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ARBEITSRECHT AKTUELL // 16/022

LAG Düs­sel­dorf: Kün­di­gung we­gen Schlä­ge­rei

Schwer­be­hin­der­ter Ar­beit­neh­mer we­gen Schlä­ge­rei mit Ar­beits­kol­le­gen rechts­wirk­sam frist­los ge­kün­digt: Lan­des­ar­beits­ge­richt Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 22.12.2015, 13 Sa 957/15
Verhaftung Mann Straf­ge­set­ze müs­sen auch beim Kar­ne­val be­ach­tet wer­den

19.01.2016. Kippt die Stim­mung auf ei­ner be­trieb­li­chen Kar­ne­vals­fei­er, kann es zu kör­per­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Kol­le­gen kom­men. Je nach den Um­stän­den macht man sich da­mit straf­bar. Denn die Straf­ge­set­ze gel­ten auch in der fünf­ten Jah­res­zeit.

Au­ßer­dem ris­kiert man mit kör­per­li­chen An­grif­fen auf Kol­le­gen sei­nen Job. Kör­per­ver­let­zun­gen zu­las­ten von Ar­beits­kol­le­gen sind im­mer auch ei­ne Miss­ach­tung ar­beits­ver­trag­li­cher Pflich­ten.

Dass in sol­chen Fäl­len auch lan­ge Be­schäf­ti­gungs­zei­ten und Son­der­kün­di­gungs­schutz nicht vor ei­ner au­ßer­or­dent­li­chen und frist­lo­sen Kün­di­gung schüt­zen, zeigt ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Düs­sel­dorf: LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 22.12.2015, 13 Sa 957/15 (Pres­se­mel­dung).

Frist­lo­se Kündi­gung als Re­ak­ti­on auf Tätlich­kei­ten im Be­trieb

Wer auf ei­ner Be­triebs­fei­er ei­nen Kol­le­gen, Mit­ar­bei­ter oder Vor­ge­setz­ten körper­lich miss­han­delt, d.h. schlägt, tritt, würgt oder in an­de­rer Wei­se tätlich an­greift, ver­letzt sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten so schwer, dass der Ar­beit­ge­ber im All­ge­mei­nen mit ei­ner außer­or­dent­li­chen und frist­lo­sen Kündi­gung re­agie­ren kann.

Ei­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung ist bei ei­nem sol­chen Ver­hal­ten im Nor­mal­fall nicht er­for­der­lich, egal wie wild die Fei­er war und ob sie während oder außer­halb der Ar­beits­zei­ten statt­ge­fun­den hat.

Tätlich­kei­ten sind da­her im All­ge­mei­nen ein "wich­ti­ger Grund" für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung im Sin­ne von § 626 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB). Denn wer sich zu ei­ner sol­chen Ent­glei­sung hin­reißen lässt, muss da­mit rech­nen, dass der Ar­beit­ge­ber dar­auf mit ei­ner (frist­lo­sen) Kündi­gung re­agie­ren wird. Hier spielt auch ei­ne Rol­le, dass der Ar­beit­ge­ber auf­grund sei­ner Fürsor­ge­pflicht ge­genüber den (po­ten­ti­el­len) Op­fern sol­cher Tätlich­kei­ten Wie­der­ho­lungsfälle ver­hin­dern muss.

Al­ler­dings braucht der Ar­beit­ge­ber bei ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung nicht nur ei­nen im Nor­mal­fall für ei­ne so­for­ti­ge Ent­las­sung aus­rei­chen­den "wich­ti­gen Grund", son­dern es muss auch die In­ter­es­sen­abwägung im Ein­zel­fall zu­guns­ten der Kündi­gung spre­chen. Das kann zwei­fel­haft sein, wenn der Mis­setäter schon sehr lan­ge beschäftigt ist und als Schwer­be­hin­der­ter ei­nen be­son­de­ren Schutz vor Kündi­gun­gen ge­nießt.

Der Fall des LAG Düssel­dorf: Sach­be­ar­bei­ter ver­liert auf Kar­ne­vals­fei­er die Ner­ven und stößt Ar­beits­kol­le­gen ein Bier­glas ins Ge­sicht

Ge­klagt hat­te ein schwer­be­hin­der­ter Ar­beit­neh­mer, der seit 28 Jah­ren als Einkäufer beschäftigt war. Während der Wei­ber­fast­nacht 2015 nahm er an ei­ner be­trieb­li­chen Kar­ne­vals­fei­er teil. Wie bei der Wei­ber­fast­nacht üblich ver­such­ten zwei Kol­le­gin­nen, ihm sei­ne Kra­wat­te ab­zu­schnei­den. Das ge­lang ih­nen aber nicht, und statt sich zu amüsie­ren, wur­de der Einkäufer zu­neh­mend schlech­ter ge­launt.

Sch­ließlich kam es zu ei­ner körper­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen ihm und ei­nem Kol­le­gen, in de­ren Ver­lauf der Einkäufer dem Kol­le­gen in den Un­ter­leib ge­tre­ten und in das Ge­sicht ge­schla­gen ha­ben soll. Außer­dem soll er ihm Bier ins Ge­sicht geschüttet und das lee­re Bier­glas so­dann in das Ge­sicht ges­toßen ha­ben, wo­bei das Bier­glas zer­split­tert sei.

Die­se Ge­schich­te muss­te wohl im We­sent­li­chen stim­men, denn es kam ein Not­arzt und zog dem miss­han­del­ten Ar­beits­kol­le­gen meh­re­re Glas­split­ter aus der Stirn. Außer­dem hat­te ei­ne Über­wa­chungs­ka­me­ra das Ge­sche­hen auf­ge­zeich­net.

Der Ar­beit­ge­ber erklärte dar­auf­hin nach Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes und Anhörung des Be­triebs­ra­tes die frist­lo­se Kündi­gung. Der Verkäufer er­hob Kündi­gungs­schutz­kla­ge, die al­ler­dings vom Ar­beits­ge­richt Düssel­dorf ab­ge­wie­sen wur­de (Ur­teil vom 31.07.2015, 11 Ca 1836/15). Da­ge­gen leg­te er Be­ru­fung zum LAG Düssel­dorf ein.

LAG Düssel­dorf: Kündi­gung we­gen Schläge­re rech­tens

Das LAG wies die Be­ru­fung des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers zurück. Ihm zu­fol­ge war die frist­lo­se Kündi­gung zulässig bzw. wirk­sam.  

In der münd­li­chen Ver­hand­lung be­rief sich der Einkäufer auf ei­ne krank­heits­be­ding­te Angststörung: Während der Kar­ne­vals­fei­er sei er zunächst von den Kol­le­gin­nen, die ihm die Kra­wat­te ab­schnei­den woll­ten, be­lei­digt wor­den. Auch sein Kol­le­ge ha­be ihn fortwährend und auch während der körper­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung be­lei­digt. Der Einkäufer ha­be ihn des­halb zunächst von sich weg­ges­toßen und dann nach ihm ge­tre­ten, oh­ne ihn zu berühren. Letzt­lich ha­be er befürch­tet, der Mit­ar­bei­ter wer­de ihn an­grei­fen. Da­nach könne er sich an nichts mehr er­in­nern. 

Die­ses Vor­brin­gen über­zeug­te die Düssel­dor­fer Rich­ter nicht. Ih­nen genügte der im We­sent­li­chen un­strei­ti­ge Ge­walt­aus­bruch für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung. Da­mit bestätigt das LAG das Ur­teil sei­ner Vor­in­stanz.

Fa­zit: Auch in der Kar­ne­vals­zeit gibt es kei­nen ar­beits­recht­li­chen Frei­fahrt­schein für Schläge­rei­en. Wer Kol­le­gen körper­lich an­greift oder ver­letzt, ris­kiert ei­ne frist­lo­se Kündi­gung. Dar­an ändern auch lan­ge Beschäfti­gungs­zei­ten und das Be­ste­hen von Son­derkündi­gungs­schutz als Schwer­be­hin­der­ter nichts. 

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das LAG sei­ne Ent­schei­dungs­grün­de ver­öf­fent­licht. Das voll­stän­dig be­grün­de­te Ur­teil des LAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 7. Juni 2020

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