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ArbG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2010, 10 Ca 2697/10
Schlagworte: | Lohnsteuer, Lohn und Gehalt, Nettolohnvereinbarung | |
Gericht: | Arbeitsgericht Düsseldorf | |
Aktenzeichen: | 10 Ca 2697/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 24.09.2010 | |
Leitsätze: | Schließen die Arbeitsvertragsparteien ohne weitere Absprachen eine Nettolohnvereinbarung zu einem Zeitpunkt, in dem die ledige Klägerin die Lohnsteuerklasse I hat, so ist der Arbeitgeber auch nach der Heirat der Arbeitnehmerin und einem Wechsel in die Lohnsteuerklasse V verpflichtet, die Lohnsteuer vollständig zu tragen. Die Nettolohnvereinbarung ist nicht ergänzend auszulegen (abweichend von BAG 6.7.1970 - 5 AZR 523/69). Der Verpflichtung kann nur im Falle des Hinzutretens weiterer Umstände der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegen gehalten werden. | |
Vorinstanzen: | ||
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche der Klägerin aufgrund einer Nettolohnvereinbarung.
Die Beklagte suchte im Herbst 2003 eine Arzthelferin. Auf Vermittlung einer Mitarbeiterin der Beklagten, der als Zeugin benannten Frau G., kam es im September 2003 zu einem Gespräch zwischen den Parteien. Die Klägerin wies die Beklagte darauf hin, dass sich eine Aufgabe ihrer Arbeitsstelle in Wuppertal und ein Wechsel zur Beklagten für sie nur Lohne, wenn sie mindestens 1.500,00 Euro netto verdiene. In der Folgezeit schlossen die Parteien unter dem Datum des 3.10.2003 mit Wirkung zum 1.11.2003 einen schriftlichen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit der Klägerin bei der Beklagten als Arzthelferin im OP-Bereich (vgl. Anlage K 1, Bl. 5 ff d.A.). In § 4 des Vertrags ist unter der Überschrift "Vergütung" geregelt:
"Das Gehalt beträgt monatlich netto € 1.500. Es wird nachträglich zum Ende eines Monats ausgezahlt.
Mehrarbeit in geringem Umfang ist durch dieses Gehalt abgegolten."
In dem Vertragsformular war ursprünglich die Formulierung "brutto DM" vorgesehen. Diese wurde durchgestrichen und handschriftlich ersetzt durch "netto €".
Die im Dezember 1980 geborene Klägerin, die noch ihren Mädchennamen trug, hatte bei Abschluss des Arbeitsvertrags die Lohnsteuerklasse I. Die Klägerin heiratete in der Folgezeit und wechselte im Jahre 2005 im Hinblick auf die Elternzeit nach der Geburt ihres ersten Kindes in die Lohnsteuerklasse V. Die Elternzeit nach der Geburt des zweiten Kindes endete am 25.1.2009 aufgrund des Todes des Kindes. Die Beklagte sprach gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 28.1.2009 eine fristgemäße Kündigung aus. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit Ablauf des 28.2.2009 aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs, der im schriftlichen Verfahren unter dem Aktenzeichen Arbeitsgericht Düsseldorf 2 Ca 652/09 geschlossen wurde (vgl. Anlage K 2, Bl. 8 d.A.). Nach Nr. 2 des Vergleichs, der durch Beschluss vom 17.3.2009 festgestellt wurde, verpflichteten sich die Parteien, das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß abzuwickeln und abzurechnen.
Die Beklagte zahlte der Klägerin für den Monat Januar 2009 einen Nettobetrag iHv. 286,96 Euro aus. Ausweislich der Lohnabrechnung vom 24.4.2009 (Anlage K 3, Bl. 10 d.A.) legte die Beklagte dabei einen Bruttolohnanspruch iHv 430,30 Euro und die Lohnsteuerklasse V zu Grunde. Für den Monat Februar 2009 brachte die Beklagte an die Klägerin einen Nettobetrag iHv. 1.089,23 Euro zur Auszahlung. Ausweislich der Lohnabrechnung vom 28.5.2009 (Anlage K 4, Bl. 11 d.A.) ging die Beklagte dabei von einem Bruttolohnanspruch iHv. 2.411,45 Euro aus.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, unabhängig von dem Wechsel in die Lohnsteuerklasse V den vollen im schriftlichen Arbeitsvertrag vereinbarten Nettobetrag auszuzahlen. Dazu behauptet die Klägerin, sie habe in dem Gespräch im Jahr 2003 erklärt, dass der Betrag von 1.500,00 Euro netto/monatlich in jedem Fall garantiert sein müsse. Dies sei Grundlage für den Arbeitsvertrag gewesen. Dass die Beklagte überhaupt eine Rückrechnung auf den aufzuwendenden Bruttobetrag vorgenommen habe, bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 423,81 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.5.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Arbeitsvertrag sei ergänzend dahingehend auszulegen, dass ihr durch einen Wechsel der Klägerin in die Lohnsteuerklasse V kein Nachteil entstehen dürfe. Die Beklagte behauptet, sie habe vor Abschluss des Arbeitsvertrags anhand der von der Klägerin angegebenen Lohnsteuerklasse ermittelt, wie viel sie insgesamt zahlen müsse. Weil das ermittelte Bruttoergebnis in den Rahmen bei der Beklagten gepasst habe, sei der Vertrag so abgefasst worden, wie er nun vorliege. Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe versucht, durch den Wechsel ihrer Steuerklasse ihre Steuerlast zu erhöhen, diese von der Beklagten zahlen zu lassen und sich genau diesen Betrag dann wiederum vom Staat zurück zu holen. Dies gelte in besonderem Maß, weil die Klägerin im Kammertermin angegeben habe, ihr Ehemann verdiene ca. 2.100,00 Euro bis 2.300 Euro brutto als Kraftfahrer. Die Beklagte meint, sie sei daher berechtigt gewesen, für Januar und Februar 2009 ausgehend von einem Nettolohn von 1.500,00 Euro den sich bei Steuerklasse I ergebenden Bruttolohn zu errechnen und diesen Bruttolohn sodann mit der von der Klägerin gewählten Steuerklasse V wieder auf netto herabzurechnen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A. Die zulässige Leistungsklage ist auch überwiegend begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung weiterer 414,13 Euro netto.
I.Der auf gerichtlichen Hinweis (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO) im Kammertermin in sachdienlicher Weise geänderte Klageantrag ist zulässig. Die Nettolohnklage ist zulässig, sie ist insbesondere hinreichend bestimmt i.S.von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. BAG 26.02.2003 - 5 AZR 223/02 - zu I der Gründe mwN, AP BGB § 611 Nettolohn Nr. 13; vgl. auch HWK/Thüsing 3. Aufl. BGB § 611 Rn. 97).
II.Der Klägerin steht der Zahlungsanspruch iHv. 414,13 Euro netto aus Ziffer 2 des Vergleichs vom 17.3.2009 iVm. § 4 des Arbeitsvertrags vom 3.10.2003 zu. Für die Monate Januar und Februar 2009 stehen der Klägerin insgesamt 1.790,32 Euro netto zu. Dieser Anspruch wurde von der Beklagten nur im Umfang von 1.376,19 Euro erfüllt.
1.In Bezug auf die Januar-Vergütung war die Klage teilweise abzuweisen. Entgegen der Ansicht der Klägerin stehen ihr für diesen Monat nur weitere 3,36 Euro netto zu. Die Klägerin befand sich bis zum Ablauf des 24.1.2009 in Elternzeit. Für die verbleibenden 6 Kalendertage stehen ihr 1.500 Euro dividiert durch 31 mal 6 gleich 290,32 Euro zu. Auf diesen Anspruch hat die Beklagte 286,96 Euro gezahlt.
Für den Monat Februar mach die Klägerin zutreffend eine Differenz von 410,77 Euro netto geltend.
2.Die Regelung in § 4 Satz 1 des Arbeitsvertrags ist nicht ergänzend dahingehend auszulegen, dass die Beklagte im Falle eines Wechsels der Klägerin in die Steuerklasse V berechtigt war, den Nettolohnanspruch der Klägerin in dem Umfang zu kürzen, der sich ergibt, wenn man den Bruttolohn anhand der Steuerklasse I ermittelt und sodann nach Steuerklasse V abrechnet.
a)Die ergänzende Vertragsauslegung hat den Zweck, Lücken in der rechtsgeschäftlichen Regelung zu schließen. Der Vertrag muss daher eine "planwidrige Regelungslücke" aufweisen (vgl. BAG 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 25 mwN, juris; MüKoBGB/Busche 5. Aufl. § 157 Rn. 37 ff.). Dabei ist gleichgültig, ob diese Lücke von Anfang an bestanden hat oder erst nachträglich entstanden ist. Eine planwidrige Unvollständigkeit liegt dann vor, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BAG 21.4.2009 - 3 AZR 695/08 - Rn. 21 mwN, NZA 2010, 572). Lässt sich eine planwidrige Unvollständigkeit feststellen, so ist diese durch eine angemessene Regelung zu ergänzen. Abzustellen ist darauf, was die Parteien bei einer Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten; dabei ist der Vertragsinhalt Stütze und Richtlinie.
b)Bei Anwendung dieser Grundsätze besteht kein Anlass zur ergänzenden Auslegung des Vertrags, weil die Klägerin nach ihrer Heirat während ihrer Elternzeit in die Lohnsteuerklasse V gewechselt ist. Die Kammer folgt insofern nicht der Auffassung des Fünften Senats des BAG in der Entscheidung vom 6.7.1970 (- 5 AZR 523/69 - zu 3 der Gründe, AP BGB § 611 Nettolohn Nr. 1), nach der die bisherige vertragliche
Lohnregelung anpassungsbedürftig werden soll, wenn sich im Laufe des Arbeitsverhältnisses die bei Abschluss der Nettolohnvereinbarung bestehenden persönlichen Verhältnisse ändern, so dass sich erhebliche Änderungen der Abzüge des Arbeitnehmers ergeben. Nicht jede "erhebliche Änderung der Abzüge" muss außerhalb des Regelungsplans der Parteien liegen. Im Gegenteil, die Nettolohnabrede dient ja gerade dazu, den dem Arbeitnehmer auszuzahlenden Betrag auch bei einer Veränderung der Steuer- oder Sozialabgabenpflicht konstant zu halten. Zugleich ist damit festgelegt, zu wessen Gunsten oder Lasten eine Veränderung geht: Haben die Arbeitsvertragsparteien eine Nettolohnvereinbarung getroffen, hat der Arbeitgeber die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu tragen (BAG 24. 6. 2003 - 9 AZR 302/02 - zu AII 2 c) aa) der Gründe, NZA 2003, 1145; MüKoBGB/Müller-Glöge 5. Aufl. § 611 Rn. 837; Matthes DB 1969, 1339; HWK/Thüsing 3. Aufl. BGB § 611 Rn. 97). Ändern sich später die Grundlagen der Lohnsteuer, wirkt sich dies auf die Höhe des dem Arbeitnehmer zufließenden Zahlbetrags nicht aus (LAG Köln 6.9.1990 - 10 Sa 574/90 - LAGE § 611 BGB Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2; MüKoBGB/Müller-Glöge 5. Aufl. § 611 Rn. 837; Schaub/Linck HdbArbR 13. Aufl. § 71 Rn. 113; ErfK/Preis 10. Aufl. BGB § 611 Rn. 475; zwischen originärer und abgeleiteter Nettolohnvereinbarung differenzierend: Matthes DB 1969, 1339; Putzo Anm zu AP BGB § 611 Nettolohn Nr. 1; MünchHdbArbR/Krause 3. Aufl. § 55 Rn. 52). Dies gilt nach Auffassung der Kammer zumindest für solche Änderungen, die bei Abschluss der Vereinbarung vorhersehbar waren (vgl. BAG 21.4.2009 - 3 AZR 695/08 -, NZA 2010, 572; a.A. wohl LAG Köln aaO).
Durch die Vereinbarung eines Nettolohns hat sich die Beklagte zur Übernahme sämtlicher Steuern verpflichtet. Sie hat damit auch das Risiko - und die Chance - zukünftiger Änderungen der Steuerlast übernommen. Dabei war bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags die Möglichkeit absehbar, dass die Klägerin eines Tages heiraten würde. Ebenso sind keine Umstände vorgetragen, die die sichere Erwartung begründen konnten, dass die Klägerin nicht von der steuerlichen Wahlmöglichkeit der Steuerklassen III/V Gebrauch machen könnte. Die Übernahme der erhöhten steuerlichen Belastung lag mithin im Regelungsplan der Parteien.
3.Die Beklagte kann auch keine Anpassung des Arbeitsvertrags aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage verlangen. Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann nach § 313 BGB Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. In der Literatur wird teilweise die Lösung des Problems der geänderten Lohnsteuerklasse bei Nettolohnvereinbarung in diesem Rechtsinstitut gesucht (Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke Arbeitsrecht 2. Aufl. BGB § 611 Rn. 292).
In Bezug auf eine Störung der Geschäftsgrundlage kann offen bleiben, ob eine Steuerpflicht nach Steuerklasse I bei Abschluss des Arbeitsvertrags Geschäftsgrundlage war. Denn die Klägerin hatte bei Abschluss des Arbeitsvertrags auch tatsächlich die Steuerklasse I. Um zu einer Vertragsanpassung im Sinne der Beklagten zu kommen hätte vielmehr Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung sein müssen, dass die Klägerin auch zukünftig für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses in Steuerklasse I verbleibt und von sich ergebenden steuerrechtlichen Wahlmöglichkeiten keinen Gebrauch machen wird. Für eine solche Geschäftsgrundlage sind keine Anhaltspunkte vorgetragen.
Einer Vertragsanpassung steht im vorliegenden Fall zudem entgegen, dass die Beklagte durch die einschränkungslose Vereinbarung eines Nettolohns gerade das Risiko einer erhöhten Steuerlast übernommen hat. Insofern hat sich für sie nur das vertraglich übernommene Risiko verwirklicht. Eine Vertragsanpassung über § 313 BGB kommt nicht in Betracht.
4.Die Beklagte kann dem Zahlungsanspruch der Klägerin auch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegenhalten. Das setzt über die finanzielle Mehrbelastung des Arbeitgebers das Vorliegen weiterer Umstände voraus, die eine Rechtsausübung als unredlich kennzeichnen. Die Rechtsausübung des Arbeitnehmers muss als solche zu missbilligen sein, weil sie der Verfolgung eines rücksichtslosen Eigennutzes zum Nachteil des Arbeitgebers dient (Schaub/Linck HdbArbR 13. Aufl. § 71 Rn. 114). Ein Indiz hierfür kann es sein, wenn der Arbeitnehmer eine steuerrechtliche Gestaltung wählt, die für ihn an sich nachteilig ist (vgl. BAG 9.9.2003 - 9 AZR 554/02, AP ATG § 4 Nr. 2).
Die Klägerin wechselte unstreitig bereits 2005 im Hinblick auf ihre Elternzeit in die Lohnsteuerklasse V. Da sie selbst in dieser Zeit ohne Einkünfte war, ist diese steuerliche Gestaltung sinnvoll, weil sie zu einem erhöhten Auszahlungsbetrag bei ihrem Ehemann aufgrund seiner Behandlung nach Lohnsteuerklasse III führt. Ihr Verhalten war zu jenem Zeitpunkt mithin in keiner Weise unredlich. Das gilt auch für das Unterlassen eines Wechsels in die Steuerklasse III. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin bei einer unbefristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus vertraglicher Nebenpflicht gehalten gewesen wäre, eine andere steuerliche Gestaltung zu wählen, sofern ihr Ehemann dauerhaft weniger verdienen sollte als sie selbst. Entgegen der vom Beklagtenvertreter im Kammertermin geäußerten Ansicht hält die Kammer es nicht für ein unredliches Verhalten der Klägerin, dass sie nach dem Tod ihres Kindes nicht zum Zwecke der Abwicklung des bereits durch Kündigung vom 28.1.20009 zum 28.2.2009 beendeten Arbeitsverhältnisses unverzüglich einen Wechsel der Steuerklassen veranlasst hat.
B.Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt. Dabei wurde nicht der eingeklagte Nettobetrag, sondern die für die Beklagte entstehende wirtschaftliche Belastung zu Grunde gelegt.
Die Statthaftigkeit der Berufung ergibt sich für die Beklagte aufgrund ihrer Beschwer bereits aus § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG. Da der titulierte Betrag unter 600 Euro liegt, hat die Kammer wegen der Abweichung von der Entscheidung des Fünften Senats des BAG vom 6.7.1970 zudem nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG klarstellend zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
B e r u f u n g
eingelegt werden.
Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Berufung muss
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: (0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
gez. L.
10 Ca 2697/10
ARBEITSGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
der Frau O.,
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigter:Rechtsanwalt H.
gegen
die Frau Dr. med. Judita Mazancova, Grafenberger Allee 136, 40237 Düsseldorf,
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:Rechtsanwälte G.
hat die 10. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf
ohne mündliche Verhandlung am 09.11.2010
durch den Richter am Arbeitsgericht L. als Vorsitzenden
sowie den ehrenamtlichen Richter S. und den ehrenamtlichen Richter C.
b e s c h l o s s e n :
Der Tatbestand des Urteils vom 24.9.2010 wird dahingehend berichtigt, dass im zweiten Absatz der folgende Satz entfällt:
"Die Klägerin wies die Beklagte darauf hin, dass sich eine Aufgabe ihrer Arbeitsstelle in Wuppertal und ein Wechsel zur Beklagten für sie nur lohne, wenn sie mindestens 1.500,00 Euro netto verdiene."
Gründe:
Der gegen das dem Beklagtenvertreter am 18.10.2010 zugstellte Urteil form- und fristgerecht eingelegte Berichtigungsantrag ist zulässig. Ein Rechtsschutzinteresse für den Antrag ist zu bejahen. Es ist bei allen anfechtbaren Entscheidungen gegeben (Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 320 Rn. 10 mwN.). Insofern ist es unerheblich, dass es für die Entscheidung der Kammer auf die fragliche Tatsache nicht ankam.
Der Antrag ist auch begründet. Der Tatbestand des Urteils ist nach § 320 ZPO zu berichtigen. Die als unstreitig aufgenommene Tatsache war zwischen den Parteien streitig. Die Tatsache, dass die Klägerin in dem Gespräch vor Abschluss des Arbeitsvertrags darauf hingewiesen habe, dass sich eine Aufgabe ihrer Arbeitsstelle in Wuppertal und ein Wechsel zur Beklagten für sie nur lohne, wenn sie mindestens 1.500,00 Euro netto verdiene, wurde von der Klägerin unter Beweisantritt in der Klageschrift behauptet (Bl. 3 d.A.). Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 25.6.2010 (Bl. 41) behauptet, dass die Klägerin diese Äußerung in dem Gespräch nicht getätigt habe.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. L.S.C.
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