die die Einsatzdauer von Leiharbeitnehmern ohnehin schon zeitlich begrenzen, d.h. den Entleiher dazu verpflichten, Leiharbeitnehmern nach einer bestimmten Einsatzdauer einen Arbeitsvertrag anzubieten. Mit der Höchstüberlassungsdauer, so die Gesetzesbegründung, etwas gegen die Verdrängung von Stammarbeitnehmern durch Leiharbeitnehmer getan werden.
Durch § 1 Abs.1b Satz 2 AÜG (Entwurf) wird klargestellt, dass die vorangegangene Überlassung eines Leiharbeitnehmers auf seine weitere Überlassung angerechnet wird, es sei denn, dass zwischen den beiden Überlassungszeiträumen mehr als sechs Monate liegen. Mit dieser sechsmonatigen Karenzzeit sollen Umgehungsmanöver vermieden werden. In diese Richtung geht auch die Anrechnung von Zeiten, die der Leiharbeitnehmer bei einer anderen Zeitarbeitsfirma angestellt ist (aber im selben Entleiherbetrieb arbeitet).
Nicht ausgeschlossen wird dadurch allerdings, dass nach den 18 Monaten ein anderer Leiharbeitnehmer auf demselben Stamm- oder Dauerarbeitsplatz eingesetzt wird. Nach einer Übergangsregelung (§ 19 Abs. 2 AÜG - Entwurf) werden Einsatzzeiten vor dem 01.01.2017 nicht mitgezählt.
Die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten kann verlängert werden, wenn das durch einen Tarifvertrag und eine tariflich legitimierte Betriebs- oder Dienstvereinbarung vorgesehen ist. Allerdings müssen dies Tarifverträge der Einsatzbranche sein, d.h. die Entwurfverfasser trauen der Leiharbeitsbranche und ihren Tarifverträgen an dieser Stelle nicht über den Weg. Schließlich werden auch die kirchlichen Arbeitgeber privilegiert.
Kritik der geplanten Begrenzung der Arbeitnehmerüberlassung auf 18 Monate durch Gewerkschaften und Arbeitgeber
Die IG Metall kritisiert die Beschränkung der Überlassungshöchstdauer auf 18 Monaten als halbherzig, denn sie befürchtet, dass es infolge des gesetzlichen equal-pay ab dem zehnten Monat zu Umgehungsmanövern kommt. Außerdem wird kritisiert, dass die bisher schon etablierten Zuschlagstarifverträge und die tariflichen Regelungen zur Übernahme von Leiharbeitnehmern in die Stammbelegschaft entwertet werden könnten (Stellungnahme der IG Metall vom 18.11.2015 zum AÜG-Gesetzentwurf).
Doch auch die Arbeitgeberseite übt Kritik, weil nur die Tarifpartner der Einsatzbranche abweichende Regelung zur Höchstüberlassungsdauer vereinbaren können, nicht hingegen die Tarifpartner der Zeitarbeitsbranche. Der Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V (IGZ) sieht darin eine massive Beschränkung seiner grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie. Denn damit, so der IGZ,
"wird die Branche von der Befugnis zum Abschluss von Tarifverträgen ausgeschlossen, die davon am stärksten betroffen ist. Ein solcher Vorgang wäre beispiellos für das deutsche Arbeitsrecht" (IGZ, Kurzstellungnahme zum "Diskussionsentwurf " des BMAS zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, vom 17.11.2015).
Kritisiert wird auch, dass abweichende Regelungen nur für tarifgebundene Unternehmen möglich sind. Eine Klausel, mit der nicht tarifgebundene Unternehmen von einer längeren Überlassungsdauer Gebrauch machen können, wurde durch den Gesetzentwurf nicht eingeügt. Ihnen bleibt nur die Anwendung der entsprechenden Tarifverträge, um Leiharbeitnehmer für eine längere Zeit einsetzen zu können.
Der Grundsatz des "equal pay" bzw. "equal treatment" nach bisheriger Rechtslage
Nach der bislang geltenden Regelung (§ 9 Nr.2 AÜG) gilt zwar im Grundsatz auch jetzt schon, dass Leiharbeitnehmer den gleichen Lohn wie Stammkräfte kommen ("equal pay") und auch sonst unter gleich guten Arbeitsbedingungen beschäftigt werden müssen ("equal treatment"). Allerdings macht das Gesetz davon eine wichtige Ausnahme:
Ein für die Leiharbeitsbranche geltender Tarifvertrag kann Regelungen vorsehen, die von dem Grundsatz des "equal pay" bzw. "equal treatment" abweichen. Sind diese Tarifverträge auf einen Leiharbeitnehmer anwendbar (und das sind sie aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme-Klauseln praktisch immer), gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung mit Stammkräften nicht.
Entscheidend für die bisherige Rechtslage ist: Diese Benachteiligung von Zeitarbeitnehmern auf der Grundlage von Tarifverträgen der Zeitarbeitsbranche gilt dauerhaft, d.h. man kann sein ganzes Erwerbsleben im Vergleich zu Stammkräften den Kürzeren ziehen.
Gleichbehandlung mit Stammkräften - künftig nach neun und spätestens nach zwölf Monaten
§ 8 Abs.4 Satz 1 AÜG (Entwurf) sieht vor, dass eine Abweichung vom Prinzip der Gleichbehandlung auf der Grundlage von Leiharbeitstarifverträgen nur noch in den ersten neun Monaten der Überlassung an einen Entleiher zulässig ist. Damit wird die bisherige Rechtslage fortgeschrieben, aber zeitlich auf neun Monate begrenzt.
Gilt für den Leiharbeitnehmer ein Tarifvertrag, der nach einer Einarbeitungszeit von höchstens sechs Wochen "hinsichtlich des Arbeitsentgelts eine stufenweise Heranführung an den Gleichstellungsgrundsatz vorsieht", dann besteht der Anspruch auf "equal pay" bzw. "equal treatment" erst nach zwölf Monaten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein solcher Tarifvertrag aufgrund einer Tarifbindung bzw. Gewerkschaftsmitgliedschaft oder aufgrund einer Bezugnahme im Arbeitsvertrag gilt. Bei dieser Regelung haben die Entwurfverfasser die jetzt bereits bestehenden Tarifverträge über Branchenzuschläge vor Augen.
Wird die Neuregelung Gesetz, ist mit einer Schlechterstellung von Leiharbeitnehmern gegenüber Stammkräften auf der Grundlage von Leiharbeitstarifverträgen nach neun bzw. spätestens nach zwölf Monaten des Arbeitseinsatzes bei demselben Entleiher Schluss.
Ergänzend stellt § 8 Abs.4 Satz 4 AÜG (Entwurf) klar, dass vorherige Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher anzurechnen ist, wenn zwischen den Einsätzen nicht mehr als sechs Monate liegen.
Im Gegensatz zur Regelung der Höchstüberlassungsdauer findet sich hier keine Übergangsvorschrift. Zeitarbeitnehmer, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes bereits neun bzw. zwölf Monate beim selben Kunden eingesetzt werden, haben daher sofort Anspruch auf Gleichbehandlung.
Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern in bestreikten Unternehmen
Die bislang geltende Fassung des AÜG schreibt zum Einsatz von Leiharbeitnehmern in bestreikten Unternehmen vor, dass Leiharbeitnehmer nicht dazu verpflichtet sind, bei einem bestreikten Entleiher tätig zur sein (§ 11 Abs.5 AÜG). Diese Vorschrift verbietet es aber Entleihen nicht, die bei ihnen eingesetzten Leiharbeitnehmer zu Streikbrucharbeit aufzufordern, . Hat der Leiharbeitnehmer genügend Mumm, sich einer solchen Weisung unter Berufung auf sein gesetzliches Recht zu widersetzen, könnte er dem Streikbrucheinsatz entgehen - theoretisch.
Diese Vorgabe soll zugunsten der Leiharbeitnehmer verschärft werden. Künftig sollen Leiharbeitnehmer in bestreikten Unternehmen nicht mehr tätig werden dürfen, d.h. es soll in solchen Fällen ein Beschäftigungsverbot für Entleiher geben, wenn ihre Betriebe unmittelbar von Streiks betroffen sind, § 11 Abs.5 AÜG (Entwurf).
Mitberücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten
Bislang war die Mitberücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Betriebs- und Unternehmensmitbestimmung nur vereinzelt geregelt. § 7 Satz 2 BetrVG stellt klar, dass Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb wählen dürfen, d.h. das aktive Wahlrecht haben, wenn sie dort länger als drei Monate eingesetzt wurden. § 14 Abs.2 Satz 1 AÜG schließt es allerdings aus, dass Leiharbeitnehmer dort in den Betriebsrat gewählt werden.
Nicht geregelt ist bisher, wann Leiharbeitnehmer bei betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten mitberücksichtigt werden müssen. Dies führte dazu, dass sich das BAG in der Vergangenheit gleich mehrmals mit dieser Problematik auseinander setzen musste (wir berichteten: Arbeitsrecht aktuell 11/204 Interessenausgleich und Sozialplan: Leiharbeitnehmer zählen mit; Arbeitsrecht aktuell: 13/214 Sozialauswahl bei der Kündigung von Leiharbeitnehmern; Arbeitsrecht aktuell: 15/321 Aufsichtsratswahl und Leiharbeit).
Durch § 14 Abs.2 Satz 2 AÜG (Entwurf) wird die bisherige Rechtsprechung des BAG in Gesetzesform gegossen. Nach der neuen Regelung ist ein Mitzählen der Leiharbeitnehmer für jeden Schwellenwert gesondert anhand dessen Zwecksetzung zu prüfen. Die neue Vorschrift lautet:
"Soweit Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mit Ausnahme des § 112a, des Mitbestimmungsgesetzes, des Montan-Mitbestimmungsgesetzes, des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes, des Drittelbeteiligungsgesetzes, des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, des Europäische Betriebsräte-Gesetzes, des SE- und des SCE-Beteiligungsgesetzes oder der aufgrund der jeweiligen Gesetze erlassenen Wahlordnungen eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern voraussetzen, sind Leiharbeitnehmer auch im Entleiherbetrieb und im Entleiherunternehmen zu berücksichtigen."
Gesetzliche Fixierung der Abgrenzungskriterien Werkvertrag - Arbeitsvertrag
Ein neuer § 611a BGB soll in Zukunft festschreiben, wie Arbeitsverhältnisse von anderen Vertragsgestaltungen, also vor allem von Werkverträgen und von selbstständigen Dienstverträgen abzugrenzen sind. Hierzu werden die bisher von der Rechtsprechung entwickelten Merkmale eines Arbeitsvertrages erstmals in das Gesetz aufgenommen.
Die neue Vorschrift mit der Überschrift "Vertragstypische Pflichten beim Arbeitsvertrag" soll lauten:
"(1) Handelt es sich bei den aufgrund eines Vertrages zugesagten Leistungen um Arbeitsleistungen, liegt ein Arbeitsvertrag vor. Arbeitsleistungen erbringt, wer Dienste erbringt und dabei in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt. Wenn der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung einander widersprechen, ist für die rechtliche Einordnung des Vertrages die tatsächliche Durchführung maßgebend.
(2) Für die Feststellung, ob jemand in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt, ist eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Für diese Gesamtbetrachtung ist insbesondere maßgeblich, ob jemand
a. nicht frei darin ist, seine Arbeitszeit oder die geschuldete Leistung zu gestalten oder seinen Arbeitsort zu bestimmen,
b. die geschuldete Leistung überwiegend in Räumen eines anderen erbringt,
c. zur Erbringung der geschuldeten Leistung regelmäßig Mittel eines anderen nutzt,
d. die geschuldete Leistung in Zusammenarbeit mit Personen erbringt, die von einem anderen eingesetzt oder beauftragt sind,
e. ausschließlich oder überwiegend für einen anderen tätig ist,
f. keine eigene betriebliche Organisation unterhält, um die geschuldete Leistung zu erbringen,
g. Leistungen erbringt, die nicht auf die Herstellung oder Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder eines bestimmten Arbeitserfolges gerichtet sind,
h. für das Ergebnis seiner Tätigkeit keine Gewähr leistet.
(3) Das Bestehen eines Arbeitsvertrages wird widerleglich vermutet, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch insoweit das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt hat."
Kritisch ist anzumerken, dass solche Übernahmeaktionen, d.h. die Überführung einer langjährigen Rechtsprechung in das Gesetz, die materielle Rechtslage nicht ändert, und falls, dann unbemerkt von den Gesetzesverfassern und dementsprechend mit unbeabsichtigten Folgen. Es ist daher kaum zu erwarten, dass ein solcher "neuer" Paragraph den missbräuchlichen Einsatz von Scheinselbständigkeit und Scheinwerkverträgen erschwert oder es den Arbeitsgerichten erleichtert, eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen.
Sinnvoller als ein weitgehendes Abschreiben von rechtlichen Prüfungspunkten aus Gerichtsurteilen und Kommentaren wäre es z.B., wenn man die Darlegungs- und Beweislast beim Streit um das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zugunsten des Sachleistungsschuldners bzw. zulasten des Auftraggebers / möglichen Arbeitgebers ändern würde. Die in Absatz (3) der Neuregelung enthaltene Vermutung ist da ein Schritt in die richtige Richtung.
Fazit: Positive Auswirkungen für die Leiharbeitnehmer sind fraglich, Tarifverträge werden abgewertet
Die geplanten Änderungen bringen zwar rechtliche Klarheit in der Frage, was ein "vorübergehender" Einsatz von Leiharbeitnehmer ist, denn künftig steht fest, dass ein Einsatz in demselben Entleiherbetrieb nicht länger als maximal 18 Monate dauern darf. Fraglich ist allerdings, ob diese Grenze in vielen Fällen zum Tragen kommt, da zu befürchten ist, dass viele Zeitarbeitsfirmen ihre Arbeitnehmer bereits nach neun bzw. zwölf Monaten abziehen, um dem andernfalls drohenden "equal treatment" zu entgehen.
Denn "equal treatment" heißt ja nicht nur, dass Leiharbeitnehmer ab dem zehnten bzw. dreizehnten Monat denselben Lohn wie die Stammkräfte erhalten müssen, sondern auch alle übrigen Leistungen wie z.B. Sachleistungen, KiTa-Plätze, Urlaubstage usw. Diese betrieblichen Zusatzleistungen zu ermitteln und in Geld umzurechnen, ist aufwendig für die Zeitarbeitsfirma und ihren Kunden, den Entleiher.
Werden Leiharbeitnehmer aber spätestens nach dem zwölften Monat von einem Entleiher mit attraktiven Branchentariflöhnen für die dortige Stammbelegschaft abgezogen, verlieren sie die - mittlerweile in vielen Branchen üblichen - Branchenzuschläge, d.h. es drohen Lohneinbußen für Leiharbeitnehmer.
Hier fragt sich, ob es nicht besser wäre, eine starre Höchsteinsatzgrenze davon abhängig zu machen, dass der Leiharbeitnehmer nicht in den Genuss von Branchenzuschlägen kommt. Dann könnten die relativ gut bzw. nahe an der Stammbelegschaft vergüteten Leiharbeitnehmer ihre Einkommen behalten.
Eine solche Lösung würde auch die tarifliche Regulierung der Leiharbeit stärken, die in den letzten Jahren viele deutliche Verbesserungen für die Leiharbeitnehmer gebracht hat.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze, vom 16.11.2015
- Koalitionsvertrag der SPD, CDU und CSU "Deutschlands Zukunft gestalten" vom 27.11.2013
- Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V., Kurzstellungnahme zum "Diskussionsentwurf " des BMAS zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, vom 17.11.2015
- IG Metall zoom: Stellungnahme der IG Metall vom 18.11.2015 zum AÜG-Gesetzentwurf
- Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung, Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17.02.2011, BT-Drs. 17/4804
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.12.2013, 9 AZR 51/13
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10.07.2013, 7 ABR 91/11
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.10.2011, 1 AZR 335/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit, Zeitarbeit)
- Handbuch Arbeitsrecht: Scheinselbständigkeit
- Handbuch Arbeitsrecht: Weisungsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 17/290 Schwellenwerte bei Massenentlassungen und Zeitarbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 17/128 Massenentlassungsanzeige und Leiharbeitnehmer
- Arbeitsrecht aktuell: 17/009 Rotkreuzschwestern sind Arbeitnehmerinnen
- Arbeitsrecht aktuell: 16/161 Gesetzentwurf zur Zeitarbeit 2016
- Arbeitsrecht aktuell: 16/106 Gesetzliche Definition des Arbeitnehmerbegriffs
- Arbeitsrecht aktuell: 15/321 Aufsichtsratswahl und Leiharbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 13/364 Dauerhafte Leiharbeit lässt die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht entfallen
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Letzte Überarbeitung: 13. November 2020
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